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Christian Morgensterns Poesie verbindet das Skurril-Komische mit dem Spirituellen, den kindlich-naiven Spieltrieb mit existentiellem Ernst. Seine Gedichte sind Spiel - und Ernst=Zeug", können oberflächlich als heiterer Nonsens genossen werden, oder, mit etwas Aufwand, als Sprachrätsel, die einen tieferen Sinn bedeuten. Darüber hinaus lohnt es sich, die Wortkunst Morgensterns in seinen weniger bekannten zeitlosen Epigrammen, Aphorismen und Sprüchen kennenzulernen, die sich durch verschmitzten Sprachwitz auszeichnen.
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Seitenzahl: 199
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»Man lacht sich krumm, bewundert hinterher, ernster geworden, eine tiefe Lyrik […] – und merkt zum Schluß, daß man einen philosophischen Satz gelernt hat.« TUCHOLSKY
Die Zeitlosigkeit Morgensterns zeigt sich in der humoristisch-skurrilen Doppeldeutigkeit seiner Gedichte und Sprüche: Sind sie auf der einen Seite gutmütiger Nonsens, lohnt sich auf der anderen Seite ein zweiter Blick, welcher schnell erkennen lässt: Morgenstern versteckt hinter der oberflächlichen Anmut seines Witzes tiefgreifende Wortkünste, deren Sinn sich nur dem achtsamen Leser eröffnet.
Nebst Morgensterns humoristischer Galgenpoesie enthält der vorliegende Band zudem Aphorismen, Sprüche, Epigramme und kleine lyrische Formen.
Unter Zeiten
Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).
Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.
CHRISTIAN MORGENSTERN
Christian Morgenstern
Das Mondschaf steht auf weiter Flur
Christian Morgenstern
Gedichte und Sprüche
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH,Hamburg BerlinBildnachweis: © Gerhard SchrödereBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0435-6
www.marixverlag.de
DER GINGGANZ UND VERWANDTES
PALMSTRÖM
Korf und Palmström wetteifern in Notturnos
Der Wasseresel und anderes
Zeitgedichte
Ein modernes Märchen
Nachlese zu Palmström und von Korf
MUHME KUNKEL, LORUS UND ZÄZILIE
Muhme Kunkel
Lorus
Zäzilie
PARODIEN UND DICHTERISCHE SPIELE
Parodien
Dichterische Spiele
GALGENLIEDER
NACHLESE ZUR GALGENPOESIE
Fünf Teufelslegendchen
KLAUS BURRMANN, DER TIERWELTPHOTOGRAPH
EPIGRAMME, SPRÜCHE UND KLEINE LYRISCHE FORMEN
STUFEN. EINE AUSWAHL
In me ipsum
Natur
Kunst
Literatur
Theater
Sprache
Politisches, Soziales
Kritik der Zeit
Ethisches
Lebensweisheit
Erziehung, Selbsterziehung
Psychologisches
Erkennen
Weltbild: Anstieg
Weltbild: Am Tor
ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER GEDICHTÜBERSCHRIFTEN UND -ANFÄNGE
Ein Stiefel wandern und sein Knecht
von Knickebühl gen Entenbrecht.
Urplötzlich auf dem Felde drauß
begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!
Der Knecht drauf: Es ist nicht an dem;
doch sagt mir, lieber Herre, –: wem?
Dem Stiefel gibt es einen Ruck:
Fürwahr, beim heiligen Nepomuk,
ich GING GANZ in Gedanken hin …
Du weißt, daß ich ein andrer bin,
seitdem ich meinen Herrn verlor …
Der Knecht wirft beide Arm’ empor,
als wollt’ er sagen: laß doch, laß!
Und weiter zieht das Paar fürbaß.
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da –
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum,
Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri – od – Ameriko.
Zwei Flaschen stehn auf einer Bank,
die eine dick, die andre schlank.
Sie möchten gerne heiraten.
Doch wer soll ihnen beiraten?
Mit ihrem Doppel-Auge leiden
sie auf zum blauen Firmament …
Doch niemand kommt herabgerennt
und kopuliert die beiden.
Ein blonder Korke spiegelt sich
in einem Lacktablett –
allein er säh sich dennoch nicht,
selbst wenn er Augen hätt!
Das macht, dieweil er senkrecht steigt
zu seinem Spiegelbild!
Wenn man ihn freilich seitwärts neigt,
zerfällt, was oben gilt.
O Mensch, gesetzt, du spiegelst dich
im, sagen wir, – im All!
Und senkrecht! – wärest du dann nicht
ganz in dem gleichen Fall?
Ein Würfel sprach zu sich: Ich bin
mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch ein Auge bloß
sieht immerdar, statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß.
Als dies die Erde, drauf er ruhte,
vernommen, ward ihr schlimm zu Mute.
Du Esel, sprach sie, ich bin dunkel,
weil dein Gesäß mich just bedeckt!
Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
sobald du dich hinweggefleckt.
Der Würfel, innerlichst beleidigt,
hat sich nicht weiter drauf verteidigt.
– »Ich bin der Graf von Réaumur
und hass’ euch wie die Schande!
Dient nur dem Celsio für und für,
Ihr Apostatenbande!«
Im Winkel König Fahrenheit
hat still sein Mus gegessen.
– »Ach Gott, sie war doch schön, die Zeit,
die man nach mir gemessen!«
Es lebt in Süditalien eine Weste
an einer Kirche dämmrigem Altar.
Versteht mich recht: Noch dient sie Gott aufs beste.
Doch wie in Adam schon Herr Hæckel war,
(zum Beispiel bloß), so steckt in diesem Reste
Brokat voll Silberblümlein wunderbar
schon heut der krause Übergang verborgen
vom Geist von gestern auf den Leib von morgen.
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
wäre besser ohne sie daran;
darum seh’ er, wie er ohne diese
(meistens mindstens) leben kann.
Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,
naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
und die Hummel ruft zum Sturm.
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
tut drum besser, wieder aufzustehn
und dafür in andre Paradiese
(beispielshalber: weg) zu gehn.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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