Das zweite Vaterland - Jules Verne. - E-Book

Das zweite Vaterland E-Book

Jules Verne.

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Beschreibung

Dies ist die illustrierte Version dieses Klassikers. Ein Abenteuerroman von Jules Verne, der da anfängt, wo "Die Schweizer Familie Robinson" aufhört.

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Das zweite Vaterland

Jules Verne

Inhalt:

Jules Verne – Biografie und Bibliografie

Das zweite Vaterland

Erster Theil.

Erstes Capitel. Die Wiederkehr der schönen Jahreszeit. – Fritz und Jack. – Die Abfahrt des Kajak. – Besuch der Haifischinsel. – Feuer aus zwei Geschützen. – Drei Kanonenschüsse auf dem Meere.

Zweites Capitel. Die Rückkehr des Kajak. – Was man über den Zwischenfall dachte. – Entschlüsse. – Drei Tage lang Sturm. – Umschiffung des Caps im Osten. – Das vor Anker liegende Schiff.

Drittes Capitel. Die britische Corvette »Licorne«. – Die vernommenen Kanonenschüsse. – Ankunft der Pinasse. – Die Familie Zermatt. – Die Familie Wolston. – Trennungspläne. – Verschiedene Tauschgeschäfte. – Der Abschied. – Abfahrt der Corvette.

Viertes Capitel. Die Vergangenheit der Neuen Schweiz. – Ein Rückblick auf zehn Jahre. – Die erste Ansiedlung der Familie Zermatt. – Die wichtigsten Vorkommnisse nach dem Tagebuche des älteren Zermatt. – Das Ende des zehnten Jahres.

Fünftes Capitel. Rückkehr nach Felsenheim. – Fahrt der »Elisabeth« nach der Perlenbucht. – Eine Rettung. – Ein menschliches Wesen. – Jenny Montrose. – Schiffbruch des »Dorcas«. – Zwei Jahre auf dem Rauchenden Felsen. – Was Fritz berichtete.

Sechstes Capitel. Nach der Abfahrt. – Was von der Neuen Schweiz bekannt war. – Die Familie Wolston. – Neue Pläne. – Herstellung eines Canals zwischen dem Schakalbache und dem Schwanensee. – Ende des Jahres 1816.

Siebentes Capitel. Der Neujahrstag. – Spaziergang nach Falkenhorst. – Vorschlag zur Erbauung einer Kapelle. – Reisepläne. – Verhandlung. – Die Pinasse segelfertig. – Abfahrt am 15. März.

Achtes Capitel. Auf der Fahrt. – Die Klippe des »Landlord«. – Die »Licorne«-Bai. – Die »Elisabeth« vor Anker. – Auf der Uferhöhe. – Eine öde Gegend. – Das Land im Süden. – Weitere Pläne.

Neuntes Capitel. Der Anblick der Küste. – Die Fettgänse. – Ein neuer Wasserlauf. – Unbekannte Gebiete. – Die Bergkette im Süden. – Plan für den nächsten Tag. – Der Montrosefluß.

Zehntes Capitel. Bootfahrt auf dem Montrose. – Unfruchtbare Gegend. – Die Kiesel der Schlucht. – Die Barre. – Rückfahrt nach dem Ankerplatze der »Elisabeth«. – Flußabwärts. – Eine Dampfwolke im Südosten. – Heimkehr nach Felsenheim.

Elftes Capitel. Vor der Regenzeit. – Besuch der Meiereien und der Eilande. – Die ersten Stürme. – Die Abende in Felsenheim. – Die Kapelle. – Ernsts Entdeckung und wie diese aufgenommen wird. – Fortdauer des schlechten Wetters. – Zwei Kanonenschüsse. – Auf der Haifischinsel.

Zwölftes Capitel. In Falkenhorst. – In Waldegg. – In Zuckertop. – Auf dem Prospect-Hill. – Das verlassene Meer. – Vorbereitungen zum Zuge nach dem Innern. – Wer abreist und wer daheim bleibt. – Begleitung bis zum Engpaß der Cluse. – Abschied.

Dreizehntes Capitel. Ueber das Grünthal hinaus. – Das Gebiet der Ebenen. – Die Waldgegend. – Noch einmal die Affen. – Am Fuße der Bergkette. – Die Nacht in einer Grotte. – Die erste und die zweite Zone der Bergmasse. – Am Fuße des Gipfels.

Vierzehntes Capitel. Die Ankunft auf dem Gipfel des Kegels. – Umschau nach allen Seiten. – Was im Norden, Osten und Westen zu sehen war. – Das Land im Süden. – Ein Schiff am Horizonte. – Die britische Flagge.

Fünfzehntes Capitel. In Felsenheim. – Beunruhigende Verzögerung. – Nach der Einsiedelei Eberfurt. – Herr Wolston und Ernst. – Was geschehen war. – Bei der Verfolgung der Elephanten. – Ein Vorschlag Wolston's. – Widrige Winde. – Jack!

Sechzehntes Capitel. Jacks Bericht. – Im Walde verirrt. – Die Wilden auf der Insel. – Zunehmende Beunruhigung. – Das Ausbleiben der »Licorne«. – Drei Wochen des Wartens. – Bei der kleinen Kapelle von Felsenheim.

Zweiter Theil.

Siebenzehntes Capitel. Eine Schaluppe in Windstille. – Seit acht Tagen ausgesetzt. – Was der Kapitän Gould und der Obersteuermann John Block sich sagen. – Eine lichte Stelle in den Dunstmassen im Süden. – Land!... Land!

Achtzehntes Capitel. Die Abfahrt der »Licorne«. – Das Cap der Guten Hoffnung. – James Wolston und seine Familie. – Abschied von Doll. – Portsmouth und London. – Aufenthalt in England. – Die Vermählung Fritz Zermatt's und Jenny Montrose's. – Rückkehr nach Capetown.

Neunzehntes Capitel. Die zweite Fahrt der »Licorne«. – Aufenthalt am Cap. – Neue Passagiere und Officiere. – Der zweite Officier Borupt. – Widrige Seefahrt. – Meuterei an Bord. – Acht Tage im Frachtraume. – Mitten im Meere verlassen.

Zwanzigstes Capitel. Ein Ausruf Franzens. – Welche Küste mag das sein? – Die Insassen der Schaluppe. – Das Land im Nebel verschwunden. – Drohende Witterung. – Das Land wieder sichtbar. – Windstöße aus Süden. – An der Küste.

Einundzwanzigstes Capitel. Auf dem Lande. – Ein Gespräch zwischen Fritz und dem Obersteuermann. – Ruhige Nacht. – Das Aussehen der Küste. – Entmuthigender Eindruck. – Ein Ausflug. – Die Höhlen. – Der Bach. – Das Vorgebirge. – Häusliche Einrichtung.

Zweiundzwanzigstes Capitel. Der Einzug. – Die erste Nacht auf dieser Küste. – Fritz und Jenny. – Besserung im Zustande des Kapitäns Gould. – Verhandlungen. – Die Ersteigerung des Steilufers unmöglich. – Die Nacht vom 26. zum 27. October.

Dreiundzwanzigstes Capitel. Verschlimmerie Lage. – Fritz und Jenny geben die Hoffnung nicht auf. – Ergiebigter Fischfang. – Ein Versuch, die Ostküste kennen zu lernen. – Der Albatros vom Rauchenden Felsen. – Trauriges Jahresende.

Vierundzwanzigstes Capitel. Ein Gespräch über den Albatros. – Gutes Einvernehmen zwischen dem kleinen Bob und dem Vogel. – Anfertigung von Kerzen. – Ein neuer Gegenstand des Schmerzes. – Vergebliche Untersuchungen und Verzweiflung. – Ein Schrei des Albatrosses.

Fünfundzwanzigstes Capitel. Die zweite Grotte. – Getäuschte Hoffnung. – Fritzens Kerze. – Durch die Felswand. – Mehrmalige Rast. – Das obere Plateau. – Nichts im Süden, im Osten und im Westen. – Im Augenblick des Abstieges.

Sechsundzwanzigstes Capitel. Keiner will von der Stelle weichen. – Die Nacht auf dem Plateau. – Auf dem Wege nach Norden. – Die Fahnenstange. – Die britischen Farben. – Der Nebelschleier. – Ein Ausruf Fritzens.

Siebenundzwanzigstes Capitel. Eine Grotte am Fuße des Bergrückens. – Rückblick auf die Vergangenheit. – Durch den Wald. – Fang einer Antilope. – Der Montrose-Fluß. – Das Grünthal. – Der Hohlweg der Cluse. – Eine Nacht in der Einsiedelei Eberfurt.

Achtundzwanzigstes Capitel. Abmarsch nach Falkenhorst. – Der Canal. – Beunruhigung. – Der verwüstete Hof. – Die Wohnung in der Luft. – Auf dem Gipfel des Baumes. – Verzweiflung. – Eine Rauchsäule über Felsenheim. – Achtung!

Neunundzwanzigstes Capitel. Verschiedene Vermuthungen. – Was war zu beginnen? – Ein Kanonenschuß. – Die Haifischinsel. – Eine Recognoscirung bis zum Strande. – Ein verlassenes Canot. – Einschiffung. – »Schießt nicht!«

Dreißigstes Capitel. Endlich vereint! – Ein gedrängter Bericht über alle Ereignisse seit der Abfahrt der »Licorne«. – Die Familien in ihrem Kummer. – Keine Hoffnung mehr. – Das Auftauchen der Piroguen.

Einunddreißigstes Capitel. Der neue Morgen. – Einrichtung in dem in der Mitte gelegenen Vorrathshause. – Die vier nächsten Tage. – Das Erscheinen der Piroguen. – Getäuschte Hoffnung. – Nächtlicher Ueberfall. – Die letzten Patronen. – Ein Kanonenschuß vom Meere her.

Zweiunddreißigstes Capitel. Die »Licorne«. – Besitzergreifung im Namen Englands. – Keine Nachrichten von der »Flag«. – Heimkehr nach Felsenheim. – Eine Trauung in der Kapelle. – Mehrere Jahre. – Das Aufblühen der Neuen Schweiz.

Das zweite Vaterland, Jules Verne

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849613624

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Cover Design: © Can Stock Photo Inc. / Angelique

Jules Verne – Biografie und Bibliografie

Franz. Schriftsteller, geb. 8. Febr. 1828 in Nantes, gest. 24. März 1905 in Amiens, studierte in Paris die Rechte, muß sich aber schon früh auch den Naturwissenschaften zugewandt haben, denn gleich sein erster Roman, der die Reihe jener originellen, eine völlig neue Gattung begründenden Produkte Vernes eröffnete: »Cinq semainesen ballon« (1863), zeugt von jenem Studium. Der Erfolg, dessen sich diese Schöpfung erfreute, bestimmte ihn, die dramatische Laufbahn, mit der er sich bereits durch mehrere »Comédies« und Operntexte vertraut gemacht hatte, zu verlassen und sich ausschließlich dem phantastisch-naturwissenschaftlichen Roman zu widmen. V. führt seine Leser auf den abenteuerlichsten, stets aber physikalisch motivierten Fahrten nach dem Monde, um den Mond, nach dem Mittelpunkte der Erde, »20,000 Meilen« unter das Meer, auf das Eis des Nordens, auf den Schnee des Montblanc, durch die Sonnenwelt etc., und man kann nicht leugnen, daß er es verstand, die ernste Lehre, wenigstens die große Fülle seiner realen Kenntnisse, mit dem Faden der poetischen Fiktion geschickt zu verweben und dem unkundigen Leser eine gewisse Anschauung von naturwissenschaftlichen Dingen und Fragen spielend beizubringen. Wir nennen hier seine »Aventures du capitaine Hatteras« (1867), »Les enfants du capitaine Grant«, »La découverte de la terre« (1870), »Voyage autour du monde en 80 jours« (1872), »Le docteur Ox« (1874), »Un hivernage dans le glâces«, »Michel Strogoff (Moscou, Ireoutsk)«, »Un capitaine de 15 aus«, »Les Indes noires« (1875), »La maison à vapeur«, »Mathias Sandorf« (1887), »Claudius Bombarnai«, »Le Château des Carpathes« (1892), alle bereits in vielen Ausgaben erschienen und von der Lesewelt verschlungen, auch meist ins Deutsche übersetzt und in Form von Ausstattungsstücken mit nicht geringem Erfolg auf die Bühne gebracht (vgl. »Les voyages an théâtre« von V. und A.Dennery). Die »Œuvres complètes« Vernes erschienen 1878 in 34 Bänden (illustrierte Ausg. 15 Bde.).

Romane:

    Fünf Wochen im Ballon. 1875

    Reise zum Mittelpunkt der Erde. 1873

    Von der Erde zum Mond. 1873

    Abenteuer des Kapitän Hatteras. 1875

    Die Kinder des Kapitän Grant. 1875

    Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer. 1874

    Reise um den Mond. 1873

    Eine schwimmende Stadt. 1875

    Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika. 1875

    Das Land der Pelze. 1875

    Reise um die Erde in 80 Tagen. 1873

    Die geheimnisvolle Insel. 1875 und 1876

    Der Chancellor. 1875

    Der Kurier des Zaren. 1876

    Reise durch die Sonnenwelt. 1878

    Die Stadt unter der Erde. 1878

    Ein Kapitän von 15 Jahren. 1879

    Die 500 Millionen der Begum. 1880

    Die Leiden eines Chinesen in China. 1880

    Das Dampfhaus. 1881

    Die „Jangada“. 1882

    Die Schule der Robinsons. 1885

    Der grüne Strahl. 1885

    Keraban der Starrkopf. 1885

    Der Südstern oder Das Land der Diamanten. 1886

    Der Archipel in Flammen. 1886

    Mathias Sandorf. 1887

    Ein Lotterie-Los. 1887

    Robur der Sieger. 1887

    Nord gegen Süd. 1888

    Zwei Jahre Ferien. 1889

    Die Familie ohne Namen. 1891

    Kein Durcheinander. 1891

    Cäsar Cascabel. 1891

    Mistress Branican. 1891

    Das Karpatenschloss. 1893

    Claudius Bombarnac. 1893

    Der Findling. 1894

    Meister Antifers wunderbare Abenteuer. 1894

    Die Propellerinsel. 1895

    Vor der Flagge des Vaterlandes. 1896

    Clovis Dardentor. 1896

    Die Eissphinx. 1897

    Der stolze Orinoco. 1898

    Das Testament eines Exzentrischen. 1899

    Das zweite Vaterland. 1901

    Das Dorf in den Lüften.1901

    Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin.1901

    Die Gebrüder Kip 1903

    Reisestipendien. 1903

    Ein Drama in Livland. 1904

    Der Herr der Welt. 1904

    Der Einbruch des Meeres. 1905

Das zweite Vaterland

Erster Theil.

Erstes Capitel. Die Wiederkehr der schönen Jahreszeit. – Fritz und Jack. – Die Abfahrt des Kajak. – Besuch der Haifischinsel. – Feuer aus zwei Geschützen. – Drei Kanonenschüsse auf dem Meere.

Die schönere Jahreszeit begann wieder in der zweiten Woche des Octobers, des ersten Frühlingsmonats der südlichen Erdhälfte. Der Winter unter dem neunzehnten Breitengrade zwischen Aequator und Wendekreis des Steinbockes war nicht sehr rauh gewesen. Die Bewohner der »Neuen Schweiz« konnten ihre gewöhnlichen Arbeiten wieder aufnehmen.

Nach elf auf diesem Lande verlebten Jahren erschien es nicht zu frühzeitig, sich Gewißheit zu verschaffen, ob dieses zu einem der Festländer gehörte, die den Indischen Ocean begrenzen, oder ob es die Geographen einer Inselgruppe dieses Meerestheiles zurechneten.

Seit die junge Engländerin von Fritz an dem Rauchenden Felsen gerettet worden war, hatten sich Herr Zermatt, seine Gattin, seine vier Söhne und Jenny Montrose eines ungetrübten Glückes erfreut. Gewisse Befürchtungen wegen der Zukunft und die so unwahrscheinliche Aussicht, daß ihnen Rettung von außen kommen könne, die Erinnerung an die Heimat, das Verlangen, mit der übrigen Menschheit zu verkehren, machten sich wohl zuweilen fühlbar, doch das ist ja in Naturgesetzen begründet, denen sich keiner zu entziehen vermag.

Heute am frühen Morgen trat Zermatt durch die Umfriedigung von Felsenheim hinaus und ging am Ufer des Schakalbaches hin Fritz und Jack waren, mit ihren Fischereigeräthen ausgerüstet, schon vor ihm ausgegangen. Franz holte sie bald ein. Nur Ernst, der etwas träger und langschläfriger Natur war und immer gerne etwas länger unter den Decken träumte, hatte das Bett noch nicht verlassen.

Inzwischen waren Frau Zermatt und Jenny schon an die gewohnten häuslichen Beschäftigungen gegangen.

»Sieh, Vater, begann Jack, das scheint ein schöner Tag zu werden!

– Ich glaub' es auch, mein Kind, antwortete Zermatt. Ich hoffe auch, ihm werden noch andere folgen, die nicht weniger schön sind, da wir doch Frühlingsanfang haben.

– Und was wollt Ihr heute beginnen? fragte Franz.

– Wir wollen fischen gehen, erklärte Fritz, auf Netz und Schnüre zeigend.

– In der Bai? fragte Zermatt.

– Nein, erwiderte Fritz; wenn wir am Schakalbache bis zur Barre hinausgehen, werden wir dort mehr Fische fangen, als wir zum Frühstücke brauchen.

– Und nachher?... fragte Jack weiter.

– Nachher, liebes Kind, fiel der ältere Zermatt ein, wird es uns auch nicht an Arbeit fehlen. Heute Nachmittag denk' ich noch nach Falkenhorst zu gehen, um nachzusehen, ob unsere Sommerwohnung nicht da und dort der Ausbesserung bedarf. Außerdem werden wir die ersten schönen Tage benützen, unsere anderen Meiereianlagen, Waldegg, Zuckertop, die Einsiedelei Eberfurt und die Villa auf dem Prospect-Hill zu besichtigen. Dann haben wir auch für die Thiere zu sorgen, die Anpflanzungen zu pflegen...

– Ganz recht, Vater, ließ sich Fritz vernehmen. Da wir aber heute Morgen noch über eine oder zwei Stunden verfügen können... so kommt nur mit, Jack und Franz, kommt mit!

– Wir sind bereit, rief Fritz, ich fühle schon eine prächtige Forelle an meiner Angel zappeln... Hope-la! Hope-la!«

Jack machte eine Bewegung, als ob er den mit seinem Angelhaken gefangenen imaginären Fisch schon tödtete, und darauf rief er mit heller, lustiger Stimme:

»Also vorwärts!«

Franz wäre vielleicht lieber in Felsenheim zurückgeblieben, wo er die Morgenstunden meist seinen Studien zu widmen pflegte. Sein Vater drängte ihn aber mitzugehen, und so schloß er sich den Brüdern an.

Die drei jungen Leute wendeten sich schon nach dem rechten Ufer des Schakalbaches, als der ältere Zermatt sie noch einmal zum Anhalten veranlaßte.

»Euer Verlangen, fischen zu gehen, meine Kinder, sagte er, hat Euch wohl ganz vergessen lassen...

– Was denn? fragte Jack.

– Was wir an den ersten Tagen der schönen Jahreszeit immer zu thun gewöhnt waren.«

Fritz kehrte noch einmal zum Vater zurück, rieb sich die Stirne und sagte:

»Was könnte das denn sein?

– Wie, Du entsinnst Dich dessen nicht, Fritz?... Und Du auch nicht, Jack? erwiderte Zermatt.

– Meinst Du vielleicht, daß wir es unterlassen hätten, Dich zu Ehren des Frühlings mit einer Umarmung zu begrüßen? fragte Jack.

– Ach nein, das nicht! ließ sich da Ernst vernehmen, der eben sich die Augen reibend und die Glieder dehnend, aus der Umfriedigung hervorgetreten war.

– Dann also wohl, weil wir ohne gefrühstückt zu haben aufgebrochen sind, Du Leckermäulchen Ernst? erwiderte Jack, der damit auf die kleine Schwäche seines Bruders anspielte, welcher immer zuerst ans Essen dachte und ein Liebhaber von guten Bissen war.

– Nein, erklärte Ernst, darum handelt es sich nicht.

Der Vater will Euch nur daran erinnern, daß es bei uns Regel ist, zu dieser Zeit des Jahres jedesmal die beiden Geschütze der Haifischbatterie abzufeuern.

– Ganz recht«, bestätigte der ältere Zermatt.

Das war wirklich hier stets die Regel gewesen. An einem Tage der zweiten Octoberwoche, nach Beendigung der Regenzeit, hatten Fritz und Jack die Gewohnheit, sich nach dem Halm am Eingange der Rettungsbucht zu begeben, die Flagge der Neuen Schweiz zu entfalten und sie mit zwei Kanonenschüssen, die man in Felsenheim deutlich hörte, zu begrüßen.

Dann ließen die beiden, eigentlich ohne jede Hoffnung, mehr maschinenmäßig, die Blicke über die weite Meeresfläche schweifen.

Vielleicht wurden die Schüsse auf einem Fahrzeuge, das diese Gegend kreuzte, doch einmal vernommen. Vielleicht wendete dieses daraufhin und kam in Sicht der Bai. Vielleicht konnten auch Schiffbrüchige irgendwo hier ans Ufer geworfen worden sein, die das Land für unbewohnt hielten, und diese würden dann durch den Geschützdonner eines Besseren belehrt worden sein.

»Ja, ja, Du hast recht, sagte Fritz, wir hätten bald unsere Pflicht versäumt. Komm, Jack, wir wollen den Kajak klar machen; binnen einer Stunde können wir schon zurück sein.«

Da nahm Ernst noch einmal das Wort:

»Wozu nützt aber dieser Höllenlärm?... Jahr für Jahr haben wir unsere Geschütze hinausdonnern lassen, eigentlich nur, um das Echo von Falkenhorst und Felsenheim damit zu wecken. Warum aber sollen wir das Pulver in dieser Weise verschwenden?

– Daran erkenn' ich unseren Ernst, rief Jack. Wenn ein Kanonenschuß so und so viel kostet, hat er auch ebensoviel einzubringen, oder das Rohr hat zu schweigen!

– Du hast unrecht, in dieser Weise zu sprechen, sagte Zermatt zu seinem zweiten Sohne, ich finde diese Ausgabe gar nicht nutzlos. Eine Flagge auf der Haifischinsel zu hissen, das genügt nicht, denn sie kann auch vom Meere her nicht weit sichtbar sein, während unsere Kanonenschüsse sich noch in einer Entfernung von einer Meile vernehmbar machen. Es wäre unvernünftig, diese Möglichkeit, einem vorüberkommenden Schiffe unser Hiersein zu melden, ohne Noth unbenützt zu lassen.

– Dann wäre es aber geboten, wendete Ernst ein, wenigstens jeden Morgen und jeden Abend einen Signalschuß abzugeben...

– Gewiß, wie das bei allen Kriegsflotten Gebrauch ist, bestätigte Jack.

– Ja, bei den Kriegsflotten kommt man nur nicht in die Gefahr, sich seiner Munition zu berauben, bemerkte Ernst, der sich nicht so leicht überzeugen ließ und bei weitem der starrsinnigste der vier Brüder war.

– Sei nur darüber ruhig, mein Sohn, an Pulver wird es uns so bald nicht fehlen, versicherte Zermatt. Zweimal im Jahre, vor und nach dem Winter, je zwei Kanonenschüsse, das ist ein unbedeutender Aufwand. Ich meine, daß wir auf diese Gewohnheit nicht verzichten dürfen.

– Der Vater hat ganz recht, stimmte Jack ein. Sind die Echos von Felsenheim und Falkenhorst darüber unzufrieden, in ihrem Schlummer gestört zu werden, ei, so wird Ernst ihnen ein paar hübsche Verse widmen, über die sie entzückt sind. Nun vorwärts, Fritz!

– Vorher sollten wir doch wohl der Mutter eine Mittheilung machen...

– Und auch unserer lieben Jenny, setzte Fritz hinzu.

– Das werd' ich schon besorgen, erklärte Zermatt. Sie könnten sich über die Kanonenschüsse wundern und vielleicht gar zu dem Glauben kommen, daß ein Schiff in die Rettungsbai einlaufe.«

In diesem Augenblick erschienen aber bereits Frau Zermatt und Jenny Montrose, die zufällig aus dem Hause getreten waren, am Thore der Einfriedigung.

Nachdem Fritz zuerst seine Mutter umarmt hatte, streckte er dem jungen Mädchen, das ihm zulächelte, die Hand entgegen. Und da diese Jack nach dem kleinen Einschnitte gehen sah, worin die Schaluppe und die Pinasse angebunden lagen, begann sie:

»Wollt Ihr denn diesen Morgen aufs Meer hinaus?

– Jawohl, Jenny, antwortete Jack zurückkommend. Fritz und ich, wir rüsten uns zu einer weiten Ueberfahrt aus.

– Einer weiten Ueberfahrt? wiederholte Frau Zermatt, die sich wegen solcher Ausflüge immer etwas beunruhigte, trotz des Vertrauens, das sie auf die Geschicklichkeit ihrer Söhne in der Führung des Kajaks hatte.

– Beruhige Dich nur, liebe Betsie, und Sie auch, Jenny, sagte Zermatt. Jack scherzt ja blos... es handelt sich nur um eine Fahrt nach der Haifischinsel, um dort bei dem Aufziehen der Flagge zwei Kanonenschüsse zu lösen. Unsere jungen Leute kehren dann sofort zurück, nachdem sie sich überzeugt haben, daß dort alles in Ordnung ist.

– Schön, antwortete Jenny, und während sich Fritz und Jack nach dem Eilande begeben, werden Ernst, Franz und ich unsere Angelschnüre auslegen, vorausgesetzt, daß Frau Betsie meiner nicht bedarf.

– Nein, mein liebes Töchterchen, antwortete Frau Zermatt; ich werde inzwischen alles für unsere nächste große Wäsche zurechtmachen.«

Alle gingen darauf nach dem Landeinschnitte am Bache hinunter, wohin Jack den Kajak gezogen hatte, in dem Fritz und er nun Platz nahmen. Die anderen wünschten ihnen noch glückliche Fahrt, und bald trieb das leichte Fahrzeug rasch nach der kleinen Bucht an der Mündung zu.

Das Wetter war schön, das Meer ruhig und die herrschende Ebbe für sie günstig. Einer vor dem andern und jeder in der engen, im Bootsdeck ausgesparten Oeffnung sitzend, ruderten die beiden Brüder geschickt mit den Pagaien und entfernten sich schnell von der Wohnstätte in Felsenheim. Da die Strömung etwas nach Osten zu lief, mußte der Kajak sich mehr an der gegenüberliegenden Küste halten und durch den schmalen Sund fahren, der die Rettungsbucht mit dem offenen Meere verband.

Jener Zeit zählte Fritz fünfundzwanzig Jahre. Gewandt, kräftig, in allen Körperübungen erprobt, ein unermüdlicher Fußgänger und unerschrockener Jäger, machte der älteste der Familie dieser alle Ehre. Seine früher etwas barsche Natur hatte sich gemildert. Seine Brüder litten nicht mehr, wie vorher, von seiner an Hitze streifenden Lebhaftigkeit, die ihm von Vater und Mutter sonst manchen Vorwurf eingebracht hatte. Ferner hatte noch ein anderes Gefühl dazu geholfen, seine natürlichen Neigungen zum Besseren zu verändern.

Er konnte sich nämlich das junge Mädchen nicht aus dem Sinn schlagen, das er vom Rauchenden Felsen her ins Elternhaus gebracht hatte, und Jenny Montrose konnte es nicht vergessen, daß sie ihm Heil und Rettung verdankte. Jenny war eine liebreizende Erscheinung mit ihrem blonden, in seidenweichen Locken herabwallenden Haar, ihrer geschmeidigen Gestalt, mit ihren seinen Händen und dem frischen Teint, der ihr Gesicht schmückte. Als sie in die ehrenwerthe und arbeitsame Familie gekommen war, hatte sie dieser mitgebracht, woran es bisher fehlte: die Freude des Hauses, und so wurde sie zum guten Genius des häuslichen Herdes.

Doch wenn Ernst, Jack und Franz sie nur als Schwester betrachteten, lag das bei Fritz etwas anders. Es war ein anderes Gefühl, das sein Herz oft höher schlagen ließ. Auch Jenny empfand wohl etwas mehr als Freundschaft für den muthigen, jungen Mann, der ihr einst zu Hilfe gekommen war. Schon waren fast zwei Jahre seit dem aufregenden Vorfalle beim Rauchenden Felsen verflossen... Fritz hatte nicht in Jennys Nähe leben können, ohne sich von ihr bezaubern zu lassen. Und wie oft mochten wohl sein Vater und seine Mutter davon gesprochen haben, wie sich die Zukunft in dieser Beziehung noch gestalten möge!

Was Jack betrifft, hatte sich auch dessen Charakter ein wenig verändert, und zwar insofern, als seine an sich schon große Vorliebe für alles, was Kraft, Muth und Gewandtheit verlangte, noch weiter zunahm, und in dieser Hinsicht brauchte er seinen Bruder Fritz jetzt nicht mehr zu beneiden. Zur Zeit einundzwanzig Jahre alt, von mittlerer Größe, schlank und kräftig, war er immer der prächtige, lustige und gefällige Bursche, und auch so gut, dienstwillig und opferfreudig, daß er seinen Eltern niemals eine trübe Stunde bereitet hatte. Zuweilen trieb er wohl seinen Scherz mit Fritz, Ernst und Franz, doch diese verziehen ihm das gerne, war er doch der beste Kamerad, den sie sich wünschen konnten.

Gleich einem Pfeile schoß inzwischen der Kajak über das glatte Wasser dahin. Das kleine Segel, das dieser bei günstigem Winde trug, hatte Fritz nicht gesetzt, weil es jetzt vom hohen Meere her wehte. Für die Rückfahrt sollte der Mast aber aufgerichtet werden, und dann bedurfte es der Pagaien nicht mehr, um die Mündung des Schakalbaches zu erreichen.

Nichts erregte bei der dreiviertel Lieue langen Ueberfahrt die besondere Aufmerksamkeit des Brüderpaares. Nach Osten zu wies das unfruchtbare, verödete Ufer nichts auf, als eine Reihe gelblicher Dünen. Auf der anderen Seite dehnte sich das grünende Uferland aus, das hier von der Mündung des Schakalbaches bis zu der des Flamingoflusses hin sichtbar war und sich jenseits dieses noch bis zum Cap der Getäuschten Hoffnung hin fortsetzte.

»Offenbar, begann Fritz, liegt unsere Neue Schweiz nicht in der Fahrstraße der Schiffe, und dieser Theil des Indischen Oceans scheint überhaupt wenig besucht zu sein.

– O, erwiderte Jack, mir läge gar nichts daran, daß jemand unsere Neue Schweiz entdeckte. Ein Schiff, das hier anlegte, würde sie doch sofort in Besitz nehmen wollen. Wenn es hier seine Flagge aufpflanzte, was würde dann aus der unseren? Eine schweizerische Flagge könnte jene ja nicht sein, da die der Schweiz über keinem Meere flattert, und wir würden uns dann hier nicht mehr heimisch fühlen.

– Doch die Zukunft, Jack, bedenke die Zukunft! warf Fritz dagegen ein.

– Die Zukunft? wiederholte Jack. Ja, das wird die Fortsetzung der Gegenwart sein, und wenn Dir das nicht genügt...

– O... uns vielleicht... sagte Fritz. Du vergißt aber Jenny... ihren Vater, der in dem Glauben lebt, daß sie beim Schiffbruche des »Dorcas« umgekommen sei. Sollte sie nicht von ganzem Herzen wünschen, wieder bei ihm zu sein? Sie weiß, daß er weit da draußen in England lebt, und nie könnte sie zu ihm kommen, wenn hier nicht eines Tages ein Schiff auftaucht.

– Das ist ja richtig!« antwortete Jack lächelnd, der recht wohl errieth, was in der Seele seines Bruders jetzt vorging.

Nach einer Fahrt von vierzig Minuten legte der Kajak an den niedrigen Felsen der Haifischinsel an.

Fritzens und Jacks erste Sorge war es nun, deren Inneres zu besichtigen und dann noch um sie herumzugehen. Sie mußten sich überzeugen, in welchem Zustande sich die Anpflanzungen befanden, die seit einigen Jahren rings um den Batteriehügel angelegt worden waren.

Diese Pflanzungen waren dem Nord- und dem Nordostwinde sehr ausgesetzt, und gerade diese stürmten am heftigsten gegen das Eiland an, ehe sie sich, durch den Sund der Rettungsbucht wehend, wie in einem Trichter singen. An dieser Stelle kam es zuweilen zu ungewöhnlich starken atmosphärischen Störungen, die die Bedeckung des offenen Schuppens, worin die beiden Geschütze standen, schon wiederholt abgerissen hatten.

Dieses Jahr hatten die Anpflanzungen nicht gelitten. Nur am nördlichen Theile lagen einige Bäume am Strande, und diese konnten recht gut zerlegt werden, um die Holzvorräthe in Felsenheim zu ergänzen.

Die Verhaue und Hütten, worin die Antilopen sich befanden, waren so fest hergestellt, daß Fritz und Jack daran nicht die geringste Beschädigung wahrnehmen konnten. Die Thiere fanden hier einen überreichen Graswuchs, der ihre Ernährung das ganze Jahr hindurch sicherte. Diese Heerde zählte augenblicklich etwa fünfzig Köpfe, versprach aber, sich noch weiter zu vermehren.

»Was sollen wir nun mit allen diesen Thieren anfangen? fragte Fritz, während er die graziösen Wiederkäuer betrachtete, die an der lebenden Hecke der Umfriedigung hin und her liefen.

– O, die verkaufen wir zuletzt, antwortete Jack.

– Du nimmst also doch an, daß eines schönen Tages hier Schiffe erscheinen, an die wir sie verkaufen könnten? fragte Fritz.

– Keineswegs, versetzte Jack, wenn wir sie einmal verkaufen, so wird das auf einem Jahrmarkte der Neuen Schweiz geschehen.

– Auf einem Jahrmarkte, Jack! Deiner Rede nach, wäre die Zeit nicht mehr fern, wo die Neue Schweiz besuchte Märkte hätte?

– Natürlich, Fritz, ganz wie sie Dörfer, Flecken, Städte und sogar eine Hauptstadt – selbstverständlich Felsenheim – haben wird.

– Und wann wäre das?

– Sobald die Bezirke der Neuen Schweiz mehrere tausend Einwohner beherbergen.

– Etwa Fremde?

– O nein, Fritz, nein! versicherte Jack, Schweizer, nichts als Schweizer. Unser Heimatland ist volkreich genug, uns einige hundert Familien herzusenden.

– Es hat aber niemals Colonien gehabt, und ich bezweifle, daß das in Zukunft je der Fall sein werde.

– Nun gut, Fritz, so wird es später doch eine solche besitzen.

– Hm, machte Fritz. unsere Landsleute scheinen nicht viel Neigung zum Auswandern zu haben.

– Ja, was haben wir selbst denn gethan? rief Jack. Hat uns nicht das Verlangen getrieben, eine Colonie zu gründen, was uns auch nicht zum Schaden gereicht hat?

– O, wir... wir sind dazu gezwungen gewesen, erwiderte Fritz. Wenn sich die Neue Schweiz überhaupt einmal mehr bevölkert, fürchte ich sehr, daß sie ihren Namen nicht mehr rechtfertigen wird, und daß der größte Theil ihrer Bewohner angelsächsischen Stammes sein dürfte!«

Fritz hatte damit gewiß recht, und Jack verstand ihn so gut, daß er nichts anderes thun konnte, als das Gesicht zu verziehen.

Zur Zeit betrieb von allen europäischen Mächten Großbritannien mit größtem Eifer die Erweiterung seines Colonialreiches. Allmählich ging der ganze Indische Ocean in seinen Besitz über. Kam nun überhaupt ein Schiff vor der Neuen Schweiz in Sicht, so trug es höchst wahrscheinlich die britische Flagge und sein Capitän beeilte sich, das Land in Besitz zu nehmen, indem er sofort die Farben Großbritanniens auf der Höhe des Prospecthügels entfaltete.

Nach vollendeter Besichtigung des Eilandes stiegen die beiden Brüder die kleine Anhöhe hinauf und kamen nach dem offenen Schuppen der Batterie.

Zunächst blieben sie hier am Rande der oberen Fläche stehen und durchmusterten, das Fernrohr in der Hand, den weiten Meerestheil, der sich zwischen dem Cap der Getäuschten Hoffnung und dem andern, die Rettungsbai an der Ostseite abschließenden Cap ausdehnte.

Das Meer war verlassen wie immer. Bis zu der Linie, wo Himmel und Wasser sich berührten, konnten sie nichts entdecken, außer, etwa anderthalb Lieue im Nordwesten, dem Risse, an dem der »Landlord« einst gescheitert war.

Ihre Blicke nach dem Cap der Getäuschten Hoffnung richtend, erkannten Fritz und Jack zwischen den Bäumen des Hügels die Terrasse und Veranda der Villa des Prospect-Hill. Diese Sommerwohnung stand noch immer auf dem alten Flecke, gewiß zur großen Befriedigung für den Vater Zermatt, der sich immer noch mit der Befürchtung trug, daß sie von den Winterstürmen einmal ganz hinweggefegt werden könnte.

Die beiden Brüder traten unter den Schuppen, der ebenfalls unbeschädigt geblieben war, obgleich in den zweieinhalb Monaten des Winters recht oft heftige Winde und verderbliche Böen geweht hatten.

Während Jack nun die Flagge von ihrer Umhüllung befreite und ihre obere und untere Ecke an der Zugleine des Mastes befestigte, untersuchte Fritz die zwei kleinen Kanonen, deren Mündung nach dem Meere hinaus gerichtet war. Sie erwiesen sich bestens instand und brauchten also nur geladen zu werden. Um Pulver zu sparen, stopfte Fritz, wie er es immer gethan hatte, einen Lehm- und Graspfropf über dieses, wodurch der Knall des Schusses wesentlich verstärkt wurde. Dann steckte er in das Zündloch die Schnur, die die Explosion bewirken sollte, sobald die Flagge an der Mastspitze flatterte.

Es war jetzt halb acht Uhr morgens. Von den Dünsten des ersten Tagesgrauens befreit, strahlte der Himmel in voller Klarheit. Nur weit im Westen lagerten einzelne Wolken. Der Wind zeigte Neigung zum Abflauen. Die im Widerschein der Sonne glänzende Bai lag spiegelglatt vor ihnen ausgebreitet.

Als Fritz mit der Ladung fertig war, fragte er seinen Bruder, ob er bereit sei.

»Sobald Du willst, Fritz, antwortete Jack, der nur noch nachsah, daß sich die Zugleine nicht an einem Dachvorsprünge fangen könnte.

– Erstes Geschütz... Feuer!... Zweites Geschütz... Feuer!« rief Fritz, der seine Rolle als Artillerist immer sehr ernst nahm.

Kurz nacheinander krachten die beiden Schüsse hinaus, während die roth und weiße Flagge emporstieg und sich in dem schwachen Winde entfaltete.

Fritz machte sich schon daran, die beiden Rohre wieder zu laden, doch kaum hatte er die Kartusche ein Stück weit in das zweite Geschütz hineingeschoben, als er sich plötzlich aufrichtete.

Ein entfernter Knall hatte sein Ohr getroffen.

Sofort bogen sich Jack und er über den Schuppen hinaus.

»Ein Kanonenschuß! rief Jack.

– Nein, meinte Fritz, das ist nicht möglich! Wir müssen uns getäuscht haben!

– Horch!« fuhr Jack fort, der kaum zu athmen wagte.

Da erschütterte die Luft ein zweiter dumpfer Knall, dem nach etwa einer Minute ein dritter folgte.

»Ja... ja... das waren Kanonenschüsse! wiederholte Jack.

– Die von Osten her kamen,« setzte Fritz hinzu.

Hatte wirklich ein Schiff, das in der Nähe der Neuen Schweiz dahinsegelte, auf die zwei Signalschüsse von der Haifischinsel geantwortet und würde es nun wohl seinen Curs nach der Rettungsbai einschlagen?...

Zweites Capitel. Die Rückkehr des Kajak. – Was man über den Zwischenfall dachte. – Entschlüsse. – Drei Tage lang Sturm. – Umschiffung des Caps im Osten. – Das vor Anker liegende Schiff.

Nach der doppelten Detonation auf der Haifischinsel gaben die Echos von Felsenheim sie von Fels zu Felsen wieder. Herr und Frau Zermatt, Jenny, Ernst und Franz konnten noch, als sie nach dem Strande eilten, den weißen Dampf von den beiden Geschützen sehen, der langsam nach Falkenhorst hin zog. Ihre Taschentücher schwenkend, antworteten sie mit einem Hurrah, das zwar weniger laut ausfiel, doch gewiß tief aus dem Herzen kam.

Darauf gingen alle schon wieder daran, ihre Beschäftigung aufzunehmen, während Jenny noch einmal durch ein Fernrohr nach dem Eiland hinaussah.

»Da draußen kommen Fritz und Jack zurück, sagte sie.

– Schon jetzt? meinte Ernst. Sie haben doch kaum Zeit gehabt, die Kanonen wieder zu laden, und müssen einen besonderen Grund haben, so schnell heimzukehren.

– Ja wirklich, sie scheinen es eilig zu haben,« bestätigte der ältere Zermatt, der ebenfalls zu erkennen glaubte, daß das Boot sich von der Insel bereits entfernt hatte.

Entschieden kannte der sich bewegende Punkt, den man durch das Fernrohr etwas rechts von der Haifischinsel erblickte, nichts anderes sein, als das leichte Fahrzeug, das, von den Pagaien getrieben, offenbar rasch durch das Wasser glitt.

»Das ist mindestens auffallend, bemerkte Frau Zermatt. Sollten sie uns eine Neuigkeit, vielleicht gar eine wichtige Neuigkeit mitzutheilen haben?

– Das glaub' ich fast,« antwortete Jenny.

Ob diese Neuigkeit eine gute oder schlechte wäre, das fragte sich wohl ein jeder, doch freilich, ohne es beantworten zu können.

Alle Blicke waren nach dem Kajak gerichtet, der von Minute zu Minute größer erschien. Nach einer Viertelstunde befand er sich halbwegs zwischen der Haifischinsel und der Mündung des Schakalbaches. Wenn Fritz das kleine Segel nicht beigesetzt hatte, lag das nur daran, daß sich der Wind zu sehr abgeschwächt hatte, und ihre Pagaien tüchtig handhabend, kamen die beiden Brüder auf der kaum sich kräuselnden Wasserfläche schneller als der Wind selbst vorwärts.

Da fiel es dem älteren Zermatt ein, darauf zu achten, ob diese überstürzte Rückkehr nicht vielleicht eine Flucht wäre, ob nicht eine Pirogue mit Wilden, die den Kajak verfolgten, um die Ecke der Insel käme oder ob gar ein Seeräuberboot vom offenen Meere her auftauchen sollte. Diesen beunruhigenden Gedanken behielt er jedoch für sich. In Begleitung Betsies, Jennys, Ernsts und Franzens begab er sich nach der Bachmündung hinaus, um von Fritz und Jack sogleich, wenn sie ans Land stießen, Aufklärung zu erhalten.

Eine Viertelstunde später hielt der Kajak in der kleinen Bucht an der ersten Felsenbank an, die gewöhnlich als Landungsstelle diente.

»Was ist denn geschehen?« fragte der ältere Zermatt.

Jack und Fritz sprangen ans Ufer. Fast außer Athem, das Gesicht von Schweiß bedeckt, die Arme von Ermüdung halb gelähmt, konnten sie anfänglich nur durch eine Bewegung antworten, indem sie nach dem Uferlande im Osten der Rettungsbai hinwiesen.

»Was war denn nur los? fragte jetzt Franz, der Fritzens Arm ergriff.

– Ihr habt also nichts gehört? erwiderte dieser endlich, nachdem er die Sprache wieder etwas gewonnen hatte.

– O doch, die zwei Kanonenschüsse, die Ihr von der Haifischinsel abgefeuert habt, sagte Ernst.

– Nein, entgegnete Jack, die unseren mein' ich nicht, doch die, die uns geantwortet haben.

– Wie? Andere Kanonenschüsse? rief der ältere Zermatt erstaunt.

– Wär' es möglich?... Wär' es möglich?« wiederholte Frau Zermatt.

Jenny war bleich vor Erregung an Fritz herangetreten.

»Ihr habt von jener Seite her Kanonendonner gehört? erkundigte sie sich.

– Ja, Jenny, bestätigte Fritz, drei Schüsse in regelmäßigen Zwischenräumen.«

Fritz sprach mit so zuversichtlichem Tone, daß an einen Irrthum seinerseits kaum zu denken war. Uebrigens bekräftigte auch Jack noch die Aussage seines Bruders.

»Es ist ganz unzweifelhaft, fügte er ferner hinzu, daß sich ein Schiff in der Nähe der Neuen Schweiz befindet, und daß seine Aufmerksamkeit durch die Entladung unserer zwei kleinen Geschütze erregt morden ist.

– Ein Schiff... ein Schiff!... murmelte Jenny.

– Und Ihr hörtet, daß der Knall von Osten her schallte? fragte der ältere Zermatt noch einmal.

– Ja gewiß... von Osten her, und ich schließe daraus, daß die Rettungsbai höchstens um eine oder zwei Lieues vom offenen Meere entfernt sein kann.«

Das konnte wohl zutreffen; wir haben indeß schon erwähnt, daß die entlegeneren Uferstrecken der Rettungsbai noch niemals besucht und besichtigt worden waren.

Man wird sich leicht vorstellen können, welchen Empfindungen, nach einem Augenblick der Ueberraschung – der Verblüffung könnte man sagen – sich die Insassen der Neuen Schweiz hingaben. Ein Schiff... ohne Zweifel war ein solches in der Nähe, ein Schiff, von dem aus der Geschützdonner vom Winde bis nach der Haifischinsel getragen worden war!... War das nicht etwas wie ein Band, das dieses unbekannte Fleckchen Erde, worauf die Schiffbrüchigen des »Landlord« seit elf Jahren lebten, mit der bewohnten Welt verknüpfte? Die Kanone ist die Stimme der Seeschiffe... durch sie sprechen sie auf weite Entfernungen hin und diese Stimme hatte sich jetzt zum erstenmale vernehmen lassen, seit die Batterie der Haifischinsel den Anfang und das Ende der schönen Jahreszeit begrüßte. Es schien, als ob dieser Vorfall, auf den sie kaum je noch gerechnet hatten, den Vater Zerniatt und die Seinen ganz unglaublich überrascht, als ob jenes Schiff eine Sprache gesprochen hätte, die sie verlernt hatten.

Sie beruhigten sich jedoch und dachten nur an die guten Seiten der neuen Sachlage. Dieses von fernher bis zu ihnen gedrungene Geräusch gehörte nicht zu den Geräuschen der Natur, an die sie gewöhnt waren, nicht zu dem Aechzen und Knarren der Bäume, wenn der Sturm sie rüttelte, nicht zum Rauschen und Brüllen des Meeres bei entfesseltem Orkane oder zu dem Donnergrollen bei den heftigen Gewittern dieser Tropengegend. Nein, es war sozusagen ein Werk von Menschenhand! Der Kapitän, die Mannschaft des Fahrzeugs, das hier das Meer kreuzte, mußten nun wissen, daß dieses Land nicht unbewohnt war. Ankerten sie in der Bai, so begrüßte voraussichtlich ihre Flagge noch die der Neuen Schweiz.

Alle sahen in dem Zwischenfalle nichts anderes, als die Gewißheit einer baldigen Erlösung, Frau Zermatt fühlte ihre Befürchtungen vor der Zukunft schon verschwinden, Jenny gedachte ihres Vaters, den wiederzusehen sie kaum noch gehofft hatte, der ältere Zermatt und seine Söhne erwarteten wieder mit ihresgleichen zu verkehren, und vor Freude fielen sie einander in die Arme.

Der erste Eindruck, den die hier verlassen lebende Familie empfing, war also derselbe, den etwa die Erfüllung der innigsten Wünsche hervorbringt. Die Augen nur auf das gerichtet, was dieses Ereigniß ihr Gutes versprach, schwelgte sie in frohester Hoffnung und war voll aufrichtiger Dankbarkeit gegen den Himmel.

»Wir haben zuerst Gott zu danken für den Schutz, den er uns immer gewährt hat, begann Franz. Er ist es, dem wir unsere Erkenntlichkeit darzubringen, an den wir unsere Gebete zu richten haben!«

Es war ganz natürlich, daß sich Franz in dieser Weise ausdrückte. Von jeher erfüllte ihn schon eine tiefe Religiosität, und diese hatte, je mehr er heranreifte, nur noch zugenommen. Ein offener, ehrlicher Charakter, hegte er die wärmste Zuneigung für die Seinigen, d. h. für alles, was bis jetzt für ihn die Menschheit gewesen war. Der jüngste der Brüder, spielte er doch etwa die Rolle eines Vermittlers und Berathers gelegentlich der seltenen Reibungen, die zwischen den Gliedern dieser so herzensinnigen Familie vorkamen. Was wäre wohl sein Beruf gewesen, wenn er in seinem Mutterlande gelebt hätte? Er würde sich in der Medicin, in der Rechtskunde und in der Gottesgelehrtheit unterrichtet haben, um dem tief in ihm schlummernden Bedürfnisse, für alle opferfreudig einzutreten, genug thun zu können, einem Bedürfnisse, das mit ihm ebenso eng verwachsen war, wie das zu körperlicher Thätigkeit bei Fritz und das zu geistiger bei Ernst. Er richtete an die Vorsehung also ein inbrünstiges Gebet, dem sich sein Vater, seine Mutter, Jenny und seine Brüder anschlossen.

Unter den gegebenen Verhältnissen galt es nun, keine Stunde zu verlieren. Die wahrscheinlichste Annahme ging dahin, daß jenes Schiff, dessen Anwesenheit man nicht bezweifeln konnte, in einem der Ufereinschnitte verankert läge, nicht aber, daß es etwa auf offenem Meere an der Neuen Schweiz vorübersegelte. Vielleicht veranlaßten es die Kanonenschüsse, worauf es geantwortet hatte, eine nähere Besichtigung der Umgegend vorzunehmen; vielleicht versuchte es sogar nach Umschiffung des Caps, das diese an der Ostseite begrenzte. in die Rettungsbai einzudringen.

Diese Ansichten äußerte Fritz und er schloß seinen Gedankengang mit den Worten:

»Unsere nächste Aufgabe ist es nun, dieses Schiff aufzusuchen, indem wir der östlichen, jedenfalls von Norden nach Süden verlaufenden Küste nachgehen.

– Und wer weiß, ob wir damit nicht schon zu lange gezögert haben, sagte Jenny.

– Das glaub' ich nicht. meinte Ernst. Es ist gar nicht anzunehmen, daß der Kapitän jenes Schiffes, was für eines es auch sein mag, nicht versucht hätte, Aufklärung zu erhalten...

– Macht keine unnützen Worte! fiel Jack ein. Vorwärts, wir wollen aufbrechen...

– Dazu muß erst die Schaluppe zurecht gemacht werden, bemerkte der ältere Zermatt.

– Das dauert zu lange, entgegnete Fritz. Der Kajak thut's auch.

– Meinetwegen!« stimmte der ältere Zermatt bei.

Dann setzte er aber hinzu:

»Von Wichtigkeit ist es jedenfalls, recht vorsichtig zu Werke zu gehen. Daß malaiische oder australische Eingeborene gelandet wären, glaube ich zwar nicht; auf dem Indischen Ocean treiben aber Seeräuber ihr Unwesen, und von solchen hätten wir das Schlimmste zu befürchten...

– Ja freilich, ließ sich Frau Zermatt vernehmen, und besser, wir lassen das Schiff wieder davonsegeln, wenn es...

– Nun, ich werde mich selbst aufmachen, erklärte der ältere Zermatt, und ehe ich mich mit den Fremdlingen in Verbindung setze, werd' ich mich schon zu vergewissern suchen, mit wem wir es zu thun haben.«

Dieser Plan war ja vernünftig, es galt nur noch, ihn auszuführen. Zum Unglücke schien noch in den ersten Vormittagsstunden das Wetter umzuschlagen. Der Wind, der sich vorher fast ganz gelegt hatte, war nach Westen umgesprungen und wurde zusehends frischer. Mit dem Kajak hätte man sich kaum auf die Bai hinaus, nicht einmal nach der Haifischinsel zu, wagen dürfen. Der Himmel hatte sich mit Wolken bedeckt, die von der Abendseite her aufstiegen, mit den charakteristischen Sturmwolken, von denen der Seemann sich nichts Gutes versieht.

Konnte jetzt aber vom Kajak nicht mehr die Rede sein, und mußte man eine oder zwei Stunden mit dem Zurechtmachen verlieren, so fragte es sich nun, ob überhaupt auch die Schaluppe zu verwenden wäre, da jenseits der Einfahrt zur Bai voraussichtlich ein ziemlich schwerer Seegang herrschte.

Zu seinem lebhaften Bedauern mußte der ältere Zermatt auch auf dieses Fahrzeug verzichten. Noch vor der Mittagsstunde wühlte ein starker Sturm das Gewässer der Bai derartig auf, daß an die Benützung der Schaluppe nicht mehr zu denken war. War zur jetzigen Jahreszeit auch nicht ein längeres Anhalten des so plötzlichen Witterungsumschlages zu befürchten, so vereitelte dieser doch alle kaum entworfenen Pläne, und wenn der heftige Wind etwa vierundzwanzig Stunden lang andauerte, war es voraussichtlich zu spät, das vermuthete Schiff noch aufzusuchen. Bot diesem sein Ankerplatz keinen sicheren Schutz, so hatte es ihn jedenfalls verlassen müssen, und bei dem herrschenden Westwinde verlor es die Küsten der Neuen Schweiz gewiß bald aus dem Gesicht.

Andererseits – Ernst wies auf diese Möglichkeit hin – versuchte das Schiff vielleicht, in die Rettungsbai selbst einzulaufen, wenn es ihm gelang, das Cap im Osten zu umsegeln.

»Das ist thatsächlich möglich, antwortete der ältere Zermatt, und wäre sogar zu wünschen, vorausgesetzt, daß wir es nicht mit Seeräubern zu thun haben....

– Wir werden aufpassen, Vater, sagte Franz. Wir bleiben den ganzen Tag auf dem Ausguck... auch die ganze Nacht hindurch.

– Doch wenn wir uns nur nach dem Prospecthügel oder wenigstens nach Falkenhorst begeben könnten, setzte Jack hinzu; von da aus läßt sich das Meer besser übersehen.«

Das war wohl richtig, blieb aber vorläufig ausgeschlossen. Im Laufe des Nachmittags wurde das Wetter noch schlimmer; die Kraft des Sturmes verdoppelte sich. Dazu stürzte ein so massenhafter Regen herab, daß der Schakalbach aus den Ufern trat und die kleine, darüberführende Brücke enfernt werden mußte. Zermatt und seine Söhne blieben immer auf der Wacht und sie hatten arg zu thu »die Ueberschwemmung von der Einfriedigung Felsenheims abzuhalten. Betsie und Jenny konnten keinen Schritt nach außen thu. Noch nie war ein Tag hier so traurig verstriche und es erschien nur zu gewiß, daß das Schiff, wenn es einmal weitergesegelt war, in diese Gegend kaum je zurückkehren werde.

Mit Einbruch der Nacht wuchs die Gewalt des Sturmes noch weiter Auf den Rath des älteren Zermatt hin, den seine Kinder nöthigten, sich einige Ruhe zu gönnen, lösten Fritz, Ernst, Jack und Franz einander bis zum Tagesanbruche von der Wache ab. Von der Galerie des Hauses, die sie nie verließen, konnten sie das Meer bis zur Haifischinsel hin übersehen. Wäre ein Schiffslicht in der Einfahrt zur Bai aufgetaucht, so hätten sie es bemerkt und den etwaigen Donner einer Kanone hätten sie gehört, trotz des Gebrauses der Wellen, die sich mit furchtbarer Gewalt am Felsenufer des Landeinschnittes an der Bachmündung brachen.

Als der wüthende Wind sich einmal mäßigte, gingen alle vier, den Wachstuchmantel auf den Schultern, nach der Mündung des Schakalbaches, konnten sich hier aber zum Glücke überzeugen, daß die Schaluppe und die Pinasse noch sicher an ihrem Platze lagen.

Das schlimme Wetter hielt volle vierundzwanzig Stunden an. Kaum vermochten in diesem Zeitraume Zermatt und seine Söhne bis halb nach Falkenhorst vorzudringen, um das Meer im weiteren Umfange übersehen zu können. Die weite Wasserfläche mit hochgehenden, sthaumgekrönten Wogen zeigte sich verödet. Es hätte sich bei diesem Sturme übrigens auch kein Schiff so nahe aus Land heranwagen dürfen.

Zermatt und seine Gattin hatten alle kaum aufgetauchten Hoffnungen schon wieder aufgegeben. Ernst, Jack und Franz, die von ganz jungen Jahren her das Leben hier gewohnt waren, bedauerten vielleicht gar nicht, daß jene Gelegenheit, es zu ändern, verloren gegangen schien. Fritz beklagte es freilich um seiner Brüder oder auch mehr um Jennys willen.

War jenes Schiff wirklich abgesegelt und sollte es in diese Meeresgegend nicht wiederkehren, wie hart enttäuscht mußte sich die Tochter des Obersten Montrose dann fühlen!

Die Möglichkeit, wieder zu ihrem Vater zu kommen, war ihr damit ja abgeschnitten. Wie lange Zeit würde wohl vergehen, ehe sich eine Gelegenheit, nach Europa zurückzugelangen, wieder darbot, wenn dieser Fall überhaupt noch einmal eintrat.

»Lassen wir die Hoffnung nicht sinken! redete Fritz dem jungen Mädchen zu, dessen Schmerz auch ihm so nahe ging. Jenes Schiff oder irgend ein anderes wird wieder hierherkommen, da jetzt das Vorhandensein der Neuen Schweiz bekannt geworden ist!«

In der Nacht vom 11. zum 12. October hatte sich der Wind mehr nach Norden gedreht und das schlechte Wetter nahm damit ein Ende. Im Inneren der Rettungsbai beruhigte sich das Meer sehr bald und mit Sonnenaufgang schäumten die Wellen am Ufer von Felsenheim schon nicht mehr empor.

Die ganze Familie trat ins Freie und ließ die Blicke in der Richtung nach dem offenen Meere hinausschweifen.

»Nun wollen wir sofort nach der Haifischinsel fahren, schlug Jack den anderen vor, selbst mit dem Kajak ist keine Gefahr mehr dabei.

– Und was thätet Ihr dort? fragte Frau Zermatt.

– Vielleicht liegt jenes Schiff dort im Schutze des Ufers noch vor Anker... und selbst wenn der Sturm es genöthigt hätte, die hohe See zu gewinnen, könnte es ja wieder zurückgekehrt sein. Wir geben dort einige Kanonenschüsse ab, und wenn darauf eine Antwort erfolgt...

– Ach ja, Fritz, ja! rief Jenny, die gern auf dem Eiland selbst mitgewesen wäre.

– Fritz hat recht, erklärte der Vater Zermatt, wir dürfen nichts außer acht lassen. Ist das Schiff noch da, so wird es uns hören und sich ebenfalls bemerkbar machen.«

Der Kajak war schon in wenigen Minuten zur Abreise fertig; als aber Fritz darin Platz nehmen wollte, rieth ihm sein Vater, mit seiner Mutter, seinen Brüdern und Jenny in Felsenheim zu bleiben. Ihn sollte jetzt Jack begleiten. Er werde eine Flagge mitnehmen, um damit zu melden, ob sie gute Nachricht mit heimbringen würden oder ob ihnen irgendwelche Gefahr drohe Im zweiten Falle werde er die Flagge, nachdem er sie geschwenkt hätte, ins Meer schleudern und Fritz sollte dann die ganze Familie nach Falkenhorst überführen. Er selbst und Jack würden auch schleunigst dahin kommen und im Falle der Noth wollten sie sich entweder nach den Meiereien von Waldegg oder Zuckertop, oder sogar nach der Einsiedelei Eberfurt zurückziehen. Schwenkte er die Flagge dagegen nur zweimal und pflanzte er sie darauf neben der Batterie auf, so läge nichts Beunruhigendes vor und Fritz sollte seine Rückkehr in Felsenheim abwarten.

Natürlich waren die erwähnten Signale von der Mündung des Schakalbaches aus, wenigstens mit Hilfe eines Fernrohres, ganz deutlich zu erkennen.

Jack zog den Kajak an den felsigen Uferrand heran. Sein Vater und er stiegen hinein. Wenige Kabellängen vor dem Landeinschnitte der Bachmündung verminderte sich der Wellenschlag schon zu einem friedlichen Plätschern. Von den Pagaien getrieben, flog das leichte Boot schnell auf die Haifischinsel zu.

Dem älteren Zermatt klopfte das Herz recht fühlbar, als sie an dem Eiland landeten und dann eiligst den Hügel hinanliefen.

Beim Schuppen oben angelangt, machten sie Halt. Von hier aus konnten sie die Wasserfläche von dem Vorlande im Osten bis zum Cap der Getäuschten Hoffnung übersehen. Kein Segel war zu erblicken auf dem öden Meere, das draußen noch immer einen starken Wellenschlag zeigte.

Als dann beide unter den Schuppen zurücktraten, fragte der ältere Zermatt noch einmal:

»Dein Bruder und Du, Ihr seid also sicher, gestern gehört zu haben...

– Vollkommen sicher! antwortete Jack. Es waren unzweifelhaft Kanonenschüsse dort von Osten her...

»Gott gebe, daß es so ist!« sagte der ältere Zermatt.

Da die beiden kleinen Geschütze von Fritz gleich wieder geladen worden waren, brauchten sie jetzt nur abgefeuert zu werden.

»Jack, sagte dessen Vater, Du wirst zwei Schüsse im Zwischenraume von zwei Minuten abgeben und nach der Wiederladung des ersten Rohres noch ein drittesmal feuern.

»Wie Du willst, Vater, antwortete Jack. Und Du?...

– Ich werde mich an den nach Osten zugewendeten Rand der Hügelfläche stellen, und wenn eine Detonation von dieser Seite her käme, müßte ich sie da ja deutlich hören.«

Da überdies der Wind nach Norden umgesprungen war, doch nur sehr schwach wehte, erschienen alle Nebenumstände so günstig wie möglich. Der Donner von Geschützen, ob er nun von Westen oder von Osten her kam, mußte, wenn die Entfernung einundeinehalbe Lieue nicht übertraf, leicht vernehmbar sein.

Der ältere Zermatt nahm also an der Seite des offenen Schuppens Platz.

Unter Einhaltung der verabredeten Zwischenräume gab Jack jetzt dreimal Feuer. Dann eilte er neben seinen Vater hin und beide blieben, das Ohr nach Osten gewendet, regungslos stehen.

Da schallte eine Detonation deutlich bis zur Haifischinsel herüber.

»Vater... Vater... rief Jack, das Schiff ist noch da!

– Hören wir erst weiter!« antwortete Zermatt.

Sechs andere Schüsse folgten in regelmäßigen Zwischenräumen dem ersten. Das noch unsichtbare Schiff gab also nicht nur Antwort, sondern schien auch sagen zu wollen, daß es damit nicht sein Bewenden haben solle.

Nach zweimaligem Schwenken der Flagge, stellte der ältere Zermatt diese nun neben der Batterie auf.

War das Krachen der Geschütze auch nicht bis Felsenheim hörbar gewesen, so wußte man dort jetzt, daß keine Gefahr zu befürchten sei.

Uebrigens rief Jack, eine halbe Stunde nach der Rückkehr in die kleine Bucht, plötzlich

»Ein siebenter Schuß!... Sie haben siebenmal gefeuert!

– Und der Himmel sei siebenmal dafür gesegnet!« setzte Franz hinzu.

Eine Beute der lebhaftesten Erregung, ergriff Jenny Fritzens Hand. Dann warf sie sich der Frau Zermatt in die Arme, die ihre Thränen durch innige Küsse trocknete.

An der Anwesenheit eines Schiffes konnte also kein Zweifel mehr sein, da dieses der Batterie der Haifischinsel geantwortet hatte. Aus einem oder dem anderen Grunde mußte es in einer der Buchten an der Küste im Osten vor Anker gegangen sein und war vielleicht sogar während des Sturmes nicht genöthigt gewesen, diese zu verlassen. Jetzt aber segelte es gewiß nicht ab, ohne mit den Bewohnern dieses unbekannten Landes in Verbindung getreten zu sein. Erschien es da nicht rathsamer, nicht erst darauf zu warten, daß es von der Bai aus in Sicht kam?

»Nein... nicht warten! Vorwärts! Fahren wir sofort dahin!« drängte Jack.

Der alles überlegende Ernst machte hierzu indeß noch einige Bemerkungen, die auch der ältere Zermatt als richtig anerkannte. Niemand wußte ja, welcher Nationalität jenes Schiff angehörte, ebensowenig, ob es nicht vielleicht gar Seeräuber trug, die zur Zeit in diesen Theilen des Indischen Oceans sehr zahlreich waren. Das Schiff konnte ja selbst solchen Verbrechern in die Hände gefallen sein, und damit wären Zermatt und seine Familie den schlimmsten Gefahren ausgesetzt gewesen.

Alle diese Gedanken tauchten ja ganz ungesucht auf.

»Nun gut, erklärte Fritz, was wir noch nicht wissen, müssen wir in kürzester Frist zu erfahren suchen...

– Ach ja... schnell... recht schnell! wiederholte Jenny, die ihre Ungeduld nicht bemeistern konnte.

– Ich werde mich des Kajaks bedienen, setzte Fritz hinzu, und da der Zustand des Meeres es erlaubt, werde ich das Cap im Osten umfahren....

– Thu' es, mein Sohn, antwortete Zermatt, denn wir können nicht in dieser Ungewißheit bleiben. Vor dem Anlegen an dem Schiffe aber muß es klar sein, welcher... Nun, Fritz, ich werde gleich mit Dir fahren.«

Jack wollte das nicht zugeben.

»Nein, Vater, sagte er, schon eine Pagaie holend, ich bin an so etwas gewöhnt. Nur bis zum Cap zu gelangen, dürften schon zwei Stunden vergehen, und von da aus bis zum Ankerplatze des Fahrzeugs könnte es auch noch eine größere Strecke sein. Ich bitte Dich, laß mich jetzt Fritz begleiten...

– Ja, das ist wohl richtiger,« stimmte dieser ein.

Der ältere Zermatt zögerte noch. Ihm erschien es unerläßlich, an dieser Fahrt theilzunehmen, die mit größter Vorsicht ausgeführt werden mußte.

»Ja ja, Fritz und Jack mögen hinausfahren, mischte sich noch Frau Zermatt ein. Auf sie können wir uns ja verlassen!«

Der ältere Zermatt fügte sich, und den beiden Brüdern wurden die eindringlichsten Rathschläge mitgegeben. Nach Umschiffung des Caps sollten sie sich ganz nahe dem Lande halten, zwischen den Klippen jenes Theils der Küste hingleiten, sie sollten sehen, ohne selbst bemerkt zu werden, sollten sich nur von der Lage, womöglich auch von der Nationalität des Schiffes überzeugen, dieses aber nicht etwa betreten, sondern nach Erreichung ihrer Absichten sofort nach Felsenheim zurückkehren. Der ältere Zermatt wollte dann sehen, was weiter zu thun sei. Könnten es Fritz und Jack umgehen, selbst bemerkt zu werden, so wäre das um so besser.

Vielleicht empföhle es sich auch – dieser Gedanke ging von Ernst aus – daß Fritz und Jack selbst für Wilde gehalten würden. Sie könnten sich ja, neben Anlegung eines entsprechenden Costüms, Gesicht, Arme und Hände schwärzen, ein Mittel, dessen sich Fritz schon bedient hatte, als er Jenny bei der Perlenbucht rettete. Die Besatzung des fremden Schiffes würde jedenfalls weniger verwundert sein, bei diesem Lande im Indischen Ocean Schwarze anzutreffen.

Ernsts Vorschlag erschien recht zweckmäßig. Die beiden Brüder verkleideten sich als Eingeborene der Nicobaren und schwärzten sich dann Gesicht und Arme mit Ruß. Hierauf stiegen sie in den Kajak und eine halbe Stunde später war dieser schon außerhalb der engen Einfahrt verschwunden.

Selbstverständlich verfolgten ihn Herr und Frau Zermatt, Jenny. Ernst und Franz mit den Blicken, so lange er sichtbar war, und kehrten nach Felsenheim erst zurück, als sie das Boot aus der Rettungsbucht hatten hinausgleiten sehen.

Auf der Höhe der Haifischinsel angelangt, steuerte Fritz in der Weise, daß sie sich dem gegenüberliegenden Ufer näherten. Im Falle, daß eine von dem Fahrzeuge abgestoßene Schaluppe die äußerste Landspitze bereits passirt hätte, konnte der Kajak sich dann hinter den Uferfelsen verbergen und seine Insassen waren immer noch in der Lage, weitere Umschau zu halten.

Es bedurfte voller zwei Stunden, das Cap zu erreichen, das von hier noch über zwei Lieues entfernt lag. Bei der herrschenden Brise aus Norden hätte das kleine Segel nichts nützen können. Die inzwischen eingetretene Ebbeströmung begünstigte indeß das Vorwärtskommen des leichten Fahrzeuges.

Das war das erstemal, daß das Cap umschifft werden sollte, seit die Familie Zermatt in der Rettungsbucht Zuflucht gefunden hatte. Welch ein Unterschied gegenüber dem Cap der Getäuschten Hoffnung, das sich in nordwestlicher Richtung vier Lieues von hier erhob! Wie dürr und unfruchtbar zeigte sich der östliche Theil der Neuen Schweiz! An der Küste hier zogen sich sandige, von schwärzlichem Gestein durchsetzte Dünen hin, vor denen sich bis auf mehrere hundert Toisen jenseit des Vorgebirges ein Klippenkranz ausdehnte, gegen den das offene Meer selbst bei schönem Wetter heftig anbrandete.

Als der Kajak um die letzten Felsen herumgekommen war, konnten Fritz und Jack das östliche Ufer weithin übersehen. Es verlief, die Neue Schweiz an dieser Seite begrenzend, ziemlich genau von Norden nach Süden. Wenn jene also keine Insel war, konnte sie wenigstens nur im Süden mit einem Festlande zusammenhängen. Der Kajak glitt längs des Ufers hin, und da er sich immer innerhalb des Klippengürtels hielt, konnte er sicherlich nur schwer entdeckt werden.

Eine Lieue von hier und in einer engen Bucht zeigte sich ein dreimastiges Schiff mit halbgereesten Bramsegeln, das hier offenbar nur wegen nothwendiger Ausbesserungen ankerte, und auf dem benachbarten Ufer waren mehrere Zelte errichtet.

Der Kajak näherte sich dem Schiffe bis auf sechs Kabellängen. Sobald er von jenem aus bemerkt worden war, konnten Fritz und Jack die Freundschaftszeichen gar nicht mißverstehen, die man ihnen von Bord her machte. Einige englische Worte, die sie gerade noch verstehen konnten, belehrten sie auch, daß man sie für Eingeborene ansah. Sie selbst konnten sich nicht täuschen, welcher Nalionalität das Schiff angehörte, denn vom Top seines Besanmastes wehte die britische Flagge. Es war eine englische Corvette mit zehn Geschützen.

Es lag also eigentlich gar kein Hinderniß vor, sich mit dem Kapitän der Corvette in Verbindung zu setzen.

Jack wollte das auch thun, doch Fritz widersprach ihm entschieden. Da sie einmal versprochen hätten, sogleich nach Feststellung der Lage und der Nationalität des gesuchten Schiffes nach Felsenheim zurückzukehren, bestand er darauf, Wort zu halten. Der Kajak drehte also wieder nach Norden bei und glitt nach zweiundeinhalbstündiger Fahrt durch die enge Wasserstraße der Einfahrt in die Rettungsbucht hinein.

Drittes Capitel. Die britische Corvette »Licorne«. – Die vernommenen Kanonenschüsse. – Ankunft der Pinasse. – Die Familie Zermatt. – Die Familie Wolston. – Trennungspläne. – Verschiedene Tauschgeschäfte. – Der Abschied. – Abfahrt der Corvette.

Die »Licorne«, eine kleine Corvette mit zehn Geschützen, die die britische Flagge führte, befand sich auf einer Art Rundfahrt und war jetzt auf dem Wege von Sydney (Australien) nach dem Cap der Guten Hoffnung. Der Befehlshaber, Lieutenant Littlestone, hatte eine Besatzung von sechzig Mann unter sich. Gewöhnlich nimmt ja ein Kriegsschiff keine Passagiere auf, die »Licorne« hatte aber Erlaubniß erhalten, eine englische Familie an Bord zu nehmen, deren Haupt aus Gesundheitsrücksichten nach Europa zurückkehren mußte. Die Familie bestand aus einem Herrn Wolston, Maschinen-Ingenieur, seiner Gattin, Merry Wolston, und aus seinen zwei Töchtern, Annah und Doll, von denen die eine siebzehn, die andere vierzehn Jahre zählte. Zu ihr gehörte außerdem noch ein Sohn, James Wolfton, der mit seiner Frau und seinem Kinde gegenwärtig in Capstadt wohnte.

Im Juli 1816 hatte die »Licorne« den Hafen von Sydney verlassen und sich, nach einer Fahrt längs der Südküste von Australien, nach den nordöstlichen Theilen des Indischen Oceans gewendet.

Bei dieser Fahrt sollte der Lieutenant Littlestone auf Befehl der Admiralität unter diesen Breiten kreuzen und ebenso an der Westküste Australiens wie auf den benachbarten Inseln nachforschen, ob es noch Ueberlebende von dem »Dorcas« gäbe, der seit dreißig Monaten verschollen war. Wo dieser gescheitert war, wußte niemand, obgleich an dem Unfalle kein Zweifel sein konnte, da der zweite Officier und drei Matrosen des Schiffes – die einzigen von denen, die dessen große Schaluppe besetzt gehabt hatten, aus dem Meere aufgefischt und nach Sydney zurückgebracht worden waren. Was den Kapitän Greenfield, die Matrosen und die Passagiere – darunter die Tochter des Obersten Montrose – betraf, konnte man nach dem Berichte, den der zweite Officier über den Schiffbruch erstattet hatte, kaum noch die Hoffnung hegen, sie wiederzufinden. Die Regierung von Großbritannien hatte aber dennoch weitere Nachforschungen veranlaßt, die sich über den östlichen Theil des Indischen Oceans bis in die Nähe des Meeres von Timor erstrecken sollten. Hier gab es zahlreiche, von Handelsschiffen nur selten angelaufene Inseln, und es empfahl sich, davon alle zu besuchen, die in der Nachbarschaft des Meerestheiles lagen, wo der »Dorcas« jedenfalls gescheitert war.

Infolgedessen hatte die »Licorne« sich nach Umschiffung des Caps Leuwin nach Norden zu gewendet und nach vergeblichem Aufenthalte an einigen Sundainseln den Weg nach dem Cap wieder eingeschlagen. Da wurde sie von heftigen Stürmen überrascht, gegen die sie eine volle Woche, nicht ohne mehrfache Beschädigungen zu erleiden, ankämpfen mußte, und daraufhin war sie genöthigt gewesen, eine geschützte Stelle aufzusuchen, um ihre Havarien auszubessern.

Am 8. October meldeten die Wachen Land im Süden, wahrscheinlich eine Insel, die aber auch auf den neuesten Seekarten noch nicht eingezeichnet war. Der Lieutenant Littlestone ließ auf das unbekannte Land zusteuern und fand auch glücklicherweise eine Zufluchtsstätte in einem Landeinschnitte an dessen östlicher Küste, der nicht nur gegen schlimme Winde Schutz gewährte, sondern auch einen vortrefflichen Ankergrund bot.

Die Mannschaft ging hier sofort ans Werk. Am Strande und am Fuße des felsigen Steinufers wurden einige Zelte aufgeschlagen. Man richtete ein förmliches Lager ein, immer unter Berücksichtigung der Maßnahmen, die die Klugheit erheischte. Dieser Küstenstrich konnte ja von Wilden bewohnt sein oder von solchen heimgesucht werden, und man weiß doch, daß die Eingeborenen im Indischen Ocean sich eines, leider gerechtfertigten, sehr übeln Rufes erfreuen.