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Studienarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,3, Technische Universität Darmstadt (Institut für Geschichts- und Geisteswissenschaften), Veranstaltung: Stadt und Katastrophe in der Vor- und Frühmoderne, Sprache: Deutsch, Abstract: Die These des französischen Staatstheoretikers Jean Bodin, ,,[…] einen [äußeren] Feind zu haben, dem man die Stirn bieten kann, [ist] das beste Mittel […], den Staat zu schützen und vor Aufständen, Unruhen und Bürgerkriegen zu bewahren und unter den Untertanen für Eintracht zu sorgen“ , wird innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung immer wieder aufgegriffen und kritisch beäugt. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert gab es hierbei nicht nur für einen Herrscher oder einem Reich, sondern für das gesamte Abendland einen äußeren Feind: Das Osmanische Reich. Erzielte dieser Feind aber genau die von Bordin beschriebenen Effekte?Erst im 16. Jahrhundert wurde den mitteleuropäischen Herrschern die evidente Bedrohung von Seiten der Osmanen bewusst. Das Osmanische Reich stand unter Sultan Süleyman I. am Zenit seiner Macht. Nach dem Sieg in der Schlacht von Mohács 1526 wurde der ungarische Feudalstaat nicht nur für Jahrhunderte zum Spielball des Osmanischen Reiches und der der Habsburger. Vielmehr hämmerten die Türken nun bedrohlich an die Tore der habsburgischen Erblande und des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. So wurde gerade mit der Ersten Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1529 ,,die noch eben aus der Ferne dräuende [sic!] Gefahr […] zu einem in der Nähe tobenden Unwetter“. Und tatsächlich, der Ruf nach concordia, nach einer konfessions-, standes- und grenzübergreifenden Einigkeit, wurde im 16. Jahrhundert lautstärker denn je artikuliert. Dem Verfasser dieser Arbeit stach bei der Lektüre der zeitgenössischen und überlieferten Publizistik jedoch unmittelbar eine unglaubliche ,,Verteufelung des Osmanische Reiches und der Türken“ ins Auge, so dass man die Frage nach der Objektivität und Sachlichkeit immer wieder artikulieren musste. Diese Feindschaft zwischen der lateinischen Christenheit des Abendlandes und dem islamisch geprägten Osmanischem Reich wird in dieser wissenschaftlichen Arbeit daher als Grundlage der näheren und vor allem differenzierten Betrachtung genommen. Dreh- und Angelpunkt wird dabei die Fragestellung sein, ob das Schreckbild des Türken im 16. Jahrhundert reine Propaganda war oder doch einen historischen Wahrheitsgehalt beanspruchen kann. Diese Leitfrage, die sich der Verfasser gestellt hat und am Ende dieser Arbeit beantworten möchte, ist dabei auf zwei Ebenen angesiedelt, die –und das wird sich im Laufe der Arbeit zeigen- stark voneinander abhängig sind...
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Das Schreckbild des Türken
im 16. Jahrhundert - Reine Propaganda oder historische Wahrheit?
Eine Auseinandersetzung mit der Türkenpublizistik des 16. Jahrhunderts
Hausarbeit Geschichte
Hauptseminar: Stadt und Katastrophe in der Vor- und Frühmoderne
Technische Universität Darmstadt Fachbereich 2: Geisteswissenschaften Institut für Geschichts- und Geisteswissenschaften
Arian Sahitolli
Fachsemester: 05
Datum der Abgabe: 15.03.2012
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Die These des französischen Staatstheoretikers Jean Bodin, ,,[…] einen [äußeren] Feind zu haben, dem man die Stirn bieten kann, [ist] das beste Mittel […], den Staat zu schützen und vor Aufständen, Unruhen und Bürgerkriegen zu bewahren und unter den Untertanen für Eintracht zu sorgen“1, wird innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung immer wieder aufgegriffen und kritisch beäugt. Vom 14. bis zum 17. Jahrhundert gab es hierbei nicht nur für einen Herrscher oder einem Reich, sondern für das gesamte Abendland einen äußeren Feind: Das Osmanische Reich. Erzielte dieser Feind aber genau die von Bordin beschriebenen Effekte? Erst im 16. Jahrhundert wurde den mitteleuropäischen Herrschern die evidente Bedrohung von Seiten der Osmanen bewusst. Das Osmanische Reich stand unter Sultan Süleyman I. am Zenit seiner Macht. Nach dem Sieg in der Schlacht von Mohács 1526 wurde der ungarische Feudalstaat nicht nur für Jahrhunderte zum Spielball des Osmanischen Reiches und der der Habsburger. Vielmehr hämmerten die Türken nun bedrohlich an die Tore der habsburgischen Erblande und des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.2So wurde gerade mit der Ersten Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1529 ,,die noch eben aus der Ferne dräuende [sic!] Gefahr […] zu einem in der Nähe tobenden Unwetter“3. Und tatsächlich, der Ruf nach concordia, nach einer konfessions-, standes- und grenzübergreifenden Einigkeit, wurde im 16. Jahrhundert lautstärker denn je artikuliert.4Hierbei wurde nicht nur mittels Bittprozessionen, Predigten, Andachten, Volksliedern, Glockenläuten oder Reichstagsreden von Seiten der Kirche, der Fürsten oder des Kaisers auf die Türkengefahr aufmerksam gemacht. Seit der Erfindung des Buchdrucks durch Johanes Gutenberg im 15. Jahrhundert nämlich konnte die Türkenpublizistik als Massenmedium genutzt werden, um im Hinblick auf die Türkengefahr, zu einem unifizierenden Resultat zu gelangen. Die Aktualität der Türkenproblematik im frühneuzeitlichen Abendland verdeutlichen auch die historisch belegten Tatsachen, dass das erste Produkt der Druckerpresse ein
1Bodin, Jean: Sechs Bücher über den Staat. Buch IV- VI. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Bernd Wimmer München 1986, V, Kap. 5, S. 240.
2Vgl. Göllner, Carl: Turcica. Die europäischen Türkendrucke des XVI. Jahrhunderts, Bd. I., 1501-1550, Leipzig 1961, S. 6.
3Vgl. ebd.
4Vgl. Schulze, Winfried: Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung, München 1978, S. 61f.
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Turcicum war5und die quantitative Anzahl der Textproduktion unter dem Thema Türkengefahr alle anderen inhaltlichen Varianten und Schwerpunkte deutlich in den Schatten stellte.6
Dem Verfasser dieser Arbeit stach bei der Lektüre der zeitgenössischen und überlieferten Publizistik jedoch unmittelbar eine unglaubliche ,,Verteufelung des Osmanische Reiches und der Türken“7ins Auge, so dass man die Frage nach der Objektivität und Sachlichkeit immer wieder artikulieren musste. Diese Feindschaft zwischen der lateinischen Christenheit des Abendlandes und dem islamisch geprägten Osmanischem Reich wird in dieser wissenschaftlichen Arbeit daher als Grundlage der näheren und vor allem differenzierten Betrachtung genommen. Dreh- und Angelpunkt wird dabei die Fragestellung sein, ob das Schreckbild des Türken im 16. Jahrhundert reine Propaganda war oder doch einen historischen Wahrheitsgehalt beanspruchen kann. Diese Leitfrage, die sich der Verfasser gestellt hat und am Ende dieser Arbeit beantworten möchte, ist dabei auf zwei Ebenen angesiedelt, die -und das wird sich im Laufe der Arbeit zeigen- stark voneinander abhängig sind: Zum einen auf der Ebene der Publizistik, zum anderen auf der Ebene der politischen und militärischen Gegebenheiten innerhalb jenes Untersuchungszeitraumes.8
In einem ersten Schritt (Gliederungspunkt 2) soll zuerst auf die letztere Ebene Bezug genommen werden, indem der Aufstieg des Osmanischen Reiches zur Weltmacht beleuchtet wird. Der Fokus wird dabei sowohl auf die Ereignisgeschichte als auch auf die Strukturgeschichte jenes Reiches gelegt. Mit dem Osmanischen Reich betritt man hierbei ein sehr gut erforschtes wissenschaftliches Betätigungsfeld. Einschlägig ist in
5Vgl. Mertens, Dieter: ,,Europa id est patria, domus propria, sedes nostra […]“. Funktionen und Überlieferungen lateinischer Türkenreden im 15. Jahrhundert, in: Erkens, Franz-Reiner (Hg.): Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter, Berlin 1997 (= Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 20), S. 39-58, hier: S. 42. Unter dem Begriff der ,,Turcica” fallen alle Texte, die sich mit der Türkenproblematik auseinandersetzen, unabhängig von der Sprache oder der literarischen Gattung.
6Nicht nur in Frankreich, sondern auch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurden zwischen 1480 und 1609 weitaus mehr Texte über die Türken gedruckt als über die Entdeckungen in Amerika. Vergleiche hierzu Ilg, Ulrike: Die ,,Entdeckung“ der osmanischen Kultur durch Künstler und Gelehrte im 16. Jahrhundert: eine humanistische Utopie, in: Dürr, Renate [u.a.] (Hgg.): Expansionen in der Frühen Neuzeit, Berlin 2005 (=Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 34), S. 173-196, hier: S. 174 sowie Delumeau, Jean: Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ängste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Hamburg 1985, S. 397.
7Vocelka, Karl: Das Türkenbild des christlichen Abendlandes in der Frühen Neuzeit, in: Zöllner, Erich/ Gutkas, Karl (Hgg.): Österreich und die Osmanen. Prinz Eugen und seine Zeit, Wien 1988 (= Schriften des Instituts für Österreichkunde 51/52), S. 20-31, hier: S. 23.
8Für diese Vorgehensweise entschied sich der Verfasser dieser Arbeit nach der Lektüre des Artikels von Dieter Mertens, der darin den identischen Weg einschlägt. Siehe hierzu Mertens, Dieter: Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter. Heinz Josef Adamski und Otto Herding, den Lehrern und Achtzigjährigen gewidmet, in: Durchhardt, Heinz (Hg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung im Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln/ Wien 1991 (= Münstersche Historische Forschungen 1), S. 45-90, hier: S. 46.
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