Das Syd - Anna Winberg Sääf - E-Book

Das Syd E-Book

Anna Winberg Sääf

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Beschreibung

Paranoia und Geheimnisse sind das Rezept für diesen überaus spannenden Thriller Nach ihrer albtraumhaften Erfahrung im Sternerestaurant NORD, haben Alex und Sofi es geschafft, ein neues Leben zu beginnen. Nachdem sie die Bedrohung durch Alice Duwal hinter sich gelassen haben, konzentrieren sie sich nun darauf, ihr Bistro SYD auf Öland zu eröffnen. Trotz der fantastischen Lage an der Küste Schwedens und dem Zugang zu lokal produzierten Zutaten, stellt sich bald heraus, dass es harte Arbeit ist, ein eigenes Restaurant zu führen. Nicht zuletzt, als Geheimnisse ans Licht kommen, die alles zu ruinieren drohen. Aber Alex wird die Gedanken nicht los, dass Alice Duwal aus dem Schatten heraustreten und auf die Bildfläche zurückkehren könnte. Bildet er sich das nur ein, oder gibt es tatsächlich Grund zur Sorge?

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 324

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Zum Buch:

Alex starrt ins Leere. Er ist fest davon überzeugt, dass der Hubschrauberabsturz kein Unfall war. Alice schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie kommt um die Scheidung herum, und gleichzeitig überschattet der Unfall die Vorkommnisse im Nord, die Alex und Sofi an die Presse weitergegeben haben. Er wirft einen Blick auf Sofi, die noch schläft, und bekommt es mit der Angst zu tun. Es ist klar, dass Alice vor nichts zurückschrecken wird, um jeden loszuwerden, der ihr im Weg steht.

Zu den Autorinnen:

Katarina Ekstedt & Anna Winberg Sääf sind das Power-Publishing-Duo der Thrillerszene.

Katarina Ekstedt ist Verlagsleiterin und Autorin und lebt in Stockholm. Sie ist mit dem Sternekoch Niklas Ekstedt verheiratet und hat bereits mehrere gefeierte Kinder- und Jugendromane geschrieben.

Anna Winberg Sääf, Autorin und Dozentin, lebt auf Öland. Sie hat bereits zahlreiche populäre Romane geschrieben und wurde 2021 zur Regionalautorin des Bezirks Kalmar ernannt.

Lieferbare Titel:

Das Nord

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem TitelSyd bei Bookmark Förlag, Stockholm.

© 2023 by Anna Winberg Sääf, Katarina Ekstedt

Deutsche Erstausgabe

© 2024 für die deutschsprachige Ausgabe

by HarperCollins in der

Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Covergestaltung von Hafen Werbeagentur, Hamburg

Coverabbildung von Sandra Cunningham,

Paul Sheen / Trevillion Images

E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783749906697

www.harpercollins.de

Hinweis

Dies ist ein fiktives Werk. Alle Namen und Ereignisse sind erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen, lebenden oder toten Personen oder Ereignissen ist zufällig.

Zitat

Wenn du nicht extrem bist, werden die Leute es sich einfach machen, weil sie keine Angst vor dir haben.

Marco Pierre White

PROLOG

Alex geht zu dem alten Fernseher und schaltet ihn ein. Es dauert einen Moment, bis das Bild scharf ist. Er lässt das Morgenmagazin leise im Hintergrund laufen, während er die Schale mit den Orangen nimmt, um den Saft auszupressen. Die frischen Brötchen, deren Teig er über Nacht hat gehen lassen, sind gerade fertig gebacken. Ihr Duft erfüllt die Küche.

Er blickt auf die Landschaft, die zum Leben erwacht, sieht Vogelscharen am Himmel und hört das Schnattern der Gänse, die nach Süden fliegen, während er die Orangen aufschneidet und eine Hälfte nach der anderen gegen die Saftpresse drückt. Sofi schläft noch tief und fest, sie haben gestern hart gearbeitet, aber die Gäste wirkten zufrieden.

Ihr erster Sommer auf Öland verläuft besser, als sie es sich hätten träumen lassen, trotz allem, was im Frühjahr passiert ist. Mit halbem Ohr hört er der Nachrichtensprecherin zu. Plötzlich sagt sie etwas, und er schaut auf. Sein Blick heftet sich auf den Textstreifen am unteren Bildschirmrand. »Hubschrauber mit Geschäftsmann Carl Duwal an Bord geborgen.«

Alex hält inne. Seine Hände zittern, während er die Orangenhälfte gegen den Edelstahl der Saftpresse drückt. Für einen Moment kann er sich nicht bewegen, dann stürzt er sich auf die Fernbedienung, um die Lautstärke zu erhöhen. Er dreht sie voll auf.

»Der bekannte Geschäftsmann Carl Duwal und sein Sohn Theodor Duwal wurden von Bergrettern in schwierigem Gelände südlich des Kebnekaise gefunden. Beide sind offenbar am Leben, aber es ist noch unklar, wie schwer sie verletzt sind.«

Er denkt an die Zeit im Sternerestaurant Nord und seine Flucht vor Carls Frau vor einigen Monaten. Alice Duwal hatte ihn zuerst mit ihrem Charme geblendet und sich dann in ein tödliches Monster verwandelt, als er ihre Spielchen nicht mehr mitmachen wollte.

Auf dem Bildschirm übergibt die Nachrichtensprecherin an eine Reporterin vor Ort, die sichtlich mit heftigem Wind zu kämpfen hat.

»Sie waren als Erster vor Ort, was können Sie uns über das Unglück sagen?«

Der Leiter der Bergwacht wirkt grimmig.

»Nachdem die Flugsicherung den Kontakt zum Hubschrauber verloren hatte, haben wir uns auf die Suche gemacht. Als wir zur Absturzstelle gelangt sind, haben wir festgestellt, dass der Pilot tot war. Die beiden Passagiere wurden vor Ort versorgt und dann mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen.«

»Können Sie mehr über den Absturz sagen?«

»Leider nicht. Wir werden zusammen mit der Unfallkommission eine technische Untersuchung einleiten, um die Absturzursache zu klären.«

Alex umklammert das Geschirrtuch, das er genommen hat, um sich die Hände abzutrocknen. Bilder aus der Vogelperspektive zeigen einen unförmigen Klumpen, vermutlich der Privathubschrauber von Carl Duwal, in einer verschneiten Berglandschaft. Aus dem ausgebrannten Wrack steigt noch immer Rauch auf. Es ist noch unklar, wie schwer sie verletzt sind. Dann schaltet Alex den Fernseher aus, als könnte so das Gesagte zusammen mit den Bildern verschwinden, die er gerade gesehen hat.

Leise eilt er die Treppe hinauf, geht zum Kleiderschrank und tastet auf dem obersten Regalbrett herum. Er erreicht mit den Fingerspitzen, was er sucht, zieht den braunen Umschlag heraus und öffnet ihn. Er ist noch da. Alex zittert, als er den USB-Stick mit dem Video von Alice herausnimmt, auf dem sie wutentbrannt gesteht, dass sie ihren ehemaligen Liebhaber Gabriel hat töten lassen. Das war bisher ihre Sicherheit. Eine Kopie davon besaß Carl. Weder er noch Alice wollten, dass dieses Video an die Öffentlichkeit gelangt. Es sollte weder dem Ruf der Familie Duwal noch Theodors Zukunft als Erbe des Familienimperiums schaden. Hat Carl Alice damit konfrontiert, um die Scheidung zu erzwingen?

Alex starrt ins Leere. Er ist fest davon überzeugt, dass der Hubschrauberabsturz kein Unfall war. Alice schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie kommt um die Scheidung herum, und gleichzeitig überschattet der Unfall die Vorkommnisse im Nord, die Alex und Sofi an die Presse weitergegeben haben. Er wirft einen Blick auf Sofi, die noch schläft, und bekommt es mit der Angst zu tun. Es ist klar, dass Alice vor nichts zurückschrecken wird, um jeden loszuwerden, der ihr im Weg steht. Er denkt an das, was vom Hubschrauber übrig geblieben ist.

Es gibt nur ein Problem: Sie hat sicher nicht damit gerechnet, dass einer der Passagiere überleben würde.

1

Neun Monate später

»Kommen Sie, dann können Sie mal probieren!«

Schon beim Betreten der Küche entspannt sich Alex, hier fühlt er sich zu Hause.

Er nickt Tess, der Köchin, zu, die schnell eine Kostprobe für die Reporterin zubereitet und ihr eine Gabel mit einem Bissen von in zerlassene Butter getauchtem Kartoffelkloß zusammen mit ein paar Preiselbeeren reicht. Alex beobachtet, wie sich die Journalistin das Ganze, ohne zu zögern, in den Mund steckt. Er wartet auf diesen ersten Moment, wenn die Aromen auf den Gaumen treffen. Ihr wahres Urteil, den unbewussten Gesichtsausdruck, wenn sie die Kombination aus den Zutaten und Gewürzen schmeckt. Nicht die Worte, die vielleicht eine Sekunde später aus ihrem Mund kommen.

In diesem Fall weiß er schon, dass ihr klassischer Kartoffelkloß mit lokaler Note voll ins Schwarze trifft. Den ganzen Winter über hat er mit der dünnen Kartoffelschale und der würzigen Fleischmischung im Inneren experimentiert. Schließlich hat er mit Thymian und Salbei die perfekte Balance gefunden. Niemand will einen zu experimentellen Kartoffelkloß, schon gar nicht die Einheimischen auf Öland. Nein, sie wollen, dass er wie immer schmeckt, nur besser. Die Reaktion der Reporterin enttäuscht ihn nicht, denn wie jeder Gast, seit sie das Gericht auf der Speisekarte haben, lächelt Maryam breit, sobald sie den Bissen verzehrt hat. Er erwidert das Lächeln. Weiß, dass sie noch mehr will.

»Nehmen Sie doch ein wenig Sahne dazu«, schlägt er vor und gibt ihr ein weiteres Stück mit Preiselbeeren, zerlassener Butter und einem Klecks Sahne auf einem Teller.

»Wow … So lecker!«

Alex sieht, wie sie es genießt. Sie schließt sogar kurz die Augen und schaut ihn dann beeindruckt an.

»Ja, letzten Sommer stand die französische Küche im Mittelpunkt, aber jetzt haben wir uns mehr auf Klassiker aus heimischen Zutaten konzentriert, sie weiterentwickelt und ihnen unsere eigene Handschrift verpasst. Wir wollen die Produktionszentren in der Nähe fördern. Alle profitieren davon, wenn wir zusammenarbeiten und die Saison verlängern können.«

Maryam nickt und macht sich Notizen. Alex hält inne und wartet, bis sie fertig geschrieben hat. Er gibt Tess mit einem Nicken zu verstehen, dass sie weiterarbeiten kann, und schaut sich um, bevor er die Journalistin durch die Küche führt. Obwohl sie nur zu zweit kochen und alles schultern müssen, liebt Alex seine Arbeit. Der Unterschied zu seinem früheren Job im Sternerestaurant Nord könnte nicht größer sein, und das ist das Schöne daran. Im Nord musste er manchmal Stunden damit zubringen, Thymianblätter vom Stängel abzupflücken oder andere unfassbar kleinteilige und mühselige Aufgaben zu erledigen. Hier hat er die ganze Kette im Griff, und das ist ein unschlagbares Gefühl. Vom Einkauf über die Auswahl der Zutaten und das Kochen bis hin zum fertigen Teller, der dekoriert und dem Gast serviert wird.

Er verspürt Genugtuung, während sie im Raum umhergehen. Der größte Teil der Küche ist aus Edelstahl, sauber und schlicht, gut durchdacht und mit allem ausgestattet, was sie brauchen. Das vergangene Jahr hat ihnen Zeit gegeben, sich richtig zu organisieren. Nur die Wände verraten, dass sie sich in einer ehemaligen Scheune befinden.

Auf der Werkbank vor ihm liegt seine Messersammlung sicher in der Tasche verstaut, sie ist das Wichtigste, was er besitzt. Er lässt seinen Blick weiterschweifen und versucht, die Küche mit den Augen der Reporterin zu sehen. Nie hätte er gedacht, dass Cina, seine Mentorin und Partnerin, dem Kauf von doppelten Pacojets zustimmen würde, den Luxusmixern, mit denen sie unter anderem ihr beliebtes Eis zubereiten. Anfangs mussten sie wirklich jede Krone umdrehen, aber um bestimmte Gerichte perfekt zuzubereiten, braucht man einfach das nötige Gerät.

Maryam scheint besonders interessiert, als er ihr zeigt, wie man die lokal angebauten Erbsen fermentiert, er hat schon immer davon geträumt, seine eigene Würze nach dem Vorbild von Sojasauce herzustellen. Gleichzeitig ist er im Geist schon mit dem Rest seines Arbeitstages beschäftigt. Beim Einkauf der Waren muss er noch mehr aufpassen. Im Nord wurde fast alles bestellt, egal was es kostete, in einem Bistro geht das natürlich nicht. Daran musste er sich erst gewöhnen. Die spanischen Tomaten sind zwar billiger, aber sie verlieren zu viel Geschmack, wenn sie während des Transports durch verschiedene Kühlschränke wandern. Er blickt durchs Fenster auf das Gewächshaus mit seinen eigenen Tomaten und sehnt sich danach, dass sie reif genug sind, um sie in den Sommersalaten zu verwenden. Aber er kann nicht alles selbst anbauen, also muss er Vertrauen zu den Lieferanten auf der Insel aufbauen, um gute Preise zu erzielen. Auf dieser Insel dreht sich alles um Kontakte, und obwohl Cina als bekannte lokale Gastronomin die meisten wichtigen Leute kennt, sind persönliche Beziehungen wichtig. Maryam unterbricht seine Gedanken und holt ihn zurück in die Gegenwart.

»Aber was hat Ihrer Meinung nach dafür gesorgt, dass Sie so schnell so beliebt geworden sind?« Sie wischt sich den Mund mit einer Stoffserviette ab, die Alex ihr reicht, bevor sie fortfährt. »Ich habe mir die Bewertungen auf Google und Tripadvisor durchgelesen, und Ihre sind unglaublich gut. Jeder scheint Ihr Essen zu lieben!«

Er braucht ein paar Sekunden, um eine Antwort zu formulieren, er will vorsichtig sein mit dem, was er sagt. »Wir hätten wohl nie gedacht, dass wir so einen guten Start hinlegen würden. Natürlich steckt da viel harte Arbeit drin. Wir haben gutes Personal, und Cina, meine frühere Ausbilderin, ist so etwas wie ein Guru in der Branche, und es ist klar, dass ihre Erfahrung einen großen Anteil an unserem Erfolg hat.«

Alex macht eine kurze Pause, bevor er fortfährt: »Sie hat mich in meiner Arbeit als Koch sehr unterstützt. Ich konnte mich sehr frei entfalten, und sie hat mir immer wertvolle Tipps und Ratschläge gegeben. Einfach eine tolle Teamarbeit! Außerdem waren schon einige lokale Berühmtheiten hier, und ich glaube, unsere Investition in einen Pizzaofen im Außenbereich hat auch dazu beigetragen.«

Maryam nickt und schaut besonders neugierig, als er die Berühmtheiten erwähnt.

»Berühmtheiten? Meinten Sie Mitglieder der Königsfamilie? Die sind oft im Sommer hier unten in Solliden.«

Alex lacht.

»Na ja, ich weiß nicht, natürlich kommen sie jedes Jahr wegen der Feier von Kronprinzessin Victoria her, aber auf diesem Level hat man normalerweise seine eigenen Köche.«

Er hält inne. Vielleicht ist das, was er sagt, nicht so interessant, er ist sich nicht sicher, was der Aufhänger des Artikels sein wird. Er will helfen, die Geschichte attraktiv zu machen. Maryam nickt wieder, aber er sieht eine Falte zwischen ihren Augenbrauen. Sie fingert an einem Aufnahmegerät herum.

»Ist es in Ordnung, wenn ich den Rest aufnehme? Ich vervollständige meine Notizen gerne durch Zuhören, damit ich alle Zitate richtig habe, und ich mache auch die Fotos selbst. Leider ist der Fotograf, der mich begleiten sollte, krank geworden, aber ich bin es gewohnt, selbst zu fotografieren. Vielleicht draußen?«

Sie zeigt auf den Kräutergarten, in dem sie lange Reihen von Salbei, Minze, Thymian, Rosmarin und vielen anderen Kräutern gepflanzt haben, die bereits zu sprießen beginnen.

»Klar, gerne.«

Als sie die Küche verlassen, wird er nervös. Soziale Medien und Interviews haben er und Sofi im vergangenen Jahr gemieden, um möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Eine bewusste Entscheidung, denn sie wollten nicht, dass jemand herausfindet, wo sie sind. Stattdessen war Cina ihr Gesicht in der Öffentlichkeit. Aber zum ersten Mal, seit sie Åre verlassen haben und nach Carls und Theodors Unfall im letzten Jahr, beginnt Alex endlich zu glauben, dass Alice sie in Ruhe lässt. Auch wenn er sich immer noch bei jedem Geräusch reflexartig umdreht, um sich zu vergewissern, dass niemand da ist. Jetzt brauchen sie jede Werbung, die sie für den Sommer bekommen können, und für diese Reportage hat Barometer extra nach ihm gefragt, nach dem »Typen in der Küche«, wie sie es ausgedrückt haben.

Er führt die Journalistin über einen mit Steinen ausgelegten Pfad in den Garten hinter dem Restaurantgebäude. Er zupft seine Kochjacke zurecht, prüft sie auf Flecken und fährt sich mit der Hand durchs Haar. Dann lehnt er sich leicht gegen die niedrige Steinmauer, sodass auch das Meer mit aufs Bild kommt. Er redet sich ein, dass er sich keine Sorgen machen muss, während er versucht, entspannt und offen zu wirken.

Dass eine der lokalen Zeitungen ihn für die Sommerbeilage porträtiert, ist kaum Breaking News, und wenn sein Engagement dazu beiträgt, dass die Saison gut beginnt und die Menschen merken, dass das Syd in diesem Sommer einen Besuch wert ist, dann hat es sich gelohnt.

Gleichzeitig … Nein, daran will er nicht denken.

Er lächelt in Maryams Richtung, die ihn bittet, das Kinn zu heben und sich ein wenig zu drehen. Der Wind ist kalt, obwohl die Sonne von einem hellblauen Himmel mit ein paar Schäfchenwolken scheint. Klassisches Öland-Wetter im Juni. Als sie mit den Fotos fertig sind, lassen sie sich unter der Pergola nieder. Die Reben, die Sofi im letzten Sommer gepflanzt hat, haben sich schon um die Stäbe geschlungen, obwohl es erst Anfang Juni ist.

Alex dreht sein Gesicht in die Sonne und erinnert sich an das, worüber er und Sofi gesprochen haben. Das Wichtigste ist ihre einzigartige Kombination aus französischen Klassikern aus dem Repertoire von Cina mit einem Fokus auf lokale und regionale Produkte, ohne viel Schnickschnack. Reine und einfache Aromen. Gerichte, für die man immer wiederkommen möchte. Wie zum Beispiel das Schokoladensoufflé mit Sanddorn und Eis aus lokal hergestellter Sahne, das bereits zu einem Favoriten geworden ist und viele Gäste dazu veranlasst hat, die Extrakilometer nach Näsby auf Süd-Öland und dann weiter östlich über eine holprige Schotterstraße Richtung Meer zu fahren.

»Alex Anderson, Sie führen dieses Restaurant zusammen mit der bekannten einheimischen Köchin Cina Roos und Ihrer Lebensgefährtin Sofi … und es ist weithin bekannt für seine Küche, obwohl es erst seit weniger als einem Jahr geöffnet ist. Wie fühlt sich das an?«

An Maryams Stimme ist zu hören, dass sie das Tonband eingeschaltet hat. Alex holt Luft.

»Ja, was soll ich sagen? Fantastisch«, antwortet er und breitet die Hände aus. Er versucht, seine Dankbarkeit auszudrücken, ohne zu klischeehaft zu klingen, aber das gelingt ihm nicht besonders gut. Er merkt, dass er leere Phrasen von sich gibt. Schließlich schweigt er und faltet die Hände im Schoß. Eine Hand zittert, aber die Journalistin nickt ihm aufmunternd zu.

»Jeder, der hier im Syd arbeitet, vom Tellerwäscher über die Kellnerin bis hin zu unserer Köchin Tess, hat uns auf diesem Weg unterstützt.«

Die Journalistin stellt die nächste Frage, ohne aufzublicken.

»Großartig. Wie gesagt, viele Leute sprechen von dem unglaublich guten Essen, von dem Sie gerade Kostproben gezeigt haben, und dafür sind ja Sie verantwortlich. Denn Cina selbst hat sich aus der Küche zurückgezogen und kümmert sich hauptsächlich um die Finanzen, wenn ich das richtig verstanden habe, oder?«

»Ja, das ist richtig.«

»Aber wie sind Sie überhaupt hier auf Öland gelandet? Sie haben doch vorher im Zwei-Sterne-Restaurant Nord in Åre gearbeitet, oder? Es war eine Weile wegen der Skandale geschlossen, aber ich habe gehört, dass es bald wieder aufmacht.«

Alex zuckt zusammen, wie immer, wenn das Wort Nord fällt. Obwohl sie aussieht wie eine frischgebackene Absolventin der Journalistenschule, hat sie sich offensichtlich gut informiert. Das kann man von den Reportern, die Cina in der Vergangenheit interviewt haben, nicht behaupten. Die meisten interessierten sich vor allem dafür, dass das Syd so weit unten im Süden Ölands liegt und trotzdem so viele Gäste anzieht, oder für Cinas kreative Arbeit mit den Einheimischen, für saisonale Zutaten. Sie haben nie recherchiert, woher das Wissen des Kochs eigentlich kommt. Alex fragt sich unwillkürlich, ob es die Namen sind, die Maryam dazu gebracht haben, die Verbindung herzustellen. Cina fand es lustig, das Restaurant »Syd« zu nennen, vor allem, weil es so weit im Süden der Insel liegt. Das hatte sie schon lange beschlossen, bevor er und Sofi nach Öland kamen, und es war unmöglich, sie umzustimmen. Vor allem, weil er und Sofi sich entschieden hatten, ihr nicht alles zu erzählen, was im Nord passiert ist.

Er atmet tief ein, aber vorsichtig, in der Hoffnung, dass es nicht auffällt. Er und Sofi haben geübt, was zu sagen ist, wenn jemand fragt. Viele Male sogar. Trotzdem ist er völlig durcheinander. Weil er Zeit zum Nachdenken braucht, antwortet er mit einer Frage.

»Entschuldigung, ich habe ganz vergessen zu fragen: Möchten Sie Kaffee? Schwarz oder mit Milch?«

Maryam wirkt überrascht, geht aber nicht darauf ein, dass er gerade der Frage ausgewichen ist.

»Etwas Milch, bitte, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, antwortet sie stattdessen und lehnt sich auf dem Gartenstuhl von Grythyttan zurück.

Alex nickt. Er ist erleichtert, sich auf etwas Konkretes konzentrieren zu können. Er lässt sie unter der Pergola sitzen, schlüpft durch die Seitentür in die Küche und geht mit schnellen Schritten zur Bar.

Hat sie gesagt, dass das Nord bald wieder aufmacht?

Er versucht, sich Wort für Wort zu erinnern, falls er etwas missverstanden haben sollte. Der Duft von leicht geröstetem Kaffee schlägt ihm entgegen, doch in seinem Kopf spielt sich eine andere Szene ab.

Das Geräusch des Scooters kommt immer näher, er ist zu langsam, Alice wird ihn einholen. Er stolpert durch die Bäume, und als er endlich die Straße erreicht, sieht er Scheinwerfer auf sich zukommen. Der Scooter ist nur noch wenige Hundert Meter entfernt, das entgegenkommende Auto rast ungebremst auf ihn zu. Es schlingert über die Fahrbahn, auf der sich große Schneehaufen mit nassem Kies vermischen. Gerade als er glaubt, dass der Scooter ihn eingeholt hat, schafft es der Fahrer, das Auto unter Kontrolle zu bekommen. Es ist Sofi. Sie hält an, und er wirft sich auf den Rücksitz. Sie gibt Gas, obwohl die hintere Tür noch offen ist. Ein Schuss ist zu hören, aber er verfehlt das Auto, und sie fahren mit hoher Geschwindigkeit auf das Björnen zu.

2

Die Kaffeemaschine gluckert, und Alex kehrt in die Realität zurück. Er schwitzt leicht, obwohl es im Restaurant kühl ist. Er füllt Milch in ein Kännchen. Dann nimmt er eine der polierten Kalksteinplatten, die sie als Spezialanfertigungen haben machen lassen, und stellt einen Teller mit Plätzchen neben die beiden weißen Tassen von Resmo Krukmakeri. Er hat die Kekse nach dem alten Rezept seiner Großmutter gebacken, schön hart, so, wie er sie mag. Dann geht er zurück durchs Restaurant, vorbei an dem fantastischen langen Tisch, den Sofi aus alten Brettern gezimmert hat, die sie am Strand gefunden haben, und zurück in den Kräutergarten mit Blick über Felder und Wiesen bis hinunter zur Ostsee.

»So, bitte sehr. Der Kaffee ist so hell, dass man eigentlich keine Milch braucht, aber das ist natürlich optional.«

Alex stellt das Tablett ab.

Maryam scheint unbedingt weitermachen zu wollen.

»Also, das Nord, Sie haben da gearbeitet?«

Er nimmt einen Schluck von seinem Kaffee und weicht ihrem Blick nicht aus.

»Ja, genau, ich hatte das Glück, dort eine Stelle als Commis de Cuisine zu bekommen, also als Assistent, und es hätte keine bessere Schule geben können.«

Er spürt, wie sein Herz schneller schlägt.

Sie nickt und greift wieder zu ihrem Notizbuch. Inzwischen hat sie mehrere Seiten in einer unleserlichen Handschrift mit einem blassen Kugelschreiber gefüllt. Er will ihr seine vorbereitete Antwort geben und hofft, dass sie dann zu anderen Fragen übergeht.

»Vielleicht haben Sie von Thomas Turner gehört? Er war Chefkoch im Nord, und vieles von dem, was ich von ihm gelernt habe, konnte ich hierher mit ins Syd herübernehmen, obwohl das Niveau natürlich ein anderes ist, weil wir ja ein Bistro sind.«

Maryam macht sich wieder Notizen, und Alex hält kurz inne, bevor er fortfährt.

»Aber nach einer Saison in einem Sternerestaurant hatte ich genug und wollte neue Erfahrungen sammeln. Ich wollte selbst etwas leiten. In so einer Küche ist man nur Teil einer großen Maschinerie. Deshalb habe ich gekündigt.«

Er hört, wie einstudiert der letzte Satz klingt. Die Journalistin nimmt sich einen Keks, zieht beeindruckt die Augenbrauen hoch und lässt den Stift auf dem Notizblock ruhen.

»Da hatten Sie ja Glück, oder?«

Alex ist verwirrt.

»Was meinen Sie damit?«

»Ich meine, Sie mussten das Nord ja nach dem Hubschrauberabsturz schließen.«

Er nickt.

»Ja, das stimmt.«

»Wie schrecklich, dass Carl Duwal gestorben ist.«

Alex verschluckt sich fast und muss husten. Carl ist tot? Er hatte keine Ahnung, das muss erst vor Kurzem passiert sein. Seit dem Unfall im Spätsommer letzten Jahres wurde in den Zeitungen immer wieder über Carls Zustand spekuliert, aber das Letzte, was Alex gehört hat, ist, dass er schwer verletzt in einer Spezialklinik in der Schweiz behandelt wurde.

Was soll er sagen? Er kann das Interview kaum unterbrechen, um bei Sofi oder Cina nachzufragen. Der Keks wird zu einem Klumpen in seinem Mund. Er greift nach seinem Kaffee und merkt, dass seine Hand nicht mehr ganz ruhig ist. Alex hat sich alle Mühe gegeben, Alice und das Nord hinter sich zu lassen, seit sie von Åre nach Öland gezogen sind. In den ersten Tagen hatte er Sofi alles über seine Beziehung mit Alice erzählt, bis ins kleinste Detail. Dann bat er sie, es zu vergessen. Er wollte nicht mehr an das erinnert werden, was passiert war, aber Sofi musste wissen, warum, und sie hat ihn unterstützt. Er weiß nicht, was er ohne sie getan hätte.

Doch jetzt kommt alles zurück.

»Es ist schrecklich, dass Carls Sohn Theodor auch dabei war, obwohl er es wohl ganz gut überstanden hat«, sagt Maryam.

Alex hat aufgehört zuzuhören. Er denkt nur an das, was sie gerade über Carl gesagt hat. Er fragt sich, ob sie noch mehr weiß. Alex wünscht sich, er könnte sie bitten zu gehen, ihr sagen, dass das Gespräch beendet ist. Stattdessen lächelt er angespannt, während er an Carl denkt, den bekannten schwedischen Milliardär und Ehemann von Alice, der sich als jemand entpuppte, der ganz anders war, als Alex gedacht hatte. Der Mann, der entscheidend für seine Flucht und seine Freiheit wurde.

Schließlich räuspert er sich und antwortet. »Ein sehr tragischer Unfall.«

Er wartet auf die nächste Frage, in der Hoffnung, dass es so aussieht, als hätte er bereits gewusst, was sie ihm eben gesagt hat. Die Journalistin will gerade eine Anschlussfrage stellen, als er in einem schärferen Ton als beabsichtigt hinzufügt: »Das mit Carl tut mir leid, aber vielleicht sollten Sie nicht so viel über meine Zeit im Nord schreiben, sondern sich darauf konzentrieren, wo wir jetzt sind.«

Alex will das Kapitel einfach nur abhaken und vom Syd erzählen, von der neuen Speisekarte, von den Kräutern, die er verwendet, und von allem, was er den Lesern des Magazins sagen will, damit sie im Sommer kommen und seine Küche entdecken.

Er ist gestresst, er hätte nicht gedacht, dass das Interview so lange dauern würde. Er wünscht sich, dass die Reporterin zum Ende kommt, damit er mit Sofi über das sprechen kann, was er gerade erfahren hat. Außerdem ist eine Lieferung Lammfleisch von einem relativ neuen Produzenten unterwegs. Er möchte sich persönlich von der Qualität der Ware überzeugen. Dieser spezielle Produzent ist heikel, und selbst wenn das Lammfleisch von guter Qualität ist, kann er nie ganz sicher sein, dass er bekommt, was er bestellt hat.

Eigentlich war die ganze Sache mit der Journalistin von Anfang an ein Fehler. Er bezweifelt, dass es eine gute Idee war, sich von Cina zu diesem Interview überreden zu lassen. Gleichzeitig weiß er, dass sie recht hat. Die Lokalpresse ist nicht an einem weiteren Artikel über sie interessiert, sie brauchen einen neuen Blickwinkel, wenn es etwas bringen soll. Die Reportage wird in einer Sommerbeilage erscheinen, die auch als Einzelausgabe weit verteilt wird, und jede lokale Werbung, die das Syd im Moment kostenlos bekommt, ist von unschätzbarem Wert. Das Geld muss reinkommen.

Er steht auf und nimmt die Kalksteinplatte, die leeren Tassen und den leeren Keksteller.

»Vielleicht möchten Sie die Tour fortsetzen und sich den Rest ansehen, während ich Ihnen von unserer Vision für das Sommermenü erzähle?«

Während er ihr die Kräuter zeigt und erklärt, in welchen Gerichten er sie verwendet, zum Beispiel in den gebratenen Rüben oder im Sommersalat mit Estragon, tastet er mit den Fingern die Erde ab. Der Wind hat die oberste Schicht ausgetrocknet, und er muss daran denken, später, wenn die Sonne untergegangen ist, behutsam zu gießen. Das Wasser muss bis zu den Wurzeln gelangen, damit die Kräuter alle Nährstoffe aufnehmen können, es darf nicht an der Oberfläche verdunsten. Aber man muss vorsichtig sein, denn die verschiedenen Pflanzen haben alle ihre eigenen Bedürfnisse. Etwas, von dem er vor einem Jahr noch keine Ahnung hatte.

Er hat sich hier verändert und gewagt, etwas Neues aufzubauen. In den ersten Tagen nach der Flucht, als sie bei Cina gelandet waren, hatte er eine tierische Angst. Dann folgten einige Tage, an denen er aus dem Fenster schaute und das Meer bloß als grauen Streifen am Horizont sah.

Cina ließ sie in Ruhe. Sie erzählten ihr nur wenig von den Ereignissen im Nord, aber sie spürte, dass sie in diesem Moment Zeit für sich brauchten. Genauso wie er sie nicht nach den Jahren vor der Restaurantfachschule fragte, als sie ihr Lokal wegen ihrer Alkoholprobleme verloren hatte, oder nach dem Rückfall, der sie veranlasste, ihre Lehrtätigkeit aufzugeben und nach Süd-Öland zu ziehen. Es war eine stillschweigende Übereinkunft zwischen den dreien, nach vorne zu schauen und nicht zurück.

Schließlich hatte sie vorgeschlagen, dass sie ihr helfen könnten, den alten Hof, den sie geerbt hatte, herzurichten. Durch das Schleifen der Kalksteinplatten, das Schleppen, Streichen und Reparieren der baufälligen Gebäude und die endlosen Fahrten zum Recyclinghof mit Müll und Dreck begann er, sich wieder lebendig zu fühlen.

Cina scherzte und kommandierte ihn herum, während das Restaurant und ihr gemeinsames Unternehmen langsam Gestalt annahmen. Diese Art von Beziehung hatten sie schon immer gehabt, sie war praktisch wie eine zweite Mutter für ihn.

Und dann Sofi. Alles war so einfach geworden zwischen ihnen, nachdem er seine Gefühle für sie nicht mehr verbergen musste und nach all den Jahren der Einsamkeit nun jemanden hatte, dem er sich anvertrauen konnte.

Dann öffneten sie gemeinsam die Tore zum Syd, mit einem Menü, das sie damals für anspruchsvoll hielten, das aber viel einfacher war als das, was Alex für dieses Jahr entwickelt hat.

Die Gäste bevorzugten trotz französischer Küche unerwarteterweise Erbsensuppe und Pfannkuchen, sodass sie bald jeden Donnerstag – der Tag, an dem sie hauptsächlich regionale Gerichte anboten – ausgebucht waren und die Öffnungszeiten verlängern mussten. Alex hatte die Nachfrage völlig unterschätzt. Er kämpfte sich durch die Tage, da die Nächte der ersten Monate geprägt waren von Albträumen, in denen Alice ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Oft schreckte er schweißgebadet hoch, wenn er mal wieder geträumt hatte, dass ihre kühlen Finger seinen Körper streichelten. Es war immer der gleiche Traum. Er war gefesselt, nackt und bewegungsunfähig. Erst wenn er aufgewacht war, merkte er, dass nicht Alice, sondern Sofi neben ihm im Bett lag.

Er zeigt Maryam die bei den Gästen sehr beliebte überdachte Terrasse, auf der sie unter einer hohen Decke Pizzas servieren, und schildert ihr, wie Cina, Sofi und er gemeinsam alle Wände herausgerissen und am Ende des länglichen Gebäudes einen großen Pizzaofen gebaut haben.

»Dieser Teil ist natürlich nur im Sommer geöffnet, nächste Woche geht es los.«

Nach ein paar letzten Fotos verabschiedet sich die Reporterin. Alex atmet tief durch und spürt ein vertrautes Pochen im Kopf. Er lässt sich auf einen der Stühle im Bistrobereich fallen und schaut sich in dem menschenleeren Raum um. Sofi war auf Schnäppchenjagd auf verschiedenen Flohmärkten und hat die Stücke in passenden Grau-, Grün- und Weißtönen neu gestrichen. Ein Traum, von dem er vorher nicht einmal etwas geahnt hatte, ist in Erfüllung gegangen, aber trotz des Erfolgs und ohne wirklich zu verstehen, warum, ist er gestresster denn je. Er steht auf, geht in die Küche, gießt sich ein Glas Wasser ein und kippt es hinunter. Hat er mit dem Interview die Büchse der Pandora geöffnet?

3

Alex verlässt die Küche und geht am Kräutergarten vorbei in Richtung des Lagerschuppens. Seit Wochen versucht er, Zeit zu finden, um hier aufzuräumen, aber immer kommt etwas dazwischen. Es ist wichtig, dass zu Saisonbeginn alle Trockenprodukte, Servietten, Schokolade, Öl und andere Dinge an ihrem Platz sind. Wenn das Restaurant voll ist, bleibt keine Zeit für größere Bestellungen oder im schlimmsten Fall nicht einmal für kurze Nachkäufe. Bis nach Färjestaden, wo es das beste Angebot der Insel gibt, braucht man im Sommer fast eine Stunde. Wenn die Urlauber mit ihren Wohnmobilen unterwegs sind, deutlich länger.

Alex schaut auf sein Handy. Drei Anrufe in Abwesenheit. Er stellt den Ton wieder an, bleibt kurz stehen und schreibt eine SMS.

Ich bin sehr interessiert, wie viele hast du?

Eric, der Käser, ist mit einer Reihe spannender Experimente mit Schimmelpilzen und geheimen Zutaten beschäftigt, die Alex faszinieren. Allerdings ist der Einkauf bei solchen experimentellen Händlern ein schwieriger Balanceakt, denn einige der Produkte sind von der nationalen Lebensmittelbehörde noch gar nicht zugelassen. Aber die Käsesorten sind französische Spitzenklasse. Dann schreibt er Sofi eine SMS.

Wir müssen reden, komm so schnell wie möglich zum Schuppen.

Es ist Montag, die meisten haben frei, nur er und Tess sind in der Küche, um die Speisekarte für die Woche vorzubereiten und Gerichte auszuprobieren. Neben der Zubereitung der Kartoffelklöße putzen sie Bohnen und hacken Petersilie für ihr eigenes Pesto.

Doch Tess wird eine Weile auf ihn in der Küche verzichten müssen. Er geht in den Lagerschuppen, um endlich mit dem Aufräumen zu beginnen. Eigentlich sollte er den Holzspalter aufstellen und die abgesägten Äste der Bäume klein hacken, die sie im letzten Winter gefällt haben, aber das muss jetzt warten. Alex schaut auf die langen Reihen von Mehlsäcken für die Pizzen, Dosen mit Olivenöl und allem, was sonst noch im Restaurant gebraucht wird. Er schiebt ein paar Säcke beiseite und findet eine Menge alter leerer Gläser, seufzt. Aus purem Zeitmangel ist vieles bei der Ankunft der Lieferungen einfach nur reingeworfen worden und liegt überall herum, aber seine Vision ist strikte Ordnung und dass jeder in der Lage sein sollte, im Lager sowohl etwas zu finden als auch die Ordnung zu bewahren.

Obwohl draußen ein kühler Wind weht, ist es drinnen richtig heiß. Die Frühsommersonne bahnt sich ihren Weg durch die Ritzen, und der Schweiß rinnt ihm den Rücken hinunter. Alex zieht seine Kochjacke und das T-Shirt aus. Bei der Wärme ist es besser, mit bloßem Oberkörper zu arbeiten, er kann danach gleich duschen gehen. Er schleppt einen Sack über den Boden und spürt, wie sich seine Brustmuskeln anspannen. Endlich ist er wieder so fit wie nach der Kochschule, bevor er seinen ersten Job in Kopenhagen bekam.

Er zuckt zusammen und spürt, dass ihn jemand beobachtet. Ein Schauer durchläuft seinen Körper, und sofort wird er nervös. Er hält inne, wagt aber nicht, sich umzudrehen. Wie in seinen Albträumen sieht er nur ein Gesicht vor seinem inneren Auge.

Alice.

Er steht reglos da. Hört den Wind durch die dünnen Bretter pfeifen, einen Vogel in der Ferne rufen.

»Habe ich dich erschreckt?«

Sofi steht in der Tür und lächelt.

»Nein, nein. Gut, dass du kommen konntest«, antwortet er und wird sofort wieder ruhiger.

»Wie ist das Interview gelaufen?«

Er spürt die elektrische Spannung zwischen ihnen, sieht, wie sie auf seinen nackten Oberkörper schaut, erinnert sich aber an die Worte der Reporterin. Sie müssen miteinander reden. Er schaut zur Tür hinaus und senkt die Stimme.

»Carl ist tot.«

Sofi sieht ihn fragend an.

»Was meinst du damit? Er und Theodor haben den Unfall doch überlebt, oder?«

»Anscheinend nicht. Die Journalistin, die gerade hier war, hat gesagt, dass Carl tot ist, und sie wirkte gut informiert. Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl dabei, dass wir jetzt an die Öffentlichkeit gehen …«

Sofi schließt die Tür und setzt sich auf einen alten Hocker, den sie als Tritt benutzen, wenn sie etwas von den oberen Regalbrettern brauchen. Alex sieht, dass sie nachdenkt, und fährt fort, obwohl er an seiner eigenen Stimme hört, dass er seine Angst nicht gut verbergen kann.

»Er hatte die Aufnahme. Jetzt haben nur wir sie, ohne ihn haben wir keinen Schutz.«

»Alex, ich bin sicher, dass alles in Ordnung ist. Wir haben ja nach dem Absturz geahnt, dass das passieren könnte. Aber dann wäre Alice schon längst hier aufgetaucht.«

Sie steht auf, geht auf ihn zu und nimmt seine beiden Hände. Schaut ihm in die Augen.

»Wir müssen unser Leben leben. Wir können uns nicht ewig verstecken.«

Alex nickt zögernd. Im letzten Jahr haben sie sich ständig versteckt.

Sofi umarmt ihn fest, flüstert ihm ins Ohr. »Wenn sie uns hätte finden wollen, hätte sie es geschafft, ganz egal wo wir waren. Sie hat die Mittel. Warum sollte sie sich jetzt noch um uns kümmern? Ich glaube, sie sieht uns nicht mehr als Bedrohung.«

Alex will nicht über die Vergangenheit nachgrübeln und alles aufwärmen, was im letzten Frühjahr passiert ist. Er möchte sich lieber auf das konzentrieren, was in diesem Sommer vor ihnen liegt. Er hat sich alle Mühe gegeben, nicht mehr an die Familie Duwal zu denken, und er will nicht wieder damit anfangen.

»Außerdem ist es nur ein Artikel in einer Lokalzeitung. Sicher, er wird wahrscheinlich ins Internet gestellt, aber hinter einer Bezahlschranke. Es ist ja nicht so, als würde sie ihn sowieso sehen.«

Sofi lächelt und küsst ihn leicht auf die Wange, bevor sie mit der Aufzählung der Argumente fortfährt.

»Und du hast nur Gutes über das Nord gesagt, nehme ich an? Wenn Alice den Artikel entgegen allen Vermutungen doch sieht, wird er ihr doch nichts verhageln, oder?«

Alex seufzt tief und fährt sich mit den Händen durchs Haar. Irgendetwas an Sofis logischer Argumentation will nicht in seinen Kopf. Aber schließlich nickt er.

»Tja, wir hatten eh keine Wahl. Ich bin sicher, es ist in Ordnung. Lassen wir es gut sein.«

»Kann ich denn gar nichts tun, du siehst so angespannt aus?«

Das Funkeln in Sofis Augen lenkt ihn von Alice und Carl ab, zumindest für den Moment. Er zwingt sich zu einem Lächeln.

»Kannst du nicht helfen?«

Sie lächelt zurück.

»Ich bin nicht für harte Arbeit angezogen.«

Das helle Sommerkleid sitzt eng um die Brüste. Alex hebt ein paar Öldosen von einer Werkbank. Er sieht, dass sie weiß, was er denkt. Er zieht sie an sich und küsst sie auf den Hals.

Sofi lacht leise und lehnt sich zurück, während sie ihn an der Taille festhält. Ihre Stimme ist leise, fast heiser, als sie flüstert: »Aber Alex, solltest du nicht arbeiten? Es gibt viel zu tun, wir haben morgen wieder Gäste hier.«

»Ich kann nicht anders«, flüstert er zurück.

In den Momenten, in denen er mit Sofi zusammen ist, kann er völlig abschalten, das ist das Einzige, was die Kopfschmerzen, die regelmäßig kommen, wirklich vertreibt. Er öffnet die kleinen Knöpfe ihres Kleides. Ihre Brüste liegen frei, die Brustwarzen sind hart. Sofi zieht die Tür zum Lagerraum noch fester zu, sodass nur ein schmaler Lichtstreifen hereinfällt. Sie führt ihre warmen Hände an seine Oberschenkel. Alex’ Atmung beschleunigt sich, als sie seine Hose aufknöpft und langsam nach unten zieht, während sie seinen nackten Oberkörper küsst. Sein Glied wird hart, er schiebt ihr Kleid hoch und zerrt den Slip herunter. Hebt sie hoch, dringt in sie ein. Spürt, wie feucht sie ist, hält sie am Po. Sie küsst ihn gierig, streicht ihm immer fester über den Rücken, den Nacken und durch die Haare. Alex hebt ihren Po rhythmisch auf und ab, und während er an ihren Brustwarzen knabbert, spürt er Sofis Fingernägel, die sich in seinen nackten Rücken bohren. Sofis Wangen erröten. Sie ist so schön, und noch nie hat er sich mit ihr so verbunden gefühlt wie in diesem Augenblick. Vielleicht kann er es wagen zu hoffen, dass es doch noch ein guter Sommer wird.

4

Alex rollt in den gepflasterten Innenhof, der von roten Scheunen umgeben ist. Er springt von seinem Fahrrad und lehnt es an den baufälligen Zaun. Fast augenblicklich wird er hibbelig. Das Haus, das er und Sofi von Bauer Björn gemietet haben, ist nicht besonders groß und von alten Obstbäumen umgeben. Vor allem aber ist es vom Syd mit dem Fahrrad zu erreichen. Seit sie es im letzten Herbst zum ersten Mal gesehen haben, fühlt es sich perfekt an, und er genießt das Leben in dem kleinen Haus. Als sie nach Öland kamen, schliefen sie zunächst in einer Hütte hinter dem Restaurant, was im Sommer funktionierte, aber nicht mehr, als die Herbststürme kamen. Dann erfuhr Cina von Björn, dass die alten Mieter gerade ausgezogen waren, was sich als Geschenk des Himmels entpuppte. Außerdem wohnen sie hier möbliert und extrem günstig, was ihnen sehr entgegenkommt, da sie sowieso fast die ganze wache Zeit im Syd verbringen.

Als Alex den Schlüssel in die Tür stecken will, sieht er, dass sie nur angelehnt ist. Er gibt ihr einen leichten Schubs, und sie gleitet lautlos auf. Sein erster Gedanke ist, dass Sofi vielleicht noch einmal nach Hause gegangen ist, um etwas zu holen. Sie muss es so eilig gehabt haben, dass sie vergessen hat, die Tür abzuschließen, und nicht mal gemerkt hat, dass sie nicht richtig zu war.

»Hallo? Sofi, bist du zu Hause?«

Björn lachte zuerst, als sie nach dem Hausschlüssel fragten, aber als er merkte, dass sie es ernst meinten, holte er einen alten Bund mit zwei Schlüsseln. Offenbar ist es hier nicht üblich, die Haustür abzuschließen. Selbst wenn sie weit weg ins Ausland reisen, sperren viele ihr Haus nicht ab. Björn selbst wohnt mit seinem erwachsenen Sohn auf dem Nachbarhof. Es ist derselbe Hof, auf dem Björn aufgewachsen ist und den er neben seiner Arbeit als Teilzeit-Feuerwehrmann bewirtschaftet. Alex vermutet, dass sie nicht abschließen.

Er ruft noch einmal nach Sofi. Keine Antwort.