9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €
Rottweil, 1340. Die ehemalige Henkerin Melisande lebt mit ihrer Familie ein ruhiges, glückliches Leben. Bis sie der Hilferuf eines Mannes erreicht, der behauptet, ihr Bruder zu sein. Der aber ist seit Jahren tot, sie selbst hat seinen Mörder gerichtet. Hat sie sich damals geirrt? Ihr angeblicher Bruder sitzt unschuldig im Kerker von Esslingen, nur sie kann ihn retten. Kurzentschlossen reist Melisande zu ihm - und tappt in eine Falle, die nicht nur ihr eigenes Leben in höchste Gefahr bringt ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 561
Rottweil, 1340. Die ehemalige Henkerin Melisande lebt mit ihrer Familie ein ruhiges, glückliches Leben. Bis sie der Hilferuf eines Mannes erreicht, der behauptet, ihr Bruder zu sein. Der aber ist seit Jahren tot, sie selbst hat seinen Mörder gerichtet. Hat sie sich damals geirrt? Ihr angeblicher Bruder sitzt unschuldig im Kerker von Esslingen, nur sie kann ihn retten. Kurzentschlossen reist Melisande zu ihm – und tappt in eine Falle, die nicht nur ihr eigenes Leben in höchste Gefahr bringt ...
Hinter Sabine Martin verbirgt sich ein erfahrenes Autorenduo. Martin Conrath hat bereits zahlreiche Thriller und Kriminalromane veröffentlicht, von denen einer als „Tatort“ verfilmt wurde. Sabine Klewe verfasste mehrere aktuelle und historische Kriminalromane, von denen einige zu Bestsellern wurden. Daneben arbeitet sie als Übersetzerin und Dozentin. Die Autoren leben und schreiben in Düsseldorf.
SABINE MARTIN
DAS SCHICKSAL DER HENKERIN
Historischer Roman
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Dr. Stefanie Heinen
Karte: Dr. Helmut Pesch, Köln
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Illustrationen von © shutterstock: Evgeniia Litovchenko | voy ager | Hrynevich Yury | lookus
eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-8802-2
www.luebbe.de
www.lesejury.de
ES IST GUT, WENN MAN REICH IST, UND ES IST GUT, WENN MAN STARK IST, ABER NOCH BESSER IST ES, WENN MAN VON VIELEN FREUNDEN GELIEBT WIRD.
Euripides
»Teufel und Hurenarsch, diese löchrige Straße bringt uns noch alle um!« Der Mann auf dem Bock schwang knallend die Peitsche, der Ochse schnaubte, der Karren setzte sich mit einem Ruck wieder in Bewegung.
Im Innern des Gefährts stieß Melisande unsanft mit dem Kopf gegen eine Truhe und schreckte hoch. Einen Augenblick lang war sie verwirrt, wusste nicht, wo sie war. Sie hatte geträumt, sie säße mit ihrem Mann Wendel vor dem Haus in der Sonne, ihre Tochter Gertrud und ihr Sohn Antonius spielten zu ihren Füßen mit den Ritterfiguren aus Zinn, die ihr Großvater ihnen geschenkt hatte, die Luft in Rottweil wäre warm und duftete nach Frühling.
Die Wirklichkeit hätte nicht gegensätzlicher sein können. Im Karren war es eng, Melisande saß zwischen stinkenden Tierkadavern, die von der Decke baumelten, Fläschchen und Tiegeln mit Tinkturen und den übrigen Habseligkeiten des reisenden Theriakhändlers und seiner Familie.
Draußen wie drinnen klirrte die Januarluft vor Kälte, Schnee glitzerte auf der Alb und erschwerte das Vorankommen. Die Menschen, die Melisande gegenübersaßen, die schwangere Frau des Händlers und seine drei Kinder, starrten sie argwöhnisch an. Sie schienen die derben Flüche des Familienoberhaupts draußen auf dem Bock gewöhnt zu sein, die fremde Reisebegleitung war ihnen jedoch offenbar unheimlich.
Hastig griff Melisande nach der Kapuze. War sie verrutscht? Nein. Dem Himmel sei Dank! Sie blickte verstohlen an sich hinunter: Der grobe Stoff der Mönchskutte kaschierte ihre weiblichen Konturen, Fellhandschuhe verbargen die feingliedrigen Frauenhände. Ihre feuerroten Haare hatte sie fest zurückgebunden und unter der Kapuze versteckt, das Gesicht hatte sie mit Dreck eingeschmiert, um es härter aussehen zu lassen und einen Bartschatten vorzutäuschen. Vor dem Gasthaus in Wendlingen hatte sie nur wenige heiser geraunte Worte mit dem Händler gewechselt, um den Preis für die Passage auszuhandeln. Seither hatte sie geschwiegen.
»Ist der Mann böse?«, fragte der Junge seine Mutter.
»Schscht! Bist du wohl still!«
»Aber er blickt so finster drein.«
Melisande musste ein Lächeln unterdrücken. Der Bub erinnerte sie an ihren eigenen Sohn. Antonius war etwa im gleichen Alter, sechs war er im vergangenen Sommer geworden, und ebenso wissbegierig. Er löcherte seine Eltern und seine große Schwester mit Fragen, und er gab selten Ruhe, bevor er eine Antwort bekommen hatte.
Der Gedanke an ihre Kinder versetzte Melisande einen Stich. Es war ihr schwergefallen, sie in Rottweil zurückzulassen, aber sie hatte keine Wahl gehabt. Sie hatte Gertrud versprochen, so schnell wie möglich zurückzukehren. Die zwei Tage bis Wendlingen war sie wie der Teufel geritten und hatte sich kaum eine Rast gegönnt.
Gertrud und Antonius sind in guten Händen, sagte sie sich. Und in einigen Tagen wird ihr Vater heimkehren. Wie auch immer es zwischen ihr und Wendel stand, für seine Kinder würde er alles tun, darauf konnte sie sich blind verlassen.
»Aber Mama«, quengelte der Bub weiter. »Was ist denn mit ihm? Warum redet er nicht mit uns?«
»Gib endlich Ruhe, Jakob. Der Mann ist ein Mönch, ein Diener Gottes.« Die Frau strich mit der Hand über ihren gerundeten Bauch und lächelte entschuldigend in Melisandes Richtung. »Du musst ihn mit Respekt behandeln, dann schließt er dich vielleicht in seine Gebete ein. Wahrscheinlich hat er ein Schweigegelübde abgelegt.«
Melisande nickte leicht.
»Siehst du, er darf nichts sagen, sonst würde er sich versündigen.«
»Und wenn er in Not gerät? Wenn er Hilfe braucht?«
»Jakob, bitte!«
»Ich will kein Mönch werden, Mama. Ich stelle es mir schrecklich vor, immer allein zu sein und niemals ein Wort zu sagen. Man muss doch manchmal mit anderen sprechen, und man darf keine Geheimnisse haben, sonst können schlimme Dinge passieren.«
»Kein Wort mehr! Sonst sage ich Vater, dass du unartig warst!«
Der kleine Jakob presste die Lippen zusammen. Seine Schwestern, Zwillingsmädchen, die etwa zwei Jahre jünger waren als er und sich kein Wort hatten entgehen lassen, widmeten sich wieder ihrem Abzählspiel.
Melisande hätte gern etwas Aufmunterndes zu dem Jungen gesagt, doch sie hatte sich vorgenommen, nur zu sprechen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Zu groß war die Gefahr, dass ihre helle Stimme sie verriet, auch wenn sie gut darin war, sie zu verstellen. Daher kam ihr das angebliche Schweigegelübde genau recht, und sie begnügte sich damit, Jakob zuzuzwinkern, als seine Mutter nicht hinsah, und senkte dann den Blick wieder auf ihren Schoß.
Ihre Gedanken schossen zum Ziel ihrer Reise, zu der bevorstehenden Begegnung, und ihr Herz schlug schneller. Hoffentlich kam sie nicht zu spät! Drei Tage waren vergangen, seit sie die Nachricht erhalten hatte. Viel zu viel Zeit. Doch sie hatte erst die Verkleidung besorgen, eine Ausrede für das Gesinde erfinden und unerkannt aus der Stadt verschwinden müssen. Und dann war das Reisen im Winter nicht gerade einfach, viel weniger Fuhrwerke als sonst waren unterwegs, und die kamen im Schnee nur langsam voran. Zudem nahm der Theriakhändler den Umweg am Neckar entlang, weil die Berkheimer Steige bei dieser Witterung zu steil war.
Wenn sie doch nur die gesamte Strecke hätte reiten können! Dann wäre sie längst am Ziel. Aber ein Mönch zu Pferd wäre zu vielen Menschen im Gedächtnis geblieben, und sie wollte nicht auffallen. Zu riskant war das, was sie vorhatte.
Wohl zum zehnten Mal an diesem Tag tastete Melisande nach dem Beutel, der unter der Kutte hing. Es kostete sie große Beherrschung, den Brief, der darin lag und schon ganz zerdrückt war, nicht hervorzuziehen. Es war auch nicht nötig. Sie kannte ihn auswendig, so oft hatte sie ihn gelesen.
Meine geliebte Mel …
In dem Augenblick ruckte der Wagen durch ein Loch, die Fläschchen mit den Tinkturen klirrten, die Mädchen kicherten, ihre schwangere Mutter stöhnte und presste eine Hand auf den Bauch.
Melisande erstarrte. Eine Erinnerung stieg in ihr auf.
Melisande rutschte unruhig auf dem harten Holz hin und her. Anfangs hatte sie versucht, sich dem Rhythmus der Ochsen anzupassen, die den Karren zogen, aber das hatte sie schnell aufgegeben. Der Weg strotzte von Unebenheiten und Löchern, sodass sie sich festhalten musste, um nicht von der Kleidertruhe zu fallen. Immer wenn eines der mühlsteingroßen Räder in den Untergrund einsackte, hob sich das andere in die Luft.
Konrad, Melisandes Vater, hatte darauf bestanden, die Familie in diesem unbequemen Gefährt nach Hause zu bringen. Und Beata, Melisandes Mutter, hatte dafür gesorgt, dass sie ein hässliches Leinenkleid anzog. Wie ein Sack hing der grobe Stoff an ihr herunter, sie sah damit aus wie ein Bauernjunge, der etwas zu schmal geraten war. Die rindsledernen Schuhe hatte Melisande ausgezogen, um sich ein wenig Kühlung zu verschaffen. Ihre langen feuerroten Haare hatte sie mit einer silbernen Spange hochgesteckt, das einzige Schmuckstück, das sie als Tochter der reichen Kaufmannsfamilie Wilhelmis auswies.
Es kam Melisande vor, als seien sie schon seit Tagen unterwegs. Dabei waren sie erst am Morgen aufgebrochen, und es war nicht mehr weit bis Esslingen, wo sie ein großes Haus am Marktplatz bewohnten. Trotzdem fragte sie ihre Mutter wohl zum hundertsten Mal, wann sie denn endlich da sein würden.
»Wenn die Sonne untergeht, sind wir zu Hause«, sagte Beata geduldig und streichelte Gertrud, die in ihren Armen schlief, über den Kopf.
Melisande verzog das Gesicht. Ihre kleine Schwester konnte immer und überall schlafen. Selbst wenn Blitz und Donner alle in Angst und Schrecken versetzten, lag sie zusammengerollt auf ihrem Lager und wachte nicht auf. Sie selbst sehnte sich nach irgendeiner Beschäftigung. Wenn sie wenigstens sticken könnte. Oder lesen. Aber das ging bei dem Gerumpel nicht. Bevor sie auch nur einen Stich in den Stoff gemacht hätte, hätte sie sich zehnmal mit der Nadel in den Finger gestochen. Und die Buchstaben, die von den Abenteuern der edlen Ritter Parzival und Gawan erzählten, würden so wild vor ihren Augen herumtanzen, dass ihr übel würde.
Das Gefährt bäumte sich wieder auf, Melisande krallte sich am Karrenrand fest und spürte einen harten Stoß im Steißbein. Wenn das so weiterging, würde sie eine Woche lang nicht sitzen können. Sie rutschte von der Truhe und schlug die Plane beiseite, die Vater gespannt hatte, um Mutter vor der Sonne zu schützen. Beata sah ulkig aus mit ihrem dicken Bauch. Alles an ihr war rund, seit das neue Geschwisterchen in ihr wuchs.
Melisande blinzelte in die Sonne. Direkt vor ihr klapperte eine Rüstung. Vielfach spiegelte sich die Sonne in dem polierten Metall. Melisande kannte den Mann nicht. Er machte den Eindruck, jeden Gegner in den Staub treten zu können. Sein Ross war mächtig wie ein Zuchtbulle, schnaubte wie ein Drache und schien ständig nach irgendetwas Ausschau zu halten, das es angreifen konnte. In der Rechten hielt der Mann eine Lanze, an der linken Seite hing eine Armbrust und auf dem Rücken ein Bihänder, mit dem man mit einem einzigen Streich einen Mann von oben bis unten in zwei Teile spalten konnte. Sofern man die Kraft besaß, die schwere Waffe zu heben.
Der Söldner drehte sich um und entdeckte Melisande, die die Gelegenheit nutzte, ihn mit Fragen zu bestürmen.
»Wer seid Ihr? Ich habe Euch noch nie bei uns gesehen. Kommt Ihr von weither? Seid Ihr so tapfer wie der edle Gawan? Habt Ihr schon viele Drachen getötet? Gibt es einen Krieger, den Ihr noch nicht herausgefordert habt?«
Der Söldner verzog keine Miene. »Ich bin Siegfried von Rabenstein. Meine Heimat liegt vierzehn Tagesreisen von hier. Nein, ich habe noch keinen Drachen getötet, weil es keine Drachen gibt. Und Krieger gibt es so viele, die kann man nicht alle herausfordern, geschweige denn töten.«
»Warum seid Ihr hier?«
»Euer Vater hat es so gewünscht.«
Melisande lehnte sich aus dem Karren, schaute nach vorn und nach hinten und zählte. Soweit sie sehen konnte, begleiteten zehn Berittene in voller Rüstung den Zug. So viele waren es noch nie gewesen. Außerdem liefen vorne und hinten noch jeweils zehn Lanzenträger, die sogar Schwerter an der Seite trugen. Der Weg war hier so eng, dass sie nur zu dritt nebeneinandergehen konnten, der dichte Wald erstreckte sich rechts und links über Meilen.
Melisande bewunderte Ritter. Auch wenn ihr Bruder Rudger ihr erzählt hatte, dass es auch solche gab, an denen nichts Bewundernswertes war. Verarmte Raufbolde, die reisende Kaufleute und arme Pilger überfielen und töteten, um deren Habe an sich zu bringen.
Rudger war drei Jahre älter als Melisande, gerade sechzehn geworden. Früher hatten sie gemeinsam auf dem Dachboden zwischen den Stoffballen gehockt, mit denen Vater handelte, und mit selbst geschnitzten Holzrittern gespielt, Strategien für Schlachten und Belagerungen ausgeheckt. Obwohl Rudger sie immer damit geneckt hatte, dass sie wohl ein Junge sei, der versehentlich als Mädchen auf die Welt gekommen war, hatte sie ihre Zeit am liebsten mit ihm verbracht. Inzwischen hatte er längst keine Muße mehr für solche Spiele, weil er von morgens bis abends dem Vater bei der Arbeit helfen musste. Manchmal waren die beiden auch wochenlang fort. Mit einem Händlertross auf Reisen. Was für wundersame Geschichten er jedes Mal bei seiner Rückkehr erzählte!
Bevor sie Siegfried noch mehr Fragen stellen konnte, rief Beata sie zur Ordnung. »Melisande! Komm zurück unter die Plane. Es schickt sich nicht für ein Mädchen, einen Ritter auszufragen.«
Melisande fügte sich widerwillig und nahm ihren Platz auf der Truhe wieder ein. Sie seufzte. Rudger hatte es gut, er durfte reiten, musste nicht hier in dem engen, harten Wagen die Zeit totschlagen.
»Warum reisen so viele Bewaffnete mit uns, Mutter?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte.
»Der Wald ist tief, es gibt Räuber, gegen die wir uns schützen müssen, das weißt du doch.«
Melisande setzte zum Sprechen an, aber rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie besser schweigen sollte. Sonst hätte sie sich verraten. Sie hatte ihre Eltern vor zwei Tagen belauscht. Vater und Mutter hatten auf dem Flur gestanden und miteinander gesprochen. Sie bemühten sich zwar zu flüstern, doch Melisande konnte sie durch die angelehnte Tür gut verstehen. Ein Astloch ermöglichte ihr sogar den Blick auf den Flur.
»Ich traue ihm nicht«, hatte Vater gesagt und die Faust geballt.
Mutter hatte ihm widersprochen. »So etwas würde auch ein Ottmar de Bruce nicht wagen. Du siehst Gespenster. Außerdem muss ihm klar sein, dass wir keine Schuld tragen. Es war Notwehr. Sein Sohn hat dich angegriffen. Jeder weiß das.«
»Du hast ihn nicht erlebt. Ottmar de Bruce ist vollkommen wahnsinnig geworden. Niemand glaubt seine Anschuldigungen, das ist wahr. Das ist aber auch gar nicht nötig. Es reicht, wenn er sie selbst glaubt. Ich könnte es nicht ertragen, dich oder eins meiner Kinder zu verlieren. Sollte er wirklich so verrückt sein, uns anzugreifen – diese Männer sind hervorragende Kämpfer, die mit jedem Gegner fertigwerden.« Vater nahm Mutter in die Arme.
Sie klammerte sich an ihn. »Niemand wird mit jedem Gegner fertig. Das weißt du genau.«
Melisande fuhr zusammen, als sie aufgebrachte Stimmen vernahm. Sie musste erneut eingenickt sein. Wie unvorsichtig! Offenbar stritt der Theriakhändler draußen neben dem Wagen mit seiner Frau, aber es waren nur einzelne Wörter zu verstehen.
»Schnell … dumm … gefährlich.«
Sie hatten angehalten, irgendwo in der Nähe rauschte Wasser. Melisande schaute sich um. Die drei Kinder lagen schlafend auf dem Boden, mit einem Fell notdürftig vor der Kälte geschützt, ansonsten wirkte alles unverändert.
Ängstlich horchte Melisande. Was war geschehen? Hatte sie im Schlaf gesprochen? Hatte sie sich verraten?
Vorsichtig spähte sie durch ein Loch in der Plane, doch sie sah nichts als verschneiten Wald. Sie beugte sich vor und fuhr mit der Hand in ihren Stiefel. Der Dolch war noch da, immerhin. Sie hoffte, sie würde ihn nicht einsetzen müssen, doch wenn ihr keine Wahl blieb, würde sie nicht zögern, ihr Leben zu verteidigen.
Die Plane wurde zurückgeschlagen, die Frau kroch wieder auf ihren Platz auf der Truhe, ihr Gesicht war gerötet, Spuren von Tränen zogen sich über ihre Wangen.
Melisande sah sie fragend an.
»Mein Mann ist ein Sturkopf, so kurz vor dem Ziel wollte er noch eine gefährliche Abkürzung nehmen. Aber ich habe es ihm ausgeredet.« Sie strich ihrem schlafenden Sohn über den Kopf. »Sie halten sich für unbesiegbar, diese Draufgänger«, sagte sie zärtlich. »Man muss sie in die Schranken weisen. Aber sie sind doch das Beste, was ich habe.«
Melisandes Gedanken schossen zu Wendel, und ihr stiegen die Tränen in die Augen. Vor gar nicht allzu langer Zeit war auch sie fest davon überzeugt gewesen, dass ihr Mann das Beste war, was das Schicksal ihr geschenkt hatte. Doch sie hatte sich getäuscht. Hastig senkte sie den Blick. Ein weinender Mönch würde bei der Frau sicherlich Misstrauen erregen.
Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. Erst waren es nur die ständigen Reisen nach Reutlingen gewesen, wegen der sie gestritten hatten. Wendels Eltern wurden allmählich gebrechlich, sein Vater konnte nicht mehr schwer heben, und sein Augenlicht ließ nach. Und Wendels Mutter wurde immer vergesslicher. Trotzdem beharrte der alte Erhard darauf, den Weinhandel weiterzuführen, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, hätte er einen Verwalter eingestellt und die schwere Arbeit den Knechten überlassen. Stattdessen ließ er ständig seinen Sohn kommen, der an seiner Stelle die Ladungen kontrollieren, die Verträge studieren und die Geschäftsbriefe verfassen sollte.
Anstatt sich um seine eigenen Geschäfte in Rottweil zu kümmern, ritt Wendel also regelmäßig zu seinen Eltern nach Reutlingen. Und der Handel in Rottweil blieb neben all der Arbeit, die Kinder und Haushalt machten, an Melisande hängen. Jedes Mal, wenn sie mit Wendel darüber hatte sprechen wollen, war er ausgewichen und hatte sie mit billigen Ausreden zu vertrösten versucht. Sie könne das nicht verstehen, hatte er gesagt, sie habe ja keine Eltern mehr – ein Vorwurf, der sie bis ins Mark traf. Schließlich wusste Wendel, auf welch schreckliche Weise sie ihre Familie verloren hatte.
Melisande wäre sehr wohl bereit gewesen, sich um ihre Schwiegereltern zu kümmern. Es wäre ihr eine Freude gewesen, sie in ihrem Haus in Rottweil aufzunehmen. Aber davon wollte keiner der Fügers etwas hören. Melisande fürchtete, dass Wendel insgeheim davon träumte, in seine Heimatstadt zurückzukehren, und dass er deshalb alles tat, um das Geschäft des Vaters aufrechtzuerhalten.
Das zumindest hatte sie gedacht, bevor sie auf einen anderen Grund dafür gestoßen war, dass es ihren Gemahl von ihr wegzog. Bevor sie gesehen hatte … Nein, in diese Richtung durfte sie ihre Gedanken nicht lenken! Der Schmerz war zu groß. Noch immer versetzte es ihr einen Stich, als würde ihr jemand einen Dolch in die Brust stoßen, wenn sie an den Augenblick zurückdachte, der ihre Welt zum Einsturz gebracht hatte. Wie hatte Wendel ihr das antun können, nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten?
Melisande presste die Lippen zusammen und spähte durch das kleine Loch in der Plane, in der Hoffnung, diesmal mehr zu sehen als verschneiten Wald. Weit konnte es nicht mehr sein bis Esslingen, vielleicht konnte sie einen Blick auf den vertrauten Turm der St.-Dionys-Kirche erhaschen. Oder auf das Kloster St. Clara, das außerhalb der Stadtmauer lag.
Aber es hatte angefangen zu schneien, dicke graue Flocken wirbelten um den Wagen und nahmen jede Sicht, also gab Melisande es auf. Sie schloss die Augen, ging in Gedanken noch einmal Schritt für Schritt ihren Plan durch. Er war riskant, viel hing davon ab, dass sie alles so vorfand, wie sie erwartete. Sie würde hinabsteigen in die Hölle, wo es nach Angst, Schmerz und Tod stank, ohne Gewissheit, heil wieder herauszukommen. Wenn etwas schiefging, würde sie morgen schon am Galgen baumeln, und ihre Familie würde womöglich nie erfahren, was aus ihr geworden war.
Ein Schrei riss Melisande aus dem Schlaf. Der Karren ruckte und blieb stehen.
Einen endlosen Augenblick lang war es totenstill, dann hörte sie ein vertrautes Geräusch. Ein Sirren, das schnell lauter wurde. Danach einen erstickten Laut. Die Plane rutschte zur Seite, Siegfried von Rabenstein begrub sie unter sich, als er auf den Karren stürzte. Fassungslos starrte Melisande ihn an. Ein Armbrustbolzen steckte in seiner Kehle, seine Augen waren weit aufgerissen. Blut gurgelte aus seinem Hals, seine Glieder zuckten, als wäre er von einem bösen Geist besessen. Ohne Warnung fiel er in sich zusammen und starb.
Überall setzte Geschrei ein. Ein Bolzen nach dem anderen ging nieder. Jemand brüllte Befehle, Pferde schnaubten unruhig. Melisande sah zu ihrer Mutter. Sie war leichenblass, presste Gertrud schützend an sich. Rasch kauerten sie sich zwischen die Truhe und ein Fass. Beata zitterte, Gertrud wimmerte verschlafen.
»Er wagt es tatsächlich«, flüsterte Beata. »Gott sei uns gnädig.« Sie faltete die Hände und betete.
Wieder schrie jemand. Gertrud fuhr hoch und heulte los. Bolzen schossen jetzt über den Karren hinweg, von rechts und links prasselten sie auf den Zug nieder. Melisande, Gertrud und Beata wurden nicht getroffen, wie durch ein Wunder verfehlten die Bolzen den Karren und ihre menschliche Fracht. Endlos schien das Sirren der Geschosse, die Schreie der Männer.
Schließlich hielt es Melisande nicht mehr aus. Vorsichtig lugte sie über den Rand des Fasses. Was sie sah, erschreckte sie zu Tode. Sie befanden sich im Hohlweg. Zu beiden Seiten ging es steil den Berg hoch. Die Ochsen waren tot, ebenso der Wagenknecht, der sie gelenkt hatte. Um den Wagen herum waren die Söldner in Deckung gegangen, schützten sich mit Schilden vor den Bolzen. Es mussten mindestens zwei Dutzend Schützen sein, die oberhalb des Weges im hohen Gras lauerten, so dicht regneten die tödlichen Geschosse auf sie herab.
Das Kampfgeschrei wurde lauter. Ängstlich blickte Melisande in alle Richtungen. Wo war Vater? Wo Rudger? Von beiden Seiten drangen jetzt Bewaffnete auf die Verteidiger ein. Melisande schluckte. Das Herz schlug so heftig in ihrer Brust, dass es schmerzte. Da war Vater! Er stand hinter seinen Männern und schickte Pfeil um Pfeil in die Gegner.
Melisande jauchzte. Bald würde ihr Vater die Angreifer in den Staub treten und den Anstifter zur Rechenschaft ziehen.
Da setzte ein erneuter Pfeilhagel ein. Bogenschützen waren nachgerückt und schossen einen Verteidiger nach dem anderen ab. Die Männer konnten sich nicht mehr gegen die Pfeile schützen, die Schilde lagen unerreichbar hinter der Frontlinie.
Die Schreie der Verletzten wurden immer lauter, immer gellender. Der Pfeilhagel war versiegt, die Feinde hatten alles verschossen, was sie hatten. Immer mehr Männer drängten gegen die Verteidiger an. Vater und die überlebenden Söldner hatten eine Phalanx gebildet und hielten mit Pieken und Bihändern die Gegner auf Distanz. Überall lagen Männer, die vor Schmerz schrien, Blut färbte die Erde rot. Melisande hätte nicht gedacht, dass in einem Menschen so viel Blut fließen konnte. Sie erkannte den Hausverwalter, einen alten Mann, der nicht mehr kämpfen konnte und ihr wie ein Großvater lieb war. Mehrere Pfeile ragten aus seiner Brust, aber er lebte noch. Seine Lippen bebten, die Hände hatte er zum Gebet gefaltet.
Ohne nachzudenken, sprang sie vom Wagen, achtete nicht auf die Angstschreie ihrer Mutter und lief zu ihm, kniete sich nieder, nahm seine Hand. Das Blut rann aus vielen Wunden. »Ich bin da, Meister Albrecht, habt keine Angst.«
Er schlug die Augen auf und lächelte. »Melisande.« Sein Blick wurde ernst. »Ihr müsst fliehen«, flüsterte er kraftlos. »Sofort. Nehmt Eure Mutter und Eure kleine Schwester und flieht. In der großen Truhe auf dem Karren ist ein Beutel Goldmünzen. Nehmt ihn mit. Bindet ihn Euch um. Macht schnell. Sonst werden sie Euch alle umbringen.«
Melisande drückte seine Hand fester. »Aber wohin?«
Der Hausverwalter hustete, Blut lief ihm aus dem Mundwinkel. »Geht ein Stück dort entlang.« Er deutete mit einer schwachen Kopfbewegung zum Karren. »Da steht ein Wacholderbusch. Dahinter führt ein Weg auf die Höhe. Geht, Melisande, geht jetzt sofort!« Die Augen des Verwalters brachen, sein Kopf fiel nach hinten.
Das Schelkopfstor hatte sich nicht verändert. Lediglich einige neue Steine waren hier und da eingepasst worden, wohl Ausbesserungen nach dem verheerenden Feuer. Als Melisande zum letzten Mal hier gewesen war, hatte das Tor, in dem sich der Kerker von Esslingen befand, lichterloh gebrannt.
Viele Jahre lang war sie hier als stummer Henker Melchior ein und aus gegangen, ein Geheimnis, das nur wenige Menschen kannten. Vor acht Jahren hatte der Rat von Esslingen erfahren, wer der ehemalige Henker in Wahrheit gewesen war, aber wie durch ein Wunder hatte sich die brisante Neuigkeit nicht verbreitet. Den ehrenwerten Herren war der Ruf ihrer Stadt offenbar einiges wert. Nicht auszudenken, wenn sich herumspräche, dass die freie Reichstadt Esslingen auf die Verkleidung einer jungen Frau hereingefallen war und diese so viele Jahre lang für die Stadt als Henker gearbeitet hatte! Im besten Fall hätte man Esslingen mit Hohn und Spott überzogen, im schlechtesten wären die Ratsherren vor Gericht gezerrt worden.
Melisande schüttelte die Erinnerung ab, schritt auf die Eingangspforte zu und klopfte. Es dämmerte bereits, sie musste sich beeilen. Erst vor wenigen Augenblicken war der Karren des Händlers endlich vor das Obere Tor gerollt. Während die Wachleute sich darangemacht hatten, die Waren gründlich zu inspizieren, hatte man sie, den frommen Mönch, unbehelligt eingelassen. Melisande war sofort quer durch die Stadt über die Bindergasse, die Strohgasse und den Markt zu dem im Norden gelegenen Schelkopfstor gelaufen.
Hinter der Pforte rührte sich nichts, Melisande klopfte energischer. Sie hatte überlegt, als Henker vorzusprechen, da ihr diese Rolle vertraut war. Doch ihr Nachfolger, Meister Ekarius, war so fett, dass ihr sein Gewand um den Leib geflattert wäre. Ganz zu schweigen davon, dass sie es erst einmal hätte an sich bringen müssen. So oder so wäre die Maskerade bestimmt aufgefallen, da die Wachen im Kerker das Gesicht des Henkers sicherlich gut kannten.
Endlich wurde die Pforte aufgestoßen, ein Mann mit wässrigen Augen und stoppeligem Kinn beäugte sie interessiert. »Was wollt Ihr, Bruder? Das ist nicht das Kloster, habt Ihr Euch verlaufen?«
Hinter ihm ertönte Lachen, ein zweiter Wachmann stieß die Pforte ganz auf, gab den Blick auf das Innere frei, auf den schmalen Gang, von dem die Wachstube abging, in der ein grober Holztisch mit einem Krug Wein, vier Trinkgefäßen und einem Würfelbecher stand. Die weiteren Wachmänner, die bestimmt an dem Tisch saßen, waren durch die schmale Türöffnung nicht zu sehen. Der Anblick erfüllte Melisande mit gemischten Gefühlen. Hunderte Male war sie in diesem Raum gewesen, alles war ihr vertraut, und doch hatte sie nie mehr zurückkehren wollen.
»Nein, er glaubt, es ist die Wirtsstube«, rief der zweite Wachmann und schwenkte den Trinkbecher. »Er ist dem Duft von feinem Rebensaft gefolgt.«
Melisande warf einen Blick über ihre Schulter in die Gasse, doch niemand schien sich für sie zu interessieren. Sie wandte sich wieder den Wachleuten zu. »Ich bin Bruder Matthias«, sagte sie mit möglichst tiefer Stimme. »Man hat mich rufen lassen. Der Gefangene Georg Isenburg hat um geistigen Beistand gebeten.«
»So, hat er das?«, fragte der zweite Wachmann argwöhnisch. Er wirkte grobschlächtig, aber Melisande sah, dass seine Körperfülle vor allem aus Muskeln bestand. Und seine Augen verrieten, dass er nicht dumm war.
»So sagte man mir«, antwortete sie.
»Von welchem Kloster kommt Ihr?«
Auf diese Frage war Melisande vorbereitet. »Von den Barfüßern.«
»Ach ja? Wie geht es Eurem Abt, ich habe gehört, er sei krank.«
Melisande brach trotz der Kälte der Schweiß aus. Sie hatte nicht damit gerechnet, so gründlich überprüft zu werden. Die Wachleute waren gewöhnlich froh, wenn sie nur kurz beim Würfelspiel unterbrochen wurden.
»He, Ulbert, wie lange sollen wir noch warten?«, ertönte es aus der Stube. »Glaubst du, ich vergesse, dass du mir einen halben Pfennig schuldest?«
»Halts Maul, wenn ich rede, Vito!«
Melisande ergriff die Gelegenheit. »Du spielst um Geld, mein Sohn?«, fragte sie streng.
Ulbert warf seinem Kumpan einen bösen Blick zu, dann sah er wieder Melisande an. »Das geht Euch nichts an, Bruder.« Er warf dem Wachmann, der die Pforte geöffnet hatte, einen Schlüssel zu. »Bring den Barfüßer runter zu dem Gefangenen, und schließ ihn in die Zelle ein. Er darf für eine Würfelrunde unten bleiben, das genügt dem Galgenvogel hoffentlich, um seine Schandtaten zu beichten.«
Erleichtert folgte Melisande dem Mann mit dem Stoppelkinn die steile Treppe zu den Verliesen hinunter. Dass sie mit dem Gefangenen eingeschlossen werden würde, hatte sie erwartet, darauf war sie vorbereitet. Allerdings würden sie sich sputen müssen, die Würfelrunde würde nicht lange dauern, und sie mussten wenigstens ein bisschen Vorsprung haben, damit ihr Plan aufging.
Sie liefen durch den vertrauten Gang. Eine einzelne Fackel steckte in der Wand und verbreitete flackerndes Licht, unauffällig schaute Melisande sich um. An einigen Stellen waren die Steine geschwärzt, eine Folge des Feuers, wie sie annahm, doch davon abgesehen sah alles so aus, wie sie es kannte. Als sie die Folterkammer, den sogenannten Thronsaal, passierten, überlief Melisande ein Schauer. Erinnerungen stiegen in ihr auf, sie hörte die Schreie der Übeltäter, denen sie hier Geständnisse entlockt hatte, spürte zwischen den Fingern den Griffel, mit dem sie Wörter in die Wachstafel geritzt hatte, um sich als stummer Henker Melchior zu verständigen. Die Narbe an ihrem Arm zwickte plötzlich. Als sie zum letzten Mal hier unten gewesen war, hatte sie die Instrumente am eigenen Leib zu spüren bekommen, die sie vorher selbst verwendet hatte. Meister Ekarius war nicht gerade zimperlich mit ihr umgesprungen.
Schließlich blieb der Wachmann vor einer Kerkertür stehen. Er steckte den Schlüssel ins Schloss. »Heda, Bürschchen, dein Beichtvater ist da.«
Melisande schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass der Mann hinter der Tür geistesgegenwärtig genug war, sie nicht zu verraten. Sie hatten den Plan nicht absprechen können, und der Gefangene rechnete bestimmt nicht damit, dass seine Rettung ausgerechnet als Mönch verkleidet nahte.
Aus dem Inneren des Verlieses ertönte unverständliches Gemurmel. Der Wachmann stieß die Tür auf und versetzte Melisande einen Schubs.
Sie stolperte ins Innere, wo ihr der Gestank von verfaultem Stroh und Exkrementen entgegenschlug. Wie gut sie diesen Geruch kannte! Dennoch hatte sie sich nie daran gewöhnen können. Sie widerstand dem Drang, sich die Nase zuzuhalten, und blinzelte ins Halbdunkel. Nur wenig Licht von der Fackel im Gang schaffte es bis ins Verlies. Ein Mann stand etwa eine Armlänge von ihr entfernt. Er war groß und breitschultrig, sein Gesicht konnte Melisande nicht erkennen. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass dies auch eine Falle sein konnte, dass der Gefangene irgendwer sein konnte, der sie hergelockt hatte, um … ja, um was?
Hinter Melisande klimperte der Wächter mit dem Schlüssel. Sie musste sich beherrschen, um die aufkommende Panik zu unterdrücken und nicht wieder zu ihm nach draußen zu stürzen. Sie musste mit dem Gefangenen reden, sie musste Gewissheit haben, egal, wie hoch der Preis war.
Die Tür knallte zu. »Beeil dich mit der Beichte, Isenburg«, ertönte es von draußen. »Ich bin bald zurück.«
Der Schlüssel quietschte, dann entfernten sich Schritte.
Tränen schossen Melisande in die Augen, als der Verwalter seinen letzten Atemzug tat, aber sie hatte verstanden. Mit ein paar Sprüngen war sie am Wagen, fischte den Beutel aus der Truhe, band ihn unter ihr Kleid und zerrte ihre Mutter am Ärmel, die immer noch hinter dem Fass hockte, Gertrud fest an sich gepresst. »Wir müssen weg hier, sofort! Meister Albrecht ist tot. Er hat mir einen Fluchtweg gezeigt.«
Beata stöhnte und presste sich eine Hand auf den Bauch. »Nicht jetzt«, stöhnte sie. »Nicht jetzt.«
»Doch, Mutter. Bitte. Komm schon! Du musst leben! Denk an ihn!« Melisande zeigte auf ihren Bauch, vor Verzweiflung liefen ihr Tränen über die Wangen.
Beata machte einen Versuch, sich aufzurichten, doch ihr versagten die Kräfte. Melisande versuchte sie zu stützen, aber sie schaffte es nicht. Hilfe suchend blickte sie sich um. Jeder war mit sich selbst beschäftigt. Die wenigen Männer, die noch kämpfen konnten, wehrten sich verbissen gegen die Übermacht, die anderen waren entweder tot oder lagen verletzt am Boden.
Melisande wandte sich wieder ihrer Mutter zu, rüttelte sie verzweifelt an der Schulter, schrie sie an: »Wir müssen weg! Hast du nicht verstanden? Steh auf! Sofort!«
Aber Beata reagierte nicht. Melisande zögerte eine Sekunde, dann schlug sie ihrer Mutter mit der flachen Hand ins Gesicht.
Es wirkte. Beata rappelte sich hoch, langsam, viel zu langsam, und auch Gertrud sprang auf. Melisande half ihnen beim Aussteigen. Der Karren neigte sich nach rechts, Beata verlor den Halt und kippte nach vorn. Melisande versuchte, sie zu halten, aber sie wusste, dass sie es nicht schaffen konnte.
Da griffen zwei Hände zu. Melisandes Herz hüpfte vor Freude. Rudger! Er lebte! Sein Gesicht war blutverschmiert, an seinem linken Arm klaffte eine Fleischwunde, die ihn jedoch offensichtlich nicht behinderte.
»Wir müssen weg«, sagte er ruhig. »Vater wird die Feinde aufhalten, bis wir in Sicherheit sind, und dann nachkommen. Wir haben viele von ihnen getötet. Es sind gekaufte Feiglinge, die für Geld alles tun, aber den Schwanz einziehen, wenn es wirklich darauf ankommt. Nicht mehr lange, und sie werden die Flucht ergreifen.« Seine Miene strafte seine Worte Lügen.
Sie nahmen ihre Mutter in die Mitte, Rudger trug Gertrud, deren Weinen einem erbärmlichen Wimmern gewichen war. Sie hielt die Hände auf die Ohren gepresst und blickte mit furchterfüllten Augen auf das Geschehen um sie herum. Die Schlucht verstärkte die Geräusche, das Kampfgeschrei war zu einem Orkan angeschwollen.
Nach wenigen Schritten erreichten sie den Wacholderbusch, schoben die Zweige auseinander. Tatsächlich. Ein schmaler Pfad führte den Steilhang hinauf. Melisande sah sich noch einmal um. Die Feinde waren bis auf wenige Fuß an den Karren herangekommen. Die vordere Kampflinie drohte zu brechen, die hintere hielt stand, Vater und die Söldner hatten sogar Boden gutgemacht. Aber das würde ihnen nichts nutzen. Wenn die vordere Linie brach, waren sie rettungslos verloren.
Ein Lichtblitz blendete Melisande, sie hob schützend die Hand und blickte hoch. Oben auf dem Felsen thronte ein Reiter auf einem pechschwarzen Pferd. Reglos beobachtete er das Kampfgetümmel. Sie erkannte das Wappen, die Rüstung und den Rappen: Ottmar de Bruce. Gut hundert Fuß hoch war der Abhang, der ihn von Melisande und ihrer Familie trennte. Er schien hämisch zu ihr hinabzusehen, so als hätte er alle Zeit der Welt, sie einzuholen. Ein eiskalter Schauer lief Melisande über den Rücken, als er gemächlich sein Pferd wendete und langsam losritt.
Melisande stürmte los und drängte Rudger, schneller zu machen. »De Bruce will uns abfangen«, schrie sie ihm zu.
Im Laufschritt hetzten sie den steilen Pfad hinauf, Beata schiebend und zerrend. Endlich erreichten sie den Kamm der Schlucht, verschwitzt, und bis auf Rudger benommen vor Erschöpfung.
Er ging ein paar Schritte zurück und spähte hinab, kam wieder zu Melisande und reichte ihr einen Dolch. »Nimm. Wenn ich nicht mehr kämpfen kann, musst du es tun.«
»Aber du kommst doch mit uns, Rudger! Du kannst uns nicht hier alleinlassen.«
»Ich muss euch den Rücken frei halten. Die Linien sind zusammengebrochen, die Schlacht tobt jetzt um die Wagen. Uns sind drei Männer den Steilhang hinauf gefolgt. Vielleicht haben sie auch hier auf uns gewartet, ich weiß es nicht. Ich werde sie töten, dann komme ich nach. Geh jetzt, Schwester. Wir werden uns wiedersehen. Wenn nicht in dieser Welt, dann im Himmel.«
»Ihr seid umsonst gekommen, Vater«, sagte der Gefangene. »Ich habe nichts zu beichten.«
Melisande schlug das Herz bis in den Hals. »Jeder hat etwas zu beichten«, erwiderte sie mit unverstellter Stimme. »Allerdings ist jetzt wohl kaum der rechte Augenblick dafür.«
»Gütiger Gott! Habe ich richtig gehört, oder habe ich bereits den Verstand verloren in diesem Loch?« Der Mann trat näher. Ein Lichtschimmer fiel durch das vergitterte Fensterchen in der Tür auf sein Gesicht.
Melisande schnappte nach Luft. Die kantigen Züge, gerahmt von rotbraunen Locken, genau wie Vater sie gehabt hatte. Die grauen Augen, so ernst, und doch so sanft. War es wirklich möglich? Konnte es wirklich sein?
»Rudger?«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Bist du das, Mel?«, fragte der Mann zurück. »Ist es wahr? Bist du es wirklich, oder träume ich?«
»Ja.« Sie lächelte. »Ich bin es, Rudger. Ich bin hier, jetzt wird alles gut.«
»Du … Du bist so groß geworden.«
Sie musste gleichzeitig lachen und weinen. »Du auch.« Sie konnte nicht fassen, dass es wirklich ihr Bruder war, dass er hier vor ihr stand, dass er lebte. Sie wollte die Hand ausstrecken, ihn berühren, spüren, dass er keine Ausgeburt ihrer Fantasie war.
Irgendwo über ihnen polterte etwas und rief Melisande zur Besinnung. Sie würden später ihr Wiedersehen feiern, dann würde sie ihm auch all die Fragen stellen, die ihr auf der Zunge brannten. Jetzt mussten sie sich beeilen.
»Ich bin gekommen, um dich hier rauszuholen.«
»Aber …«
»Vertrau mir.« Sie zog den dicken Draht aus dem Stiefel, den sie bereits am Morgen dort versteckt hatte, und trat an die Tür. Das Schloss war von innen mit einer Eisenplatte bedeckt, sodass man es von der Kerkerseite aus nicht öffnen konnte. Nur zu gut erinnerte Melisande sich, wie Wendel sie vor acht Jahren befreit hatte. Er hatte so lange gebraucht, dass ihre beiden Verbündeten die Wachen kaum noch in Schach hatten halten können. Einer davon war Antonius gewesen, Wendels Leibwächter und Freund. Er hatte den Kerker nicht lebend verlassen. Er hatte sein Leben für sie gegeben, deshalb hatten sie ihren Sohn nach ihm benannt.
Melisande scheuchte die Erinnerungen fort. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, die auch ohne schwermütige Gedanken schwierig genug war.
»Was machst du da?«, fragte Rudger, als sie den dicken Draht zurechtbog.
»Ich muss das Ding durch das Gitter und dann von außen ins Schloss schieben. Dafür muss die Form genau passen.«
»Und du glaubst, es funktioniert?« Er klang skeptisch.
»Falls nicht, habe ich einen Dolch im Stiefel. Aber ich würde nur ungern Blut vergießen.«
Rudger stieß einen Laut aus, der zugleich Anerkennung und Erstaunen ausdrückte. »Meine Schwester. Mit allen Wassern gewaschen.«
Melisande beachtete ihn nicht. Sie schob den Draht durch das Gitter, drehte ihn nach unten und versuchte, das Schloss zu ertasten. Nach dem dritten Versuch spürte sie Widerstand. Das musste es sein! Vorsichtig schob sie den Draht tiefer hinein und bewegte ihn, stocherte im Schloss herum, versuchte, den richtigen Punkt zu erspüren, doch nichts tat sich. Sie fluchte leise.
Rudger trat hinter sie. »Lass mich es versuchen.«
»Ich kenne das Schloss«, wandte sie ein.
»Ich kenne eine Menge Schlösser«, hielt er dagegen.
Seufzend reichte sie ihm den Draht.
Er schob den Unterarm so weit durch das Gitter, wie es ging, und bewegte den Draht. Schon nach wenigen Wimpernschlägen ertönte das ersehnte Klicken.
Er hat nicht zum ersten Mal ein Schloss aufgebrochen, schoss es Melisande durch den Kopf. Bestimmt hatte Rudger in den vergangenen fünfzehn Jahren viel durchgemacht. Genau wie sie.
»Ich gehe voran«, sagte sie und schob ihn sanft zur Seite. Dann zog sie vorsichtig die Tür auf und spähte nach draußen. Der Gang war leer. Hintereinander schlichen sie in Richtung Treppe. Vor dem Thronsaal hielt Melisande inne und drehte sich zu ihrem Bruder um. »Ich kenne einen Weg durch die Keller«, erklärte sie. »Dann müssen wir nicht an der Wachstube vorbei. Das wäre viel zu gefährlich.«
Etwas zuckte in seinem Gesicht. »Du bist voller Überraschungen, Mel.«
»Ach ja?« Er war so fremd und doch zugleich so vertraut. Am liebsten hätte sie sich ihm an den Hals geworfen. Doch dafür war keine Zeit. Rasch wandte sie sich ab.
Der Thronsaal war nicht abgeschlossen. Rudger stieß einen entsetzten Laut aus, als er die Streckbank sah, die Geräte an der Wand und den Stuhl, auf dem man den Delinquenten festschnallen konnte.
»Haben sie dich …?« Melisande schaffte es nicht, die Frage auszusprechen. Die Vorstellung, wie der dicke Ekarius ihrem geliebten Rudger die Daumen brach, die Haut verbrannte oder die Glieder überstreckte, war zu grauenvoll.
»Sie haben mir nur die Instrumente gezeigt«, flüsterte Rudger. »Das hat genügt. Ich hätte alles gestanden, was sie mir vorwerfen.«
Wieder hörte Melisande von oben ein Geräusch. Hoffentlich war die Würfelrunde der Wächter noch nicht zu Ende! Sie hastete in die hintere Ecke des Kerkers, bedeutete ihrem Bruder, ihr zu folgen.
Auch die Verbindungstür zum Lagerraum war nicht verschlossen. Sie war nur fünf Fuß hoch, sodass Rudger sich tief bücken musste, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Der Raum dahinter lag in völliger Finsternis. Melisande tastete sich an der Wand entlang, sie wusste, wo der Durchgang in das Kellersystem von Esslingen lag. Früher hatte ein altes Weinfass davorgestanden und ihn verdeckt.
Endlich erreichte sie die Stelle. Doch was war das? Steine versperrten den Weg, nirgendwo war ein Durchschlupf. Sie musste sich geirrt haben, in der Dunkelheit konnte man sich leicht verschätzen.
»Hilf mir suchen«, rief sie Rudger zu. »Irgendwo hier in der Wand muss ein Durchlass sein. Er ist vielleicht von einem Fass oder einem anderen Gegenstand verdeckt, wir müssen alles abtasten.«
Sie umrundeten den Raum einmal, bis sie sich bei der Tür zum Thronsaal wieder trafen. Bis auf einen Haufen Holz und einige verrostete Eisenketten fanden sie nichts.
»Ich verstehe das nicht.« Melisande tastete verzweifelt weiter die Wand ab. »Hier war immer ein Durchgang, ich weiß es ganz genau.«
»Dann wurde er wohl zugemauert.« Rudgers Stimme klang erstaunlich ruhig.
Melisande ließ die Arme sinken. »Wenn es keinen Durchgang gibt, sitzen wir in der Falle.«
Melisande, Beata und Gertrud flohen weiter über die kahle Ebene auf die schützenden Bäume zu und erreichten mit letzter Kraft den Waldrand. Keuchend und sich nach allen Seiten umschauend kauerten sie zwischen den Stämmen.
Melisande versuchte, ruhiger zu atmen und zu horchen. Doch sie konnte nichts hören außer dem Rauschen ihres eigenen Blutes. Plötzlich fuhr ihr die Todesangst in die Glieder. Hufschlag und Schnauben. De Bruce! Sie griff den Dolch fester. Sie würde ihre Schwester und ihre Mutter mit ihrem Leben verteidigen.
Wenige Herzschläge ruhten sie aus, dann zog und zerrte Melisande ihre Mutter weiter. Diese hielt sich den Bauch und hörte nicht auf zu weinen. Gertrud hingegen war verstummt. Wie eine Puppe lief sie ihnen hinterher, ihr Blick ging ins Leere.
Der Wald nahm kein Ende, Vögel flogen von den Ästen auf und kreischten aufgeregt. Irgendwann – Melisande hatte jedes Gefühl für Zeit verloren – stolperten sie auf eine Lichtung. Und erstarrten. In der Mitte stand einer von de Bruce’ Männern, und er hielt ein blutverschmiertes Schwert in der Hand. Rudgers Schwert!
Der Mann kam näher, wog die Waffe in der Hand. »Er hat gut gekämpft, Euer Sohn, das muss man ihm lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Wilhelmis auch nur einen Funken Mut im Leib hat. Ihr könnt mit in den Tod nehmen, dass er wie ein Krieger gestorben ist.« Er leckte sich die Lippen. »Wie dumm, dass Eure Töchter noch keine richtigen Weiber sind. Und Ihr seid schwanger. Wie abstoßend!« Er schüttelte sich und grinste. »Ich werde mich dennoch an Euch schadlos halten.«
Melisande hätte sich am liebsten auf den Boden geworfen und wäre nie wieder aufgestanden. Rudger war tot! Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Rudger war der mutigste und stärkste Kämpfer, den es gab. Abgesehen von Vater natürlich. Bestimmt log der fremde Ritter. Aber wieso hatte er dann Rudgers Schwert?
Ein Geräusch schreckte Melisande auf. Ein Stöhnen, tief und schmerzerfüllt. Neben ihr wankte Beata, hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Rasch griff Melisande nach ihr und hielt sie fest. Sie musste sich zusammenreißen. Sie durfte nicht aufgeben, wenn nicht um ihretwillen, dann für Mutter, Gertrud und das ungeborene Geschwisterchen!
Tief atmete sie ein und aus. Sie musste klar denken. Rudgers Mörder musste sie im Wald überholt haben, um ihnen hier auf der Lichtung aufzulauern. Durch das dichte Laub hatten sie ihn nicht sehen können. Aber warum sprach er so merkwürdig? Als hätte er zu viel Wein getrunken … Da sah sie es. Blut sickerte aus seinem Wams. Rudger musste ihn verletzt haben. Was tun? Ihn angreifen? Nein. Er schien immer noch Herr seiner Kräfte zu sein. Sie musste ihn kommen lassen und dann mit dem Dolch sein Herz treffen. Das war die einzige Möglichkeit.
»Ihr seid ein erbärmlicher Feigling«, rief sie mit zitternder Stimme. »Mit wie vielen Männern seid Ihr über meinen Bruder hergefallen? Mit zehn mindestens, sonst hätte er Euch alle in Stücke gehauen.« Sie deutete auf sich. »Und jetzt wollt Ihr gegen zwei Mädchen und eine Schwangere antreten. Bravo, edler Ritter! Ihr seid eine Zierde Eures Standes.«
Der Mann lief rot an. »Du kleines Stück Dreck, du widerliche Metze! Deiner Mutter werde ich das Kind aus dem Bauch schneiden, deine Schwester werde ich an einen Baum nageln, und dir werde ich bei lebendigem Leibe das Herz herausreißen und in dein Lästermaul stopfen.« Er schob sich ein paar Schritte näher, stockte. Seine Augen glänzten fiebrig, sein Schwertarm hing schlaff herunter.
Melisande traf eine Entscheidung. Sie rannte los, direkt auf ihn zu, schlug im letzten Moment einen Haken und sah, dass er wie betäubt reagierte. Langsam hob er das Schwert, aber bevor er zuschlagen konnte, war sie schon an ihm vorbei.
Sie drehte ihm eine Nase. »Mein Bruder hat auch dich in die Hölle geschickt. Du stirbst, du Aufschneider! Gott wird dich streng bestrafen. Im ewigen Feuer wirst du brennen, mit all den Gottlosen, die uns überfallen haben. Bete um dein Seelenheil, bete!«
Ihre Angst war grenzenloser Wut gewichen, sie nahm Anlauf, sprang vor dem Krieger hoch und rammte ihm den Dolch in die Brust. Wie vom Blitz gefällt stürzte er und riss Melisande mit sich.
Sie rollte sich zur Seite, kam wieder auf die Beine und rannte zu Mutter und Schwester zurück. Beata saß mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt, hatte die Augen geschlossen. Ihr Atem ging schwer und unregelmäßig. Gertrud hockte neben ihr und weinte lautlos.
»Lass uns weitergehen, Mutter«, flehte Melisande.
Aber Beata rührte sich nicht. Ihre Lider flatterten, langsam hoben sie sich. Ein feines Lächeln überzog ihr Gesicht, das von Schweiß glänzte. Sie streckte die Hand aus. Blut klebte an ihren Fingern.
»Mutter …« Melisande konnte nicht weitersprechen.
Beatas Lippen öffneten sich einen Spalt. »Ein Armbrustbolzen. Schon auf dem Wagen …« Sie stöhnte. »Du musst mir versprechen …« Sie atmete einige Male heftig. »Versprich mir etwas!«
Melisande nickte stumm.
»Lauf weiter. Lauf, so schnell du kannst. Bring deine Schwester in Sicherheit. Beschütze sie vor diesem Monster. Wirst du das tun?«
»Ja, Mutter. Das werde ich.« Melisande kniete sich vor Beata auf den Waldboden.
Beata nickte. »Und noch etwas, mein Kind. Noch etwas musst du mir versprechen. Bei deinem Leben.«
Melisande drückte die Hand ihrer Mutter. Sie war eiskalt.
»Ottmar de Bruce muss sterben. Versprich mir, dass du nicht ruhen wirst, bis er tot ist. Und du, du musst leben, du darfst nicht sterben.«
Melisande schluckte, ihr Hals war staubtrocken. »Ich verspreche es dir, Mutter. Ich schwöre es. Bei Gott. De Bruce wird sterben, und ich werde leben.«
Beata hatte nicht mehr die Kraft zu lächeln. »Braves Kind. Wir sehen uns wieder. Ich sehe schon die Himmelspforte. Ein helles Licht, ein Licht …«
»Zieh die Kutte aus.«
»Was?« Melisande starrte ungläubig in Rudgers Richtung. Im Lagerraum war es stockfinster, sie konnte nur vage einen Schatten wahrnehmen, wo er stand.
»Mach schon, die Wachmänner können jeden Augenblick hier unten sein. Wenn der Mönch mit dem Gefangenen an seiner Seite vor ihnen steht, wissen sie sofort, was los ist. Aber wenn er eine junge Frau mitbringt, die er angeblich im Verlies aufgegabelt hat, und behauptet, dass sich dort unten noch mehr Weiber versteckt haben, die ganz offenbar mit dem Teufel buhlen …«
»… wird sie das verwirren, und sie werden hinunterstürzen, um nachzusehen, was los ist.«
»Hoffentlich. Ja.«
Ohne zu zögern, streifte Melisande die Kutte über den Kopf. Zum Glück hatte sie darunter ein einfaches Kleid angezogen, das sie gewöhnlich bei der Hausarbeit trug. Sie reichte ihrem Bruder die Kutte und löste ihr Haar, sodass es in langen Wellen über ihre Schultern fiel. Dann zog sie den Lodenumhang aus ihrem Bündel, den sie auf ihrem Ritt nach Wendlingen getragen hatte, bevor sie sich in einen Mönch verwandelt hatte. Zum Schluss wischte sie sich, so gut es ging, mit dem Ärmel den Dreck aus dem Gesicht.
Rudger streifte derweil die Kutte über und zog sich die Kapuze tief in die Stirn. Das Kleidungsstück war ihm etwas zu kurz, reichte mit Müh und Not über die Knie. Darunter lugten die schweren Stiefel hervor, die so gar nicht nach dem Schuhwerk eines frommen Bruders aussahen, geschweige denn dem eines Barfüßers. Sie mussten hoffen, dass den Wachleuten das nicht auffiel.
»Gib mir den Dolch.« Rudger streckte die Hand aus.
»Aber …«
»Glaub mir, ich will ebenso wenig Blut vergießen wie du, Schwester. Aber wenn es um dein Leben gegen das eines dieser ungehobelten Kerle geht …«
»Da hast du wohl recht.« Sie zog den Dolch aus dem Stiefel und reichte ihn ihrem Bruder, der ihn in den Falten der Kutte verschwinden ließ.
»Komm, machen wir, dass wir hier rauskommen.« Er griff nach Melisandes Hand und zog sie zurück in den Thronsaal.
Als sie auf den Gang traten, hörten sie von oben lautes Lachen. Die Wachleute waren noch ins Spiel vertieft. So leise wie möglich schlichen sie nach oben.
Gerade als sie den Treppenabsatz erreichten, sagte einer der Männer: »Zeit, den Barfüßer aus der Zelle zu holen.« Ein Schemel schabte über den steinernen Boden.
Rudger schob Melisande hinter sich.
»Ich würde allzu gern wissen, was der Bursche alles gebeichtet hat«, sagte der Mann, der von seinem Kumpan Vito genannt worden war. »Bestimmt war die Kleine nicht das erste Mädchen, das er geschändet hat.«
Melisande erschrak. Entsetzt sah sie Rudger an, der ihren Blick jedoch nicht erwiderte, sondern weiter den Durchgang zur Wachstube im Auge behielt. In seinem Brief hatte er nicht erwähnt, weshalb er in den Kerker geworfen worden war. Nur, dass ihm der Galgen drohe, wenn sie ihm nicht helfe. Es war ihr nicht wichtig erschienen, was man ihm vorwarf, für sie zählte allein, dass ihr Bruder lebte. Dass er nicht vor fünfzehn Jahren bei dem Überfall ermordet worden war. Und dass er nun in tödlicher Gefahr schwebte.
Rudger drückte ihre Hand. »Ich war es nicht«, flüsterte er tonlos. »Ich erkläre es dir nachher.«
Melisande presste die Lippen zusammen. Sie musste ihm glauben, zumindest für den Augenblick. Später konnte er ihr alles erzählen, jetzt mussten sie erst einmal heil hier herausgelangen.
»Warte, ich komme mit«, sagte der Wachmann, der zuerst gesprochen hatte. »Der Gefangene muss noch sein Wasser bekommen, sonst macht der Rat wieder Ärger.«
Zwei Gestalten erschienen auf der Türschwelle zur Wachstube. Rudger stürzte auf die beiden zu. »Zu Hilfe!«, rief er. »Zu Hilfe, kommt schnell!«
»Teufel!«, stieß der Mann namens Vito hervor. »Was macht Ihr hier oben, Mönch? Wie seid Ihr aus der Zelle gekommen?«
Im Raum hinter ihm wurde es laut, Stühle wurden gerückt, Klingen aus der Scheide gezogen.
Rudger wich ein Stück zurück. »Ihr müsst hinunter ins Verlies, schnell!«, sagte er atemlos. »Der Teufel treibt dort sein Unwesen. Eine ganze Schar unschuldiger junger Mädchen hat er dorthin entführt, und jetzt will er sie zu seinen Buhlen machen.« Er zog Melisande hinter seinem Rücken hervor. »Dieses Kind konnte ich ihm entreißen, aber die anderen unschuldigen Seelen sind in tödlicher Gefahr!« Er bekreuzigte sich. »Der Herr möge sie beschützen!«
Wie Rudger vermutet hatte, entstand sofort ein Tumult. Die Männer riefen durcheinander:
»Der Teufel? So ein Unsinn!«
»Wo kommt die Frau her?«
»Wo ist der Gefangene? Wie ist der Barfüßer aus dem Verlies entwischt?«
»Wo sind die anderen Weiber? Sollen wir Alarm schlagen?«
Melisande stand mit gesenktem Kopf da und lauschte den Rufen. Sie musste Rudger Respekt zollen für seinen tollkühnen Auftritt, hoffte allerdings, dass er nicht zu dick aufgetragen hatte. Nicht alle Wachmänner waren naive, abergläubische Einfaltspinsel.
»Ruhe! Sofort Ruhe!«, ertönte eine Stimme. Melisande erkannte sie als die von Ulbert, dem grobschlächtigen, aber cleveren Muskelprotz. »Ihr drei geht runter und schaut nach, was los ist. Vito und ich bleiben hier oben und passen auf den Mönch und seine Gespielin auf.«
»Aber wenn wirklich der Teufel …«
»Halt’s Maul, du Memme! Runter mit dir, oder soll ich dem Rat melden, dass du dich weigerst, deine Arbeit zu verrichten?«
Die drei Wachleute drückten sich an Rudger und Melisande vorbei zur Treppe. Es würde nicht lange dauern, bis sie bemerkten, dass dort unten kein Höllenfürst herumgeisterte, dafür aber der Gefangene aus dem Kerker geflohen war.
»Ich bringe die Frau in Sicherheit«, sagte Rudger und wandte sich zur Pforte.
»Kommt nicht infrage. Ihr bleibt hier, Bruder.« Ulbert hielt ihm sein Schwert an die Kehle.
Rudger blieb stehen, presste Melisande an sich. »Schon gut, mein Kind, bei mir seid Ihr in Sicherheit.«
Ulbert ließ sich nicht beeindrucken. »Da rein mit Euch!« Er deutete auf die Wachstube, dann wandte er sich an den verbliebenen Wachmann. »Und du, Vito, verriegelst die Pforte. Sollte sich wirklich der Teufel im Kerker von Esslingen verbergen, wollen wir doch nicht, dass er in die Stadt gelangen und dort sein Unwesen treiben kann.« Er grinste verschlagen.
Melisande war sich plötzlich sicher, dass er ihr Spiel durchschaut hatte und sich einen Spaß daraus machte, sie zappeln zu lassen.
Der Wachmann blinzelte verunsichert. »Aber der Teufel kann doch auch –«
»Die Pforte, du Holzkopf!«
In diesem Augenblick ertönte draußen auf der Gasse ein lautes Grölen. Etwas Schweres donnerte gegen die Pforte und ließ sie erzittern.
»Teufel und Höllenglut«, stieß Ulbert hervor. »Was hat das zu bedeuten?«
Melisande schloss ihrer Mutter die Augen, nahm Gertrud an der Hand und zog sie weg. Aber das Mädchen sträubte sich, schrie und trat mit den Füßen nach ihr. »Ich gehe nicht mit dir! Ich bleibe hier! Lass mich los!«
Melisandes Hände begannen zu zittern. »Gertrud, Mutter ist tot! Du kannst nicht hierbleiben. Wir müssen weiter! Schnell!«
Gertrud schrie und strampelte noch wilder. »Nein! Nein! Lass mich!«
Ängstlich schaute Melisande sich um. Noch war alles still. Kein verräterisches Knacken im Unterholz. Kein Verfolger in Sicht. Behutsam strich sie ihrer Schwester über den Kopf. »Hast du nicht gehört, was Mutter gesagt hat?«, fragte sie sanft. »Wir sollen weiterlaufen. Sie ruht sich aus und kommt später nach. Aber wir dürfen nicht länger verharren. Du musst Mutter gehorchen, das weißt du doch.«
Gertrud sah Melisande in die Augen. Sie nickte. Langsam, unendlich langsam erhob sie sich, warf einen letzten unsicheren Blick auf ihre tote Mutter, dann ließ sie sich von Melisande weiterführen. Rasch liefen sie Hand in Hand über die Lichtung. Das feuchte Gras kühlte ihre schmerzenden Füße.
Melisande sah sich unruhig um. Auf der anderen Seite begann dichtes Unterholz, dort würde de Bruce sie nicht so einfach finden. Und er würde zu Fuß nach ihnen suchen müssen. Kein Reiter kam da hindurch. Nur noch ein paar Schritte, dann hatten sie es geschafft.
Sie hörte das Sirren zu spät. Gertruds Hand löste sich aus ihrer, entsetzt fuhr Melisande herum. Ihre Schwester lag im Gras. Ein Pfeil hatte ihren schmalen Rücken durchschlagen und ihr das Herz zerrissen.
Auf der anderen Seite der Lichtung ließ Ottmar de Bruce den Bogen sinken. Er rutschte von seinem Rappen, stellte sich breitbeinig hin und stemmte die Hände in die Hüften. Er lachte aus vollem Hals.
Melisande machte einen Sprung ins Unterholz.
De Bruce hörte abrupt auf zu lachen. »Versteck dich nur, kleines Hündchen. Glaubst du wirklich, dass du mir entkommen kannst? Niemand wird es wagen, dir zu helfen, denn es wäre sein sicherer Tod. Das Geschlecht der Wilhelmis wird am heutigen Tage für immer und alle Zeiten ausgelöscht. Willst du nicht herkommen und mit mir kämpfen? Nein? Dann sieh her. Sieh, welche Macht ich habe. Nicht einmal Gott kann mich von meinem Vorhaben abhalten.«
Er packte die tote Beata an den Fesseln und zerrte sie weg von dem Baum in die Lichtung hinein. Dort ließ er ihre Beine ins Gras fallen, zog das Schwert und schlitzte ihr den Bauch auf. Mit einem Griff zog er den Säugling heraus, durchschlug die Nabelschnur und hielt das blutige Bündel hoch, das zu atmen versuchte, einen glucksenden Laut von sich gab.
»Na? Wo ist Gott? Kein Blitz, keine Flut. Nichts. Die Macht hat derjenige, der sie sich nimmt.« De Bruce blickte dorthin, wo Melisande im Unterholz verschwunden war. »Ich gebe dir eine Chance. Du bist mutig. Ich habe gesehen, wie du diesen Trottel abgestochen hast.«
Er legte sein Schwert auf den Boden und zog sich an den Rand der Lichtung zurück. In aller Ruhe nahm er einen Pfeil, holte aus und nagelte den Säugling an einen Baum. Der wimmerte nicht einmal, lediglich ein Zucken lief durch seinen winzigen weißen Körper, bevor er starb.
De Bruce drehte sich um. »Was ist, du kleine rothaarige Hexe? Komm schon! Ich warte auch, bis du das Schwert aufgehoben hast. Willst du mich nicht töten? Ich habe deine Schwester umgebracht. Und deinen kleinen Bruder. Ja, es war ein Junge, es war dein Bruder.« Er deutete auf den Baum. »Ist das nicht furchtbar? Ungetauft! Dein Bruder ist ungetauft gestorben und wird folglich nicht in den Himmel kommen.«
Melisande würgte. Ihr ganzer Körper bebte, als würde sie immer noch in dem Karren sitzen und durch eine endlose Folge riesiger Löcher ruckeln. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie de Bruce, der herumstolzierte wie ein Gockel. Sie hatte tatsächlich eine Möglichkeit, keine große, aber einen Versuch war es wert. Sein Schwert war kein Bihänder, sondern ein Kurzschwert für den Nahkampf. Das konnte sie führen. Sie hatte Mutter versprochen, ihre kleine Schwester in Sicherheit zu bringen. Sie hatte kläglich versagt. Aber sie hatte ihrer Mutter noch etwas versprochen. Sie hatte geschworen, de Bruce zu töten. Sie würde nicht noch einmal versagen. Die Gelegenheit war günstig. Wahrscheinlich würde sie ihm nie wieder so nahe kommen, wenn er unbewaffnet war. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie es sein würde. Aufspringen, losrennen, das Schwert aufheben, auf ihn zufliegen und, kurz bevor sie ihn erreichte, einen Haken schlagen.
Aber rechnete er nicht genau damit? Er hatte ihre Finte ja beobachten können. Also würde sie den Haken nur antäuschen und ihm dann das Schwert in den Hals rammen. Sein Visier stand offen, er bot ihr seine Kehle dar, und seine Rüstung machte ihn schwerfällig.
»Was ist los? Bist du auch so ein Feigling wie dein Vater?« De Bruce brüllte wieder über die Lichtung hinweg. »Hast du nicht gesehen, wie er fliehen wollte? Mit seinen lächerlichen Blechsoldaten wollte er sich durchschlagen und abhauen. So seid ihr alle, ihr Wilhelmis’. Feige und gierig und schwach.«
»Ihr lügt!« Melisandes Stimme zitterte.
De Bruce lachte. »Ganz wie du meinst. Dann beweis mir das Gegenteil, Melisande Wilhelmis!«
Wieder donnerte etwas gegen die Pforte des Schelkopfstores. Dann eine Stimme: »Aufmachen! Sofort aufmachen!«
Mit gezückten Klingen traten die Wachmänner näher.
»Wer ist dort?«, rief Ulbert. »Was wollt Ihr?«
»Ein Notfall, wir sind überfallen worden. Die Kerle wollen sich an meiner Tochter vergreifen! Macht auf, lasst uns ein!«
Ulbert schien noch zu zögern, doch sein Kumpan Vito stieß die Pforte auf, ein Mann stürzte herein und packte den verdatterten Ulbert bei den Schultern. Das Haar stand ihm wirr vom Kopf ab, seine Augen blickten irr hin und her.
Melisande zögerte nur einen Wimpernschlag. »Raus hier!«, raunte sie Rudger zu. »Jetzt sofort.«
Sie stürzten nach draußen, an Vito vorbei, der seine Augen auf die dunkle Gasse geheftet hatte und offenbar nach der bedrängten Tochter Ausschau hielt. Doch statt eines Mädchens schälten sich weitere Männer aus dem Schatten der Hauseingänge und hielten auf das Schelkopfstor zu. Ihre Gesichter waren vermummt, Klingen blitzten in ihren Händen.
Im letzten Moment bemerkte Vito, was Rudger und Melisande vorhatten, und sprang ihnen in den Weg. Rudger zögerte nicht und zog ihm den Dolch durch die Kehle. Der Wachmann riss überrascht die Augen auf, fasste sich an den Hals. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch.
»Los, wir müssen weg hier«, zischte Rudger und zerrte Melisande vom Tor weg.
Melisande löste ihren Blick von dem sterbenden Wachmann und stolperte durch die Gasse, den Vermummten entgegen. Ihr blieb keine Zeit, sich zu fragen, was die Männer vorhatten, warum irgendwer ausgerechnet den Kerker von Esslingen stürmte. Sie eilte hinter Rudger her, drückte sich im Laufen dicht an die Häuserwände, um nicht von den Angreifern überrannt zu werden.
Fast hatte die Dunkelheit sie verschluckt, als eine Stimme hinter ihnen ertönte: »Stehen bleiben! Sofort stehen bleiben, oder Ihr habt einen Bolzen zwischen den Schulterblättern!«
Melisande erstarrte. Auch Rudger blieb stehen.
Hinter ihnen war Kampfgetümmel zu hören, offenbar waren die übrigen Wachmänner aus dem Kerker zurückgekehrt und lieferten sich ein Gefecht mit den unbekannten Angreifern. Doch das schien den schlauen Ulbert nicht aus dem Konzept zu bringen.
»Ein ausgefuchster Plan«, sagte er völlig ruhig. »Wirklich, mein lieber Isenburg, meine Hochachtung. Ihr lasst Euch von einem falschen Mönch aus der Zelle helfen, und dann kommen Eure Komplizen und sorgen für so viel Durcheinander, dass Ihr ungesehen fliehen könnt. Beinahe wärt Ihr damit durchgekommen.«
Rudger schob den blutigen Dolch in seinen Stiefel und drehte sich mit erhobenen Händen um. »Gut, Ihr habt gewonnen. Sperrt mich wieder ein. Aber lasst die Kleine laufen, sie hat nichts damit zu tun.«
»Ach, ist das so?« Ulbert lachte spöttisch. »Da habe ich aber einen ganz anderen Eindruck.«
Inzwischen hatten sich einige Fensterläden geöffnet, Menschen hielten Talglichter nach draußen und versuchten, etwas von dem Geschehen auf der Gasse mitzubekommen. Rufe nach Verstärkung wurden laut.