Auf leisen Sohlen - Anne Lay - E-Book

Auf leisen Sohlen E-Book

Anne Lay

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Beschreibung

Frisch getrennt, findet eine junge Frau plötzlich ihre Autoreifen zerstochen vor. Wer steckt dahinter? Wie schnell gerät jemand unter Verdacht, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist? Ausgerechnet am Morgen des 24.12. verschwindet die kleine Sophie spurlos. Was steckt hinter den Ängsten, die eine erwachsene Frau von ihrem eigenen Keller fernhalten? Antworten auf diese Fragen gibt es in Kurzform.

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Anne Lay

Auf leisen Sohlen

Kurzkrimis aus NRW

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

... und Klaus ist ein Schwein.

Unter Verdacht

Tabea

Dunkel

Das Fest der unschuldigen Kinder

Weitere Werke der Autorin

In Kürze

Impressum neobooks

... und Klaus ist ein Schwein.

Mein letzter Abend in Leverkusen. Endlich. Der Schlussstrich unter einer durch und durch unerfreulichen Geschichte. Während ich ein letztes Mal auf meinem Balkon sitze und den Blick über den Rhein streifen lasse, gehen mir die letzten Monate noch einmal durch den Kopf. Ob ich diesen Mist je überwinden werde?

„Du willst dich von mir trennen? Das schaffst du niemals. Du brauchst mich.“

Mit vorgeschobener Hüfte kommt Klaus auf mich zu. Er verkörpert Lässigkeit, Überlegenheit.

„Babe“, jetzt klingt seine Stimme schmeichelnd dunkel. Genau diese Stimme war es, auf die ich reagiert hatte vor zwei Jahren. Dieser Samt, der mich umhüllte, eine Gänsehaut erzeugte. Sanft legt er seine Hand an meine Wange und streichelt über meine Haut. „Ich spüre doch, wie sehr du mich willst. Du bist doch meine Kleine.“

Er versucht, mir einen Kuss zu geben. Das hätte er nicht tun sollen. Wenn er zärtlich gewesen wäre, einmal ohne zu fordern, einmal nur der Gebende, der hält, in den Arm nimmt, ich wäre wieder schwach geworden.

„Geh.“ Meine Stimme ist leise, aber fest.

Noch einmal versucht er, Blickkontakt zu mir aufzubauen. Sanft hebt er mein Kinn an, sein Daumen streicht langsam zum Ohr, seine Finger liegen in meinem Nacken. Wie oft hat er mich genau so in sein Bett gelockt, Zärtlichkeiten vorgespielt und hinterher nur an sich gedacht. Auch jetzt reagiert mein Körper auf die sanfte Berührung, hat immer noch nicht begriffen, dass diesem kurzen Vorgeplänkel immer nur eines gefolgt ist. Eine kurze, schmerzhafte Vereinigung, gekrönt mit der Frage, ob er es mir gut besorgt hätte. Ich verfluche meinen verräterischen Körper und strecke mich, ziehe die Schultern kämpferisch nach hinten.

„Lass’ mich in Ruhe und geh!“

„Du meinst es also wirklich ernst?“Abschätzend lässt er seinen Blick über mein Gesicht gleiten. „Du wirst es bereuen. Auf den Knien wirst du angekrochen kommen.“Als ich nicht reagiere, bröckelt seine überhebliche Fassade.

„Also gut, ich gebe dir eine Woche, dann wirst du so weit sein. Wir sehen uns ... du weißt ja, wo ich wohne.“ Sein Kuss geht ins Leere, weil ich mich abwende.

„Geh.“ Normale Lautstärke, kalt im Ton. Unbewegt schaue ich ihn an, blinzle nicht.

„Bis dann“, er streicht mir mit den Fingerknöcheln über die Wange und endlich, endlich geht er.Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, atme ich zitternd aus. Ich fühle mich, als hätte ich einen Halbmarathon hinter mir. Mit geschlossenen Augen sinke ich in mich zusammen, lege die Hände vor mein Gesicht.

Ich fühle - nichts. Weder Erleichterung, noch Trauer, zum Glück, scheinbar bin ich zu erschöpft, um noch etwas zu empfinden. Schleppend gehe ich zur Tür und lege den Riegel vor. Nachdem ich zweimal abgeschlossen habe, lehne ich mich einen Augenblick mit dem Rücken dagegen.

Nach einer unruhigen Nacht verlasse ich am Morgen das Haus. Bis zur Hitdorfer Straße sind es einige Meter, die ich frierend zurücklege. Es weht ein kalter Wind und ich ziehe meinen Schal fester.

Neben meinem Wagen steht ein älterer Herr mit seinem Dackel. Kopfschüttelnd beschaut er sich mein Auto und ich folge irritiert seinem Blick. Ein platter Reifen, nein, zwei.

„Frollein, is dat etwa Ihr Wagen?“ Sein rheinischer Singsang lässt mich aufschauen.

„Ja.“ Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Entsetzt starre ich nun wieder auf die Reifen.

„Isch will se ja nit beunruhijen, äwwer die sehen alle vier so aus.“

„Wie bitte?“

„Die Reifen, alle vier sauber zerstochen. Da scheint Sie jemand nicht zu mögen.“ Er bemüht sich nun, hochdeutsch zu sprechen.Nach einer Schrecksekunde haste ich auf die andere Seite, zum Glück ist um diese Zeit wenig Verkehr, aber das fällt mir nur am Rande auf. Tatsächlich, alle Reifen sind platt und bei näherem Hinsehen entdecke auch ich jetzt die Schnitte. Verdammt!

Entnervt krame ich nach meinem Handy. Ob mein Schutzbrief auch in dieser Situation hilft?

Kurze Zeit später habe ich mit der freundlichen Stimme am anderen Ende vereinbart, dass mein Auto abgeholt und in der nahegelegenen Vertragswerkstatt mit neuen Reifen ausgestattet wird.

„Wollen Sie nicht die Polizei verständigen? Dat is doch Sachbeschädigung.“ Der freundliche Herr steht immer noch da, sein Dackel schnüffelt neugierig an einem Reifen.

„Was sollen die denn machen? Sicher werde ich Anzeige erstatten, aber wer auch immer das war, der hat sich wohl kaum dabei beobachten lassen.“

Sicherheitshalber schieße ich aus mehreren Perspektiven Fotos. Mist, ich müsste längst im Büro sein.

Während der Arbeit erhalte ich von meiner Werkstatt die Nachricht, dass ich den Wagen um halb sechs abholen kann. Der Preis der vier Reifen lässt mich tief durchatmen. Das wäre der Urlaub gewesen. Im Geiste nehme ich Abschied von der Woche Spanien.

Abends klingelt mein Telefon. Als ich rangehe, meldet sich niemand. Nach fünf weiteren Anrufen schalte ich das Gerät aus. Auch das Handy meldet sich, aber dieses Mal hab ich weniger Geduld. Gleich nach dem ersten Mal schalte ich es ab.

Ob Klaus dahintersteckt? Zwei Jahre waren wir zusammen. Sicher, er hatte seine Fehler, aber Telefonterror? Das war eigentlich nicht sein Stil. Müde kontrolliere ich die Wohnungstür und falle erschöpft ins Bett.

Dieses Mal habe ich meinen Wagen in einer Querstraße der Hitdorfer geparkt. So muss ich noch ein Stück weiter laufen. In der Concordiastraße angekommen, traue ich meinen Augen nicht. Der erste Reifen, den ich zu Gesicht bekomme, ist zerstochen. Alarmiert lege ich die letzten Schritte zum Fahrzeug zurück und umrunde es langsam. Das kann doch nicht sein. Zwei Tage nacheinander, in verschiedenen Straßen. Ein Blick auf die Wagen vor und hinter meinem zeigt, dass deren Reifen intakt sind.

Ich schlucke die Tränen, die mir in die Augen steigen wollen, mühsam hinunter und atme kontrolliert einige Male. Ein - eins, zwei, drei - aus - eins, zwei, drei. Dann habe ich mich so weit gefasst, dass ich bei meinem Automobilclub anrufen kann. Wieder vereinbare ich, wohin mein Auto zur Reparatur gebracht werden soll, und nehme den Bus zur Arbeit, sobald der Abschleppwagen da ist. Gestern war mein Abteilungsleiter nicht begeistert, daher rufe ich an, um mitzuteilen, dass ich wieder etwas später komme, und schlucke zähneknirschend die Mitteilung, dass dies dann ja wohl einem halben Tag Urlaub entspreche. Geld zum Verreisen habe ich ohnehin keins mehr, also wozu Urlaub, schießt es mir durch den Kopf.

Abends geht das Telefon. Als ich rangehe, meldet sich wieder niemand. Als ich kurz darauf selbst anrufen will, ist kein Freizeichen zu hören. Zum Glück habe ich ja noch das Handy, das kurz darauf klingelt.

Weil ich keine Nummer auf dem Display sehe, nehme ich sicherheitshalber nicht ab. Stattdessen schalte ich es aus, und versuche zu schlafen.

Die Türglocke schreckt mich auf, es ist, wie mir ein Blick auf den Wecker mitteilt, gerade zwei Uhr. Wer klingelt denn um diese Zeit?

Als es noch einmal schellt, tappe ich zur Wohnungstür und nehme leise den Hörer der Gegensprechanlage in die Hand. Ist das leises Atmen? Ich bin mir nicht sicher und hänge ebenso vorsichtig wieder ein, um kein Geräusch zu verursachen. Leider habe ich kein Fenster zur Straße, nur meinen Balkon zum Garten, zum Glück in der zweiten Etage. Vom Schlafzimmerfenster spähe ich hinunter, erkläre mich gleichzeitig für verrückt, da der Garten von einer hohen Mauer umgeben ist. Ich selbst hatte mich einmal ausgesperrt und war an der Mauer gescheitert bei dem Versuch, durch die Kellertür ins Haus zu kommen.

Als es ein drittes Mal klingelt, zucke ich zusammen. Fröstelnd stehe ich am Fenster, unbewegt, und starre in die Dunkelheit. Die Lichter auf dem Rhein ziehen meinen Blick an. Langsam werde ich wieder ruhiger und schließlich zieht es mich zurück ins Bett. Inzwischen sind zwei Stunden vergangen. Noch eine Weile grüble ich über die vergangenen Tage nach, bevor ich langsam in den Schlaf gleite.

Der Himmel scheint es nicht gut mit mir zu meinen. Als ich am nächsten Morgen aus dem Haus gehe, tröpfelt es langsam, aber stetig aus grauen Wolken. Ich verfluche meine Entscheidung, den Wagen auf der anderen Rheinseite geparkt zu haben, und mache mich auf den Weg zur Fähre. Den Schirm fest in der Hand, die Handtasche unter den anderen Arm geklemmt, schreite ich forsch aus und bin schweißgebadet, als ich an der Fähre ankomme. Zum Glück legt sie gerade an, so dass ich kurz darauf an Bord gehen kann.

Der Fahrpreis für Fußgänger ist gering, trotzdem hoffe ich, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.

Auf der anderen Seite steht mein Auto, gänzlich unbeschadet.

Erleichtert steige ich ein. Insgesamt brauche ich dennoch die dreifache Zeit, um zur Arbeit nach Wiesdorf zu gelangen, was diese Lösung auf die Dauer unpraktikabel macht.

Freitagnachmittags gehen wir mit einigen Kollegen nach der Arbeit immer etwas trinken. Heute ist auch mein Abteilungsleiter Jens Odenthal dabei.

Kurz nach fünf sind wir in unserer Stammkneipe angekommen, unweit des Werks und für uns alle auf dem Heimweg gelegen.

Als wir unser Kölsch vor uns stehen haben, beteilige ich mich nicht am Gespräch der anderen. Ich bin der Gesellschaft wegen mitgegangen und um nicht allein zu Hause zu sitzen. Mein erstes Wochenende als Single.

„Was war denn in dieser Woche mit Ihnen los?“ Herr Odenthal schaut mich prüfend von der Seite an.

Was soll ich ihm erzählen?

„Es gab privat ... einige Veränderungen“, weiche ich schließlich aus.

„Trennung?“ 

Erst bin ich mir nicht sicher, dass ich ihn richtig verstanden habe, so leise hat er gesprochen. Ein Seitenblick zeigt mir jedoch, dass er mich immer noch mustert.

Ich nicke leicht. Da ich nichts sage, ist klar, dass ich nicht darüber sprechen möchte. Ich weiß zwar, dass er, gerade geschieden, ein verständnisvoller Gesprächspartner sein kann. Aber alles ist noch so frisch, dass ich erst einmal selbst Ordnung in meinen Gedanken und Gefühlen schaffen muss.

Als sich die Runde auflöst, ergibt es sich zufällig, dass Herr Odenthal und ich gemeinsam zu unseren Autos gehen. Ich will mich gerade verabschieden, als mein Blick auf den linken Vorderreifen meines Wagens fällt.

Oh nein, nicht schon wieder. Hektisch umrunde ich mein Auto, aber es ist nur ein platter Reifen. Zufall?

„Sie haben einen Plattfuß. Gibt es noch ein richtiges Reserverad, oder haben Sie dieses Pannenset, das in den neuen Fahrzeugen inzwischen zum Standard gehört?“

„Ein richtiges Reserverad.“

„Zum Glück.“ Er hat sich seine Hemdsärmel aufgekrempelt und hockt neben dem platten Reifen. „Mit dem Dichtungsset hätten Sie hier schlechte Karten. Der Reifen ist durchstochen.“

Ich stehe vollkommen konsterniert neben meinem Fahrzeug, nein, neben mir.