Das Portal - Tom Cronin - E-Book

Das Portal E-Book

Tom Cronin

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Beschreibung

Wissenschaftler aller Disziplinen sind sich einig: Die Menschheit steht an einem Wendepunkt, an dem unser jetziges Tun über unser weiteres Leben auf diesem Planeten entscheidet. Auf einer individuellen Ebene bringt die Geschwindigkeit unseres modernen Alltags uns an die Grenze unserer Kräfte. Trotz großer technologischer Fortschritte und fast unbegrenztem Zugang zu Lebensmitteln fühlen wir uns desorientiert und überfordert. Die Werbung verspricht Erfüllung durch endlosen Konsum. Doch was wäre, wenn wir einen besseren, nachhaltigeren Weg finden könnten, ein gutes Leben zu leben? Eines, das uns zufrieden macht und den Planeten Erde nicht zerstört? Die Lösung der globalen und persönlichen Herausforderungen liegt in uns. Dieses Buch zeigt auf beeindruckende, berührende Weise, wie Meditation nicht nur unsere Seelen, sondern die Welt retten kann. Durch das sehr persönliche Zeugnis von sechs Menschen, deren Leben sich durch Meditation transformiert hat, und mittels Interviews mit Experten und Wissenschaftlern wird klar: Wer durch das Portal der Stille geht, wird sich und die Welt verändern.

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Tom Cronin|Jacqui Fifer

DASPORTAL

Wie Meditationdie Welt retten kann

Aus dem Englischen vonThomas Görden

Titel der englischen Originalausgabe: The Portal

© 2018 by Tom Cronin and Jacqui Fifer. All Rights Reserved.

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1. eBook-Ausgabe 2019

© der deutschsprachigen Ausgabe:

2019 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Redaktion: Désirée Schoen

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Layout & Satz: Robert Gigler, München

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-279-8

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Liebe Leserinnen und Leser,

Ihre Herausforderungen, Ihre Unruhe und Verwirrung, Ihre (und unsere) Höhen und Tiefen inspirierten uns zu diesem Buch. Mögen wir alle zu diesem ruhigen Sammelpunkt inmitten der Turbulenzen unseres Lebens finden, an dem unsere einzigartigen Geschichten und Perspektiven zusammenfließen und alles einen Sinn ergibt.

INHALT

Einleitung

1 | Die Programmierung beginnt

2 | Gefangen in einem System aus Gewinnernund Verlierern

3 | Eine neue Phase steht bevor

4 | Das Portal der Stille

Fazit

Eine Einführung in die Meditation

Empfehlenswerte Bücher, Filme, Podcasts und Links

Über die Mitwirkenden

Dank

Anmerkungen

Über die Autoren

»Mensch zu sein

ist ein brillantes Geschenk.«

RABBI RONNIE CAHANA

EINLEITUNG

Wie lassen sich die Turbulenzen des Lebens bewältigen? Das ist die große Frage, seit Jahrtausenden.

Die Menschheit rast gegenwärtig einem Augenblick der Entscheidung entgegen, an dem die Zukunft unserer Spezies davon abhängt, was wir als Nächstes tun. Experten für Wirtschaft, Umwelt, Technologie und humanitäre Fragen stimmen darin überein, dass wir uns einer kritischen Wegmarke nähern. Wenn wir unseren Kurs nicht rasch ändern, könnte es zu spät sein, um den Untergang des Lebens auf unserem Planeten noch abzuwenden. Der weltweit bekannte Intellektuelle Noam Chomsky beschrieb die Lage als äußerst kritisch, als schwere Krise, die zum Zusammenbruch der Zivilisation, wie wir sie kennen, führen kann, wenn wir nichts ändern – und zwar bald.1

Auf der persönlichen Ebene hat es den Anschein, dass fast jeder Mensch, dem wir begegnen, unter der Intensität des modernen Lebens leidet und darum ringt, inmitten all dieser unerbittlichen Turbulenzen Glück und innere Klarheit für sich zu finden. Moderne Technologien, das Internet, Smartphones: Das alles ist doch eigentlich dazu gedacht, uns das Leben zu erleichtern, oder? Zwar haben wir unglaubliche technologische Fortschritte erzielt und Zugang zu mehr Nahrung und Luxusgütern als je zuvor, aber wie geht es uns damit? Wir haben Wunden an Herz und Seele davongetragen, und viele Menschen können gar nicht sagen, ob alles besser wird oder schlechter.

Die Medien und die Gesellschaft drängen uns, Trost in schnellen Scheinlösungen und dem ewigen Streben nach »Mehr« zu suchen (was nach Ansicht vieler Menschen erheblich zu der gegenwärtigen Krise beigetragen hat). Doch was wäre, wenn es einen nachhaltigen Weg gibt, uns an den persönlichen Vorteilen eines gut gelebten Lebens zu erfreuen? An einer Lebensweise, die nicht den Planeten verwüstet, der uns alle ernährt und erhält? In diesem Buch geht es darum, was wir persönlich zu einer solchen Lösung beitragen können.

Als Transformations-Coach und Meditationslehrer hat Tom immer wieder erlebt, wie die Menschen sich in nicht nachhaltige Denk- und Verhaltensmuster verstricken, die für gewöhnlich veralteten Ansichten und Vorstellungen entspringen. In den meisten Fällen werden sich die Betroffenen dessen erst bewusst, wenn ein das ganze Leben veränderndes Ereignis oder eine persönliche Krise eintritt, sodass sie buchstäblich am Scheideweg stehen. In einer solchen Situation sinken sie entweder noch tiefer in negative Muster und Chaos (manchmal nehmen sie sich gar das Leben), oder es gelingt der Durchbruch zu einer geordneteren und weiterentwickelten Lebensweise, das heißt, sie machen ein »geistiges Update« und befreien sich von veralteten Programmierungen.

In den Veden, einer großen Sammlung heiliger Texte, verfasst vor über dreitausend Jahren in Indien, ist von einer alles durchdringenden katastrophischen Kraft die Rede, die selbst die schwierigsten Situationen aufzubrechen vermag. Die Phasen, in denen diese große Zerstörung auftritt, nennt man Rashi. Seine Kraft gilt als ein Element der Evolution. Wenn wir mit einem Rashi konfrontiert sind, zwingt uns das dazu, uns zu verändern. Entweder finden wir einen neuen Weg, oder wir geraten in eine sehr destruktive Situation: Menschen sterben, Ehen enden, Unternehmen brechen zusammen oder ganze Länder versinken in Chaos und Unruhen. Dieses Buch enthält Erfahrungsberichte von Menschen, die mit solchen Herausforderungen konfrontiert waren.

Wir Menschen sind eine sehr anpassungsfähige Spezies, und doch können wir unglaublich störrisch sein und uns hartnäckig gegen Veränderungen sträuben. In diesem Buch beschäftigen wir uns mit der Frage: Sind wir als Gesellschaft zwangsläufig an jene veralteten Verhaltensmuster gekettet, die uns in diese globale Krise führten – an eine Weggabelung, wo sich entscheidet, ob wir kollektiv einen Zusammenbruch erleiden oder einen Durchbruch schaffen? Und was können wir dazu beitragen, dass dieser Durchbruch gelingt?

Toms Geschichte

Meine eigene Krise – mein Rashi – und die darauffolgende Transformation wurden zu einer großen Inspiration für dieses Buch. Im Februar 1996 erlitt ich einen Nervenzusammenbruch, der gewissermaßen der Kulminationspunkt jahrelangen negativen Denkens und eines Lebens voller Exzesse jeglicher Art war: einer Sucht nach Erfolg, Geld und den Adrenalinschüben meiner Karriere als Börsenmakler. Obwohl ich mich wie in einer Falle fühlte, gefangen in einer Spirale aus Depression und Panik, was so weit ging, dass ich sogar daran dachte, meinem Leben ein Ende zu setzen, kam ich nicht auf die Idee, daran etwas zu ändern. Bis ich eines Morgens vor der Arbeit zu Hause zusammenbrach. Ich lag auf dem Boden und glaubte, ich hätte einen Herzinfarkt. Ich dachte: Das ist das Ende – und merkte, dass es mir im Grunde genommen egal war. Mit meinen heftigen Symptomen landete ich schließlich in der Klinik eines führenden Psychiaters, der mir Psychopharmaka verschrieb.

Die Medikamente bewirkten, dass ich mich weniger ängstlich fühlte, aber sie erzeugten auch ein Gefühl dumpfer Betäubung. Ich spürte noch weniger als vorher. Die Traurigkeit und Einsamkeit blieben, und tief drinnen war mir klar, dass mich das nicht weiterbrachte. Damals kam ich zum ersten Mal mit Meditation und fernöstlicher Philosophie in Kontakt. Und von diesem Zeitpunkt an änderte sich mein Leben.

Die Meditation war für mich wie ein Portal in eine andere Wirklichkeit. Die lähmende Angst wich einem inneren Frieden, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte. Ich konnte nachts wieder schlafen. Ich konnte das Haus verlassen und wieder unter Menschen gehen. Die schnelle Veränderung erstaunte mich zutiefst.

Seit Jahrtausenden haben Weise und spirituelle Meister immer wieder Erleuchtungserfahrungen gemacht. In Höhlen, Ashrams und Klöstern überall auf der Welt haben sie Glückseligkeit und bedingungslose Liebe erlebt. Und da war ich, mitten in einer quirligen Großstadt, und erlebte das Gleiche! Alles, wonach ich mein Leben lang gesucht hatte, in Nachtklubs, beim Konsum von Drogen und durch Geldverdienen, fand ich nun in mir selbst. Mehr noch: Ich entdeckte, dass ich es immer schon in mir getragen hatte. Damals war ich in meinem Umfeld die einzige Person, die meditierte. Warum taten das nicht viel mehr Menschen? War diese Erfahrung denn nicht eigentlich das, was wir uns alle wünschten?

Durch meine Beschäftigung mit Meditation und fernöstlicher Philosophie lernte ich mehr über den Geist und begriff, warum ich immer außerhalb von mir nach Glück gesucht hatte. Ich erfuhr, welche Faktoren meinen Problemen zugrunde lagen, warum eine drastische Änderung meines Lebens notwendig war und warum es schien, als wäre das, was ich mir wünschte, für mich kaum erreichbar. Ich lernte verschiedene spirituelle Traditionen kennen, unter anderem den Buddhismus und die vedische Philosophie des alten Indiens, und erfuhr, welche positiven physiologischen und neurologischen Wirkungen eine Haltung der Achtsamkeit und kontemplative Übungen haben. Und ich erlebte, wie ich mich, Schritt für Schritt, veränderte. Mein Gehirn vernetzte sich neu, veränderte seine Strukturen, weil ich mir neue Denkmuster zu eigen machte und das, was ich lernte, praktisch umsetzte.

Ich erkannte durch Erfahrung, wie sehr die negativen Muster und überholten Anschauungen, die ich von Geburt an »geerbt« hatte, mein Verhalten und meine Entscheidungen beeinflusst hatten. Zudem entdeckte ich, wie positiv sich die Veränderungen in meinem Bewusstsein und meiner Lebensweise auf die Menschen in meiner Umgebung (Familie, Freunde, Schüler) auswirkten. Wenn unsere Geisteshaltung erlernt ist, warum verändern wir sie dann nicht? Warum lernen wir nicht etwas anderes? Wie würde es sich auf die Menschheit als Ganzes auswirken, wenn wir alle einen mentalen Frühjahrsputz machten? Diese Möglichkeiten fand ich so aufregend, dass ich mich der Aufgabe widmete, sie möglichst vielen Menschen in aller Welt nahezubringen. So entstanden unter anderem Jacquis und mein Film The Portal und dieses Buch.

Jacqui lernte ich kennen, als das Projekt schon seit ein paar Jahren lief und sie zum Filmteam dazustieß. Sie zieht es vor, nicht »Teil des Systems« zu sein, und liebt es, unkonventionell und kreativ zu denken. Das ist erfrischend. Man trifft nur selten auf Menschen, die sich nicht an die Normen der Gesellschaft anpassen, sondern stattdessen die Grenzen des Möglichen erweitern. Jacquis Leidenschaft für unser Projekt speist sich aus ihrem starken Interesse daran, Wege zu finden, wie wir die menschliche Erfahrung reicher und tiefer machen können. Meditation ist dabei ein wertvolles Hilfsmittel. Jacqui setzt sich dafür ein, die Menschen zu inneren Veränderungen zu inspirieren, sie aus dem Kopf ins Herz zu führen. Sie wollte ein echtes Erlebnis für die Zuschauer und die Leser erschaffen, statt lediglich Ideen zu präsentieren, die rein intellektuell konsumiert werden. Film und Buch sollten erfühlt werden, sodass Zuschauer und Leser in einen anderen Bewusstseinszustand gelangen. Jacquis Konzept entsprach genau dem, was ich mir von diesem Projekt erhoffte.

Eine neue Realität

Wie wäre es, wenn wir ein Rashi nicht als etwas betrachten, was wir möglichst vermeiden sollten, sondern als etwas Positives: einen Katalysator für Veränderungen? Als einen Auslöser, der uns den Weg weist – oder vielmehr auf den richtigen Weg zurückführt? Es könnte uns veranlassen, tief in uns nach einer Antwort auf die Frage zu suchen, was im Leben wirklich wichtig ist und was uns am meisten bedeutet. Und wenn mehr von uns nach innen blicken und das, was sie dabei entdecken und herausfinden, für eine Veränderung nutzen – können wir auf diese Weise den Planeten vor einem globalen Rashi bewahren? Können wir Jahrhunderte – nein, Jahrtausende – voller Exzesse und Ignoranz hinter uns lassen und die drohende Katastrophe abwenden? Können wir der Katalysator für Veränderungen sein, eine evolutionäre Kraft, die unserer Welt eine erleuchtetere, nachhaltige Zukunft ermöglicht? Und wenn das so ist, wie würde dieser erleuchtete Planet dann aussehen?

Um die Antworten auf diese Fragen zu finden, interviewten wir über dreihundert Menschen, darunter viele, bei denen eine Lebenskrise der Auslöser für eine persönliche Transformation war. Die vielen zu Herzen gehenden Erfahrungsberichte bewegten uns zutiefst. Dass so viele Menschen bereit waren, uns für dieses Projekt Einblick in ihr Leben zu gewähren, zeigt, wie dringend Veränderungen inzwischen nötig sind. Wir sprachen auch mit Philosophen, Futurologen, Naturwissenschaftlern und anderen Vordenkern des Paradigmenwechsels in Technik und Gesellschaft. In diesem Buch präsentieren wir neun dieser Interviews, die uns besonders inspirierend und erkenntnisreich erscheinen.

Sie werden drei Vordenkern begegnen, die sich mit der »Außenansicht« befassen: mit den globalen und technologischen Systemen, von denen wir ein Teil sind, und der Rolle, die sie in der momentanen Krise spielen, sowie mit einer Vision, wie die Zukunft aussehen könnte. Daniel Schmachtenberger ist Evolutionsphilosoph und Experte für die Erforschung komplexer Systeme, Mikey Siegel Ingenieur für Robotik und Julia Mossbridge Neurowissenschaftlerin, die zur künstlichen Intelligenz (KI) forscht. Sie erläutern uns die neuen, aus dem gegenwärtigen Zeitgeist entstehenden Konzepte und laden uns dazu ein, uns mit den größeren Fragestellungen zu beschäftigen, denen sich die Gesellschaft heute gegenübersieht: Wie können wir das gegenwärtige globale Paradigma transzendieren? Kann Technologie ein Teil der Lösung sein? Was bedeutet es, ein Mensch zu sein?

Anhand der Erfahrungen von sechs Menschen, deren Erlebnisse episodisch das Buch durchziehen, zeigen wir Ihnen, wie die Faktoren, die zu einem globalen Kollaps führen können, sich auf der persönlichen Ebene (unsere »Innenansicht«) auswirken. Wir stellen Ihnen Ron »Booda« Taylor vor, einen pensionierten US-Soldaten, der an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet; Due Quach, eine Vietnamesin, die ein Entwicklungstrauma überwand; die Leistungssportlerin Heather Hennessy, die sich selbst neu erfand, nachdem sie infolge einer Verletzung ihre Karriere beenden musste; den Unternehmer und Neurochirurgen James »Jim» Doty, der erst alles verlieren musste, um den Sinn des Lebens zu finden; die Menschenrechtsexpertin Amandine Roche, deren Einsatz für den Weltfrieden sie darauf brachte, sich als Erstes auf die Suche nach innerem Frieden zu begeben; und Rabbi Ronnie Cahana, der inmitten einer persönlichen Katastrophe Freiheit fand. Dadurch, dass unsere sechs Gesprächspartner in ihren eigenen Worten von ihren Leiden und Freuden berichten, ehren wir zugleich die uralte Tradition der mündlichen Überlieferung. Unsere sechs Protagonisten lassen uns Anteil nehmen an ihrem persönlichen Weg der Befreiung von der Last ihrer Vergangenheit und erzählen, wie sie sich ein Leben voller Verbundenheit, Liebe und Freude aufbauten – getragen von dem Wunsch, diese Welt positiv zu verändern. Ihre beeindruckenden Erfahrungen helfen uns, besser zu verstehen, was die Auslöser solcher Krisen sind, welche Folgen sie für uns haben und welcher Weg uns, sowohl individuell als auch als Menschheit insgesamt, zu einer erleuchteteren Lebensweise führt.

Denken Sie aber nicht, Sie hätten es hier mit einem der üblichen New-Age-Bücher über Selbsthilfe und Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Dieses Buch wurde geschaffen, um Ihnen eine emotionale und transformative Erfahrung zu ermöglichen, und zwar dort, wo Sie gerade in Ihrem Leben stehen: Sie werden behutsam an die Hand genommen und erhalten einen Einblick in das Leben anderer Menschen. So erfahren Sie auf sehr persönliche Weise, welche Veränderungen durch Meditation erreicht werden können. Auf diese Weise entsteht nach und nach eine Vision, was für uns als Einzelne möglich ist – und für den Planeten als Ganzes.

Wir betrachten dieses Buch als Einladung zu Gespräch und Austausch – und ebenso als Erfahrung, die zu einem stärkeren Gefühl der Verbundenheit und Gemeinschaft führen kann. Es lädt Sie ein, sich auf alternative Betrachtungsweisen einzulassen und das Leben und seine Möglichkeiten in einem neuen Licht zu sehen. Immer wieder werden Sie bei der Lektüre auf Zitate des spirituellen Lehrers Rabbi Ronnie Cahana stoßen, der in Kapitel 4 von seiner tiefen persönlichen Verbindung zu Stille und Meditation erzählt. Wir hoffen, dass dieses Buch Sie dazu inspiriert, Ihr Leben, falls erforderlich, zu verändern und Ihre Erfahrung des Menschseins zu vertiefen und zu erweitern.

Während der Interviews für das Projekt gab es in Jordanien, in Petra, eine Situation, wo Jacqui auf einem Esel oben über die Felsen zu ihrem Hotel zurückritt, geführt von einem Beduinen. Die Felsen waren rutschig. Zwar schien der Esel trittsicher den Weg hinab zu finden – und der freundliche Beduine versicherte ihr, dass kein Grund zur Besorgnis bestand –, aber Jacqui klammerte sich ängstlich an dem Tier fest, um ihr Leben fürchtend. Jedes Mal, wenn sie an einen ihr gefährlich erscheinenden Felsen kamen, sprang sie von dem Esel und kletterte selbstständig hinab. Das geschah ein paarmal. Irgendwann, als sie wieder einmal absitzen wollte, berührte der Beduine sanft ihren Arm und sagte: »Schließe deine Augen und öffne deinen Geist.« Das sind Worte, die wir alle öfter gesagt bekommen sollten! Behalten Sie sie im Gedächtnis, während Sie dieses Buch lesen. Das Leben kann so viel reicher sein, wenn wir offen für andere Möglichkeiten bleiben.

Wir Menschen verfügen über die Fähigkeit, unseren Geist »umzuschulen«, dazuzulernen. Auch sind wir in der Lage, unsere eigene und unsere gemeinsame Zukunft neu zu gestalten – wenn wir uns dafür entscheiden. Doch in unserer durchtechnisierten Welt mit ihrem sich stetig beschleunigenden Lebensrhythmus stellt sich angesichts der beängstigenden Probleme der Gegenwart die Frage, ob wir uns schnell genug anpassen können, um die Krise noch zu bewältigen. Verfügen wir über genug Schwung und Inspiration, um es zu schaffen, mit vereinten Kräften? Kommen Sie, schließen Sie sich uns an. Erleben Sie selbst, was uns auf der anderen Seite des Portals erwartet.

»Ich erwachte in der Stille, und das

war eine wunderbare Erfahrung.

Es war ein echtes Geschenk,

das die Verdrehungen und Vertuschungen

in der Außenwelt mir machten.«

RABBI RONNIE CAHANA

1

DIE PROGRAMMIERUNG BEGINNT

Bei der Geburt und dann vor allem während unserer Kindheit erben wir einen »Code«, ein automatisch »heruntergeladenes« menschliches Betriebssystem, das unsere Realität formt und die Art und Weise beeinflusst, wie wir denken und uns verhalten.

Tom

Ich wuchs in einer Kleinstadt auf dem Land auf, wo ich eine katholische Schule besuchte. Die Messe am Freitag war für alle Pflicht. Vor dem Empfang der Eucharistie durften wir eine Stunde nichts essen, denn der Körper sollte vor dem Verzehr der Hostie rein sein. Einmal erwischte mich der Lehrer vor der Messe auf dem Schulhof beim Nägelkauen. Er schimpfte vor allen anderen mit mir, weil ich meinen Körper vor der Eucharistie verunreinigt hatte. An diesem Morgen wurde ich von der heiligen Kommunion ausgeschlossen. Am Abend flehte ich Gott im Gebet an, mir meine Sünden zu vergeben, und die Scham über die öffentliche Schelte hielt noch einige Zeit an.

In der uralten Weisheit der vedischen Philosophie, die ich viele Jahre später für mich entdeckte, gibt es ein Konzept namens Pragya Parad: der »Irrtum des Intellekts« – ein inneres starres Regelwerk, das uns sagt, »was das Leben ist«, »wer wir sind« und »wer die anderen sind«. Diese Art zu denken wird uns sowohl genetisch weitervererbt als auch in Kindheit und Jugend von Elternhaus und Gesellschaft anerzogen. Sie übt einen großen Einfluss darauf aus, was wir über uns selbst und unsere Umwelt denken. In den Zustand des Pragya Parad geraten wir, wenn diese Konditionierung unseren Blick auf die Realität verzerrt. Dann kann sie in unserem Leben großen Schaden anrichten.

Kulturen, Religionen und der Einfluss unseres sozialen Umfeldes – wozu auch mein beschämendes Erlebnis auf dem Schulhof gehört – sind alle Beispiele für Pragya Parad. Was in einer Kultur oder Religion als wahr gilt, kann das genaue Gegenteil von dem sein, was andere Kulturen oder Religionen für wahr halten. Weil diese Konditionierung so tief in unserem Bewusstsein verankert ist und im Alltag so schnell aktiv wird, erkennen wir gar nicht, dass es durchaus auch andere Sichtweisen gibt. Zum Beispiel habe ich einen bestimmten Schönheitsbegriff. Wäre ich bei einem Stamm der Machiguenga im peruanischen Amazonasgebiet zur Welt gekommen, hätte ich vielleicht ganz andere ästhetische Vorstellungen. Ich würde nicht einen bestimmten Autotyp besonders schön finden. Ich würde Autos überhaupt nicht schön finden. Ich hätte völlig andere Interessen.

Auch habe ich bestimmte ethische Grundsätze, ein bestimmtes Wertesystem. Wäre ich aber in eine fundamentalistisch muslimische Familie hineingeboren worden, oder in eine jüdische, könnte mein gesamtes Selbstkonzept vollkommen anders aussehen.

Alle diese Einflüsse führen zu festen, sich sehr oft wiederholenden Denkmustern in Bezug auf uns selbst und das Leben. Typischerweise denken wir täglich 50 000 bis 70 000 Gedanken, und 85 Prozent dieser Gedanken sind genau die gleichen wie gestern und vorgestern. Diese Wiederholungen graben sich tief in unsere Nervenbahnen ein. Es ist ein wenig wie beim Grand Canyon – je länger das Wasser einen immer gleichen Weg fließt, desto tiefer und starrer wird dieser Weg. Es ist ein Teufelskreis: Je mehr wir auf eine bestimmte Art denken, desto weniger denken wir auf eine andere.

Wir verbringen den größten Teil unseres Lebens damit, aktiv zu sein. Nie nehmen wir uns wirklich Zeit, innezuhalten und tief darüber nachzudenken, wie wir dorthin gelangt sind, wo wir gerade im Leben stehen, welche Wahlmöglichkeiten für unsere Zukunft wir haben und durch was – und wen – unsere diesbezüglichen Entscheidungen beeinflusst werden. Wir leben mit eingeschaltetem Autopiloten. Im Sanskrit bezeichnet das Wort Vasanas neurologische Verhaltensmuster, eine Art Programmierung, die uns dazu bringt, in bestimmten festen Bahnen zu denken. Der Kurs, den wir dadurch im Leben einschlagen, lässt sich oft nur schwer ändern. In den Interviews in diesem Kapitel untersuchen wir die Auswirkungen dieser automatischen Programmierung. Warum denken wir so und nicht anders – und wie wirkt sich das auf unser Leben aus – und auf die Menschheit als Ganzes?

Jacqui

Es gibt eine kleine, aber wachsende Zahl von Menschen, die einen neuen Weg in die Zukunft entwerfen, der nicht an die heute in unserer Zivilisation vorherrschenden Programmierungen gebunden ist. In diesem Kapitel stellen wir zwei dieser progressiven Denker vor: Daniel Schmachtenberger und Mikey Siegel. Warum haben wir unter den vielen von uns interviewten Philosophen, Kreativen und Futuristen gerade diese beiden ausgewählt?

Eine meiner Freundinnen empfahl mir, den Evolutionsphilosophen Daniel Schmachtenberger zu kontaktieren. Ich hatte vorher noch nie von ihm und seiner Arbeit gehört, aber als ich mich informierte, wurde mir schnell klar, warum sie der Ansicht war, er sei genau der Richtige für uns. Daniel gilt als Experte für komplexe Systemstrategien und ist fasziniert von neuen Zivilisationsentwürfen. Zudem ist er Neurohacker und befreite sich mithilfe der funktionalen Medizin (einem systembiologischen Gesundheitskonzept) von einer als unheilbar geltenden degenerativen Erkrankung des Nervensystems. Inzwischen hat er zahlreichen Menschen dabei geholfen, sich auf diese Weise selbst zu heilen.

Wenn Sie noch nie von Neurohacking gehört haben: Es handelt sich dabei um technologische Verfahren und andere Methoden zur Verbesserung unserer psychologischen und neurologischen Funktionen. In früheren Zeiten verwendete man hierfür Meditation, Schwitzhütten und psychedelische Drogen. Heute nutzen Neurohacker Erkenntnisse aus Psychologie, Epigentik, Bio-/Neurofeedback und Psychopharmakologie (z. B. die Einnahme sogenannter Smart Drugs). Diese Methoden können eingesetzt werden, um die geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen, Ängste zu lindern, den Schlaf zu regulieren und Bewusstseinsveränderungen herbeizuführen, die ein sinnerfüllteres Leben ermöglichen.

Daniel arbeitet daran, die DNA unserer sozialen und biologischen Systeme zu entschlüsseln. Dabei geht es ihm darum, sie von Grund auf neu aufzubauen, sodass völlig neue Resultate möglich werden. Er nennt das »synergistische Befriediger«. Damit sind Lösungen gemeint, mit denen auf allen relevanten Ebenen gleichzeitig befriedigende Resultate herbeigeführt werden. Aus unserer Perspektive lässt sich seine Arbeit am besten so zusammenfassen: Er konzentriert sich darauf, Win-win-Situationen zu erschaffen und unserer Gesellschaft Wege aufzuzeigen, wie wir die gegenwärtigen Muster, in denen es immer Gewinner und Verlierer gibt, hinter uns lassen können. Das erfordert ein totales Umdenken und die Bereitschaft, große, herausfordernde Fragen zu stellen. Und glücklicherweise ist Daniel ein sehr tiefsinniger Denker und Fragesteller.

Daniel wuchs in Fairfield, Iowa, auf, wo er das weltweit größte Schulungszentrum für Transzendentale Meditation (die Maharishi University) besuchte. Daniel wurde von seinen Eltern zu Hause unterrichtet und interessierte sich schon früh besonders für östliche Philosophie und Wissenschaft.

Schon als junger Mensch dachte er intensiv über Mensch und Gesellschaft nach und darüber, wie wir die normalen mentalen Grenzen dessen, was wir für »möglich« halten, sprengen können, um die schweren Probleme zu lösen, die der Menschheit zu schaffen machen. Dabei handelt es sich um einen Weg des Denkens und der Problembewältigung, zu dem er schon als Kind ermutigt wurde. Er ist der Auffassung, dass wir gegenwärtig eine globale Destabilisierung erleben, in der die Dinge gleichzeitig besser und schlechter werden und ein tiefgreifender Wandel unmittelbar bevorsteht.

Daniel wirkt an mehreren zukunftsweisenden Projekten mit und ist mitunter sehr schwer zu erreichen. Doch mochte unser Zeitplan aufgrund der Koordinierung der vielen Mitwirkenden auch noch so knapp sein, ich wusste, dass ich Daniel unbedingt für unser Projekt wollte. Nach sechs Wochen rief er uns endlich zurück. Ich werde das nie vergessen. Ich befand mich in den USA, auf der Rückfahrt mit dem Auto von einem Treffen mit Booda. Tom war in Sydney, Daniel in Kalifornien. Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe, und ich war erschöpft. Ich hielt an, um mit Tom und Daniel zu sprechen.

Der ganze Anruf war höchst faszinierend, aber das, was Daniel als Letztes sagte, verblüffte uns ganz besonders: Es war eine Idee, die uns angesichts der ganzen Weltuntergangsszenarien, mit denen wir konfrontiert waren, sehr bedeutsam erschien. Daniel schlug vor, dass wir die Leser und Zuschauer dazu einladen sollten, ihre eigene persönliche Vision einer erleuchteten Zukunft zu entwickeln. Im Grunde ging es ihm darum, dass wir unser Publikum zu einer globalen Visualisierungsübung anregen sollten. Viele von uns sind bereits mit den Prinzipien der Visualisierung und deren Manifestation vertraut und wissen, dass wir mit der Kraft unseres Geistes Dinge physisch Gestalt annehmen lassen können. Aber stellen Sie sich vor, welche kollektive Energie aufgebaut werden kann, wenn alle, die dieses Buch lesen oder den Film sehen, diese Visualisierung praktizieren! Was wäre, wenn die gesamte Menschheit, sieben Milliarden Leute, dabei mitmachen? Das waren wirklich aufregende Möglichkeiten!

Daniel ist in der Lage, große Ideen rasch und mit Präzision zu entwerfen. Er besitzt die wunderbare Gabe, anderen mithilfe anschaulicher Beispiele gut erklären zu können, wie und warum die Dinge so wurden, wie sie gegenwärtig sind. Wenn man ihm zuhört, bekommt man das Gefühl, endlich zu verstehen, wie die Welt im Innersten funktioniert. So unterstützt er die Menschen darin, sich auf die Idee, eine auf anderen Prinzipien beruhende Welt zu erschaffen, einzulassen und an die Durchführbarkeit der entsprechenden Veränderungen zu glauben.

In den persönlichen Berichten in diesem Kapitel erhalten wir Einblicke in Boodas, Dues, Heathers, Jims und Amandines Kindheit und bekommen ein Gefühl dafür, wie sie zu den Menschen wurden, die sie heute sind. Daniel wird in diesem Buch immer wieder einzelne Aspekte der gegenwärtigen globalen Entwicklung herausgreifen und erklären. So erfahren wir mehr über die historischen Hintergründe unserer Zivilisation. Letztlich vertritt er die Auffassung, dass unsere derzeitige schwierige Situation ein Entwicklungsstadium und Teil der Evolution ist. Wir finden es äußerst hilfreich, die gegenwärtigen Ereignisse als Teil eines größeren Entwicklungsprozesses zu begreifen, denn so fällt es viel leichter, Hoffnung zu bewahren und sich nicht überfordert und entmutigt zu fühlen – und als Individuen aktiv daran zu arbeiten, dass die Menschheit die nächste Entwicklungsstufe erreicht.

Nun, Sie und ich und die Menschheit – wir alle leiden immer stärker.

Tatsächlich mussten Zivilisationen zu allen Zeiten Herausforderungen bewältigen, und manchmal sind sie daran gescheitert (ein Umstand, den Daniel uns wieder ins Gedächtnis rufen wird). Immer wieder zeigt sich, dass die gegenwärtigen Probleme von Menschen erschaffen wurden und dass deshalb die Menschen auch der Schlüssel zu ihrer Lösung sind.

Von Mikey Siegel stammt der wohlbekannte Satz: »Wir erschaffen, was wir sind.« Das klingt simpel und ist doch unglaublich wichtig. Es ist ein wirkliches Lebensprinzip.

Von Mikeys Arbeit erfuhr ich durch das Buch Stealing Fire. Spitzenleistungen aus dem Labor: das Geheimnis von Silicon Valley, Navy Seals und vielen mehr von Steven Kotler und Jamie Wheal (vom Flow Genome Project). Ich interessiere mich sehr für Spitzenleistungen, menschliche Selbstoptimierung, Gehirn-Hacking und dergleichen. Und das war zum damaligen Zeitpunkt das aufregendste mir bekannte Buch zu diesem Thema. Die Autoren sind führend bei der Erforschung des Flow-Phänomens, der Spitzenleistungen, die möglich sind, wenn wir uns »in der Zone« befinden – einem Zustand optimaler Erfahrung. Das Buch enthält zahlreiche unglaubliche und überaus lesenswerte Fallstudien. Dazu zählt Mikeys Bericht über seine Arbeit an transformativen technischen Entwicklungen: ein Gebiet, das heute als »erleuchtete Technologie« bekannt ist. Er erforscht, wie sich in Gruppen Verbundenheit und Zusammenhalt erhöhen lassen und wie wir mithilfe bahnbrechender neuer Technologien unseren eigenen Bewusstseinszustand »hacken« können. Er hält an der Stanford University Vorlesungen zum Thema »Technologie als Hilfsmittel für Transformation und eine blühende Zivilisation«. An der WellnessEd-Abteilung dieser Universität wirkt er derzeit an der Entwicklung eines neuen Lehrangebots an der Schnittstelle von Technologie, Meditation und kontemplativen Wissenschaften mit.

Ich bat das Team, den Kontakt zu ihm herzustellen. Wir mussten ihn unbedingt interviewen. Mikey strahlt eine bescheidene, lockere und doch zugleich intellektuelle Surfer-Vibe aus (ich weiß nicht, ob er tatsächlich Surfer ist). Er ist spirituell, aber nicht esoterisch und Optimist durch und durch. Ich konnte es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.

Vor dem Treffen kam es zwischen uns zu einem unbeabsichtigten Hosentaschenanruf. Dabei hörte ich mit, wie Mikey mit einem Freund über das nächste Burning Man sprach. Burning Man ist ein großes, siebentägiges Kunst- und Musikfestival in der Wüste von Nevada mit 70 000 Besuchern. Mikey wollte diesmal nicht hinfahren, hatte dort aber in der Vergangenheit schon den Prototyp seines »HeartCart« getestet. Mit diesem Gerät gab er den Besuchern des Burning Man die Gelegenheit, ihren Herzschlag zu synchronisieren, um so größere Verbundenheit mit einem Partner oder einer Partnerin zu erleben. Abgesehen von diesem Hosentaschenanruf hatten wir keine Gelegenheit gehabt, vor unserem Treffen ein Kennenlern-Telefonat zu führen.

Wir lagen zeitlich etwas hinterher, waren aber sehr zufrieden mit dem Verlauf des Interviews, als Mikey unerwartet uns selbst ins Rampenlicht rückte. Er sagte sehr ernsthaft und aufrichtig: »Und jetzt schaue ich Sie an, die Schöpfer dieses Projekts … Ihre Absichten, Ihre Ideen, Ihre Vorurteile, Ihre Sichtweisen … all das wird durch diesen Film und das Buch transportiert werden und sich auf alle Menschen auswirken, die es lesen oder den Film anschauen.«

Schluck!

Das verfehlte seine Wirkung nicht. Es ist wirklich eine große Verantwortung, und wir hielten unwillkürlich den Atem an. Wo kommen in meiner Arbeit und meinem Leben meine Vorurteile zum Ausdruck? Sind meine Absichten rein und klar? Ich fokussiere mich stets auf die Selbstentwicklung, aber welche anderen Schritte könnte ich unternehmen, um sicherzustellen, dass die Arbeit, an der ich mitwirke, frei von unbewussten Aspekten meiner Persönlichkeit ist? »Wir erschaffen, was wir sind« ist zu einem meiner Mantras geworden – eine so wichtige Idee, dass ich mich bemühe, sie ständig in meinem Bewusstsein zu behalten, damit sie mich bestmöglich inspiriert.

Bewusstheit ist der erste Schritt zur Veränderung.

Außenansichten

Wer bin ich wirklich?

DANIEL SCHMACHTENBERGER, EVOLUTIONSPHILOSOPH UND GLOBALER SYSTEMSTRATEGE

Wenn wir über unsere heutige Zivilisation und ihre Entwicklungskurve nachdenken, ist es wichtig, einen Blick auf frühere Zivilisationen zu werfen. Sie alle – das römische Imperium, Byzanz, die Reiche der Maya, der Azteken und so weiter – hatten etwas gemeinsam: Sie gingen unter. Keines dieser Imperien existiert heute noch so wie in seiner Blütezeit. Vielmehr sind sie Beispiele dafür, dass Zivilisationen einen Lebenszyklus haben und dass sie untergehen, wenn die Konstruktionsparameter, welche diese Kulturen einst erfolgreich machten, mit etwas konfrontiert werden, das sie nicht bewältigen können. Oder sie gehen unter, weil es in ihrem System etwas Selbstbeschränkendes (Anti-Revolutionäres) gibt, etwa die übermäßige Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen. Es gibt also in der Vergangenheit genug Beispiele dafür, dass Zivilisationen zusammenbrechen und untergehen können.

Allerdings gibt es heute einen Unterschied, der die Sache sehr verzwickt werden lässt: Zum ersten Mal in der Weltgeschichte haben wir es nicht mit verschiedenen lokalen Zivilisationen zu tun, sondern mit einer einzigen global vernetzten. Deren Zusammenbruch wäre daher ein existenziell bedrohliches Szenario für die gesamte Menschheit.

Immer wieder im Lauf der Geschichte hat die Landwirtschaft Umweltschäden verursacht. Es gab Szenarien, bei denen Machtmissbrauch Kriege auslöste, die dann den Zusammenbruch (einer Zivilisation, einer Gesellschaft oder eines Systems) zur Folge hatten. Oder ein zu starkes Bevölkerungswachstum überforderte die natürlichen Ressourcen einer Region. Doch nie zuvor gab es ein Szenario, bei dem der Zusammenbruch der Umwelt auf dem gesamten Planeten drohte oder mögliche Kriegsparteien in der Lage waren, mit ihren Waffen das Überleben der gesamten Menschheit zu bedrohen. Nie zuvor vermochten wir mit unserer Technologie die Fähigkeit des Planeten zu zerstören, geeignete Bedingungen für das Überleben der Menschheit aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig verfügten wir aber auch nie zuvor über die Möglichkeiten, für alle Menschen eine Welt der Fülle und des Wohlstandes zu erzeugen. Genau an dieser Weggabelung stehen wir heute.

Als Kind begann ich, mir Gedanken darüber zu machen, wie das Leben auf einem erleuchteten Planeten wohl aussehen würde. Ich denke gerne über einen erleuchteten Planeten nach, weil diese Idee es uns ermöglicht, die alten gedanklichen Konditionierungen darüber, welche Grenzen dem Menschen angeblich gesetzt sind, hinter uns zu lassen. Wie würden also die Menschen auf einem erleuchteten Planeten mit ihren Emotionen umgehen? Wie würden sie kommunizieren, und wie würden sie mit den anderen Spezies umgehen, die den Planeten gemeinsam mit ihnen bewohnen? Mit den Unterschieden zwischen den Menschen? Mit ihrem Denken, ihren Wünschen, ihrer Sexualität und alledem? Was ist erforderlich, damit ein Planet wirklich gut funktioniert, sodass seine Bewohner ein erfülltes Leben in höchster Qualität führen können?

Bislang lernen nur sehr wenige Menschen von Kind an, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Man bringt uns bei, in einer bestimmten Weise zu denken und uns zu verhalten, weswegen es oft heißt: »Aber so sind die Menschen eben nicht.« Oder: »So etwas können wir hier unmöglich einführen.« Und so weiter. Unser heutiges Bildungssystem wurde im Industriezeitalter entwickelt, um die Leute zu guten Akteuren innerhalb der Industriegesellschaft auszubilden. Es ist nicht daraufhin optimiert, Menschen zu helfen, ihre persönlichen Werte zu entdecken, das, was sie mit Leidenschaft erfüllt, was sie wertschätzen und lieben. Das gegenwärtige Bildungssystem dient dazu, die Menschen optimal auf ein Leben in der Marktwirtschaft vorzubereiten. Das Denken des Industriezeitalters sieht den Menschen als Teil einer industriellen Maschinerie.

Wenn ein Kind fragt: »Warum ist der Himmel blau?« – »Warum tut Feuer weh?« – »Wohin gehen wir nach dem Tod?«, wissen wir darauf keine guten Antworten, also beantworten wir die Fragen gar nicht – wir geben ihnen keinen Raum. Stattdessen zwingen wir diese Kinder, sich mit Dingen zu beschäftigen, für die sie sich überhaupt nicht interessieren. Auf diese Weise töten wir ihr Interesse an der Welt, ihre Neugierde ab – und programmieren sie damit darauf, im Leben zu versagen.

Wenn wir erkennen, dass fast alles, was wir für unser »Selbst« halten, in Wahrheit von anderen Menschen und dem System (Religion, Sprache, Kultur, Gesellschaft) in uns hineinprogrammiert wurde und dass zentrale Bestandteile unserer Identität ganz anders wären, wenn wir an einem anderen Ort geboren wären oder andere Erfahrungen gemacht hätten, fragen wir uns unweigerlich: »Wer bin ich wirklich?«

Unser inneres Betriebssystem

MIKEY SIEGEL, INGENIEUR FÜR ROBOTIK UND ENTWICKLER TRANSFORMATIVER TECHNOLOGIEN

Wir leben in einer für unsere Spezies einzigartigen Zeit. Wenn Sie sich umschauen, erkennen Sie, dass fast jedes größere Problem, mit dem wir als Menschheit konfrontiert sind, im Gegensatz zu früheren Jahrtausenden heute menschengemacht ist. Es gibt so viele offensichtliche globale Herausforderungen: Umweltprobleme, politische Schwierigkeiten, Verteilungskämpfe. Aber ich glaube, dass all diesen Herausforderungen menschliches Leid zugrunde liegt. Das Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist also ein menschliches.

Zu meinen Lieblingszitaten gehört die erste Zeile der Verfassung der UNESCO (der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur). Dort heißt es: »Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.«2 Für mich bedeutet dieses Zitat, dass der menschliche Geist den Konflikt verursacht, in dem wir uns befinden: dass unsere Wahrnehmung, das, woran wir glauben, unser Bewusstseinszustand und der Umstand, dass wir uns selbst und die Welt um uns ablehnen, die Ursache für Krieg, Gewalt und die vielen existierenden Konflikte sind.

Wenn wir auf die Welt kommen, verinnerlichen wir – ob uns das gefällt oder nicht – die Überzeugungen und die Weltsicht unserer Eltern, von deren Eltern und Großeltern sowie der Gesellschaft und Kultur, in die wir hineingeboren werden. Es ist wie eine Programm, das wir von Geburt an herunterladen. Und wenn wir zur Schule gehen, fernsehen und die Rollenspiele erlernen, die in unserer Kultur üblich sind, wird diese Programmierung immer weiter verstärkt.

Doch, um die Wahrheit zu sagen: Dieses Programm ist nicht nur veraltet, es bringt uns um. Es zerstört unseren Planeten. Es treibt uns dazu an, uns gegenseitig umzubringen, und es erhält eine Kultur der Gier, des Hasses und der Gewalt am Leben.

Auch wird uns die Idee einprogrammiert, dass ganz bestimmte Umstände gegeben sein müssen, damit wir Erfüllung finden – und dass wir nur unsere Umwelt entsprechend verändern müssen, damit sie eintreten. Also gehen wir durch unser Leben und versuchen ständig, die Dinge zu reparieren und zu verändern – und indem wir uns selbst zu verändern versuchen, lehnen wir uns so, wie wir gegenwärtig sind, ab – in der Hoffnung, dann irgendwann endlich »richtig« und »okay« zu sein.

Ich begann meine berufliche Reise als Ingenieur. (Schon als kleiner Junge war es für mich das Höchste, Dinge zusammenzubauen und auseinanderzunehmen.) Schließlich studierte ich Robotik und arbeitete anschließend auf diesem Gebiet. Ich liebte meine Arbeit und konnte sehr gut davon leben, musste mir aber letztlich eingestehen, dass ich mich trotzdem mies fühlte. Ängste machten mir zu schaffen, ich fühlte mich isoliert und empfand eine ständige existenzielle Unsicherheit. So lebte ich dumpf vor mich hin, ohne emotionale Höhepunkte. Diese Erkenntnis veranlasste mich, mich auf die Suche danach zu begeben, was Menschen glücklich macht, und zwar aus der Perspektive eines Ingenieurs. Ich wollte herausfinden, wie es möglich war, dass ich mich so schlecht fühlte, obwohl alles um mich herum, meine gesamten Lebensumstände im Grunde gut aussahen. Und bei dieser Suche entdeckte ich mich selbst.

Mir wurde klar, dass ich als Ingenieur bisher nur die eine Hälfte der Gleichung berücksichtigt hatte: die äußere Welt, und dass es darüber hinaus ein ganzes Universum in mir gab – meine Gedanken, Überzeugungen und Emotionen. Dieses innere Universum ist der entscheidende Faktor dafür, wie ich die Realität erlebe und in der Welt agiere.

Es ist mein Code, mein Betriebssystem. Und ich erkannte, dass dieses Betriebssystem dringend ein Update benötigte. Die Herangehensweise eines geschulten Ingenieurs nutzend, überholte ich mein inneres Betriebssystem. Ich beschäftigte mich mit Meditation, nahm an Retreats teil, reiste nach Indien, experimentierte mit psychedelischen Drogen – kurz, ich probierte alles aus, von dem ich mir Unterstützung bei meiner Transformation erhoffte. Dabei gelangte ich zu bemerkenswerten Einsichten.

Erstens entdeckte ich, dass wir durch eine Umprogrammierung unseres inneren Betriebssystems unsere Wirklichkeitserfahrung radikal verändern können. Doch ich fand etwas noch viel Wichtigeres heraus: Mein inneres Betriebssystem beeinflusst alles, was ich in dieser Welt tue, und alles, was ich als Kreativer, als Ingenieur oder Erfinder erschaffe. Und mir wurde klar, dass das für jeden Menschen auf diesem Planeten gilt. Da wusste ich, dass ich von nun an eine Mission hatte! Es war offensichtlich: Für mich als Ingenieur gab es nur ein Problem, das zu lösen sich wirklich lohnte, nämlich ein Upgrade für das menschliche Betriebssystem zu entwickeln und zur Bewusstseinserweiterung beizutragen.

Uns stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um unser Bewusstsein weiterzuentwickeln und unser Wohlbefinden zu fördern: Technologie und Wissenschaft – und Meditation. Diese beiden Sphären – die wissenschaftliche und die spirituelle – scheinen auf den ersten Blick miteinander in Konflikt zu stehen, aber ich erkannte, dass diese Trennung künstlich ist. Es handelt sich dabei um ein kulturelles Relikt. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum ich als Ingenieur nicht neue Technologien entwickeln kann, die genau die gleiche Funktion erfüllen können wie die jahrtausendealten Meditationstechniken und spirituellen Traditionen. Wir sind uns einig, dass Wasser, Nahrung und Obdach menschliche Grundbedürfnisse sind – sowie inzwischen auch das Recht auf Information. Ich bin überzeugt, dass der Zugang zu Hilfsmitteln und Techniken, die psychologisches, emotionales und spirituelles Wohlbefinden fördern, ebenfalls dazugezählt werden sollte.

Und so fand ich während meiner jahrelangen Entdeckungsreise meine Bestimmung darin, Wissenschaft und Technologie zu nutzen, um die Menschheit zu inspirieren, das allgemeine Wohlbefinden zu steigern und ein kollektives menschliches Erwachen zu unterstützen.

Es geht nicht einfach nur darum, sich besser zu fühlen. Es geht vielmehr darum, genauer und effektiver zu werden. Solange Politik, Bildungssystem, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik nach der alten Programmierung arbeiten, werden überholte, destruktive Ideen beibehalten und richten weiterhin Schaden an.

Das wichtigste Problem, das wir heute lösen müssen, besteht darin, das menschliche Betriebssystem zu erneuern und die Fehler in unserer veralteten Programmierung zu korrigieren.

Innenansichten: Teil 1

BOODA | Gewalt war Teil meiner DNA

RON »BOODA« TAYLOR, EHEMALIGER SERGEANT DER US-ARMEE

Meine am weitesten zurückreichenden Erinnerungen betreffen meine Zeit im Kindergarten in Fort Hood, Texas. Wir wohnten damals auf der Militärbasis, aber mein Vater war nur selten zu Hause. Auf seiner Kommode lag diese große, runde braune Mütze, wie Smokey the Bear sie trug. Daher wusste ich, dass mein Vater ein Ausbilder im Rang eines Sergeanten war. Er war ein paar Jahre im Ausland – in Deutschland –, und als er zurückkehrte, zogen wir in ein anderes, schöneres Haus. Jahre später erfuhr ich, dass mein Vater unehrenhaft aus der Armee entlassen worden war, weil er mit Drogen gedealt hatte.

Ich weiß nicht einmal, in was für einem Job er danach arbeitete, aber ich glaube, eine Zeit lang war er Lkw-Fahrer, und eine Weile fuhr er einen Schulbus. Auch in dieser Zeit war er selten zu Hause, und wenn er da war, fürchteten wir uns alle vor ihm. Entweder schlief er (und dabei durfte man ihn auf keinen Fall stören), oder er sah fern, und dann mussten alle mitschauen, was er sich ansah. Dabei durfte man keinen Laut von sich geben. Niemals teilte er sein Essen mit uns. Er hatte seins und wir unseres. Wer es wagte, etwas von Dads Essen anzurühren, wurde fürchterlich verprügelt.

Eines Abends kam es zwischen ihm und meiner Mutter zu einem heftigen Streit, einem richtigen Gewaltausbruch. Sie stritten auch sonst oft, aber niemals vor uns Kindern. Diesmal kämpften sie miteinander, erst im Schlafzimmer, dann im Wohnzimmer und schließlich draußen vor dem Haus. Es war entsetzlich. Hinterher kam Dad wieder ins Haus, packte sich ein paar Sachen und verschwand. Am nächsten Tag, während Mom in der Arbeit war, tauchte er wieder auf und packte, während wir Kinder dasaßen, alles ein, was tragbar war. Er stöpselte sogar den Fernseher aus und nahm ihn mit. Dann ging er. Die ganze Zeit sprach er kein Wort mit uns.

Für mich war mein Dad mein Ein und Alles. Was auch geschah, ich hielt ihn für ein Gottesgeschenk, und daher gab ich meiner Mutter alle Schuld an dem Zerwürfnis. Nach dem Auszug meines Vaters ging es bergab. Wir konnten uns nichts mehr leisten. Meine Mutter versteckte sich vor unserem Vermieter, weil sie die Miete nicht bezahlen konnte. Ich erinnere mich, dass uns erst der Strom abgeschaltet wurde und dann auch noch das Wasser. Wir schlossen einen Gartenschlauch an die Wasserleitung des Nachbarn an und füllten so unsere Badewanne und Töpfe mit Trinkwasser. Wenn es abends dunkel wurde, zündeten wir Kerzen an. Wenn wir aus der Schule kamen, gab es nichts zu essen.

Das wurde zur Normalität. Dabei war uns Kindern gar nicht bewusst, wie arm wir waren und wie sehr wir ums Überleben kämpften. Ich erhielt in der Schule ein kostenloses Mittagessen und stopfte mir etwas davon in die Taschen, um meine Familie zu ernähren. Oder ich sprang in die Müllcontainer vor Dunkin‘ Donuts auf der Suche nach den weggeworfenen Donuts vom Vortag. Die gab es dann zu Hause als Abendessen für alle. Wir durchwühlten die Abfallbehälter vor den Restaurants von Burger King und Jack in the Box. Das weggeworfene Essen, das wir darin fanden, säuberten wir von Zigarettenkippen und Asche. Mein Bruder und ich stahlen im Supermarkt. Wir waren Kinder, und deshalb klauten wir Kartoffelchips und Kekse und solche Sachen. Einmal wurden wir dabei erwischt, sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Aber wenn man hungert, was soll man machen? Der Ladenbesitzer wusste nicht, unter welchen Umständen wir lebten, die Polizei auch nicht. Niemand half uns.

Schließlich kamen mein Onkel (er ist mein Pate) und meine Großmutter und holten uns nach Beaumont, Texas, wo wir dann bei meinen Großeltern wohnten. Damals war ich elf oder zwölf. Als wir dort ungefähr sechs Monate verbracht hatten, geriet meine Mutter zusehends auf die schiefe Bahn. Sie brachte alte Jungendfreunde mit nach Hause, bei denen man deutlich merkte, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Sie sahen aus wie Obdachlose. Wer Junkies kennt, weiß, dass sie sich selbst nicht für Junkies, sondern für völlig normal halten. Sie kommen zu dir und denken, sie würden normal reden, sich normal benehmen, aber das stimmt nicht. Sie zucken nervös und reden wirres Zeug. Als Kind hatte ich noch nie Menschen in diesem Zustand erlebt. Das war ein sehr unangenehmes Gefühl. Diese Leute waren einfach sonderbar. Meine Mutter nahm wieder Drogen, aber das war mir damals noch nicht klar. Meine Großeltern waren nicht bereit, das zu akzeptieren. Sie setzten uns vor die Tür.

Wir zogen in die Sozialsiedlung von Beaumont – das »Ghetto«. Beaumont war eine Kleinstadt, aber es gab viel Kriminalität, viel Gewalt. Wir reden hier von den 1990ern, als es eine Menge Gangs auf den Straßen gab und alle mit Drogen handelten. Vielleicht wolltest du gar nicht in eine Gang, aber es blieb dir nichts anderes übrig. Du hattest keine Wahl. Das war einfach die Umwelt, in der wir lebten. Was tust du also? Du passt dich an. Ich wusste, dass ich eigentlich dazu bestimmt war, mehr aus meinem Leben zu machen, aber zu der Zeit sah ich keinen Ausweg.