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Der Arbeiter Horst Reblaus und der Ingenieur Manfred Raddatz sind zum Angeln verabredet. Doch Reblaus wartet vergeblich auf seinen Freund. Die Polizei sieht in einer versäumten Verabredung aber keinen Grund für eine Suchaktion und so beschließt Reblaus schließlich selbst nach dem Rechten zu sehen. ln der Wohnung des Freundes findet er den Ingenieur- brutal ermordet. War es wirklich ein Raubmord oder gab es vielleicht noch andere Motive für die schreckliche Tat?
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Seitenzahl: 237
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Impressum
eISBN 978-3-360-50095-3
© 2015 (1989) Das Neue Berlin, Berlin
Cover: Verlag
Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Wolfgang Kienast
Das Risiko der Perfektion
Das Neue Berlin
Der Mann, der am Sonnabendvormittag beim Polizeirevier 83 sehr bestimmt eine Meldung vortrug, stand auf kräftigen Beinen, die säulengleich im Fußboden verankert schienen. Das war wohl auch nötig, weil der Körper, kompakt und gedrungen, zweifellos eine tüchtige Last ausmachte. Die Hände, mit denen der Mann dem Diensthabenden seine Erklärungen gestenreich verdeutlichte, bestätigten eindrucksvoll, dass sein Tagewerk nicht aus Lumpensortieren oder Papierstempeln bestand. Sein Gesicht hingegen strahlte Friedfertigkeit aus. Doch so gleichbleibend freundlich er auch dreinblickte, während der Wachtmeister auf der anderen Seite der Luke bereits ein Stakkato mit seinem Kugelschreiber auf einem Stenoblock zelebrierte, er war fraglos gewillt, den Genossen zwingend zu überzeugen, mochten seine Argumente auch noch so bescheiden sein.
»Ich bin Horst Reblaus«, sagte er zum wiederholten Male, »wohnhaft hier in der Schreiner.«
Das bezweifelte der Diensthabende hinter der Scheibe keineswegs. Er sah jedoch den geröteten Teint des Besuchers und die kreuz und quer über Wangen und Nase springenden Äderchen und kam zu dem Urteil: Der Mann genoss lebensfroh all die Flüssigkeiten, die unters Jugendschutzgesetz fallen. Wenn so einer das Verschwinden eines Mannes meldet, war zumindest Relativierung am Platze.
Die gestische Beredsamkeit Horst Reblaus’ mündete einzig in der Mitteilung, dass der dreiundvierzigjährige Manfred Raddatz aus der Liebigstraße 7, mit dem er zum Angeln verabredet gewesen war, nicht zum Treffpunkt gekommen und auch nicht in seiner Wohnung sei, also auf unerklärliche Weise verschwunden war.
Nun, der Diensthabende teilte diese Schlussfolgerung nicht. Ein erwachsener Mensch, der eine Verabredung versäumt, ist kein Fall für den Suchdienst. Sofern nicht objektive Verdachtsmerkmale vorliegen. Die Abwesenheit von zu Hause sei keiner, sie unterstrich lediglich, dass Reblaus versetzt worden war. Raddatz hatte eben anderes, Dringenderes vor. Volkstümlich ausgedrückt, ihm war etwas dazwischengekommen.
Reblaus’ Miene nahm den Ausdruck verblüffter Empörung an. Womöglich schien es ihm unvorstellbar, dass es Wichtigeres gab als Angeln, zumindest Angeln mit ihm.
Seine naive Beharrlichkeit ging dem Wachtmeister auf die Nerven. »Werter Bürger«, sagte er, sich zu souveräner Gelassenheit zwingend, »wir sind nicht dazu da, anderen ins Privatleben zu pfuschen. Wir sind auch kein individuelles Kontaktbüro.«
»Ja, wozu sind die Polypen denn da?«, entfuhr es Reblaus.
Jetzt wurde es dem Polizisten doch zu viel. Als Polyp wollte er sich nicht bezeichnet wissen. »Herr«, sagte er scharf, »ich habe keine Lust, mich von Ihnen beleidigen zu lassen. Vielleicht bevorzugen Sie das Vokabular aus Schundromanen, aber dies hier ist nicht der Ort, es anzuwenden.«
Beschämt senkte Reblaus den massigen Schädel. »Is mir so rausjerutscht, Jenosse Major.«Arglos, wie er war, glaubte er, den erzürnten Polizisten besänftigen zu können, wenn er ihn verbal beförderte.
Leider fühlte der sich dadurch erst recht verspottet. Er schob Reblaus’ Personalausweis mit entschiedener Gebärde durch die Luke. »Bitte, gehen Sie, und verschwenden Sie Ihren Humor anderswo. Auf Wiedersehen!«
Reblaus’ Beine blieben in ihrer Verankerung. Er bewegte nichts als Arme und Hände und dann wieder den Mund, um unter diesen Umständen ein Gespräch mit Detlev Kühl zu fordern.
Mein Gott, jetzt will der Kerl auch noch zur Kriminalpolizei, dachte der Wachtmeister erbittert. Entweder ist er ein kompletter Idiot oder ein Provokateur, vielleicht beides. Allerdings machte ihn die Vertraulichkeit stutzig, die der Koloss da an den Tag legte, indem er den Leutnant der K dieser Revierdienststelle beinahe familiär bei Vor- und Zunamen nannte. Es gab jede Menge Typen, die mit der Polizei auf Du und Du standen, hauptsächlich deshalb, weil sie sie mit unsinnigenAnzeigen bombardierten. Und es gab eine ungeschriebene Regel, sie freundlich und höflich zu behandeln; wegen der vagen Möglichkeit, unter tausend Nieten könnte auch einmal ein Treffer sein, vor allem aber, um zu verhindern, dass sie weitergingen, zur Inspektion, zum Präsidium gar oder, was die Sache ganz verfahren machte, zur Staatsanwaltschaft. Solche Leute kannten sich bestens aus.
Der Wachhabende setzte eine verbindliche Miene auf. »Wir haben Wochenende, Herr Reblaus; der Genosse Kühl hat dienstfrei. Sie kennen ihn?«
»Is ’n Kumpel von mir«, sagte Reblaus, ohne dieser Feststellung auch nur einen Hauch von Gewichtigkeit zu geben. Im Übrigen sah er nicht aus wie ein Angeber, eher etwas einfältig. So wenig der Wachtmeister sich eine Freundschaft zwischen Leutnant Kühl und dem Bürger Reblaus auch vorstellen konnte, so wenig zweifelte er an einer näheren Bekanntschaft der beiden.
»Tja, tut mir leid. Bereitschaft hat der Genosse Kühl auch nicht, deshalb wird er vermutlich am Wochenende gar nicht in der Stadt sein.«
»Is’ er doch, weil er morjen jegen Fortuna Pankow spielen muss«, erklärte Reblaus bündig.
»Natürlich«, beeilte sich der Wachtmeister zu versichern und ergriff die Gelegenheit beim Schopfe, Reblaus von seinem eigentlichenAnliegen abzulenken. »Fortuna Pankow, ja, ja. Fußball, was?«
Es war fehlspekuliert, wie er sogleich erfuhr. Reblaus ging es nicht um Fußball, sondern um seinen Freund Manne aus der Liebigstraße. »Übrigens krichter ’n paar blaue Kalles von mir. Die braucht er. Dringend. Du glaubst doch nich, det er die so ohne weiteres sausen lässt?«
»Der Genosse Kühl?« Der Wachtmeister überhörte geflissentlich, dass Reblaus ihn zu duzen begonnen hatte. »Was für Kalles bekommt Leutnant Kühl von Ihnen?«
»Doch nich Detta. Manne! Kalles sind fünf Scheine klaret Jeld. Es jibt jrüne Johnnys, rote Fritzen und eben blaue Kalles, verstehste.«
»Verstehe, Ihr Freund bekommt von Ihnen fünfhundert Mark, und die wollten Sie ihm heute geben«, sagte der Diensthabende brav wie ein Schüler, der vor dem Lehrer seine Lektion memoriert. Er hatte wirklich etwas gelernt, nämlich was Johnnys, Fritzen und Kalles sind.
»Jenau, Manne is dringend da druff anjewiesen. Er is also überhaupt nich irgendwie verhindert. Ihm is wat zujestoßen.«
Seufzend setzte der Wachtmeister erneut zu der Erklärung an, dass die Umstände für eine Vermisstenanzeige nicht ausreichten. Am Donnerstagabend hätten sie die Verabredung getroffen, heute sei Sonnabend, zehn Uhr, dazwischen lägen keine vierzig Stunden. Im Laufe des Tages noch, spätestens morgen oder am Montag würde sein Freund sich das Geld abholen und wahrscheinlich auch eine Erklärung parat haben für sein Versäumnis.
Er irrte sich sehr.
Das, was sich etwas hochtrabend Sportkasino nannte, maß höchstens fünfundzwanzig Quadratmeter und war mit einer kleinen Theke, einem Stehtisch, fünf Tischen und etlichen Stühlen so vollgepfropft wie ein Möbelspeicher. Trotzdem fanden dort noch ein paar Dutzend Leute Platz. In Spitzenzeiten. Jetzt war von solch lebensgefährlichem Gedränge allerdings keine Rede. Vier spielten mit klappernden Würfeln Lügenmax und machten viel Geschrei, weil einer Sechserpasch angesagt und der Nächste übernommen hatte, schon ein an Dummheit grenzendes Risiko. Aber der trudelte sogar noch einen Max, worauf sich das Gebrüll zu einer Phonstärke steigerte, die den Mauern von Jericho gefährlich werden konnte. Indes schienen die Wände des Sportkasinos robuster, sie wiesen nur ein paar Risse im Putz auf.
Reblaus kam gerade herein und dachte, die Trommelfelle müssten ihm platzen. Er verachtete Würfelspiele, fand sie noch kindischer als Siebzehn und vier, geschweige denn, dass sie mit geistesbildenden Kartenspielen wie Skat und Klammern konkurrieren konnten. Sein Blick fiel auf das Angelzeug in der Ecke, und im Gedenken an die Bleie, Plötzen und womöglich sogar Aale, die im Fangschleuser Werlsee förmlich danach schrien, von ihm gelandet zu werden, verdüsterten sich seine Gedanken noch mehr. Das kam alles zusammen: die verpatzte Angelei, Mannes Verschwinden, der Ärger mit dem Ordnungshüter vom Revier 83 und das Krakeelen um Einunddreißig, Oma, Sechserpasch und Max, diese primitiven Tatwaffen, um Zeit totzuschlagen.
»Ihr solltet euch bei die Polizei bewerben, die brauchen sone Experten«, brummte er missvergnügt und bestellte einen Gespritzten. Diesmal spürte er keine Skrupel bei der Respektlosigkeit gegenüber den Wächtern von Sicherheit und Ordnung. Das Sportgelände war exterritoriales Gebiet mit eigenen Gesetzen, höchstens dass mal der hereinschaute, sei es, um mahnend auf eine ruhebedürftige Nachbarschaft hinzuweisen, eher jedoch, um zu sehen, wie die Blau-Weißen jeden Gegner zerpflückten und in den Staub rieben. Das Gelände entbehrte aller Vorzüge gepflegter Sportplätze. Vielmehr entsprach es den Merkmalen seines Sportkasinos; es war klein und eng, zusammengepfercht zwischen den Hinterfassaden vierstöckiger Mietskasernen. Statt eines grünen Rasens gab es schwarzen Sand, statt Ozon Staubwolken und statt ungestörten Spiels und Sports Klagen wegen Lärmbelästigung von den Anwohnern.
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