Das Reich der Finsternis - Verwunschen - Ulrike Schweikert - E-Book

Das Reich der Finsternis - Verwunschen E-Book

Ulrike Schweikert

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Beschreibung

Bestsellerautorin Ulrike Schweikert mit einer neuen fantastischen Kinderbuchreihe

Ein langer Sommer auf dem Gut der Großmutter in Irland! Was gibt es Herrlicheres? Aber die beiden Geschwister Mona und Patrick merken schon bald, dass etwas Umheimliches hinter den Kulissen von Ashford Castle vorgeht. Nicht nur der mysteriöse Unfall ihrer Großmutter, der sie erst einmal nahezu auf sich gestellt in dem alten Gemäuer zurücklässt, weckt ihr Misstrauen. Als dann auch noch nachts schaurige Gestalten ihr Unwesen im Haus treiben, ist für die beiden klar: Wenn ihnen ihr Leben lieb ist, müssen sie das Rätsel von Ashford Castle ergründen!

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Seitenzahl: 153

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Ulrike Schweikert

Mit Illustrationen von Timo Grubing

cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

1. Auflage 2013

© 2013 cbj, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag und Innenillustrationen: Timo Grubing,

»Wie alles begann«, »2. Kapitel« und »3. Kapitel« unter Verwendung von Fotos von: © Andreas Gyo

MP · Herstellung: UK

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-08738-8

www.cbj-verlag.de

Für meinen Neffen Philipp Jaxtmit herzlichem Dank an meinen ersten kritischen LeserU. S.

Inhalt

Wie alles begann …

1. Kapitel – Ashford Cottage

2. Kapitel – Pferdezauber

3. Kapitel – Nachtvögel

4. Kapitel – Märchenstunde

5. Kapitel – Gebt Acht bei Nacht!

6. Kapitel – Das Zeichen

7. Kapitel – Die Magischen

8. Kapitel – Im Reich der Finsternis

9. Kapitel – Die verwunschene Quelle

10. Kapitel – Eingekerkert

11. Kapitel – Retter aus der Dunkelheit

12. Kapitel – Auf der Flucht

13. Kapitel – Wahre Freunde

14. Kapitel – Der Pakt

Kein Ende in Sicht …

Dichte graue Wolken türmten sich am Horizont auf und wurden von einem stürmischen Westwind rasch herangetrieben. Donner rollte in der Ferne. Dann zerriss ein Blitz den nun düsteren Himmel. Das Krachen ließ alle vier im Auto zusammenzucken. Nein, besser gesagt, alle fünf, denn auch der Hund der Familie, Cera, jaulte auf. Sie mochte keine Gewitter und drückte sich an Mona, die ihr beruhigend das Fell kraulte.

Im nächsten Moment prasselte der Regen so dicht herab, dass die Scheibenwischer es nicht mehr schafften, Monas Vater freie Sicht zu verschaffen.

»Peter, fahr langsamer«, mahnte ihre Mutter.

Ihr Vater fluchte leise und bremste vorsichtig, bis sie nur noch mit kaum dreißig Stundenkilometern über die schmale irische Landstraße hoppelten.

Wieder blitzte es, und noch ehe der grelle Lichtschein verloschen war, krachte es, dass die Scheiben klirrten.

»Echt krass«, murmelte Patrick und sah von seinem Buch auf, in dem er bisher ununterbrochen gelesen hatte, seit sie in Galway von ihrem Flieger aus Hamburg in den Mietwagen umgestiegen waren.

Die Sicht wurde immer schlechter. Der Wind zerrte an den Bäumen, sodass ihre Äste wie Klauenfinger nach dem Wagen zu greifen schienen. Mauern aus aufgeschichteten Feldsteinen zwängten sie auf der Straße ein, die immer enger zu werden schien. Dann plötzlich öffnete sich der Blick auf einen riesigen See. Das Wasser wirkte unheimlich schwarz. Weißer Schaum spritze auf, als der Wind die Oberfläche aufpeitschte. Ein riesiger Greifvogel drehte mit heiseren Schreien seine Runden und ließ sich mit dem Sturmwind über das Wasser treiben.

»Echt krass«, wiederholte Mona die Worte ihres Zwillingsbruders.

Endlich, als sie auf der Landenge zwischen dem Lough Mask und dem Lough Corrib das Dorf Cong erreichten, ließ der Regen ein wenig nach.

»Da ist das Schloss!«, rief ihre Mutter, als sie die Ländereien von Ashford Castle erreichten.

Die beiden Geschwister drückten sich die Nase an der Scheibe platt, um einen Blick auf das prächtige alte Gebäude zu erhaschen, das schon vor vielen Jahren zu einem Luxushotel umgebaut worden war.

»Nun ist es nicht mehr weit«, sagte ihr Vater erleichtert.

Sie bogen in eine schmale Straße ab und schon hielt Peter Tannenberg den Wagen in einer von Unkraut überwucherten Auffahrt an. Noch einmal huschte ein Blitz über den dunklen Himmel und der Donner rollte wie eine düstere Drohung. Mona schauderte, überspielte die Beklemmung aber und stieß die Wagentür auf. Ihr Bruder tat es ihr gleich und sprang ins Freie. Sie rannten durch den Regen auf das graue Steinhaus zu, in dem ihre Großmutter wohnte. Früher einmal hatte es zu den Ländereien des Schlosses gehört und wurde daher von den Leuten noch immer Ashford Cottage genannt. Cera folgte ihnen kläffend.

»Grand Myrna, wir sind da!«, riefen sie im Chor. Natürlich war Cera vor ihnen an der Tür. Sie stoppte abrupt, hob die Nase und begann kläglich zu winseln.

Mona tätschelte ihren Kopf. »Was ist los?«

Patrick hämmerte an die Tür, hielt dann aber inne, als sie sich mit einem leisen Knarren ein Stück öffnete.

»Großmutter?« Er schob die Tür noch ein Stück weiter auf und spähte in die düstere Diele, doch da war niemand. Verwundert zog er die Augenbrauen hoch und trat ein wenig zaghaft über die Schwelle. Cera winselte noch immer und jaulte dann plötzlich auf, als habe sie jemand getreten. Wieder rollte der Donner, doch er schien leiser geworden.

»Was machst du denn?«, empörte sich Mona und rieb sich das schmerzende Schienbein.

»Ich habe gar nichts gemacht«, verteidigte sich Patrick und schrie dann unvermittelt auf. »He, spinnst du? Was fällt dir ein, an meinen Haaren zu ziehen?«

»Hab ich doch gar nicht«, rief Mona, die zwei Schritte hinter ihm stand. Sie spürte einen erneuten Tritt gegen ihr Schienbein, aber Patrick konnte es nicht gewesen sein.

Doch ehe sie sich weiter Gedanken darüber machen konnten, ließ ein Stöhnen die beiden herumfahren.

»Ist da wer?«, fragte Mona ein wenig zaghaft und trat neben Patrick. Sie blickten in eine düstere Diele. Nichts regte sich, nur ein kühler Luftzug ließ sie frösteln. Oder war da noch etwas anderes?

»Grandma?«, rief Patrick ein wenig lauter.

Mona trat zögernd in die Diele. Sie spürte Patrick dicht hinter sich. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Geschlossene Türen, die zu beiden Seiten des Flurs abgingen, und im Hintergrund eine Treppe, die in das obere Stockwerk führte, waren in dem Dämmerlicht mehr zu erahnen als zu sehen.

Der Wind strich seufzend um das Haus. Irgendwo knackte es. Die alten Dielen über ihren Köpfen stöhnten. Mona unterdrückte den Impuls, nach der Hand ihres Bruders zu greifen. Stattdessen fasste sie in Ceras gesträubtes Fell. Mutig machte sie noch einige Schritte vorwärts und blieb dann wie angewurzelt stehen.

»Großmutter?«, hauchte sie und starrte entsetzt auf die Gestalt, die leblos am Fuß der Treppe lag.

Gott sei Dank ist es nur ein gebrochenes Bein«, sagte Mona mit einem Seufzer der Erleichterung. Ihr Bruder nickte zustimmend.

Sie standen in der offenen Tür des Cottages und winkten ihren Eltern hinterher, die sich von ihrer Großmutter tatsächlich hatten überreden lassen, am nächsten Morgen wie geplant abzureisen.

»So, und was machen wir jetzt?«, fragte Mona. Ihr neuer »Babysitter« hatte sich noch nicht gezeigt.

»Erst mal ein zweites Frühstück«, schlug Patrick grinsend vor, der ständig Unmengen futterte, ohne dass dies etwas an seiner schlanken Statur änderte.

Cera wedelte begeistert mit dem Schwanz. Gemeinsam gingen die Geschwister ins Haus zurück. Sie bestrichen sich einige Scheiben Brot dick mit Butter und Marmelade und gossen sich frische Milch in ihre Gläser. Genüsslich biss Mona in ihre Brotscheibe. Es ging doch nichts über selbst gekochte Marmelade! Ihr Bruder leerte seinen Kakao und rührte sich dann gleich noch eine Portion an.

»Das war knapp«, sagte er. »Ich habe uns schon auf dem Rückweg nach Hamburg gesehen.«

Mona nickte. Sie konnte es selbst noch nicht ganz fassen, dass ihre Pläne doch noch Wirklichkeit werden sollten. Sechs Wochen Sommerferien bei ihrer Großmutter in Irland! Nun, zumindest in ihrem Haus. Die ersten zehn Tage würde sie wohl noch im Krankenhaus bleiben müssen, doch ihre Nachbarin Brenda hatte versprochen, sich um die Kinder zu kümmern, während ihre Mutter den Vater auf seiner Geschäftsreise nach China begleitete.

»Das wird super«, meinte Mona, nahm das zweite Brot und trug es mit ihrem Milchglas hinüber ins Wohnzimmer. Dort richtete sie sich auf dem Sofa häuslich ein und legte ihr Notizbuch und einen Stift bereit. Noch immer kauend schlug sie eine leere Seite auf und begann zu zeichnen. Das war ihre große Leidenschaft – neben dem Reiten natürlich. Sie zeichnete alles, was sie sah oder ihr einfach so in den Sinn kam. Selbst ihr Bruder musste zugeben, dass sie darin gar nicht übel war. Patrick war selbst künstlerisch allerdings eine ziemliche Niete, die Bücher, die er ständig mit sich herumschleppte, enthielten Geschichten. Allerdings teilte er Monas Leidenschaft für Pferde und hoffte wie sie, dass sie hier in Irland würden reiten dürfen.

Stille senkte sich herab. Während Patrick in seinem Abenteuerroman versank, glitt Monas Stift über das Papier. Sie malte dunkle Gewitterwolken, von einem Blitz zerrissen, und zerzauste Bäume, deren Äste sich wie Klauen in den Himmel reckten. Nasse Schafe drückten sich in den Schutz einer Hecke.

Sie blätterte die Seite um und begann das Haus der Großmutter zu skizzieren, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Das würde sie später noch einmal versuchen, wenn sie es sich von außen genauer angesehen und ihre Erinnerung aufgefrischt hatte. Sie überlegte gerade, ob sie eine Skizze des Wohnzimmers anfertigen sollte, als in der Küche etwas krachend zu Boden fiel. Glas splitterte.

Mona ließ vor Schreck den Stift fallen, Patrick zuckte über seinem Buch zusammen. Cera sprang kläffend auf.

»Was war denn das?«

Sie starrten zur Tür. Außer ihnen war doch niemand im Haus?

Nachdem ihre Erstarrung sich gelöst hatte, liefen die beiden Geschwister in die Küche. Die Bescherung war nicht zu übersehen. Ein Marmeladenglas lag zerbrochen auf dem Fliesenboden. Mona beugte sich herab.

»Wie konnte das denn passieren? Es stand dort oben auf dem Regal bei den anderen.«

Patrick kauerte sich neben sie. »Siehst du das?«

Mona betrachtete die kleinen Abdrücke in der Marmelade, die sich als klebrige Spur ein Stück über den Küchenboden zogen und dann verschwanden.

»Ich glaube, Grand Myrna hat ein Mäuseproblem.«

Patrick beugte sich tiefer zu der Spur hinab. »Wenn das die Spur einer Maus sein soll, dann war das eine verdammt große!«

Mona zog eine Grimasse. »Iiih, meinst du, es war eine Ratte? Ich habe ja nichts gegen niedliche kleine Mäuse, aber eine Ratte – igitt!«

Patrick stimmte ihr in diesem Punkt zu, dennoch schüttelte er nachdenklich den Kopf. »Aber es sieht auch nicht wie eine Rattenspur aus. Ich habe daheim ein Buch mit verschiedenen Fährten. Da könnte ich jetzt nachsehen.« Er seufzte und schob Cera weg, die versuchte, die Marmelade aufzulecken.

»Lass das. Da sind Scherben drin. Das darfst du nicht fressen.«

Betrübt ließ die Retrieverhündin die Ohren hängen.

Mona lief ins Wohnzimmer und kam dann mit ihrem Skizzenbuch zurück. Sie ließ sich neben der klebrigen Bescherung im Schneidersitz auf dem Boden nieder und rückte ihre Brille zurecht. Dann begann sie die Spuren abzuzeichnen. Patrick beugte sich von hinten über sie und gab gute Ratschläge, die sie mit einem gereizten Grummeln beantwortete. Endlich waren sie beide mit ihrem Werk zufrieden und machten sich daran, Scherben und Marmelade vom Boden zu wischen.

»Ich möchte wissen, was das war«, murmelte Patrick vor sich hin. »Wollen mal sehen, ob unter Großmutters Büchern was zu finden ist, das uns weiterhilft.«

Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück und stellten sich vor dem riesigen Bücherregal auf, das die ganze Wand bedeckte, nur unterbrochen von einem offenen Kamin, in dem noch ein paar Aschereste lagen. Auf dem Kaminsims standen ein paar seltsame Figuren und einige Fotos. Eines davon mochte etwa zwölf Jahre alt sein und zeigte ihre Eltern Isleen O’Connor und Peter Tannenberg auf ihrer Hochzeit. Daneben war ein Foto neueren Datums, auf dem die ganze Familie zu sehen war. Vermutlich hatte Mama es ihrer Mutter zu Weihnachten geschickt. Mona blieb stehen und betrachtete es. Wieder einmal fiel ihr auf, wie wenig sie und ihr Zwillingsbruder einander glichen. Mona – oder besser gesagt Morrigan, wie ihr verschmähter irischer Taufname lautete – war kleiner als ihr Bruder und zierlicher und sah mit ihren widerspenstigen braunen Locken ihrer Mutter Isleen ähnlich. Patrick hatte zwar wie Mona die grünen Augen der Mutter geerbt, doch dazu das blonde Haar des Vaters, der wie ein typischer Hanseat aussah: groß, schlank und mit vom Segeln gebräuntem Gesicht und strahlend blauen Augen.

»Hallo, Traumsuse, hilfst du mir jetzt mal?«, holte ihr Bruder sie ins Hier und Jetzt zurück. Er hatte einige alte Bücher aus dem Regal gezogen und dann nach einem kurzen Blick wieder zurückgestellt.

Mona beeilte sich, ihn bei seiner Suche zu unterstützen, doch die Bücher schienen nach irgendeinem System geordnet zu sein, das sie nicht verstand. Endlich entdeckten sie ein Regalbrett, das anscheinend Großvaters naturwissenschaftliche Sammlung enthielt, und darunter auch ein Buch mit Abbildungen der Tierwelt Irlands und, was ihnen besonders wichtig war, auch deren Fährten.

Sie zogen sich mit dem Buch auf das Sofa zurück und blätterten es langsam durch. Immer wieder hielten sie inne und verglichen die ein oder andere Spur mit Monas Skizze, doch jedes Mal schüttelten sie unisono den Kopf.

»Nein, das ist es nicht«, sagte Patrick jedes Mal, bis sie die letzte Seite umschlugen. Enttäuscht warf er das Buch auf den Tisch.

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt so genau wissen will, was das für ein Tier war. Begegnen möchte ich ihm jedenfalls nicht, schon gar nicht heute Nacht im Dunkeln!«, sagte Mona mit einem leichten Schaudern.

»Und hoffentlich auch nicht auf der Treppe«, ergänzte Patrick vielsagend.

Mona stutzte. »Du meinst, Grand Myrna ist über dieses Tier gestolpert?«

»Wer weiß?«

Doch bevor Patrick weiter wilde Theorien aufstellen konnte, unterbrach ihn ein markerschütterndes Kreischen. Die Geschwister fuhren vor Schreck zusammen und fassten einander instinktiv bei den Händen. Cera jaulte und schoss zur Tür. Noch ehe die Zwillinge sie erreichten, hatte sich die Hündin bereits durch den Spalt gedrängt und rannte bellend den Gang entlang. Vor der Haustür kam sie schlitternd zum Stehen. Mona sah, dass sie nur angelehnt war, obwohl sie überzeugt war, sie vorhin richtig zugezogen zu haben. Cera versuchte die Schnauze in den Spalt zu schieben, als die Tür mit einem Ruck zugestoßen wurde und das Schloss mit einem Klicken einschnappte.

Die Zwillinge sahen einander unbehaglich an.

»Vielleicht ist es doch nicht nur ein Tier, das sich hier herumtreibt«, meinte Patrick. Er reckte entschlossen das Kinn, doch Mona kannte ihren Bruder gut genug, um zu spüren, dass auch ihm die Sache unheimlich war. Zaghaft öffneten sie die Haustür und lugten auf die von Unkraut bewachsene Auffahrt hinaus. Es war niemand zu sehen. Doch der Wind heulte nun lauter als zuvor, der Himmel hatte sich schiefergrau verdüstert, und schon begann es wieder zu regnen. Patrick zog die Tür zu und schob den Riegel vor. Er steckte sich den Bund mit den drei Schlüsseln, den Großmutter ihnen gegeben hatte, in die Hosentasche. Mit grimmiger Miene wandte er sich Mona zu.

»Ich denke, wir sollten eine Runde durchs Haus drehen, um sicherzugehen, dass außer uns auch wirklich keiner da ist.«

Mona schluckte. Sie grub ihre Finger in Ceras Fell und spürte, dass der Hund sich entspannte. Das war ein gutes Zeichen. Sie würde sicher knurren, wenn hier noch jemand wäre, redete sie sich ein.

»Gut, dann fangen wir im Erdgeschoss an«, sagte sie mit fester Stimme. Sie warfen noch einmal einen Blick ins Wohnzimmer und folgten dann dem Flur bis zur Hintertür. Auch hier legte Patrick den Riegel vor. Sie öffneten die Tür zur Toilette und gingen dann in die Küche. Auch hier schien alles in Ordnung. Patrick öffnete die schmale Tür an der rückwärtigen Wand hinter der eine enge, steile Steintreppe in die Tiefe führte.

»Den Keller nehmen wir uns später vor«, sagte Mona schnell und wich in die Diele zurück. Zu ihrer Überraschung widersprach Patrick nicht, sondern folgte ihr die Treppe hinauf. Sie schalteten das Licht ein, denn obgleich es erst Mittag sein konnte, war es im Haus so düster, als bräche der Abend schon herein. Vorsichtig, Stufe um Stufe, brachten sie die Treppe hinter sich. Das alte Holz knarrte unter ihren Füßen. Sie warfen einen Blick in ihr eigenes Schlafzimmer mit den beiden schmalen Betten. Dann gingen sie ins Bad hinüber. Alles war ruhig. Nichts Auffällige zu sehen, und doch stellten sich Monas Nackenhaare auf, als sie sich der Tür näherten, hinter der Großmutters Schlafzimmer lag. Patrick öffnete die Tür und trat ein. Mona folgte ihm. Da schoss Cera an ihnen vorbei zum Fenster und kläffte laut. Die beiden fuhren zusammen und liefen ihr hinterher. Sie drückten sich gemeinsam gegen die Scheibe und sahen hinunter in den Garten, konnten aber nichts Ungewöhnliches entdecken.

»Cera«, schimpfte Patrick. »Was fällt dir ein, uns so zu erschrecken?«

Der Hund fuhr herum und knurrte laut. Noch ehe die Zwillinge reagieren konnten, schlug die Tür mit einem lauten Krachen zu. Ein Knirschen wie von einem Schlüssel folgte, dann war es wieder still.

»Der Wind«, behauptete Patrick, obgleich sie beide nicht recht daran glaubten. Er eilte zur Tür und drückte die Klinke herunter.

»Abgeschlossen!«, rief er ungläubig.

»Das ist unmöglich«, widersprach Mona und versuchte es ebenfalls, aber die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Sie rüttelten vergeblich an der Klinke und gaben dann schließlich auf.

»Was ist mit den Schlüsseln, die du eingesteckt hast?«, fragte Mona.

Patrick holte den Bund heraus und betrachtete die drei unterschiedlichen Schlüssel. »Der ist für die Haustür, und der für die Hintertür«, sagte er. Obwohl man es bereits an der Form des Schlosses sah, dass sie nicht passen konnten, versuchte er es dennoch. Natürlich vergeblich. Und auch der große, altmodische Schlüssel, der als Drittes am Bund hing, passte in keine Zimmertür.

»Mist!«

Mona ließ sich auf das Bett ihrer Großmutter sinken.

»Was machen wir jetzt?«

»Jetzt sitzen wir hier ewig, bis Brenda kommt und uns rauslässt«, schimpfte Patrick.

»Sie wird gar nicht ins Haus kommen«, erinnerte Mona. »Du hast den Riegel an der Haustür vorgeschoben.«

»Verdammt«, fluchte Patrick. Sie sahen einander ratlos an.

»Aus dem Zimmer raus müssen wir auf alle Fälle«, sagte Patrick schließlich und trat zum Fenster. Sie öffneten die schmalen Flügel und beugten sich hinaus.

»Das sind bestimmt vier Meter oder so«, schätzte Mona. Patrick nickte.

»Ja, aber das Gras dort unten sieht weich aus.«

»Du willst doch nicht etwa da hinunterspringen«, widersprach Mona entsetzt.

Patrick seufzte. »Nein, ich habe nun echt keine Lust, bei Grand Myrna im Krankenhaus mit einzuziehen. Wir müssen uns irgendwie an der Hauswand runterlassen. Zumindest bis zu dem Fenstersims dort unten. Von dort aus könnten wir dann springen.«

Mona nickte und trat an die alte Truhe amFußende des Bettes. Wie sie vermutet hatte, bewahrte ihre Großmutter ihre Laken darin auf. Sie nahm drei Leinentücher heraus und knotete sie mit Patricks Hilfe zusammen. Dann schlangen sie das eine Ende um den Balken, der die beiden schmalen Fensterhälften voneinander trennte. Patrick warf das andere Ende hinaus. Es reichte nicht ganz bis zum Boden, doch zumindest ein wenig über das untere Fensterbrett hinaus.

»Hoffentlich reißt es nicht«, murmelte Mona und zog prüfend an dem zusammengedrehten Laken.

»Wird schon halten«, sprach Patrick sich selbst Mut zu. Er war bereit, als Erster hinauszuklettern. Er zwängte sich durch das kleine Fenster, schwang die Beine nach draußen und wickelte sich dann das Laken einmal um sein Handgelenk. Vorsichtig ließ er sich nach draußen gleiten und schlang dann seine Beine um das Tuch.