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Glück im Spiel oder in der Liebe?
Der prickelnde Liebesroman für Fans von Millionär-Romances
Sonja steht vor den Scherben ihres Lebens. Ihr Mann hat sich urplötzlich aus dem Staub gemacht und sie mit Schulden sitzen lassen, jetzt muss sie aus der gemeinsamen Wohnung raus. Ohne Geld und Job hofft sie nun bei einem Black-Jack-Turnier im luxuriösesten Hotel der Stadt auf den großen Gewinn. Sie setzt alles auf eine Karte – und weckt das Interesse eines der reichsten Junggesellen. Doch sie will sich nicht schon wieder in den falschen Mann verlieben …
Hotelbesitzer Hassan Djamali ist fasziniert von der schönen, selbstbewussten Frau, die ihm da gegenübersteht. Und obwohl er eigentlich kein Interesse hat, eine Frau kennenzulernen, kann er ihrer Anziehung nicht lange widerstehen. Die beiden verbringen eine gemeinsame Nacht miteinander, doch am nächsten Morgen ist Sonja verschwunden. Hassan kann sie nicht vergessen, denn eigentlich ist er es gewohnt, das zu bekommen, was er will. Er setzt alles daran, sie wiederzusehen – doch Sonja macht es ihm nicht leicht …
Erste Leserstimmen
„Die Casino-Atmosphäre wurde sehr authentisch rübergebracht und man konnte richtig abtauchen!“
„romantisch, erotisch und trotzdem voller Tiefgang“
„Ich liebe Glücksspiel und Romane in diesem Setting – großartig gelungen!“
„Mitreißende Liebesgeschichte mit sympathischen Charakteren.“
„Hier knistert es gewaltig …“
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Seitenzahl: 279
Sonja steht vor den Scherben ihres Lebens. Ihr Mann hat sich urplötzlich aus dem Staub gemacht und sie mit Schulden sitzen lassen, jetzt muss sie aus der gemeinsamen Wohnung raus. Ohne Geld und Job hofft sie nun bei einem Black-Jack-Turnier im luxuriösesten Hotel der Stadt auf den großen Gewinn. Sie setzt alles auf eine Karte – und weckt das Interesse eines der reichsten Junggesellen. Doch sie will sich nicht schon wieder in den falschen Mann verlieben …
Hotelbesitzer Hassan Djamali ist fasziniert von der schönen, selbstbewussten Frau, die ihm da gegenübersteht. Und obwohl er eigentlich kein Interesse hat, eine Frau kennenzulernen, kann er ihrer Anziehung nicht lange widerstehen. Die beiden verbringen eine gemeinsame Nacht miteinander, doch am nächsten Morgen ist Sonja verschwunden. Hassan kann sie nicht vergessen, denn eigentlich ist er es gewohnt, das zu bekommen, was er will. Er setzt alles daran, sie wiederzusehen – doch Sonja macht es ihm nicht leicht …
Überarbeitete Neuausgabe Oktober 2020
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-96817-287-3 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-374-7
Copyright © 2018, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2018 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Win my Heart (ISBN: 978-3-96087-333-4).
Covergestaltung: Vivien Summer unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © fractal-an, © Virrage Images, © G-Stock Studio, © seksan wangkeeree Lektorat: Daniela Höhne
E-Book-Version 16.01.2024, 09:29:31.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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Aufbewahren oder Altpapier? Unschlüssig wog Sonja den schweren Aktenordner mit den gesammelten Bewerbungen in der Hand und seufzte. Wenn sie nur schon eine neue Wohnung hätte. Der nächste Erste rückte bedrohlich näher.
Entschlossen warf sie den Ordner in die Altpapierkiste. Es waren ohnehin nur Absagen. Anhand der Anschreiben auf ihrem Laptop wusste sie, welche Hotels sie bereits angeschrieben hatte, und würde so nicht den Fehler begehen, eine Doppelbewerbung hinauszuschicken.
Gerade gestern hatte sie eine weitere Bewerbung per Mail verschickt. Ob es darauf schon eine Antwort gab?
Sie überließ die Umzugskisten sich selbst und setzte sich mit dem Laptop auf den Boden. Tatsächlich gab es einige neue Nachrichten: Werbung, eine weitere Absage, noch mehr Werbung. Enttäuscht presste sie die Lippen zusammen.
Sonja archivierte die Absage, ehe sie Mail für Mail löschte. Bei einer stockte sie kurz. Ein Online-Casino bot für die Erstanmeldung einen Bonus, um gleich losspielen zu können. Gerade wollte sie den Löschen-Button anklicken, als ihr Blick an einigen Worten hängenblieb: Blackjack-Turnier. Live. In Frankfurt. Sonja klickte auf den Link. Den Finalteilnehmern winkte ein Wochenende im Luxushotel, dem Gewinner schließlich fünfzigtausend Euro. Das klang verlockend. Um teilzunehmen, musste es ihr lediglich gelingen, online den Bonus zu verdoppeln.
Sie las sich die Bedingungen durch und tatsächlich: Es wurde kein eigenes Geld, das sie ohnehin nicht besaß, als Einsatz gefordert, um die Fünfzigtausend zu gewinnen.
Aber.
Sollte sie sich wirklich noch einmal auf Glücksspiel einlassen? Damit hatten schließlich all ihre Probleme angefangen.
♥♥♥
»Salut, Lubaid!« Hassan stellte eine Papiertasche, aus der es süß duftete, auf den Tisch und begrüßte seinen Freund mit einer kurzen Umarmung.
Dieser schnupperte. »Mandeln, Honig, Zimt. – Du hast doch nicht wieder Mhancha mitgebracht? Willst du mich mästen?«
Hassan schmunzelte: »Ich weiß doch, was du gern magst. Außerdem habe ich extra nur einen für jeden gekauft.«
»Einer ist keiner.« Lubaid grinste und orderte bei seiner Assistentin Kaffee, den diese nach kurzer Zeit zusammen mit zwei Tellern und Servietten hereinbrachte. Schon bald mischt sich der Duft frischen Kaffees mit dem Mandelaroma.
Die Männer ließen sich einander gegenüber in den bequemen Sesseln nieder, die in der kleinen Sitzecke von Lubaids Büro standen, ehe Hassan in sein Mhancha biss, wobei er achtgab, dass weder Mandelsplitter noch Teigkrümel auf seinen dunklen Anzug fielen. »Hm«, murmelte er und schloss für einen Augenblick genießerisch die Augen, während er sich die letzten Reste der honiggetränkten Mandelsplitter von den Fingern leckte. Auch Lubaid schwelgte in der kleinen Köstlichkeit und schien sich kaum davon losreißen zu können.
»Ich glaube, in einem solchen Moment könnte ich alles von dir verlangen, oder?« Hassan, der schneller gegessen hatte als Lubaid, hatte den Freund beobachtet.
Lubaid schluckte. »Keine Chance. Ich kann genießen und anschließend knallhart feilschen, wie du weißt.«
Das weiß ich allerdings und ich könnte mir keinen Besseren als Hotelmanager hier in Aachen vorstellen, dachte er, während er sich in dem kleinen Badezimmer, das an Lubaids Büro angrenzte, die klebrigen Finger wusch.
Hinter ihm erklang Lubaids Stimme. »Meine Schwester kommt mich übrigens am Wochenende besuchen, sollen wir gemeinsam etwas unternehmen?«
»Ich werde nicht in Aachen sein, désolé.«
»Ach, nein?«
»Heute Nachmittag habe ich noch einen Termin wegen der Übernahme in Düsseldorf und dann fahre ich nach Frankfurt. Wie lange bleibt Fatima denn?«
»Bis Sonntagmittag, sie muss ja am Montag wieder arbeiten.«
»Dann werden wir uns wohl nicht sehen.« Hassan zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Kannst du den Termin in Frankfurt nicht verschieben? Sie freut sich darauf, dich zu treffen.«
Hassan lachte. »Diesen Termin kann ich beim besten Willen nicht verschieben. Ich habe mir freigenommen und mich bei einem Turnier angemeldet. Ich will einfach mal was anderes sehen, als die Arbeit.«
♥♥♥
»Mach es.«
Zweifelnd sah Sonja ihre beste Freundin an. Die Idee war aberwitzig – ohne Risiko, damit hatte Marie zwar recht –, aber eben aberwitzig.
»Was hast du schon zu verlieren? Wenn du früh aus dem Wettbewerb ausscheidest, ist es ein vertaner Tag. Erreichst du die Finalrunde, hast du ein Wochenende im Luxushotel gewonnen und wenn du gewinnst, ist es vielleicht die Lösung für all deine Probleme.«
Die Lösung. Das wäre wirklich zu schön. Auf einen Schlag alle Schulden loszuwerden, war ein verlockender Gedanke.
Eine leise Stimme im Hinterkopf mahnte zur Besonnenheit. Es werden Blackjack-Spieler mit mehr Erfahrung mitmachen. Um überhaupt Erfolg zu haben, musst du abgebrüht sein, als ginge es um nichts.
Und eben nicht um die Existenz. Aber um die ging es ja ohnehin, ob sie nun dieser verrückten Idee folgte oder nicht.
Sonjas Blick schweifte zwischen den Umzugskartons umher. Der Gedanke hier herauszukommen, und sei es nur für einen Tag, war verlockend.
Sie seufzte. »Gut, dass ich meine Klamotten noch nicht eingepackt habe. Es gilt doch sicher ein Dresscode, wenn die Veranstaltung in diesem Nobelschuppen steigt.«
Marie strahlte. »Wir machen die Online-Anmeldung fertig und dann suchen wir gemeinsam die Sachen aus.« Eifrig griff sie nach dem Laptop und rief die Seite des Veranstalters auf. Als das Anmeldeformular zu sehen war, reichte sie das Gerät an Sonja weiter.
»Meinst du wirklich?« Sonja kaute auf ihrer Unterlippe.
»Jetzt mach keinen Rückzieher!«
Mit einem Schnauben griff Sonja nach dem Computer und begann, die Maske auszufüllen. Erst als sie fertig war und die Eingaben noch einmal auf ihre Richtigkeit prüfte, sah sie, dass sie ihren Mädchennamen angegeben hatte. Müller stand dort, nicht Reinhard, der Name ihres verhassten Ex. Anfangs war sie froh gewesen, den Allerweltsnamen ihrer Mädchentage los zu sein. Wie lange war das her? Egal. Bald würde sie wieder so heißen. Einen letzten Termin vor Gericht würde es noch geben, dann war diese Ehe Geschichte. Trotzdem, heute hieß sie Reinhard und an der Namensangabe sollte es nicht scheitern. Sie korrigierte den Eintrag und kontrollierte akribisch die anderen Felder: 28 Jahre, Köln … Bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte, klickte sie auf Senden.
Postwendend kam die Bestätigungsmail mit dem Zugangscode zur Online-Vorrunde.
»Fünfzigtausend Euro«, Maries Stimme bekam einen schwärmerischen Klang.
»Die wollen erst einmal gewonnen werden. Nur der Beste erhält Geld. Alle anderen Finalteilnehmer werden mit dem Wochenende abgespeist.«
»Abgespeist. Also ehrlich. Es ist ein angesagtes Hotel mit Sternerestaurant und grandiosem Wellnessbereich, Massagen, Zimmerservice …«, Marie schüttelte den Kopf.
»Langsam«, bremste Sonja die Freundin. »Vor dem Livespiel in Frankfurt muss ich die Vorrunde im Online-Casino überstehen.« Sie loggte sich mit dem Code aus der Mail ein.
»Wie spielt man Blackjack eigentlich?« Marie reckte den Hals, um mit Sonja gemeinsam auf den kleinen Bildschirm des Laptops schauen zu können.
»Weißt du noch, wie wir früher Siebzehnundvier gespielt haben? Blackjack funktioniert genauso. Du bekommst zwei Karten und kannst weitere einfordern, mit dem Ziel, möglichst nah an die Einundzwanzig zu kommen.« Sonja klang leicht abgelenkt, weil sie gleichzeitig versuchte, sich ein Bild zu machen, wie das Spiel online ablief.
»Stimmt, wer mehr als einundzwanzig Punkte hat, verliert. Aber wie gewinnt man dabei Geld?«
Mit einem Seufzen wandte sich Sonja vom Bildschirm ab und ihrer Freundin zu. »Bevor ich Karten bekomme, setze ich einen Geldbetrag und dann spiele ich gegen den Dealer, also den Kartengeber.«
Maries Augen weiteten sich erschrocken. »Dann kannst du dabei Geld verlieren?«
Sonja schmunzelte. »Im echten Casino ja. Hier spiele ich online im Rahmen dieser Werbeaktion mit virtuellem Geld, meinem Bonus für die Neuanmeldung. Wenn ich den Betrag verdopple, darf ich am Livespiel in Frankfurt teilnehmen, ohne Geld einzusetzen.«
»Puh, da bin ich aber erleichtert! Jetzt hatte ich doch einen Moment Angst, es ginge dabei um dein Geld.«
Sonja umarmte die Freundin herzlich. »Keine Bange.« Sie konzentrierte sich jetzt wieder auf den Bildschirm. »Na dann.« Mit ihrem Einsatz startete sie das Spiel, und erhielt Karten. Gleich beim ersten Mal hatte sie Glück und bekam ein Ass und eine Zehn.
»Das ist übrigens ein Blackjack. Der gibt mehr Geld, vorausgesetzt der Dealer hat weniger Punkte«, kommentierte sie.
Schweigend spielte sie die nächsten Runden und langsam aber stetig vergrößerte sich ihr Guthaben.
»Mist!«
»Was ist?« Marie schaute verständnislos auf den Bildschirm.
»Das war ein sogenannter Bust, ich habe mich überkauft und mehr als einundzwanzig Punkte. Der letzte Einsatz ist weg.«
Nun spielte Sonja vorsichtiger weiter, was zwar den Kontostand hielt, aber nicht vermehrte. So kann das nicht weitergehen, dachte sie und verdoppelte den Einsatz, als sie eine Zehn bekam. Sie hielt den Atem an, während sie auf die zweite Karte wartete. Wenn sie nun einen kleinen Zahlenwert erhielt, würde sie wahrscheinlich verlieren, da sie nur noch eine Karte bekommen konnte. Das war der Preis für die Verdopplung, die eben im Gewinnfall auch mehr einbrachte. Die zweite Karte war ein Bube. Jetzt muss nur noch der Dealer unter Zwanzig bleiben, hoffte sie. Tatsächlich hatte der Geber in dieser Runde nur neunzehn Punkte und sie strich den doppelten Gewinn ein. Nach einem tiefen Durchatmen ging es in die nächste Partie.
Wie viel Zeit verstrichen war, wusste Sonja nicht, als ein goldener Schriftzug auf dem Display aufblinkte.
»Du hast es geschafft!«, jubelte Marie. Sie hatte im Gegensatz zu Sonja gelesen, dass dort zur Verdopplung des Startkapitals gratuliert wurde. »Wow, war das spannend!«
Ein Ton meldete eine eingegangene Mail und ein Fenster öffnete sich, um anzuzeigen, dass die Eintrittskarte zum Turnier angekommen war.
Marie fiel ihr um den Hals. »Dann werden wir dich mal herausputzen. Komm!«
Sonja folgte ihrer Freundin langsam in ihr Schlafzimmer. Marie schob bereits die Bügel auf dem Kleiderständer hin und her. Einen Schrank gab es nicht mehr.
»Das brauchst du unbedingt für das Dinner am Samstagabend.« Sie hielt ein rotes Cocktailkleid in der Hand. Ausgerechnet. In dem Kleid hatte Sonja damals geheiratet. Ihr erster Impuls war, das Ding zu nehmen und es in den Müll zu werfen, aber dann hätte sie nichts, um gegebenenfalls am Dinner teilzunehmen. Ein neues Kleid war auf keinen Fall drin.
»Hier sind auch die passenden Schuhe, Handtasche. Was ist mit einer Strumpfhose?«
Die Frage war berechtigt, schließlich trug Sonja fast nie Kleider oder Röcke. Für den besonderen Anlass damals hatten es halterlose Strümpfe sein müssen. Auch die lagen noch in einer unscheinbaren Schachtel; trotz aller Erinnerungen waren sie so teuer gewesen, dass Sonja sie nicht hatte entsorgen mögen.
»Wow. Habe ich dich jemals in diesen Sachen gesehen?«
Ein Kopfschütteln. Sonja war gerade nicht nach Reden, was Marie bemerkte und mit einer kurzen Umarmung quittierte, bevor sie sich wieder der Kleiderstange zuwandte.
Schließlich lagen zwei Hosenanzüge mit passenden Blusen, Ballerinas und eben jenes Cocktailkleid mit den zugehörigen Accessoires auf dem Bett.
»So müsste es gehen.«
»Ein Schlafanzug fehlt noch.«
Marie lachte. »Dann traust du dir also doch zu, ins Finale zu kommen?«
Ein Schulterzucken.
»Na komm, ich lade dich heute zum Essen ein und morgen früh bringe ich dich zum Bahnhof.«
Dann komme ich nicht zum Grübeln und fahre auch sicher dorthin. Sonja verstand die unausgesprochenen Hintergedanken der Freundin und war froh darüber.
Beim Essen in der kleinen Pizzeria an der Ecke kam die angekündigte Mail des Veranstalters. Der Ablauf war angehängt, aber den würde Sonja sich während der Zugfahrt morgen anschauen.
Wie vereinbart, klingelte am nächsten Morgen Marie mit einer Brötchentüte und zwei Kaffeebechern an der Tür, und ließ ihren Blick über Sonja gleiten. Mit einem anerkennenden Nicken bestätigte sie Sonjas eigene Einschätzung.
Der Hosenanzug stand ihr ausgezeichnet. Die langen Beine wurden durch das dunkle Blau betont und wirkten noch schlanker, als sie es ohnehin waren. Die Bluse war eng und umschmeichelte Sonjas Figur, gleiches galt für den kurzen Blazer.
»So kann ich dich auf die Menschheit loslassen«, verkündete Marie, nachdem sie ihre Freundin auf jede Wange geküsst hatte.
»Ich wäre ja gerne Mäuschen«, ergänzte sie, »wenn du in dem Aufzug schon so viel hermachst, würde ich dich gern in dem Kleid sehen. Den Männern an deinem Spieltisch wird es schwerfallen, sich auf ihr Blatt zu konzentrieren.«
»Auch Frauen spielen«, wandte Sonja ein und wies auf sich, »und wenn Profis dabei sind, wird sie nichts aus der Fassung bringen können.«
»Trotzdem kann es nicht schaden, wenn du noch einen Knopf deiner Bluse öffnest.« Unbefangen nestelte sie an dem besagten Knopf und grinste anerkennend. »Schicker BH.«
»Lass das. Erst einmal muss ich den Zug erreichen. Ich möchte auch keine Missverständnisse hervorrufen, weder unterwegs noch beim Empfang.«
»Ich möchte ja auch nicht, dass dich die Sitte wegen unerlaubter Prostitution im Nobelhotel gleich einkassiert.«
Sonja verdrehte die Augen.
»Aber du solltest die Möglichkeit im Hinterkopf haben. Wenn es heiß wird, kannst du beiläufig den Knopf öffnen und deine Gegner mit deinen Mädels da ablenken.« Marie deutete auf den offenen Ausschnitt, den Sonja gerade wieder zuknöpfte.
Schwatzend ging sie hinunter zu Maries Auto, den kleinen Koffer in der Hand, und Sonja war froh über die Ablenkung, die ihre Freundin ihr bot. So brauchte sie nicht über das bevorstehende Wochenende nachzudenken.
Das Gedankenkarussell startete fast zeitgleich mit dem Zug. Nach dem letzten Blick auf Marie, die euphorisch und mit Daumen nach oben winkte, lehnte sich Sonja in das Polster zurück. Auf dem Smartphone las sie nun in Ruhe die Anhänge der zweiten Bestätigungsmail.
Neben dem zeitlichen Ablauf waren noch einmal die Regeln aufgeführt, nach denen Blackjack gespielt werden würde. Sonja entdeckte nichts Neues.
Etwas entspannter hob sie den Kopf und blickte aus dem Fenster. Es war eine Weile her, seit sie mit ihrem Ex gemeinsam Stammgast im Casino gewesen war. Während er den Roulettetisch oder das Würfeln vorzog, hatte es sie immer wieder zu den Karten gezogen. Und im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann hatte sie stets mit einem klaren Limit gespielt. Sobald der Einsatz weg war, hatte sie aufgehört. Einige Male hatte sie auch im Casino ihr Geld vermehrt und sich gefreut, aber alles in allem war es eine Nullnummer gewesen – bei ihr. Sie hatte zwar bemerkt, dass Nick deutlich risikofreudiger, aber nicht, wie weit er tatsächlich gegangen war. Nach außen hatte er sich immer als smarter Geschäftsmann gezeigt, der alles im Griff hatte und doch hatte er sich übernommen, weit mehr verspielt, als er besaß.
Entschlossen verstaute sie das Smartphone in der Handtasche und ließ den Blick über die Mitreisenden im Abteil wandern. Gegenüber saß ein Herr im Anzug, der sie interessiert beobachtete. Als sie nun zurückblickte, nickte er ihr lächelnd zu und schaute dann aus dem Fenster.
Auch Sonja blickte auf die vorbeifliegende Landschaft und ließ ihre Gedanken treiben.
Als sie Nick kennengelernt hatte, hatte er sie sofort beeindruckt. Er war so weltmännisch, so versiert aufgetreten. Das Gegenteil von ihr, die sich immer schnell begeistern ließ, und damals eher flippig gewesen war. Seine Ruhe hatte ihr gutgetan. Sie hatte an die große Liebe geglaubt.
Die große Liebe für drei Jahre.
War sie blöd gewesen! Heirat, den Job gekündigt, um sich ganz um ihren Traummann kümmern zu können, der Wunsch nach einem gemeinsamen Baby, das nicht kommen wollte. Rückblickend war sie erleichtert und froh, nicht auch noch ein Kind versorgen zu müssen. Solange sie in der Eigentumswohnung lebte, reichte der Minijob für die laufenden Kosten, aber jetzt? Die Wohnung war zwangsversteigert und musste geräumt werden. Eine neue Bleibe hatte sie noch nicht finden können, bezahlbarer Wohnraum war knapp in Köln. Einen neuen Job brauchte sie auch, einen, der ihr half, die drückenden Schulden abzubauen.
Mit einem Schnauben schob sie die Sorgen um Wohnung und Geld beiseite und lächelte ihrem Gegenüber entschuldigend zu, der sie wegen des Geräusches irritiert musterte. Etwas verlegen gab sie vor, die Mitreisenden im Gang zu beobachteten, und richtete ihre Gedanken auf das Blackjack-Turnier. Sie war ihrer Freundin dankbar, sie mit dieser verrückten Idee aus Köln herausgeführt zu haben. Für die nächsten Stunden – oder Tage? – war sie nicht die gescheiterte Ehefrau, sondern … ja was eigentlich? Sonja richtete sich auf. Sie würde als selbstbewusste Zockerin auftreten, ihr Pokerface einsetzen, an dem sie lange gearbeitet hatte, weil Nick immer meinte, sie sei so leicht zu durchschauen.
Vom Hauptbahnhof Frankfurt ging es mit der Straßenbahn weiter, drei Stationen später stieg sie an der Haltestelle Festhalle, Messe aus. Auf dem Vorplatz ließ sie das historische Gebäude auf sich wirken und schaute zur Kuppel hoch.
Sie haben ihr Ziel erreicht, hallte es durch ihren Kopf. Mit einem Grinsen durchschritt Sonja den Eingang und gab zunächst ihr Gepäck an der Garderobe ab. Erst danach machte sie sich zur Anmeldung auf. Mit ihrem Teilnehmerausweis verschaffte sie sich einen Überblick, wo ihr erstes Spiel stattfinden würde.
Weil bis zum großen Start noch Zeit war, stieg sie die Treppen zum ersten Rang hinauf, um sich die Festhalle anzuschauen. Die eiserne Dachkonstruktion aus dem letzten Jahrhundert war beeindruckend, und sie ließ den riesigen Raum auf sich wirken. Tageslicht drang durch die Kuppel und leises Gemurmel, sowie das Geraschel unzähliger Füße umfingen sie während ihrer Besichtigung. Sie war überrascht, wie viele Menschen hier waren. Der Blick nach unten offenbarte zahllose Spieltische, die darauf warteten, besetzt zu werden. Da die erste Runde in mehreren Schichten gespielt werden würde, mussten es weit über tausend Spieler sein. Beeindruckt, aber fest entschlossen, sich nicht entmutigen zu lassen, machte sie sich wieder auf den Weg hinunter ins Foyer. Hier nahm die Geräuschkulisse nochmals zu.
Das Erdgeschoss der Festhalle, in dem die Spieltische aufgebaut waren, war noch gesperrt und so warteten die meisten Spieler, weitere kamen oder drängten sich zu den Treppenaufgängen durch, um die erste Runde aus dem Rang zu verfolgen. Sonja bot sich ein buntes Bild. Erwachsene aller Altersklassen und in den unterschiedlichsten Outfits waren zusammengekommen. Direkt neben ihr standen einige jugendlich wirkende Männer beisammen und überspielten ihre Nervosität mit flapsigen Sprüchen. Sie trugen Jogginghosen und weite T-Shirts. Sonja konnte nicht verstehen, was sie sprachen, aber das Gelächter war deutlich zu hören. Es gab vereinzelt Teilnehmer, die gemäß der Kleiderordnung für Casinos gekleidet waren. Strenggenommen war Sonja dies selbst nicht, aber die Vorstellung, vormittags in einem Kleid in dieser Menschenmasse zu stehen, erheiterte sie. Die wenigen Frauen, die sie von ihrem Standort ausmachen konnte, trugen gehobene Freizeitkleidung. Und ihr Hosenanzug hatte in den früher besuchten Casinos in Duisburg oder Aachen kein Aufsehen erregt.
Dann kam Bewegung in die Menge. Die Türen wurden geöffnet und die Spieler strömten in den Saal. Sonja wartete, bis das Gedränge nachließ, bevor sie sich auf den Weg machte. Sie musste fast auf die andere Seite und passierte auf ihrem Weg viele Spieltische, an denen die Teilnehmer von den Croupiers begrüßt wurden.
Schließlich nahm sie selbst Platz und musterte ihre Mitspieler für die erste Runde. Eine bunte Mischung setzte sich nach und nach an ihren Tisch. Vom Milchbart mit Jeans und T-Shirt, über zwei Männer in ihrem Alter, bis hin zu einem gepflegten Herrn im Anzug, der überheblich lächelnd ebenfalls die anderen beobachtete, während er sich durch den ergrauten Dreitagebart strich.
Kurz kreuzten sich ihre Blicke, dann trat der Croupier heran und bereitete sich mit den letzten Handgriffen auf die kommende erste Spielrunde vor. In diesem Moment knackte es in den Hallenlautsprechern.
»Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie im Namen des Fremdenverkehrsverbandes, sowie der Casinogesellschaft und der Sponsoren zum ersten Blackjack-Turnier der Stadt Frankfurt. Mit der Anmeldebestätigung sind Ihnen die Spielregeln und Abläufe zugekommen. Wir starten mit einem zentralen Signal und Sie bekommen zunächst das einheitliche Startkapital ausgehändigt. In vorgegebener Weise werden Sie an drei Tischen zunächst Ihr Kapital einsetzen und so die Vorrunde bestreiten. Am Ende der drei Spielrunden gibt es Erfrischungen im Foyer, während im Hintergrund die Auswertung vonstattengeht, und so werden Sie frisch gestärkt in die Zwischenrunde starten können. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachmittag.«
Kaum, dass die Ansprache beendet war, fand Sonja einen sorgfältig geschichteten Stapel Jetons vor sich, wie sie ihn nun auch bei den anderen entdeckte. Der Croupier an ihrem Tisch schob gerade dem Milchbart die Spielmarken zu, der sie gekonnt durch die Finger gleiten ließ.
»Wenn Sie bereit sind, werden wir nun starten.« Die letzten Worte gingen im Heulen einer Sirene unter, die den Beginn des Turniers markierte. Alle schoben ihre Einsätze in die Tischmitte und bekamen ihre Karten. Der Spieler rechts neben Sonja verlangte eine weitere. Sie selbst hatte einen König und eine Acht, und verzichtete daher, denn mit achtzehn Punkten war sie den angestrebten einundzwanzig sehr nahe. Nach und nach wurde weiter ausgeteilt und schließlich deckte der Dealer seine zweite Karte auf. Die Bank hatte einen Blackjack.
Sonjas erster Einsatz war also verloren. Milchbart und der ältere Herr hatten ebenfalls einen Blackjack und hielten ihre Einsätze.
Einige Spiele später hatte Sonja zumindest ihr ursprüngliches Guthaben wieder erreicht und kurze Zeit danach verkündete die Sirene das Ende der ersten Spielrunde. Sonja nahm ihre Jetons und nickte den anderen zum Abschied zu. Zwei Tische weiter würde sie ihre nächste Runde bestreiten.
Nach der anfänglichen Aufregung hatte sich in Sonja ein Gefühl von Routine ausgebreitet. Sicher, der letzte Casinobesuch lag lange zurück, aber sie hatte mit ihrem Ex regelmäßig gespielt. Auch wenn die Atmosphäre in der Stadthalle vollkommen anders war, als in einem Casino, so war es doch das gleiche Spiel. Was sie zunächst sehr abgelenkt hatte, war der hohe Geräuschpegel. Zwar wurde nicht laut gesprochen, kommentiert oder gar applaudiert, aber die große Menschenmenge erzeugte einen ungewohnten Lärm. Ständig war Geraschel oder Husten zu hören und auch die leisen Gespräche zwischen Kartengeber und Spieler summierten sich bei so vielen Tischen. Hinzu kam das Gemurmel von den Zuschauern aus dem Rang von oben. Wie viel angenehmer war da die leise gepflegte Atmosphäre bei zwei bis fünf Blackjack-Tischen in einem Casino.
Die zweite Runde beendete sie dann auch mit einem deutlichen Plus, das sie in der dritten schließlich halten konnte. Am Ende gaben alle Spieler ihre Jetons dem Dealer, der die Gewinne in ihrem Beisein säuberlich notierte.
Im Foyer drängte sich die Mehrzahl der Teilnehmer um die Tische, an denen belegte Brötchen verkauft wurden.
Sonja ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und entschied sich dann für einen Kaffee. Am Stand zu ihrer Rechten war die Schlange überschaubar und so stellte sie sich an. Sie bekam bald den bestellten extragroßen Latte Macchiato überreicht und drehte sich nach einem kurzen Dank schwungvoll um. Unmittelbar hinter ihr stand jemand im dunklen Anzug, gegen den sie nun mit ihrem Arm stieß. Der Kaffee spritzte hoch.
»Oh, punaise!«, der Fremde schreckte zurück, um dem Kaffeeschwall auszuweichen.
Auch Sonja wich zurück, während sie ihr Gegenüber entsetzt anstarrte. Das Platschen des Kaffees ließ sie den Blick senken. Zwar hatte die heiße Flüssigkeit ihn nicht direkt getroffen, aber seine Schuhe bekamen gerade milchkaffeefarbene Tupfen.
»Oh Gott! Es tut mir leid, ich …« Was stammelte sie denn da? »Moment.« Sie drückte dem verdutzten Mann ihren Kaffeebecher in die Hand und nahm sich vom Tresen eine Handvoll Servietten. Einige legte sie in die Kaffeepfütze, bevor sie vorsichtig, um nicht selbst auszurutschen und in die Lache hineinzufallen, seine Schuhe säuberte. Dann schob sie die vollgesaugten Papiertücher zusammen und wischte noch einmal nach. Im Aufstehen musterte sie sowohl seine als auch ihre Hose und warf die nassen Servietten in den Müll.
»Es tut mir wirklich sehr leid«, wiederholte Sonja, »zumal ich augenscheinlich weniger abbekommen habe als Sie.«
»Da haben Sie wohl recht. Es hätte aber schlimmer kommen können.«
»Darf ich?«, sie deutete auf den Kaffeebecher in seiner Hand.
Sonja bekam ihren deutlich geleerten Becher von ihm zurück und streckte ihm ihre Hand entgegen: »Mein Name ist Sonja Reinhard, soll ich für die Reinigung aufkommen?«
Überrumpelt schüttelte er ihre Hand. »Es ist ja nichts weiter passiert und meine Schuhe sind schon wieder sauber.« Mit einem Auflachen zeigte er darauf. »Sind Sie immer so effizient?«
»Wie bitte?«
»Vom Zusammenstoß bis zur vollständigen Beseitigung des Malheurs waren es«, er schaute demonstrativ auf seine Uhr, »gerade mal zwei Minuten.«
Jetzt musste auch Sonja grinsen. »Vielleicht ist ja etwas dran, was ich mal gelesen habe: Damit ein Kaffee wirkt, sollte man ihn nicht trinken.«
»Sondern?«
»Im Original wurde empfohlen, ihn über seine Computertastatur zu gießen. Ein fremder Anzug samt Schuhen wirkt wohl ähnlich.«
Er schmunzelte. Sonja sah seine dunklen Augen leuchten. Erst jetzt nahm sie sich Zeit, ihn genauer zu betrachten. Dunkelbraun waren die Augen, umgeben von feinen Lachfältchen. Passend zu seinem dunklen Teint trug er sein schwarzes Haar leicht lockig, wenn auch sehr kurz.
»Hassan Djamali, angenehm. Darf ich Ihnen einen neuen Becher kaufen?«
Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch immer seine Hand hielt. Etwas verlegen ließ sie ihn los und schüttelte ablehnend den Kopf.
»Nein, danke. Nachdem ich Sie angerempelt habe, sollte ich wohl eher Ihnen einen Kaffee anbieten.« Er winkte jedoch ab.
Sie lächelte ihm noch einmal entschuldigend zu und drehte sich um.
Während er seinen Kaffee bestellte, schlenderte Sonja zum Ausgang der Halle, um frische Luft zu schnappen. An der Tür kam ihr jedoch der Qualm der Raucher entgegen, die eng gedrängt zusammenstanden, um dem Rauchverbot zu entgehen. Also drehte sie ab, trank mit zwei Schlucken ihren Becher leer und beschloss, die Toiletten aufzusuchen.
In der Rückschau auf den Zusammenstoß schnaubte sie leise. Sie hatte also immer noch eine Schwäche für braune Augen. Sein Blick hatte sie einen kurzen Moment ihre Umgebung vergessen lassen. Selbst jetzt noch musste sie schlucken, als sie sich an sein Gesicht erinnerte. Dieses warme Braun der lachenden Augen, aufmerksam hatten sie geschaut und interessiert. Ach was, schalt sie sich selbst. Er wird wohl vor allem froh sein, dass nichts passiert ist. Schlanke Hände hatten glatt und warm ihre umfasst. Hassan war ein arabischer Name, aber geflucht hatte er auf Französisch.
♥♥♥
Hassan schaute ihr mit seinem Espresso in der Hand nach. Als sie aus seinem Blickfeld verschwand, erinnerte er sich an das Bild, als sie vor ihm hockend seine Schuhe abgewischt hatte. Sie hatte ihn mit dieser spontanen und schnellen Aktion vollkommen überrascht. Das gelang anderen nur selten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihm ihren Kaffeebecher in die Hand gedrückt hatte, grenzte an Frechheit. Dann die Wandlung in ihrem Gesicht. Im Moment des Zusammenstoßes waren ihre Augen riesengroß geworden. Grau waren sie und standen in scharfem Kontrast zu den dunkelblonden Haaren. Die Erleichterung über den glimpflichen Ausgang und sein Eingehen auf ihre schlagfertigen Bemerkungen hatten ihr Gesicht aufleuchten lassen.
Ein hübsches Gesicht, das zu keinem einzigen Augenblick Ablehnung hatte erkennen lassen. Offen und freundlich war sie ihm begegnet. Er mochte Schlagfertigkeit. Ob er dieses Wochenende auch dazu nutzen sollte, eine Frau kennenzulernen? Er hatte bisher keine feste Beziehung gesucht, war zu viel in Europa herumgereist, aber vielleicht wurde es ja Zeit, nach einer passenden Partnerin Ausschau zu halten? Als er sich im Foyer umsah, verwarf er den Gedanken aber wieder. Er sah nur wenige Frauen und bezweifelte, dass die Liebe zum Glücksspiel als Basis für eine Beziehung geeignet war.
Bis zur Bekanntgabe der Spielergebnisse würde es noch eine ganze Weile dauern. Hassan schlenderte zum Treppenaufgang, um das Spielgeschehen von oben zu verfolgen. Beim Erreichen des ersten Rangs blieb er jedoch stehen und schaute nach oben. Die Eisenkonstruktion der ovalen Kuppel erinnerte ihn an den Eiffelturm. Er hatte gelesen, dass die Festhalle über hundert Jahre alt war.
Als er den Kopf senkte, um nach unten zu schauen, stand unversehens die Frau im Hosenanzug vor ihm. Sonja Reinhard, wiederholte er ihren Namen still. Auch sie hatte sich anscheinend entschlossen, dem Spiel im Erdgeschoss zuzuschauen. Die Tatkraft, die sie ihm demonstriert hatte, war ihr auch jetzt anzumerken. Sie hatte Stil und hob sich aus der Menge, die bei diesem Turnier teilnahm, ab. Der dunkle Hosenanzug kontrastierte zu ihrem Haar. Er vermutete, dass es ihre natürliche Haarfarbe war, zumindest kannte er keine Frau, die ihr Haar dunkelblond färbte, hellblond oder rot, das ja, aber gerade diese auf den ersten Blick unscheinbare Farbe gefiel ihm. Unter dem kurzen Blazer sah er lange Beine und einen knackigen Po. Er schielte auf ihre Schuhe: farblich passende Ballerinas. Sie mochte es also bequem und war so vernünftig, sich auf weite Wege hier in Frankfurt einzustellen. Ob sie wohl mit dem Zug angereist war?
Vorsichtig ließ Sonja ihren Kopf kreisen.
»Verspannt?« Hassan war neben sie an die Balustrade getreten.
»Ein wenig.« Sie lächelte ihn erkennend an. »Das frühe Aufstehen, die Zugfahrt hierher, aber es ist auszuhalten.«
»Hatten Sie eine weite Anreise?«
Sonja schaute ihn prüfend an, bevor sie ein Kopfschütteln andeutete. »Nein, von Köln bis hierher war es im ICE nur etwas mehr als eine Stunde.«
Hassan bemerkte Interesse in ihrem Blick, was ihm nicht unangenehm war.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?« Sie hatte sich zu ihm umgedreht und schaute nun zu ihm auf.
Überrascht deutete er ihr an, dass er keine Einwände hätte.
»Ihr Name klingt arabisch, aber im ersten Moment sprachen Sie Französisch, wie passt das zusammen?«
Sie hatte sich Gedanken über ihn gemacht? Er fühlte sich geschmeichelt.
»Für den Fluch muss ich mich entschuldigen.« Er legte seine Rechte auf sein Herz und deutete eine Verbeugung an. »Meine Familie stammt ursprünglich aus Marokko, aber aufgewachsen bin ich in Paris.«
»Haben sie Deutsch in der Schule gelernt? Ich hätte nicht vermutet, dass Sie kein Muttersprachler sind.«
»Vielen Dank, das würde meine Lehrerin, Madame Martin, sehr glücklich machen. Sie hat mich für dieses wunderbare Land und die Sprache begeistert.«
Sonja stand nun an die Balustrade gelehnt neben ihm. Sie legte den Kopf leicht zur Seite und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. So kam ihr schlanker Hals zur Geltung, wobei ihre Bewegungen natürlich wirkten, frei von jeder Absicht.
»Ich stelle es mir schwer vor, Deutsch zu lernen. Allein die drei Geschlechter mit den Artikeln, die alle dekliniert werden, dazu die unzähligen Verbformen mit ihren Ausnahmen.«
Hassan hing an ihren Lippen. Ihm gefiel ihre Stimme, die ruhig war, eher tief und selbst in dem Moment, als sie im ersten Schreck über den Zusammenstoß nur gestammelt hatte, nicht schrill geworden war.
»Es lag eine gewisse Herausforderung darin. Aber ich habe durch die Beschäftigung mit der deutschen Grammatik auch meine eigene Sprache verstehen gelernt. Das Geheimnis des Unterrichts bei Madame Martin war, dass sie uns sprechen ließ, sie hat uns abverlangt, uns auf Deutsch zu aktuellen Themen zu äußern. So schwer mir dies zu Beginn fiel, so dankbar bin ich ihr für ihre Beharrlichkeit. Außerdem ist es ihr gelungen, meinen Ehrgeiz zu wecken.«
»Sind Sie sehr ehrgeizig?«
»Ja, das bin ich. Aber ich vermute, dass auch Sie hergekommen sind, weil sie gewinnen wollen.« Er lächelte sie an, um seine Worte abzumildern. Ruhig hielt er aus, dass sie ihn nachdenklich musterte.
»Dann hoffe ich, dass wir uns nicht am Spieltisch begegnen.«
»Nicht vor der Finalrunde zumindest«, bekräftigte Hassan.
»Dann haben wir also eine Verabredung?« Sie streckte ihm mit einem frechen Grinsen ihre Hand hin.
Lachend schlug er ein. »Ja, die haben wir.«
»Gut.« Sie löste ihre Hand aus seiner. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.«
Bedauernd trat er zur Seite, um sie vorbeizulassen, und schaute ihr nach, wie sie den Rang verließ. Sie gefiel ihm.
♥♥♥
Als Sonja die Treppe verlassen hatte, reihte sie sich in den Strom derjenigen ein, die im Foyer die ausgehängten Ergebnisse der ersten Spielrunde einsehen wollten.
Da sie wusste, wie viel sie erspielt hatte, schaute sie gar nicht erst auf die vorderen Blätter. Sie kontrollierte, bis zu welchem Betrag Spieler in die zweite Runde gelangt waren – bei ihr war es reichlich knapp. Auf ihrem Weg zurück an die Spieltische überdachte sie ihre Strategie. Wenn sie eine ernsthafte Chance haben wollte, musste sie dringend offensiver spielen.
Von nun an wurden an den Tischen Eleminationsrunden gespielt. Wer den geringsten Gewinn verzeichnete, schied aus. Sonja gelang es, zweimal einen mittleren Platz zu belegen. Dann wurden die Gruppen neu eingeteilt. So kam es, dass sie dem Milchbart aus der ersten Spielrunde wieder begegnete. Dieser wirkte nicht mehr so ruhig wie zu Beginn. Als er mehrmals nacheinander verlor, fluchte er verhalten. Als Schlusslicht der Runde fürchtete er zu Recht, eliminiert zu werden. Nach einer Fünf und einer Sieben verlangte er eine weitere Karte. Als Nächstes erhielt er eine Zwei. Die anderen Spieler hatten höhere Werte und so verlangte er eine weitere Karte. Mit einer Acht bustete er und verließ frustriert den Tisch.