Das Patchwork-Mädchen von Oz - Die Oz-Bücher Band 7 - L. Frank Baum - E-Book

Das Patchwork-Mädchen von Oz - Die Oz-Bücher Band 7 E-Book

L. Frank Baum

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Beschreibung

Im 7. Band der Oz-Reihe - Das Patchwork-Mädchen von Oz - muß der Munchkin-Junge Ojo eine gefährliche Mission antreten, um seinen durch einen Zauber versteinerten Onkel zu retten. Das hatte der Bucklige Magier sich anders vorgestellt: Die Erschaffung eines belebten Patchwork-Mädchen als Dienstmagd für seine Frau geht so gründlich schief, daß nicht nur seine Frau zu Stein geworden ist, sondern auch das wiederbelebende Pulver verschüttet wurde. Nun setzt er seine ganze Hoffnung in den jungen Ojo, dessen Onkel bei demselben Vorfall ebenfalls versteinert wurde. Ojo soll die nötigen Zutaten für ein neues Zaubermittel beschaffen. Zu seiner Unterstützung begleiten ihn das Patchwork-Mädchen und eine gläserne Katze. Die Mission ist voller Gefahren, und der kleine Munchkin-Junge, der sein ganzes bisheriges Leben in einem abgeschiedenen Wald verbrachte, muß Einiges über das Leben lernen ... Empfohlenes Alter: 5 bis 10 Jahre. Große Schrift, auch für Leseanfänger geeignet.

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Nach dem Text der amerikanischen Erstausgabe von

“The Patchwork Girl of Oz” (1913)

übersetzt von Maria Weber

Inhalt.

Kapitel 1: Ojo und Unc Nunkie.

Kapitel 2: Der Bucklige Magier.

Kapitel 3: Das Patchwork-Mädchen.

Kapitel 4: Die Glaskatze.

Kapitel 5: Ein schrecklicher Unfall.

Kapitel 6: Die Reise.

Kapitel 7: Das lästige Grammophon.

Kapitel 8: Die törichte Eule und der kluge Esel.

Kapitel 9: Sie treffen den Woozy.

Kapitel 10: Der Zottige Mann eilt zur Rettung.

Kapitel 11: Ein guter Freund.

Kapitel 12: Das riesige Stachelschwein.

Kapitel 13: Scraps und die Vogelscheuche.

Kapitel 14: Ojo bricht das Gesetz.

Kapitel 15: Ozmas Gefangener.

Kapitel 16: Prinzessin Dorothy.

Kapitel 17: Ozma und ihre Freunde.

Kapitel 18: Ojo wird verziehen.

Kapitel 19: Ärger mit den Tottenhotten.

Kapitel 20: Der gefangene Yoop.

Kapitel 21: Hip Hüpfer, der Meisterringer.

Kapitel 22: Die scherzenden Gehörnten.

Kapitel 23: Der Frieden wird erklärt.

Kapitel 24: Ojo findet den Dunklen Brunnen.

Kapitel 25: Sie bestechen den faulen Quadling.

Kapitel 26: Der listenreiche Fluß.

Kapitel 27: Die Einwände des Blechmanns.

Kapitel 28: Der Wunderbare Zauberer von Oz.

Vorrede.

DURCH die Freundlichkeit von Dorothy Gale aus Kansas, der späteren Prinzessin Dorothy von Oz, wurde ein bescheidener Schriftsteller in den Vereinigten Staaten von Amerika einst zum Königlichen Historiker von Oz ernannt, mit dem Privileg, die Chronik dieses wunderbaren Märchenlandes zu schreiben. Aber nachdem er sechs Bücher über die Abenteuer jener interessanten, aber seltsamen Leute geschrieben hatte, die im Land von Oz leben, erfuhr der Historiker zu seinem Bedauern, daß durch ein Edikt der Obersten Herrscherin, Ozma von Oz, ihr Land fortan für alle unsichtbar sein sollte, die außerhalb seiner Grenzen lebten, und daß alle Kommunikation mit Oz zukünftig abgeschnitten sein würde.

Die Kinder, welche sich daran gewöhnt hatten, nach den Büchern über Oz Ausschau zu halten und die Geschichten über die heiteren und fröhlichen Bewohner dieses schönen Landes liebten, waren so traurig wie ihr Historiker, daß es keine Bücher mit Oz-Geschichten mehr geben würde. Sie schrieben viele Briefe, in denen sie fragten, ob der Historiker nicht von irgendwelchen Abenteuern wüßte, die geschahen, bevor das Land Oz vom Rest der Welt ausgeschlossen wurde. Aber er wußte von keinen. Schließlich erkundigte sich eines der Kinder, warum wir von Prinzessin Dorothy nicht per Funktelegraphie hören könnten, was ihr ermöglichen würde, dem Historiker zu erzählen, was auch immer im fernen Land von Oz geschah, ohne daß er sie sähe oder wüßte, wo Oz sich befand.

Das schien eine gute Idee zu sein. Also errichtete der Historiker einen hohen Turm in seinem Hinterhof und nahm Unterricht in Funktelegraphie, bis er alles verstand, und fing an, „Prinzessin Dorothy von Oz“, zu rufen, indem er Nachrichten in die Luft sandte.

Es war zwar nicht wahrscheinlich, daß Dorothy nach Funknachrichten suchte oder den Anruf beachtete; aber in einer Sache war der Historiker sicher, und das war, daß die mächtige Zauberin Glinda wissen würde, was er tat und daß er wünschte, mit Dorothy zu kommunizieren. Denn Glinda hat ein großes Buch, in dem jedes Ereignis, das irgendwo in der Welt stattfindet, genau in dem Moment aufgezeichnet wird, in dem es passiert, und so würde das Buch natürlich von der Funknachricht berichten.

Und so hörte Dorothy, daß der Historiker mit ihr sprechen wollte, und es gab im Land von Oz einen Zottigen Mann, der wußte, wie man eine Antwort funktelegraphierte. Das Ergebnis war, daß der Historiker so sehr darum bettelte, die letzten Neuigkeiten von Oz zu erfahren, damit er sie für die Kinder aufschreiben konnte, daß Dorothy die Erlaubnis von Ozma erbat und Ozma freundlicherweise einwilligte.

Deshalb wird den Kindern von Amerika nach zwei langen Jahren des Wartens eine weitere Oz-Geschichte präsentiert. Dies wäre nicht möglich gewesen, hätte nicht ein kluger Mann „den Funk“ erfunden und ein ebenso kluges Kind vorgeschlagen, das geheimnisvolle Land von Oz mit seinen Mitteln zu erreichen.

L. Frank Baum.

„OZCOT“

Hollywood, Kalifornien.

Kapitel 1.

Ojo und Unc Nunkie.

WO ist die Butter, Unc Nunkie?“, fragte Ojo.

Unc schaute aus dem Fenster und strich über seinen langen Bart. Dann wandte er sich an den Munchkin-Jungen und schüttelte den Kopf.

„Keine“, sagte er.

„Keine Butter da? Das ist aber schade, Unc. Wo ist denn die Marmelade?“, fragte Ojo, der auf einem Schemel stand, damit er durch alle Regale des Schrankes schauen konnte. Aber Unc Nunkie schüttelte wieder den Kopf.

„Verbraucht“, sagte er.

„Auch keine Marmelade? Und kein Kuchen – kein Gelee – keine Äpfel – nichts als Brot?“

„Ja“, sagte Unc und strich wieder über seinen Bart, als er aus dem Fenster schaute.

Der kleine Junge brachte den Schemel und setzte sich neben seinen Onkel, kaute langsam das trockene Brot und schien tief in Gedanken versunken zu sein.

„Nichts wächst in unserem Garten außer dem Brotbaum“, grübelte er, „und es gibt nur noch zwei weitere Brote auf diesem Baum, und die sind noch nicht reif. Sag mir, Unc, warum sind wir so arm?“

Der alte Munchkin drehte sich um und sah Ojo an. Er hatte freundliche Augen, aber er hatte schon so lange nicht mehr gelächelt oder gelacht, daß der Junge vergessen hatte, daß Unc Nunkie anders als ernst aussehen konnte. Und Unc sprach nie mehr Worte, als er mußte, und so hatte sein kleiner Neffe, der allein mit ihm lebte, lernen müssen, aus einem Wort viel herauszulesen.

„Warum sind wir so arm, Unc?“, wiederholte der Junge.

„Nicht“, sagte der alte Munchkin.

„Ich denke doch, daß wir es sind“, erklärte Ojo. „Was haben wir denn schon?“

„Haus“, sagte Unc Nunkie.

„Ich weiß, aber jeder im Land von Oz hat einen Platz zum Leben. Was sonst, Unc?“

„Brot.“

„Ich esse den letzten Laib, der reif ist. Dort, ich habe deinen Anteil beiseite gelegt, Unc. Er ist auf dem Tisch, dann kannst du ihn essen, wenn du hungrig wirst. Aber wenn das weg ist, was sollen wir essen, Unc?“

Der alte Mann rutschte auf seinem Stuhl herum, schüttelte aber nur den Kopf.

„Natürlich“, sagte Ojo, der sprechen mußte, weil sein Onkel es nicht tat, „verhungert auch niemand im Land von Oz. Es gibt genug zu essen für jeden, aber wenn das Essen zufällig gerade nicht bei dir ist, mußt du dorthin gehen, wo es ist.“

Der alte Munchkin zappelte wieder und starrte seinen kleinen Neffen an, als sei er von seiner Beharrlichkeit beunruhigt.

„Morgen früh“, fuhr der Junge fort, „müssen wir dorthin gehen, wo es etwas zu essen gibt, oder wir werden sehr hungrig und sehr unglücklich werden.“

„Wohin?“, fragte Unc.

„Wohin wir gehen sollen? Ich habe keine Ahnung“, antwortete Ojo. „Aber du mußt es wissen, Unc. Du mußt zu deiner Zeit gereist sein, weil du so alt bist. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, denn soweit ich mich zurückerinnern kann, haben wir immer hier in diesem einsamen, runden Haus gelebt, mit dem kleinen Garten dahinter und den dichten Wäldern ringsumher. Alles, was ich je vom großen Land Oz gesehen habe, ist der Blick auf diesen Berg im Süden, von dem man sagt, daß dort die Hammerköpfe leben – die niemanden an sich vorbeiziehen lassen – und diesen Berg im Norden, von dem man sagt, daß niemand dort lebt.“

„Eine“, korrigierte ihn Unc.

„Oh ja, richtig, eine Familie lebt dort. Das sind der Bucklige Magier, der Dr. Pipt heißt, und seine Frau Margolotte. Während eines Jahres hast du mir davon erzählt; ich glaube, du hast ein ganzes Jahr gebraucht, Unc, um so viel zu sagen, wie ich gerade über den Buckligen Magier und seine Frau gesagt habe: Sie leben hoch oben auf dem Berg, und das gute Land der Munchkins, wo die Früchte und Blumen wachsen, ist gleich auf der anderen Seite. Es ist schon lustig, daß du und ich hier ganz alleine leben, mitten im Wald, nicht wahr?“

„Ja“, sagte Unc.

„Dann laß uns gehen und das Land der Munchkins und seine fröhlichen, gutmütigen Leute besuchen. Ich würde gerne einmal etwas anderes als Wald sehen, Unc Nunkie.“

„Zu klein“, sagte Unc.

„Ach, ich bin nicht mehr so klein wie früher“, antwortete der Junge ernst. „Ich denke, ich kann so weit und so schnell durch den Wald gehen wie du, Unc. Und jetzt, wo nichts in unserem Garten wächst, das gut zu essen ist, müssen wir dahin gehen, wo es Essen gibt.“

Unc Nunkie antwortete eine Zeitlang nicht. Dann schloß er das Fenster und drehte seinen Stuhl vom Fenster weg, denn die Sonne versank hinter den Wipfeln und es wurde kühl.

Darauf schürte Ojo das Feuer und die Holzscheite loderten munter im geräumigen Kamin. Die beiden saßen lange im Feuerschein – der alte, weißbärtige Munchkin und der kleine Junge. Beide dachten nach. Als es draußen ziemlich dunkel wurde, sagte Ojo:

„Iß dein Brot, Unc, und dann gehen wir zu Bett.“

Aber Unc Nunkie aß das Brot nicht, und er ging auch nicht sofort zu Bett. Noch lange nachdem sein kleiner Neffe in der Ecke des Zimmers eingeschlafen war, saß der alte Mann am Feuer und dachte nach.

Kapitel 2.

Der Bucklige Magier.

ALS am Morgen die Dämmerung anbrach, legte Unc Nunkie zärtlich seine Hand auf Ojos Kopf und weckte ihn.

„Komm“, sagte er.

Ojo kleidete sich an. Er trug blaue Seidenstrümpfe, eine blaue Kniehose mit goldenen Schnallen, eine blaue gerüschte Weste und eine hellblaue Jacke, die goldverbrämt war. Seine Schuhe waren aus blauem Leder und an den Spitzen nach oben gebogen. Sein Hut war oben spitz und hatte eine flache Krempe, und um den Rand herum war eine Reihe winziger goldener Glocken angebracht, die klingelten, wenn er sich bewegte. Dies war die heimische Kleidung derjenigen, die das Munchkin-Land im Land von Oz bewohnten, so daß Unc Nunkies Kleidung der seines Neffen sehr ähnlich war. Anstelle von Schuhen trug der alte Mann Stiefel mit umgekrempelten Schäften und sein blauer Mantel hatte breite goldverbrämte Manschetten.

Der Junge bemerkte, daß sein Onkel das Brot nicht gegessen hatte, und nahm an, daß der alte Mann nicht hungrig gewesen war. Ojo jedoch war hungrig; also teilte er das Stück Brot, das auf dem Tisch lag, aß seine Hälfte davon zum Frühstück und spülte es mit frischem, kühlem Wasser aus dem Bach herunter. Unc steckte das andere Stück Brot in seine Jackentasche, woraufhin er wieder sagte, als er durch die Tür hinausging: „Komm.“

Ojo war sehr zufrieden. Er war es leid, allein im Wald zu leben und wollte reisen und andere Leute sehen. Schon lange wollte er das schöne Land von Oz erkunden, in dem sie lebten. Als sie draußen waren, ließ Unc die Tür einfach hinter sich zufallen und ging den Weg hinauf. Niemand würde in ihr kleines Haus eindringen, selbst wenn jemand so weit in den dichten Wald käme, während sie weg waren.

Am Fuß des Berges, der das Land der Munchkins vom Land der Gillikins trennte, teilte sich der Weg. Ein Weg führte nach links und der andere nach rechts – geradeaus den Berg hinauf. Unc Nunkie nahm diesen rechten Weg und Ojo folgte, ohne zu fragen, warum. Er wußte, daß es sie zum Haus des Buckligen Magiers bringen würde, den er nie gesehen hatte, obwohl er ihr nächster Nachbar war.

Den ganzen Morgen trotteten sie den Bergpfad hinauf, und mittags saßen Unc und Ojo auf einem umgestürzten Baumstamm und aßen das letzte Brot, das der alte Munchkin in seine Tasche gesteckt hatte. Dann gingen sie weiter und zwei Stunden später kam das Haus von Dr. Pipt in Sicht.

Es war ein großes Haus, rund wie alle Munchkin-Häuser und blau gestrichen, was die charakteristische Farbe des Landes der Munchkins ist. Um das Haus herum befand sich ein hübscher Garten, in dem blaue Bäume und blaue Blumen in Hülle und Fülle wuchsen und außerdem Beete mit blauen Kohlköpfen, blauen Karotten und blauem Salat standen, die alle köstlich schmeckten. In Dr. Pipts Garten wuchsen Brötchenbäume, Kuchenbäume, Windbeutelsträucher, blaue Butterblumen, die ausgezeichnete blaue Butter ergaben, und eine Reihe von Schokoladen-Karamell-Pflanzen. Wege aus blauem Kies trennten die Gemüse- und Blumenbeete und ein breiterer Weg führte zur Haustür. Der Ort lag auf einer Lichtung am Berg, aber ein Stück entfernt lag der düstere Wald, der ihn vollständig umgab.

Unc klopfte an die Tür des Hauses und eine mollige, freundlich aussehende Frau, ganz in Blau gekleidet, öffnete sie und begrüßte die Besucher mit einem Lächeln.

„Ach“, sagte Ojo, „Sie müssen die verehrte Margolotte, die gute Frau von Dr. Pipt sein.“

„Das bin ich, mein Lieber, und alle Fremden sind in meinem Zuhause willkommen.“

„Können wir den berühmten Magier sehen, gnädige Frau?“

„Er ist gerade sehr beschäftigt“, sagte sie und schüttelte zweifelnd ihren Kopf. „Aber kommt herein und laßt mich euch etwas zu essen geben, denn ihr müßt weit gereist sein, um zu unserem einsamen Wohnort zu kommen.“

„Oh ja“, antwortete Ojo, als er und Unc das Haus betraten. „Und wir sind von einem viel einsameren Ort als diesem gekommen.“

„Ein noch einsamerer Ort! Und im Land der Munchkins?“, rief sie aus. „Dann muß es irgendwo im Blauen Wald sein.“

„Ja, Frau Margolotte.“

„Du liebe Güte!“, sagte sie und sah den Mann an. „Sie müssen Unc Nunkie sein, bekannt als der Stille.“ Dann sah sie den Jungen an. „Und du mußt Ojo der Unglückliche sein“, fügte sie hinzu.

„Ja“, sagte Unc.

„Ich wußte nicht, daß ich der Unglückliche genannt wurde“, sagte Ojo ernst, „aber es ist wirklich ein guter Name für mich.“

„Nun“, bemerkte die Frau, als sie durch den Raum wirbelte, den Tisch deckte und Essen aus dem Schrank holte, „du hattest Pech, ganz allein in diesem tristen Wald zu leben, der viel schlimmer ist als der Wald hier in der Gegend; aber vielleicht wird dein Glück sich ändern, jetzt, wo du von dort weg bist. Wenn du es auf deinen Reisen schaffst, das ‚Un‘ zu Beginn deines Beinamens zu verlieren, wirst du Ojo der Glückliche werden, was eine großartige Verbesserung sein wird.“

„Aber wie kann ich das ‚Un‘ verlieren, Frau Margolotte?“

„Ich weiß nicht wie, aber du mußt die Sache im Hinterkopf behalten und vielleicht wird sich irgendwann die Gelegenheit ergeben“, antwortete sie.

Ojo hatte in seinem ganzen Leben noch nie ein so gutes Essen gegessen. Es gab einen schmackhaften dampfenden Eintopf, eine Schüssel mit blauen Erbsen, eine Schüssel mit süßer Milch von zartem Blau und einen blauen Pudding mit blauen Pflaumen darin. Als die Besucher reichlich gegessen hatten, sagte die Frau zu ihnen:

„Möchtet ihr Dr. Pipt geschäftlich oder aus Vergnügen sehen?“

Unc schüttelte den Kopf.

„Wir reisen“, antwortete Ojo, „und wir hielten nur bei Ihnen, um uns auszuruhen und zu erfrischen. Ich glaube nicht, daß Unc Nunkie sehr viel daran liegt, den berühmten Buckligen Magier zu sehen, aber ich bin neugierig auf einen so großartigen Mann.“

Die Frau schien nachdenklich.

„Ich erinnere mich, daß Unc Nunkie und mein Mann vor vielen Jahren Freunde waren“, sagte sie, „also werden sie sich vielleicht freuen, einander wiederzusehen. Der Magier ist sehr beschäftigt, wie gesagt, aber wenn ihr versprecht, ihn nicht zu stören, dürft ihr in seine Werkstatt kommen und zusehen, wie er einen wunderbaren Zauber vorbereitet.“

„Danke“, antwortete der Junge sehr erfreut. „Das würde ich sehr gerne tun.“

Sie führte sie zu einem großen Zimmer mit einer Gewölbedecke im hinteren Teil des Hauses, das die Werkstatt des Magiers war. Eine Reihe von Fenstern erstreckte sich um die Seiten des kreisförmigen Raumes, was den Raum sehr hell machte, und es gab eine Hintertür neben der, die zum vorderen Teil des Hauses führte. Vor der Fensterreihe war ein breiter Sitz gebaut, und daneben gab es einige Stühle und Bänke. An einem Ende stand ein großer Kamin, in dem ein blauer Baumstamm mit einer blauen Flamme loderte, und über dem Feuer hingen vier Kessel in einer Reihe, die alle blubberten und dampften. Der Magier rührte alle vier dieser Kessel zur gleichen Zeit, zwei mit seinen Händen und zwei mit seinen Füßen, an die er Holzkellen geschnallt hatte, denn dieser Mann war so sehr verkrümmt, daß seine Beine ebenso nützlich waren wie seine Arme.

Unc Nunkie trat vor, um seinen alten Freund zu begrüßen, aber da dieser ihm weder mit seinen Händen noch seinen Füßen die Hand schütteln konnte, da sie alle damit beschäftigt waren, zu rühren, tätschelte er den Glatzkopf des Magiers und fragte: „Was?“

„Ach, es ist der Stille“, bemerkte Dr. Pipt, ohne aufzuschauen, „und er will wissen, was ich mache. Nun, wenn sie ganz fertig ist, wird diese Mischung das wunderbare Pulver des Lebens sein, das niemand besser herstellen kann als ich. Wann immer es auf irgend etwas gestreut wird, wird dieses Ding sofort lebendig werden, egal was es ist. Ich brauche mehrere Jahre, um dieses magische Pulver herzustellen, aber nun freue ich mich zu sagen, daß es beinahe fertig ist. Ich mache es für meine gute Frau Margolotte, die etwas davon für ihre eigenen Zwecke verwenden will. Setz dich hin und mach es dir bequem, Unc Nunkie, und nachdem ich meine Arbeit beendet habe, werde ich mit dir reden.“

„Ihr müßt wissen“, sagte Margolottte, als sie alle zusammen auf dem breiten Fensterplatz saßen, „daß mein Mann beim ersten Mal närrischerweise das gesamte Lebenspulver der alten Mombi, der Hexe, gegeben hatte, die im Land der Gillikins, nördlich von hier, lebte. Mombi gab Dr. Pipt ein Pulver der ewigen Jugend im Austausch gegen sein Pulver des Lebens, aber sie betrog ihn boshaft, denn das Pulver der Jugend war zu nichts gut und konnte überhaupt keine Magie wirken.“

„Vielleicht konnte das Pulver des Lebens das auch nicht“, sagte Ojo.

„Doch, es ist perfekt“, erklärte sie. „Die erste Probe haben wir auf unserer Glaskatze getestet, die nicht nur zu leben begann, sondern seitdem weiterlebt. Sie ist jetzt irgendwo im Haus.“

„Eine Glaskatze!“, rief Ojo erstaunt aus.

„Ja, sie ist eine sehr angenehme Gefährtin, bewundert sich aber ein wenig mehr, als bescheiden wäre, und sie weigert sich leider, Mäuse zu fangen“, erklärte Margolotte. „Mein Mann hat der Katze ein rosa Gehirn gegeben, aber es erwies sich als zu edel und speziell für eine Katze, deshalb denkt sie, es sei ihr unwürdig, Mäuse zu fangen. Auch hat sie ein hübsches blutrotes Herz, aber es ist aus Stein – ein Rubin, denke ich – und ist daher ziemlich hart und gefühllos. Ich denke, die nächste Glaskatze, die der Magier macht, wird weder Verstand noch Herz haben, denn dann wird sie nichts dagegen haben, Mäuse zu fangen und kann sich für uns als nützlich erweisen.“

„Was hat die Hexe Mombi mit dem Lebenspulver gemacht, das Ihr Mann ihr gegeben hat?“, fragte der Junge.

„Sie hat Jack Kürbiskopf zum Leben erweckt“, war die Antwort. „Ich nehme an, du hast von Jack Kürbiskopf gehört. Er lebt jetzt in der Nähe der Smaragdstadt und ist ein enger Freund von Prinzessin Ozma, die das ganze Land von Oz regiert.“

„Nein, ich habe noch nie von ihm gehört“, bemerkte Ojo. „Ich fürchte, ich weiß nicht viel über das Land von Oz. Sehen Sie, ich habe mein ganzes Leben mit Unc Nunkie, dem Stillen, verbracht und es gab niemanden, der mir etwas erzählte.“

„Das ist ein Grund, warum du Ojo der Unglückliche bist“, sagte die Frau in einem mitfühlenden Ton. „Je mehr man weiß, desto glücklicher ist man, denn Wissen ist das größte Geschenk im Leben.“

„Aber sagen Sie mir bitte, was Sie mit dieser neuen Portion vom Pulver des Lebens machen wollen, das Dr. Pipt herstellt. Er sagte, Sie wollten es für einen besonderen Zweck?“

„Das stimmt“, antwortete sie. „Ich möchte, daß es mein Patchwork-Mädchen zum Leben erweckt.“

„Oh! Ein Patchwork-Mädchen? Was ist das?“, fragte Ojo, denn das schien noch seltsamer und ungewöhnlicher als eine Glaskatze.

„Ich denke, ich muß dir mein Patchwork-Mädchen zeigen“, sagte Margolotte und lachte über das Erstaunen des Jungen, „denn es ist ziemlich schwer zu beschreiben. Aber zuerst werde ich dir sagen, daß ich mich seit vielen Jahren nach einem Dienstmädchen gesehnt habe, das mir hilft, die Hausarbeit zu erledigen, die Mahlzeiten zu kochen und das Geschirr abzuwaschen. Aber es wollen keine Diener herkommen, weil der Ort so einsam und abgelegen ist, und mein schlauer Ehemann, der Bucklige Magier, schlug vor, aus irgendeinem Material ein Mädchen zu machen, und er würde sie dann zum Leben erwecken, indem er sie mit dem Pulver des Lebens bestreute. Das schien ein ausgezeichneter Vorschlag zu sein, und sofort machte sich Doktor Pipt an die Arbeit, um eine neue Portion seines magischen Pulvers herzustellen. Damit ist er schon eine lange, lange Zeit beschäftigt, und so hatte ich genug Zeit, um das Mädchen zu machen. Doch diese Aufgabe war nicht so einfach, wie man vielleicht annehmen könnte. Zuerst hatte ich keine Ahnung, woraus ich sie machen sollte, aber schließlich, als ich eine Truhe durchwühlte, bin ich auf einen alten Patchwork-Quilt gestoßen, den meine Großmutter einst gemacht hat, als sie jung war.“

„Was ist ein Patchwork-Quilt?“, fragte Ojo.

„Eine Bettdecke aus Flicken verschiedener Art und Farben, alles ordentlich zusammengenäht. Die Flicken haben alle möglichen Formen und Größen, weswegen ein Patchwork-Quilt sehr hübsch und wunderschön anzusehen ist. Manchmal nennt man sie eine „Verrückte Bettdecke“, weil die Flicken und Farben so bunt gemischt sind. Wir haben den bunten Patchwork-Quilt meiner Großmutter nie benutzt, so schön er auch ist, denn Munchkins interessieren sich für keine andere Farbe als blau, daher war er schon seit etwa hundert Jahren in der Truhe weggepackt. Als ich ihn gefunden hatte, sagte ich mir, daß er sich gut für mein Dienstmädchen eignen würde, denn wenn sie zum Leben erweckt würde, wäre sie nicht stolz oder hochmütig wie die Glaskatze, denn eine solch schreckliche Mischung von Farben würde sie davon abhalten, so würdevoll zu sein, wie die blauen Munchkins es sind.“

„Ist Blau die einzig respektable Farbe?“, fragte Ojo.

„Ja, für einen Munchkin. Unser ganzes Land ist blau, weißt du. Aber in anderen Teilen von Oz bevorzugen die Leute verschiedene Farben. In der Smaragdstadt, wo unsere Prinzessin Ozma lebt, ist Grün die bevorzugte Farbe. Aber alle Munchkins bevorzugen Blau, und wenn mein Hausmädchen zum Leben erweckt wird, wird sie sehen, aus wie vielen unpopulären Farben sie besteht, und es niemals wagen, rebellisch oder unverschämt zu sein, wie Diener dies manchmal sein mögen, wenn sie genauso wie ihre Herrinnen gemacht sind.“

Unc Nunkie nickte zustimmend.

„Gute Idee“, sagte er; und das war eine lange Rede für Unc Nunkie, weil es zwei Worte waren.

„Also zerschnitt ich die Steppdecke“, fuhr Margolotte fort, „und machte daraus ein sehr gut geformtes Mädchen, das ich mit Baumwollwatte füllte. Ich werde euch zeigen, was für eine gute Arbeit ich gemacht habe“, und sie ging zu einem großen Schrank und warf die Türen auf.

Dann kam sie zurück und zerrte das Patchwork-Mädchen in ihren Armen mit sich, das sie auf die Bank stellte und aufsetzte, damit die Gestalt nicht umfiele.

Kapitel 3.

Das Patchwork-Mädchen.

OJO betrachtete diese merkwürdige Gestalt mit Verwunderung. Das Patchwork-Mädchen war größer als er, als es aufrecht stand, und sein Körper war rund und plump, weil er so fest mit Baumwolle ausgestopft war. Margolotte hatte zuerst die Gestalt des Mädchens aus der Patchwork-Steppdecke gemacht, und dann hatte sie es mit einem Patchwork-Rock und einer Schürze mit Taschen darin bekleidet – aus dem gleichen farbenfrohen Material. An die Füße hatte sie ein Paar rote Lederschuhe mit spitzen Zehen genäht. Alle Finger der Hände des Mädchens waren sorgfältig geformt und ausgestopft, und an den Rändern genäht, mit Goldplatten an den Enden, die als Fingernägel dienten.

„Sie wird arbeiten müssen, wenn sie zum Leben erwacht“, sagte Margolotte.

Der Kopf des Patchwork-Mädchens war der außergewöhnlichste Teil von ihr. Während sie darauf wartete, daß ihr Mann sein Pulver des Lebens zu Ende brachte, hatte die Frau genügend Zeit gefunden, um den Kopf zu vervollständigen, wie sie es sich vorstellte, und sie erkannte, daß ein guter Dienerinnenkopf ordentlich konstruiert sein mußte. Die Haare waren aus braunem Garn und hingen in mehreren Zöpfen an ihrem Hals herab. Ihre Augen waren zwei silberne Hosenknöpfe aus einer alten Hose des Zauberers, und sie waren mit schwarzen Fäden angenäht, die die Pupillen der Augen bildeten. Margolotte hatte eine Weile über die Ohren gerätselt, denn diese waren wichtig, wenn die Dienerin deutlich hören sollte, aber schließlich hatte sie sie aus dünnen Goldplatten gemacht und sie mit Stichen durch winzige Löcher im Metall befestigt. Gold ist das häufigste Metall im Land von Oz und wird für viele Zwecke verwendet, weil es weich und biegsam ist.

Die Frau hatte für den Mund des Patchwork-Mädchens einen Schlitz geschnitten und zwei Reihen weißer Perlen als Zähne eingenäht, wobei sie einen Streifen scharlachroten Plüschs für eine Zunge benutzte. Diesen Mund fand Ojo sehr künstlerisch und lebensecht, und Margolotte freute sich, als der Junge sie dafür lobte. Es gab fast zu viele Flicken im Gesicht des Mädchens, um sie als schön anzusehen, denn eine Wange war gelb und die andere rot, ihr Kinn blau, ihre Stirn lila und die Mitte, wo ihre Nase geformt und aufgepolstert war, ein helles Gelb.

„Sie hätten ihr Gesicht ganz in rosa machen sollen“, meinte der Junge.

„Vielleicht, aber ich hatte kein rosa Tuch“, antwortete die Frau. „Trotzdem denke ich nicht, daß es wichtig ist, denn ich möchte, daß mein Patchwork-Mädchen eher nützlich als dekorativ ist. Wenn ich es müde werde, ihr geflicktes Gesicht anzusehen, kann ich es immer noch anmalen.“

„Hat sie Verstand?“, fragte Ojo.

„Nein, ich habe den Verstand völlig vergessen!“, rief die Frau aus. „Ich bin froh, daß du mich daran erinnert hast, denn es ist nicht zu spät, ihn einzufügen. Bis sie zum Leben erwacht ist, kann ich mit diesem Mädchen alles tun, was mir gefällt. Aber ich muß aufpassen, daß ich ihr nicht viel Verstand gebe, und der, den sie hat, muß so beschaffen sein, daß er zu dem Stand paßt, den sie im Leben haben soll. Mit anderen Worten, ihr Verstand darf nicht sehr gut sein.“

„Falsch“, sagte Unc Nunkie.

„Nein, ich bin mir sicher, daß ich recht habe“, erwiderte die Frau.

„Er meint“, erklärte Ojo, „daß, wenn Ihre Dienerin keinen guten Verstand hat, sie nicht wissen wird, wie man Ihnen richtig gehorcht, und auch nicht, was Sie von ihr verlangen.“

„Nun, das mag sein“, stimmte Margolotte zu, „aber dennoch wird eine Dienerin mit zu viel Verstand gewiß ein zu großes Unabhängigkeitsgefühl entwickeln, hochmütig werden und denken, daß sie zu gut für die Arbeit ist. Dies ist eine sehr heikle Aufgabe, wie ich sagte, und ich muß darauf achten, dem Mädchen genau die richtige Menge der richtigen Art von Verstand zu geben. Ich will, daß sie gerade genug weiß, aber nicht zuviel.“

Darauf ging sie zu einem anderen Schrank, der mit Regalen gefüllt war. In allen Regalen standen blaue Glasflaschen, die vom Magier sauber beschriftet worden waren, um zu zeigen, was sie enthielten. Ein ganzes Regal trug die Aufschrift: „Verstandesausstattung“, und die Flaschen auf diesem Regal waren wie folgt gekennzeichnet: „Gehorsam“, „Schläue“, „Urteilsvermögen“, „Mut“, „Einfallsreichtum“, „Liebenswürdigkeit“, „Lernfähigkeit“, „Aufrichtigkeit“, „Poesie“, „Selbstvertrauen“.

„Mal sehen“, sagte Margolotte, „von diesen Eigenschaften muß sie vor allen Dingen ‚Gehorsam‘ haben“, und sie nahm die Flasche mit dem Etikett heraus und schüttete mehrere Körnchen des Inhalts in eine Schüssel. „‚Liebenswürdigkeit‘ ist auch gut und ‚Aufrichtigkeit‘.“ Sie goß jede Menge dieser Flaschen in die Schale. „Ich denke, daß das ausreichen wird“, fuhr sie fort, „denn die anderen Qualitäten werden bei einer Dienerin nicht benötigt.“

Unc Nunkie, die mit Ojo neben ihr stand, berührte die Flasche mit der Aufschrift „Schläue“.

„Wenig“, sagte er.

„Ein bißchen ‚Schläue‘? Nun, vielleicht haben Sie recht, mein Herr“, sagte sie und wollte gerade die Flasche herunternehmen, als der Bucklige Magier sie plötzlich aufgeregt vom Kamin aus zu sich rief.

„Schnell, Margolotte! Komm und hilf mir.“

Sie rannte sofort an die Seite ihres Mannes und half ihm, die vier Kessel vom Feuer zu heben. Ihr Inhalt war verkocht, und am Boden jedes Kessels lagen ein paar Körner feinen weißen Pulvers. Sehr vorsichtig nahm der Magier dieses Pulver heraus und gab alles zusammen in eine goldene Schüssel, wo er es mit einem goldenen Löffel vermischte. Als die Mischung fertig war, ergab es kaum eine Handvoll.

„Das“, sagte Dr. Pipt in einem erfreuten und triumphierenden Ton, „ist das wunderbare Pulver des Lebens, das ich allein in der Welt herzustellen weiß. Ich habe fast sechs Jahre gebraucht, um diese kostbaren Staubkörner vorzubereiten, aber der kleine Haufen auf diesem Teller ist den Preis eines Königreichs wert, und so mancher König würde alles dafür geben, was er besitzt. Wenn es abgekühlt ist, werde ich es in eine kleine Flasche geben, aber in der Zwischenzeit muß ich es sorgfältig beobachten, damit kein Windstoß es wegbläst oder zerstreut.“

Unc Nunkie, Margolotte und der Magier schauten alle auf das wundersame Pulver, aber Ojo interessierte sich mehr für den Verstand des Patchwork-Mädchens. Er hielt es für ungerecht und herzlos, ihr jegliche guten Eigenschaften vorzuenthalten, die nützlich waren. Er nahm daher jede Flasche aus dem Regal und goß einen Teil des Inhalts in Margolottes Schüssel. Niemand beobachtete ihn dabei, denn alle schauten auf das Pulver des Lebens; aber bald erinnerte sich die Frau, wobei sie zuvor unterbrochen worden war, und kam zurück zum Schrank.

„Mal sehen“, bemerkte sie; „Ich wollte meinem Mädchen ein bißchen ‚Schläue‘ geben, das ist der Ersatz des Doktors für ‚Intelligenz‘ – eine Eigenschaft, von der er noch nicht gelernt hat, wie man sie herstellt.“ Sie nahm die Flasche mit der Aufschrift „Schläue“, und fügte etwas Pulver zu dem Häufchen in der Schüssel hinzu. Ojo wurde etwas unbehaglich, denn er hatte schon ziemlich viel ‚Schläue‘-Pulver in die Schüssel gegeben; aber er wagte nicht, etwas zu sagen, und so tröstete er sich mit dem Gedanken, daß man gar nicht schlau genug sein kann.

Margolotte trug jetzt die Schüssel mit Verstand zur Bank. Sie riß die Naht des Flickens auf der Stirn des Mädchens auf, legte das Pulver in den Kopf und vernähte die Naht so sauber und fest wie zuvor.

„Mein Mädchen ist bereit für dein Pulver des Lebens, mein Lieber“, sagte sie zu ihrem Ehemann. Aber der Magier antwortete:

„Dieses Pulver darf nicht vor morgen früh verwendet werden, aber ich denke, es ist jetzt kühl genug, um abgefüllt zu werden.“

Er wählte eine kleine goldene Flasche mit einem Pfefferstreuerdeckel, damit das Pulver durch die kleinen Löcher auf jedes Objekt gestreut werden konnte. Sehr sorgfältig schüttete er das Pulver des Lebens in die goldene Flasche und sperrte diese dann in eine Schublade seines Schrankes.

„Und nun“, sagte er und rieb sich fröhlich die Hände, „habe ich genug Zeit für ein gutes Gespräch mit meinem alten Freund Unc Nunkie. Also laßt uns gemütlich Platz nehmen und uns ausruhen. Nachdem ich diese vier Kessel seit sechs Jahren gerührt habe, bin ich froh, ein wenig Ruhe zu haben.“

„Sie werden das meiste reden müssen“, sagte Ojo, „denn Unc wird der Stille genannt und gebraucht nur wenige Worte.“

„Ich weiß, aber das macht deinen Onkel zu einem überaus angenehmen Kameraden“, erklärte Dr. Pipt. „Die meisten Leute reden zu viel, daher ist es eine Erleichterung, jemanden zu finden, der zu wenig redet.“

Ojo sah den Magier mit großer Ehrfurcht und Neugier an.

„Finden Sie es nicht sehr ärgerlich, so verkrümmt zu sein?“, fragte er.

„Nein, ich bin ziemlich stolz auf meine Person“, war die Antwort. „Ich nehme an, ich bin der einzige Bucklige Magier auf der ganzen Welt. Einige andere werden beschuldigt, bucklig zu sein, aber ich bin der einzige echte.“

Er war wirklich sehr verkrümmt und Ojo fragte sich, wie er es geschafft hatte, so viele Dinge mit solch einem verdrehten Körper zu tun. Als er sich auf einen schiefen Stuhl setzte, der auf ihn zugeschnitten war, befand sich eines seiner Knie unter dem Kinn und das andere in der Nähe seines Rückens; aber er war ein fröhlicher Mann und sein Gesicht zeigte einen angenehmen und freundlichen Ausdruck.

„Ich darf nur zu meiner eigenen Belustigung zaubern“, sagte er zu seinen Besuchern, als er eine Pfeife anzündete und anfing zu rauchen. „Im Land von Oz haben zu viele Menschen mit Magie gearbeitet, und so hat unsere liebe Prinzessin Ozma es verboten. Ich glaube, sie hatte recht damit. Es gab einige böse Hexen, die viel Ärger verursachten, aber jetzt ist keine von ihnen mehr im Geschäft, und nur Glinda die Gute, die große Zauberin, darf ihre Kunst ausüben, die niemals jemandem schadet. Der Zauberer von Oz, der früher ein Schwindler war und überhaupt nicht zaubern konnte, hat Unterricht bei Glinda genommen, und mir wurde gesagt, daß er ein ziemlich guter Zauberer sein wird, aber jetzt ist er nur der Assistent der großen Zauberin. Ich habe das Recht, ein Dienstmädchen für meine Frau zu machen, oder eine Glaskatze, um unsere Mäuse zu fangen – was sie ablehnt – aber es ist mir verboten, Magie für andere zu verwenden oder sie als Beruf zu benutzen.“

„Magie muß ein sehr interessantes Studium sein“, sagte Ojo.

„Das ist sie in der Tat“, versicherte der Magier. „Zu meiner Zeit habe ich einige magische Taten vollbracht, die der Fähigkeit von Glinda der Guten gleichkamen. Zum Beispiel gibt es das Pulver des Lebens und meine Versteinerungsflüssigkeit, die sich in der Flasche auf dem Regal dort drüben befindet – über dem Fenster.“

„Was macht die Versteinerungsflüssigkeit?“, fragte der Junge.

„Sie verwandelt alles, das sie berührt, in massiven Marmor. Es ist meine eigene Erfindung, und ich finde sie sehr nützlich. Einmal kamen zwei dieser schrecklichen Kalidahs mit Körpern wie Bären und Köpfen wie Tiger aus dem Wald hierher, um uns anzugreifen; aber nachdem ich etwas von dieser Flüssigkeit auf sie gesprengt hatte, verwandelten sie sich augenblicklich in Marmor. Ich verwende sie jetzt als Zierfiguren in meinem Garten. Dieser Tisch sieht für dich aus wie Holz, und einst war es wirklich Holz, aber ich habe ein paar Tropfen der Versteinerungsflüssigkeit darauf fallen lassen und jetzt ist es Marmor. Er wird niemals zerbrechen oder verschleißen.“

„Fein!“, sagte Unc Nunkie, wackelte mit dem Kopf und strich über seinen langen grauen Bart.

„Du liebe Güte, was für eine Quasselstrippe du bist, Unc“, bemerkte der Magier, der sich über das Kompliment freute. Aber gerade da ertönte ein Kratzen an der Hintertür und eine schrille Stimme rief:

„Laßt mich rein! Beeilt euch, los! Laßt mich rein!“

Margolotte stand auf und ging zur Tür.

„Dann frag wie eine gute Katze“, sagte sie.

„Miauuu! So, paßt das Eurer Königlichen Hoheit?“, fragte die Stimme höhnisch.

„Ja, so reden richtige Katzen“, erklärte die Frau und öffnete die Tür.

Sofort trat eine Katze ein, kam in die Mitte des Raumes und blieb stehen, als sie die Fremden sah. Ojo und Unc Nunkie starrten sie beide mit weit geöffneten Augen an, denn gewiß hatte noch nie zuvor solch ein seltsames Geschöpf existiert – nicht einmal im Land von Oz.

Kapitel 4.

Die Glaskatze.

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