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Elon Musk ist der da Vinci des 21. Jahrhunderts. Seine Firmengründungen lesen sich wie das Who's who der zukunftsträchtigsten Unternehmen der Welt. Alles, was dieser Mann anfasst, scheint zu Gold zu werden. Mit PayPal revolutionierte er das Zahlen im Internet, mit Tesla schreckte er die Autoindustrie auf und sein Raumfahrtunternehmen SpaceX ist aktuell das weltweit einzige Unternehmen, das ein Raumschiff mit großer Nutzlast wieder auf die Erde zurückbringen kann. Dies ist die persönliche Geschichte hinter einem der größten Unternehmer seit Thomas Edison, Henry Ford oder Howard Hughes. Das Buch erzählt seinen kometenhaften Aufstieg von seiner Flucht aus Südafrika mit 17 Jahren bis heute. Elon Musk gilt als der "Real Iron Man" – in Anlehnung an einen der erfolgreichsten Comichelden der Welt. Es ist die gleichsam inspirierende, persönliche und spannende Geschichte eines der erfolgreichsten Querdenker der Welt. In einem Umfang wie noch kein Journalist zuvor hatte Ashlee Vance für diese Biografie exklusiven und direkten Zugang zu Elon Musk, seinem familiären Umfeld und persönlichen Freunden. Mit 16 Seiten exklusiven und persönlichen Bildern aus Elon Musks persönlichem Fotoalbum.
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Seitenzahl: 639
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AshleeVance
Tesla, PayPal, SpaceX
Wie Elon Musk die Welt verändert–Die Biografie
Tesla, PayPal, SpaceX
Wie Elon Musk die Welt verändert–Die Biografie
FBV
AshleeVance
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
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17. Auflage 2019
© 2015 by FinanzBuch Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Copyright © 2015 by Ashlee Vance. All rights reserved. Die vollständige Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »IRON MAN: Elon Musk’s Quest to Forge a Fantastic Future« bei Ecco Press.
Elon Musk. Copyright © 2015 by Ashlee Vance. All rights reserved.
Printed in the United States of America. No part of this book may be used or reproduced in any manner whatsoever without written permission except in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews. For information address HarperCollins Publishers, 195 Broadway, New York, NY 10007.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Sascha Mattke
Redaktion: Monika Spinner-Schuch
Korrektorat: Sonja Rose
Umschlaggestaltung: Melanie Melzer
Umschlagabbildung: © Nigel Parry/CPI Syndication
Satz: inpunkt[w]o, Haiger
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print: 978-3-89879-906-5
ISBN E-Book (PDF): 978-3-86248-722-6
ISBN E-Book (EPUB, Mobi): 978-3-86248-723-3
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.finanzbuchverlag.de
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1. Elons Welt
2. Afrika
3. Kanada
4. Das erste Start-up
5. Boss der PayPal-Mafia
6. Mäuse im Weltraum
7. Alles elektrisch
8. Schmerz, Leid und Überleben
9. Abheben
10. Die Rache des Elektroautos
11. Die einheitliche Feldtheorie des Elon Musk
Epilog
Anhang
Bildteil
Anmerkungen
Für Mama und Papa – danke für alles.
»Glauben Sie, dass ich verrückt bin?«
Diese Frage stellte mir Elon Musk gegen Ende eines langen Abendessens in einem edlen Fischrestaurant im Silicon Valley. Ich war zuerst dort und hatte es mir mit einem Gin Tonic gemütlich gemacht, weil ich wusste, dass Musk – wie üblich – zu spät kommen würde. Nach ungefähr 15 Minuten erschien er, in Lederschuhen, Designerjeans und einem karierten Anzughemd. Musk ist ungefähr 1,85 Meter groß, aber jeder, der ihn kennt, sagt, er wirke deutlich größer. Er hat absurd breite Schultern, ist gedrungen und füllig. Man könnte annehmen, er würde seine imposante Erscheinung nutzen, um einen Alphamännchen-Auftritt hinzulegen, wenn er einen Raum betritt. Doch er kommt ganz anders, fast schon schüchtern – den Kopf beim Gehen leicht gesenkt, ein kurzer Händedruck und ein Hallo zur Begrüßung und dann den Hintern in den Stuhl. Ab diesem Punkt braucht Musk ein paar Minuten, bis er warm geworden ist und entspannt wirkt.
Zu dem Essen hatte mich Musk für eine Art Verhandlung bestellt. 18 Monate zuvor hatte ich ihn darüber informiert, dass ich ein Buch über ihn schreiben wolle. Er wiederum hatte mich wissen lassen, dass er dabei nicht kooperieren will. Seine Ablehnung traf mich, brachte mich aber auch in den Modus hartnäckiger Reporter – wenn ich das Buch ohne ihn schreiben musste, dann sollte es eben so sein. Es gab reichlich ehemalige Mitarbeiter von Musks Unternehmen Tesla Motors und SpaceX. Und die würden bestimmt über ihn erzählen, außerdem kannte ich schon viele von seinen Freunden. Eines nach dem anderen und Monat für Monat führte ich Interviews und nach ungefähr 200 Gesprächen meldete sich Musk wieder bei mir. Er rief mich zu Hause an und erklärte, es gebe jetzt zwei Möglichkeiten: Er könne mir das Leben sehr schwer machen oder mich doch bei dem Projekt unterstützen. Kooperieren werde er, wenn er das Buch vor der Veröffentlichung lesen und Fußnoten darin machen dürfe. An meinem Text wolle er nichts verändern, aber er wolle eine Möglichkeit haben, Passagen zu korrigieren, die er für sachlich falsch hält. Ich verstand seine Motivation: Musk wollte eine gewisse Kontrolle über die Geschichte seines Lebens. Außerdem funktioniert er wie ein Wissenschaftler und leidet schwer, wenn er etwas Falsches lesen muss. Ein Fehler auf einer gedruckten Seite würde seine Seele quälen – in alle Ewigkeit. Ich konnte diese Haltung verstehen, aber aus professionellen, persönlichen und praktischen Gründen konnte ich Musk nicht erlauben, das Buch vorab zu lesen. Musk hat seine eigene Version der Wahrheit, und die ist nicht immer identisch mit der, an die der Rest der Welt glaubt. Außerdem neigt er selbst bei den einfachsten Fragen zu ausschweifenden Antworten und die Gefahr von 45 Seiten langen Fußnoten kam mir nur zu real vor. Trotzdem verabredeten wir uns zum Essen, um darüber in Ruhe zu sprechen und um zu sehen, ob wir eine Einigung finden können.
Unser Gespräch begann mit einer Diskussion über Personal für die Öffentlichkeitsarbeit. Musk wechselt seine PR-Mitarbeiter notorisch schnell aus und Tesla suchte gerade einen neuen Kommunikationschef. »Wer ist der beste PR-Mensch der Welt?«, fragte er auf sehr Musk-typische Weise. Dann sprachen wir über gemeinsame Bekannte, Howard Hughes und die Tesla-Fabrik. Als der Kellner unsere Bestellung aufnahm, bat Musk um Vorschläge passend zu seiner Low-Carb-Diät und entschied sich dann für frittierten Lobster in Tintenfischsoße. Unsere Verhandlung hatte noch nicht begonnen und Musk tischte erst einmal auf. Er begann mit seiner größten Angst, die ihm nachts den Schlaf raube: dass Larry Page, der Mitgründer und CEO von Google, eine Flotte von künstlich intelligenten Robotern aufbauen könnte, die in der Lage sind, die Menschheit zu zerstören. »Das macht mir wirklich Sorgen«, sagte Musk. Dass er und Page sehr enge Freunde sind und dass Musk Page eigentlich für wohlmeinend hält und nicht für Dr. Evil, machte die Sache für ihn nicht besser. Auf gewisse Weise lag darin sogar genau das Problem: Weil Page so ein netter Kerl ist, geht er davon aus, dass Maschinen immer brav für uns arbeiten werden. »Ich bin da nicht so optimistisch«, sagte Musk, »er könnte aus Versehen etwas Böses produzieren.« Als das Essen kam, stürzte sich Musk darauf – weniger aß er es, als dass er es mit wenigen riesigen Bissen verschwinden ließ. Weil ich Musk bei Laune und in Plauderstimmung halten wollte, bot ich ihm ein großes Stück von meinem Steak an. Der Plan ging auf – volle 90 Sekunden lang. Fleisch. Stücke. Weg.
Es dauerte eine Weile, bis Musk mit seinen Untergangsszenarien fertig war. Als wir uns unserem eigentlichen Thema näherten, begann Musk, bei mir vorzufühlen. Er wollte genau wissen, was ich über ihn zu schreiben plante, und versuchte, meine Absichten herauszufinden. Als sich eine Gelegenheit dazu bot, riss ich das Gespräch an mich. Der Gin in meinem Körper mischte sich mit etwas Adrenalin und ich begann einen 45-minütigen Sermon über all die Gründe, warum Musk mich tief in seinem Leben graben lassen sollte – und zwar ohne irgendeine der Kontrollmöglichkeiten, die er sich wünschte. In meinem Plädoyer verwies ich auf die prinzipiellen Schwächen von Fußnoten und erklärte, Musk könne dadurch wie ein Kontrollfreak wirken; außerdem sei meine journalistische Integrität in Gefahr. Zu meiner großen Überraschung unterbrach mich Musk nach wenigen Minuten und sagte einfach »Okay«. Mit am höchsten schätzt er Entschlossenheit und er respektiert Menschen, die nicht lockerlassen, wenn sie ein »Nein« bekommen haben. Dutzende von anderen Journalisten hatten ihn schon gebeten, bei einem Buch mitzumachen, aber ich war die einzige lästige Nervensäge, die auch nach Musks erster Ablehnung weitermachte. Das schien ihm zu gefallen.
Das Essen endete mit einer netten Unterhaltung, bei der Musk seine Diät Diät sein ließ. Ein Kellner brachte ihm eine riesige Dessert-Skulptur aus gelber Zuckerwatte – Musk tauchte hinein und riss die süße Masse händeweise heraus. Die Sache war geklärt. Musk gewährte mir Zugang zu den Führungskräften seiner Unternehmen, seinen Freunden und seiner Familie. So lange wie nötig wollte er mich einmal pro Monat zum Abendessen treffen. Zum ersten Mal war Musk bereit, einem Reporter seine Welt von innen zu zeigen. Zweieinhalb Stunden nach seiner Ankunft legte er seine Hände auf den Tisch, schien aufstehen zu wollen und hielt dann inne. Er sah mir fest in die Augen und stellte dann diese merkwürdige Frage: »Glauben Sie, dass ich verrückt bin?« Die eigenartige Situation machte mich einen Moment lang sprachlos. Währenddessen feuerte jede meiner Synapsen, um herauszufinden, ob das eine Art Rätsel sein sollte, und wenn ja, wie ich geschickt darauf antworten konnte. Erst nachdem ich Musk später mehrmals getroffen hatte, wurde mir klar, dass er die Frage eher an sich selbst gestellt hatte als an mich. Meine Antwort war vollkommen egal. Musk hielt einfach ein letztes Mal inne und fragte sich laut, ob ich vertrauenswürdig bin; um das herauszufinden, sah er mir in die Augen. Sekundenbruchteile später gaben wir uns die Hand und Musk fuhr in einem roten Tesla Model S davon.
***
Jede Beschäftigung mit Elon Musk muss am Firmensitz von SpaceX in Hawthorne beginnen, einer Vorstadt von Los Angeles, die einige Meilen entfernt vom Flughafen LAX liegt. Wer hier zu Besuch ist, bekommt an der Wand auf dem Weg zu Musks Büro-Ecke zwei riesige Poster vom Mars zu sehen. Das linke davon zeigt den Mars, wie er heute ist – ein kalter, öder roter Gigant. Auf dem rechten Poster dagegen ist der Planet als riesige grüne Landmasse dargestellt, umgeben von Ozeanen – er wurde wärmer gemacht und so umgebaut, dass Menschen dort wohnen können. Musk ist fest entschlossen, genau das zu versuchen. Menschen die Besiedelung des Weltraums zu ermöglichen ist sein erklärtes Lebensziel. »Ich würde beim Sterben gern denken können, dass die Menschheit noch eine leuchtende Zukunft vor sich hat«, sagte er bei meinem Besuch in Hawthorne. »Wenn wir bis dahin das Problem der erneuerbaren Energien gelöst haben und erkennbar auf dem Weg sind, eine multiplanetare Spezies mit einer sich selbst erhaltenden Zivilisation auf einem anderen Planeten zu werden – für ein Worst-Case-Szenario, in dem das menschliche Bewusstsein ausgelöscht wird –, dann«, und hier machte Musk eine kurze Pause, »wäre das in meinen Augen wirklich gut.«
Einiges von dem, was Musk sagt und tut, hört sich absurd an. Zum Teil liegt das daran, dass es das auf gewisse Weise tatsächlich ist. Bei dieser Gelegenheit zum Beispiel hatte Musks Assistentin ihm gerade ein paar Kekse und Eis mit Streuseln gebracht, und als er sehr ernsthaft über die Rettung der Menschheit sprach, klebte ein bisschen Nachtisch an seiner Unterlippe.
Musks entspanntes Herangehen an scheinbar unmögliche Dinge hat ihn zu einer Gottheit im Silicon Valley gemacht, wo CEO-Kollegen wie Page voller Ehrfurcht und Achtung über ihn sprechen und wo junge Entrepreneure »sein wollen wie Elon« – so wie sie früher Steve Jobs nacheiferten. Allerdings ist die Realität im Silicon Valley verzerrt und außerhalb der dort herrschenden gemeinsamen Illusion ist Musk deutlich umstrittener. Für manche ist er der Typ, der mit Elektroautos, Solarmodulen und Raketen falsche Hoffnungen verkauft. Von wegen Steve Jobs. Musk ist nur die Science-Fiction-Version eines Jahrmarktschwindlers und sein enormes Vermögen hat er damit verdient, dass er die Angst und den Selbsthass von Menschen ausnutzt. Kaufen Sie einen Tesla, dann können Sie das, was Sie dem Planeten angetan haben, für eine Weile vergessen.
Ich fühlte mich lange Zeit eher diesem zweiten Lager zugehörig. Musk kam mir vor wie ein wohlmeinender Träumer – ein offizielles Mitglied des Clubs der Techno-Utopisten im Silicon Valley. Diese Leute sind meist eine Mischung aus Ayn-Rand-Anhängern und Technikabsolutisten, die ihre hyperlogische Weltsicht für die Antwort auf alles halten. Wenn wir anderen nur den Weg frei machen würden, würden sie alle Probleme für uns lösen. Schon bald würden wir in der Lage sein, unsere Gehirne in einen Computer zu laden, uns zu entspannen, und alles andere den Algorithmen zu überlassen. Zum Großteil sind diese Ambitionen inspirierend und die Arbeit daran ist nützlich. Aber mit ihren Plattitüden über Technologie und ihrer Fähigkeit, stundenlang zu reden, ohne viel Substanzielles zu sagen, sind die Techno-Utopisten auch etwas ermüdend. Geradezu beunruhigend ist zudem ihre implizierte Botschaft, dass Menschen voller Fehler sind und die Menschheit eine störende Last, mit der zur richtigen Zeit etwas passieren muss. Wenn ich bei Veranstaltungen im Silicon Valley auf Musk traf, hörten sich seine hochtrabenden Reden oft an, als stammten sie direkt aus dem Handbuch dieser Techno-Utopisten. Was mich dabei am meisten störte: Seinen Unternehmen, die doch angeblich die Welt retten sollten, schien es nicht einmal besonders gut zu gehen.
Anfang 2012 aber mussten Zyniker wie ich zur Kenntnis nehmen, wie weit Musk tatsächlich schon gekommen war. Seine einst strauchelnden Unternehmen hatten Erfolg mit beispiellosen Projekten. SpaceX hatte eine Versorgungskapsel zur Internationalen Raumstation geschickt und sicher wieder zurück zur Erde gebracht. Tesla Motors lieferte das Model S aus, eine schicke, rein elektrische Limousine, die der Autoindustrie den Atem raubte und sie auf einen Schlag nüchtern machte. Mit diesen beiden Leistungen war Musk in ganz neue, äußerst seltene Höhen unter den Titanen der Wirtschaft aufgestiegen. Nur Steve Jobs konnte von sich behaupten, in zwei ganz unterschiedlichen Branchen ähnlich viel bewegt zu haben – manchmal brachte er im selben Jahr ein neues Apple-Produkt und einen Blockbuster-Film von Pixar heraus. Bei Musk aber war selbst das noch nicht alles. Zusätzlich war er noch Chairman und größter Aktionär von SolarCity, einem boomenden Solarenergieunternehmen vor dem Börsengang. Irgendwie hatte er es geschafft, die größten Fortschritte zu realisieren, die es in den Bereichen Weltraum, Autos und Energie seit Jahrzehnten gegeben hat.
Im Jahr 2012 beschloss ich, aus erster Hand herauszufinden, wie Musk wirklich ist, und schrieb eine Titelgeschichte über ihn für Bloomberg Businessweek. Zu dieser Zeit lief sein gesamtes Leben durch die Hände von Mary Beth Brown, seiner Assistentin und loyalen Anhängerin. Sie lud mich zu einem Besuch an einem Ort ein, den ich seit einiger Zeit als Muskland bezeichne.
Jeder, der zum ersten Mal nach Muskland kommt, wird sich zunächst einmal wundern. Parken, so wird ihm vorher gesagt, soll er in One Rocket Road in Hawthorne, am Hauptquartier von SpaceX. Dabei kann man sich kaum vorstellen, dass in Hawthorne irgendetwas Gutes zu finden sein könnte. Es ist ein trostloser Teil von Los Angeles, in dem Ansammlungen von verfallenen Häusern, verfallenen Läden und verfallenen Restaurants riesige Industriekomplexe umgeben, die offenbar in einer Architekturära namens Langweilige Rechtecke entstanden sind. Hat Elon Musk als Heimat für sein Unternehmen wirklich diese schmuddelige Gegend gewählt? Erst wenn man das Hauptgebäude von SpaceX sieht, wird das Bild wieder stimmiger: ein 50.000 Quadratmeter großes Rechteck, demonstrativ angestrichen in einem Weiß, das für die Einheit von Körper, Seele und Geist steht.
Erst nachdem ich die Eingangstüren von SpaceX durchschritten hatte, erkannte ich die Großartigkeit von dem, was Musk geleistet hatte. Inmitten von Los Angeles hatte er eine echte Raketenfabrik aufgebaut. Und diese Fabrik stellte nicht etwa immer nur eine Rakete auf einmal her. Nein, sie baute viele Raketen gleichzeitig – und zwar von null auf. Die Fabrik war ein riesiger gemeinsamer Arbeitsbereich. Nah am hinteren Ende gab es enorme Lieferbuchten, an denen Metallblöcke angenommen werden konnten, die dann zu zwei Stockwerk hohen Schweißmaschinen transportiert wurden. Auf der einen Seite arbeiteten Techniker in weißen Kitteln an Computerplatinen, Funkanlagen und anderer Elektronik. Andere Mitarbeiter befanden sich in einer speziellen luftdichten Glaskammer und bauten die Kapseln, die von Raketen zur ISS gebracht werden sollen. Tätowierte Männer mit Bandanas hörten laut Van Halen und wickelten Drähte um Raketentriebwerke. Zu sehen waren fertige Raketenrümpfe, hintereinander aufgereiht für die Verladung auf Lastwagen. In einem anderen Teil des Gebäudes warteten weitere Raketen darauf, ihre weiße Lackierung zu bekommen. Es war schwierig, die gesamte Fabrik auf einmal zu erfassen. Hunderte von Menschen waren ständig in Bewegung und schwirrten um eine Vielzahl bizarrer Maschinen herum.
Und das war nur Gebäude Nummer eins in Muskland. SpaceX hatte mehrere Gebäude gekauft, die früher zu einer Boeing-Fabrik zur Herstellung von Rümpfen für den Jumbojet 747 gehörten. Eines davon hat ein geschwungenes Dach und sieht aus wie ein Flugzeughangar. Heute dient es als Studio für Forschung, Entwicklung und Design bei Tesla – hier gestaltete das Unternehmen das Model S und seinen Nachfolger, das SUV Model X. Auf dem Parkplatz vor dem Studio hat Tesla eine seiner Ladestationen errichtet, an der Fahrer aus Los Angeles ihre Akkus kostenlos aufladen können. Die Station ist leicht zu erkennen, denn Musk hat dort inmitten eines randlosen Wasserbeckens einen weiß-roten Obelisken mit dem Tesla-Logo installieren lassen.
Mein erstes Interview mit Musk fand in diesem Designstudio statt. Bei dieser Gelegenheit bekam ich erstmals ein Gefühl dafür, wie er funktioniert und arbeitet. Er ist ein selbstbewusster Typ, aber nicht immer sehr gut darin, das auch zu zeigen. Beim ersten Treffen kann Musk schüchtern und fast ein wenig merkwürdig erscheinen. Sein südafrikanischer Akzent ist noch zu hören, wenn auch nur leicht, und der darin liegende Charme reicht nicht aus, um seine stockende Sprechweise zu überdecken. Wie so viele Ingenieure und Physiker macht Musk häufig Pausen, um nach den richtigen Worten zu suchen, und gern plaudert er ausgiebig über abseitige wissenschaftliche Themen, ohne dem Zuhörer mit vereinfachenden Erklärungen dabei zu helfen, ihn zu verstehen – Musk geht einfach davon aus, dass man ihm folgen kann. Nichts davon ist abstoßend. Tatsächlich macht Musk zwischendurch reichlich Scherze und kann ausgesprochen charmant sein. Aber über jedem Gespräch mit ihm hängt ein Gefühl von Druck und Dringlichkeit – wer nur ein bisschen plaudern will, ist bei Musk an der falschen Adresse (bei mir sollte es 30 Stunden Interviews brauchen, um ihn wirklich aufzulockern und eine andere, tiefere Stufe seiner Psyche und Persönlichkeit zu erschließen).
Die meisten bekannten CEOs haben ständig Aufpasser um sich herum. Musk dagegen bewegt sich weitgehend allein durch Muskland. Hier ist er nicht der Mann, der in ein Restaurant schlüpft, sondern der, dem der Laden gehört und der dort Autorität ausstrahlt. Während Musk und ich sprachen, arbeitete er sich den Hauptgang des Studios entlang und inspizierte Prototypen-Teile und Fahrzeuge. Bei jedem Stopp eilten Mitarbeiter auf ihn zu und lieferten ihm Informationen. Er hörte aufmerksam zu, verarbeitete das Gehörte und nickte, wenn er zufrieden war. Dann machten die Mitarbeiter weiter und Musk ging zu seiner nächsten Station. Bei einer davon wollte der Tesla-Designchef Franz von Holzhausen seine Meinung über neue Reifen und Felgen für das Model S hören, die gerade eingetroffen waren, und über das Sitzarrangement für das Model X. Die beiden Männer unterhielten sich kurz, dann gingen sie in ein Hinterzimmer, wo hochrangige Mitarbeiter eines Anbieters von Highend-Grafikcomputern eine Präsentation für Musk vorbereitet hatten. Sie wollten eine neue 3D-Renderingtechnologie vorstellen, mit der Tesla die Lackierung eines virtuellen Model S verändern und sehr detailliert prüfen könnte, wie Schatten oder Straßenlaternen darauf wirkten. Die Tesla-Ingenieure wollten das System unbedingt haben und brauchten Musks Genehmigung dafür. Die Besucher taten ihr Bestes, um den Chef zu überzeugen, während sie gegen den Lärm von Bohrern und riesigen Industrieventilatoren ankämpften. Musk trug Lederschuhe, Designerjeans und ein schwarzes T-Shirt, was in etwa seine Arbeitsuniform ist. Für die Vorführung musste er eine 3D-Brille aufsetzen und schien nicht beeindruckt. Er sagte den Besuchern, er werde darüber nachdenken, und ging dann zur Quelle des größten Lärms – einer Werkstatt tief im Designstudio, in der Tesla-Ingenieure das Gerüst für die zehn Meter hohen Türme bauten, die als Dekoration vor die Ladestationen kommen. »Das Ding sieht aus, als könnte es einen Hurrikan der Kategorie 5 überstehen«, sagte Musk. »Lasst es uns ein bisschen dünner machen.« Am Ende sprangen Musk und ich in sein Auto, ein schwarzes Model S, und zischten zurück zum Hauptgebäude von SpaceX. »Wahrscheinlich beschäftigen sich zu viele intelligente Menschen mit Internetzeug, Finanzen und Recht«, sagte Musk auf dem Weg. »Das ist einer der Gründe dafür, warum es nicht mehr so viele Innovationen gibt.«
Muskland war eine Offenbarung.
Ich war im Jahr 2000 ins Silicon Valley gekommen und zog bald in eine Wohnung in Tenderloin – ein Viertel von San Francisco, das man laut der örtlichen Bevölkerung unbedingt meiden sollte. Ohne viel Mühe kann man hier zum Beispiel jemanden finden, der seine Hosen herunterlässt und sich zwischen geparkten Autos erleichtert, oder einen verwirrten Menschen, der seinen Kopf gegen ein Buswartehäuschen schlägt. In billigen Bars in der Nähe der lokalen Strip-Clubs treffen Transvestiten auf neugierige Geschäftsleute und als Teil ihres faulen Sonntagsrituals schlafen Betrunkene auf Sofas oder gleich auf dem Boden ein. Es ist der düstere, messerstecherische Teil von San Francisco – und ein hervorragender Ort, um das Sterben des Dotcom-Traums zu beobachten.
San Francisco hat eine lange Geschichte der Gier. Zur Stadt wurde es im Zuge des Goldrauschs und nicht einmal ein verheerendes Erdbeben konnte seinen wirtschaftlichen Schwung lange bremsen. Lassen Sie sich vom Öko-Flair nicht täuschen – den Rhythmus dieser Stadt bestimmen Booms und Krisen. Damals, im Jahr 2000, wurde San Francisco zudem vom Boom aller Booms erwischt und die ganze Stadt wurde von Habgier erfasst. Es war eine wunderbare Zeit, um dort zu leben, zusammen mit einer Bevölkerung, die fast komplett einer Fantasie erlegen war: dem verrückten Traum vom schnellen Internetreichtum. Die Energieströme dieser gemeinsamen Illusion waren körperlich zu spüren, denn sie produzierten ein ständiges Sirren, das die ganze Stadt vibrieren ließ. Hier war ich also, mitten im ärmsten Teil von San Francisco, und sah zu, wie hoch Menschen steigen und wie tief sie fallen können, wenn der Exzess von ihnen Besitz ergriffen hat.
Die Geschichten über die Verrücktheit der Wirtschaft in dieser Zeit sind gut bekannt. Um ein boomendes Unternehmen zu gründen, musste man nicht mehr irgendetwas anbieten, das andere Menschen kaufen wollten. Man brauchte nur eine Idee für irgendein Internetprojekt, tat sie der Welt kund – und schon wollten begeisterte Investoren das Gedankenexperiment finanzieren. Das Ziel bestand ausschließlich darin, in möglichst kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu machen, denn zumindest unterbewusst wusste jeder, dass irgendwann die Realität zurückkehren würde.
Valley-Bewohner nahmen das Klischee, dass sie ebenso hart feiern wie sie arbeiten, ausgesprochen ernst. Von Leuten in ihren Zwanzigern, Dreißigern, Vierzigern und Fünfzigern wurde erwartet, dass sie die Nacht durcharbeiten. Büro-Eckchen wurden zum vorübergehenden Zuhause, Körperpflege vernachlässigt. Merkwürdigerweise schien die Produktion von nichts eine Menge Arbeit zu machen. Wenn dann Zeit für Entspannung war, gab es reichlich Optionen für extreme Ausschweifungen. Die angesagten Unternehmen und mächtigen Medien dieser Zeit schienen sich mit immer besseren Partys gegenseitig übertreffen zu wollen. Traditionelle Unternehmen, die auf der Höhe der Zeit sein wollten, mieteten regelmäßig Konzerthallen, die sie mit Tänzern, Akrobaten, kostenlosen Bars und Bands wie den Barenaked Ladies füllten. Dort erschienen dann junge Leute aus der Technologieszene, kippten kostenlose Whisky-Colas und zogen in den mobilen Toiletten Kokain. Gier und Egoismus waren das Einzige, das damals sinnvoll erschien.
Die guten Zeiten wurden intensiv beschrieben, die darauffolgenden schlechten dagegen ignoriert. Überraschend ist das nicht weiter: Es macht einfach mehr Spaß, sich mit irrationalem Überschwang zu beschäftigen als mit dem Durcheinander, das er hinterlässt.
Für das Protokoll wäre jedenfalls festzuhalten: Das Zusammenbrechen der Fantasie vom schnellen Internetreichtum hinterließ San Francisco und das Silicon Valley in einer tiefen Depression. Die endlosen Partys waren zu Ende. In den Straßen von Tenderloin waren keine Prostituierten mehr unterwegs, die um 6 Uhr morgens Sex vor dem Weg zur Arbeit anboten (»Komm schon, Süßer, das ist besser als Kaffee«). Statt der Barenaked Ladies gab es gelegentliche Messeauftritte von Neil-Diamond-Coverbands, ein paar kostenlose T-Shirts und reichlich Scham.
Die Technologieindustrie hatte keine Ahnung, was sie mit sich anfangen sollte. Die dummen Wagniskapitalgeber, die sich in der Blase hatten davontragen lassen, wollten nicht noch dümmer aussehen, also stellten sie die Finanzierung neuer Unternehmen komplett ein. Große Ideen von Entrepreneuren wurden von denkbar bescheidenen Vorhaben abgelöst. Es war, als hätte das Silicon Valley einen Massenentzug begonnen. Das hört sich melodramatisch an, aber es stimmt. Eine Bevölkerung mit Millionen intelligenter Menschen hatte die Überzeugung entwickelt, sie könne die Zukunft neu erfinden. Dann gab es einen lauten Knall und plötzlich war es wieder modern, auf Sicherheit zu setzen.
Belege für diese traurige Zeit liefern die Unternehmen und Ideen, die in ihr entstanden. Irgendwann war Google auf der Bildfläche erschienen und ab 2002 entwickelte es sich bestens, doch das war die Ausnahme. Zwischen Google und der Einführung des iPhone durch Apple 2007 gab es eine lange Durststrecke mit uninteressanten Unternehmen. Und die paar heißen neuen Sachen, die nach der Blase entstanden – hauptsächlich Facebook und Twitter –, hatten nicht mehr viel mit ihren Vorgängern Hewlett-Packard, Intel oder Sun Microsystems gemein, die noch physische Produkte herstellten und dafür Tausende an Mitarbeitern brauchten. In dieser Zeit ging es allgemein nicht mehr darum, enorme Risiken einzugehen, um neue Branchen und große neue Ideen zu schaffen, sondern darum, mit Endverbraucherprodukten, wie einfachen Apps oder Werbung, möglichst sicher Geld zu verdienen. »Die hellsten Köpfe meiner Generation denken darüber nach, wie man Leute dazu bringt, auf Anzeigen zu klicken«, sagte mir Jeff Hammerbacher, ein früher Facebook-Programmierer. »Das ist Mist.« Das Silicon Valley bekam eine unschöne Ähnlichkeit zu Hollywood. Die von ihm bedienten Konsumenten hatten sich unterdessen nach innen gewandt und waren besessen von ihrem virtuellen Leben.
Einer der Ersten, die erkannten, dass diese Innovationsflaute ein viel größeres Problem ankündigen könnte, war Jonathan Huebner, ein Physiker am Naval Air Warfare Center des Pentagon in China Lake in Kalifornien. Huebner ist so etwas wie die »Erwachsen müsste man sein«-Version eines Waffenentwicklers. Im mittleren Alter, schlank und mit dünner werdendem Haar, trägt er eine erdige Kombination aus Khaki-Hosen, Hemd mit braunen Streifen und fester Khaki-Jacke. Seit 1985 entwickelt er Waffensysteme, was ihm direkte Einblicke in die neusten und heißesten Technologien für Materialien, Energie und Software verschafft. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase ärgerte er sich zunehmend über den wenig anspruchsvollen Charakter der Innovationen, die auf seinem Schreibtisch landeten. 2005 verfasste er darüber einen Fachaufsatz mit dem Titel »Möglicherweise rückläufiger Trend bei Innovationen weltweit«, zu verstehen entweder als ein vernichtendes Urteil über das Silicon Valley oder zumindest als unheilvolle Warnung.
Zur Beschreibung der Lage bei Innovationen verwendete Huebner eine Baummetapher. Den Stamm des Baums hat der Mensch bereits hinter sich gelassen und sich auf seine Hauptäste vorgewagt, wo er den Großteil der wirklich großen, transformativen Ideen schon abgegrast hat – das Rad, Elektrizität, das Telefon, den Transistor. Jetzt klammert er sich nahe am Ende der Äste an der Spitze des Baums fest und beschäftigt sich fast nur noch damit, alte Erfindungen zu verfeinern. Um diesen Punkt zu untermauern, zeigte Huebner in seinem Paper, dass sich die Häufigkeit von Erfindungen, die das Leben verändern, zuletzt verringert hatte. Mit seinen Daten belegte er zudem, dass die Zahl der Patente pro Person mit der Zeit gesunken war. »Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir eine weitere Erfindung für die Top 100 bekommen, wird immer geringer«, sagte er mir. »Innovation ist eine endliche Ressource.«
Es werde fünf Jahre dauern, bis seine Überlegungen bei den anderen Menschen ankommen, sagte Huebner bei der Veröffentlichung seines Aufsatzes voraus und damit lag er fast genau richtig. Um 2010 herum begann der PayPal-Mitgründer und frühe Facebook-Investor Peter Thiel mit der Verbreitung der Idee, das Silicon Valley habe die Menschen im Stich gelassen. »Wir wollten fliegende Autos, was wir bekamen, waren 140 Zeichen«, wurde der Slogan seiner Wagniskapitalfirma Founders Fund. In einem Essay mit dem Titel »Was ist mit der Zukunft passiert?« beschrieben Thiel und seine Anhänger, warum Twitter, die dort üblichen 140-Zeichen-Nachrichten und ähnliche Erfindungen der Bevölkerung wenig zu bieten haben. Science-Fiction, so argumentierte er, habe einst die Zukunft gefeiert. Mittlerweile aber sei dieses Genre zur Dystopie geworden, denn die Menschen hätten die optimistische Hoffnung darauf verloren, dass Technologie die Welt verbessern kann.
Bis zu meinem ersten Besuch in Muskland hatte ich diese Sichtweise recht überzeugend gefunden. Musk war zwar alles andere als zurückhaltend mit seinen Plänen, doch nur wenige Menschen außerhalb seiner Unternehmen konnten seine Fabriken, Forschungszentren und Werkstätten sehen und so aus erster Hand erleben, was er trieb. Hier war ein Mann, der von dem Silicon-Valley-Prinzip, schnell zu agieren und Unternehmen ohne bürokratische Hierarchie zu betreiben, viel gelernt hatte – und er wendete es an, um große, fantastische Maschinen zu verbessern und Projekte mit dem Potenzial anzugehen, wieder die schmerzlich vermissten echten Durchbrüche zu liefern.
Dabei hätte Musk eigentlich eher Teil des Problems sein sollen. Im Jahr 1995 sprang er mitten in den Dotcom-Rausch, indem er direkt nach dem College ein Unternehmen namens Zip2 gründete – eine primitive Mischung aus Google Maps und Yelp. Dieses erste Projekt endete als großer, schneller Erfolg: 1999 übernahm Compaq Zip2 für 307 Millionen Dollar. Musk verdiente dabei 22 Millionen Dollar und steckte sie fast komplett in sein nächstes Projekt, ein Start-up, aus dem später PayPal werden sollte. Als größter Einzelaktionär von PayPal wurde Musk dann fantastisch wohlhabend, als eBay das Unternehmen im Jahr 2002 für 1,5 Milliarden Dollar übernahm.
Statt aber im Silicon Valley herumzuhängen und in dasselbe Tief zu geraten wie seine Unternehmerkollegen, zog Musk nach Los Angeles. Zu dieser Zeit war man allgemein der Meinung, es sei am besten, erst einmal tief Luft zu holen und darauf zu warten, dass irgendwann das nächste große Ding beginnt. Musk aber widersetzte sich dieser Logik, indem er 100 Millionen Dollar in SpaceX investierte, 70 Millionen Dollar in Tesla und 30 Millionen Dollar in SolarCity. Mit Ausnahme einer speziellen Geldzerstörungsmaschine hätte er kaum etwas finden können, mit dem sich sein Vermögen schneller vernichten ließ. Musk wurde zu einer Ein-Mann-Wagniskapitalfirma, die nicht nur extreme Risikobereitschaft zeigte, sondern obendrein enorm komplexe physische Produkte herstellen wollte – und zwar an zwei der teuersten Standorte weltweit, Los Angeles und dem Silicon Valley. Wann immer möglich, entwickelten Musks Unternehmen Dinge von Grund auf neu und stellten vieles von dem infrage, was in den Branchen Luftfahrt, Automobil und Solar als ausgemacht galt.
Mit SpaceX tritt Musk gegen die Giganten des militärisch-industriellen Komplexes in den USA an, darunter Lockheed Martin und Boeing. Zugleich nimmt er es mit ganzen Staaten auf – vor allem Russland und China. Das Unternehmen hat sich in der Branche bereits einen Namen mit niedrigen Preisen gemacht. Aber das allein reicht noch nicht aus. Im Weltraumgeschäft muss man mit einem Geflecht aus Politik, Gefälligkeiten und Protektionismus zurechtkommen, das die Prinzipien der Marktwirtschaft untergräbt. Steve Jobs hatte es mit ähnlichen Kräften zu tun, als er sich mit der Musikindustrie anlegte, um iPods und iTunes auf den Markt zu bringen. Doch verglichen mit den Gegnern von Musk, die hauptberuflich Waffen bauen und Staaten lenken, waren die schrulligen Technikfeinde aus dem Musikgeschäft eine angenehme Gesellschaft. SpaceX hat bereits wiederverwendbare Raketen getestet, die Fracht ins All bringen und wieder auf der Erde landen können, und zwar genau dort, wo sie gestartet sind. Wenn das Unternehmen diese Technologie perfektionieren kann, wäre das ein verheerender Schlag für alle seine Konkurrenten und würde fast mit Sicherheit einige lange etablierte Anbieter aus dem Geschäft drängen, während die USA bei der Beförderung von Fracht und Menschen ins Weltall wieder eine weltweit führende Stellung bekämen. Diese Bedrohung hat Musk nach seiner eigenen Einschätzung erbitterte Feinde eingebracht. »Die Liste der Menschen, die es nicht stören würde, wenn ich weg wäre, wird länger«, sagt er. »Meine Familie hat Angst, dass die Russen einen Anschlag auf mich verüben.«
Mit Tesla Motors wiederum will Musk die Art und Weise neu definieren, wie Autos produziert und verkauft werden, und parallel dazu ein weltweites Stromvertriebsnetz aufbauen. Statt Hybridautos, die in Musks Augen nur suboptimale Kompromisse sind, baut Tesla reine Elektroautos, die Kauflust wecken und die Grenzen der Technologie verschieben. Verkauft werden diese Autos nicht über klassische Händler, sondern über das Web und Apple-ähnliche Ausstellungsräume in teuren Einkaufszentren. Außerdem geht Tesla nicht davon aus, viel Geld mit der Wartung seiner Fahrzeuge verdienen zu können, denn sie kommen ohne Ölwechsel und andere regelmäßige Arbeiten wie bei traditionellen Autos aus. Das von Tesla gewählte Modell des Direktverkaufs ist ein massiver Affront gegen Autohändler, die daran gewohnt sind, mit Kunden zu feilschen und dann mit überhöhten Werkstattrechnungen viel Geld zu verdienen. Tesla-Ladestationen finden sich mittlerweile an vielen der wichtigsten Autobahnen in den USA, Europa und Asien und sie spenden innerhalb von 20 Minuten genügend Strom für Hunderte Kilometer. Betrieben werden diese sogenannten Supercharger-Stationen mit Solarstrom und Tesla-Fahrer müssen für das Aufladen tatsächlich nichts bezahlen. Während also die US-Infrastruktur allerorten zerfällt, baut Musk alle Elemente eines futuristischen Verkehrssystems, mit dem sich die USA wieder an die Spitze setzen könnten. Mit seiner Vision und seit einiger Zeit auch seinem Geschick bei der Umsetzung scheint er in sich das Beste von Henry Ford und John D. Rockefeller zu vereinen.
Mit SolarCity schließlich hat Musk die größte Installations- und Finanzierungsfirma für Solarmodule für Privat- und Geschäftskunden finanziert. Er war an der Entwicklung der Idee für SolarCity beteiligt und ist Chairman des Unternehmens, das von seinen Cousins Lyndon und Peter Rive geleitet wird. SolarCity hat es mit seinem Sonnenstrom geschafft, Dutzende von Versorgungsunternehmen preislich zu unterbieten, und ist damit selbst zu einem Versorger geworden. In einer Zeit, in der andere ökologisch orientierte Unternehmen mit beunruhigender Regelmäßigkeit in die Pleite gingen, hat Musk zwei der erfolgreichsten Cleantech-Unternehmen der Welt aufgebaut. Das Musk’sche Imperium aus Fabriken, Zehntausenden Arbeitskräften und industrieller Stärke weckt bei etablierten Anbietern Fluchtimpulse und hat Musk mit einem Nettovermögen von 8 Milliarden Dollar zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht.
Mein Besuch in Muskland schuf die Voraussetzungen dafür, besser zu verstehen, wie er all das schaffen konnte. Sein Gerede von Menschen auf dem Mars mag manchen Leuten verrückt vorkommen, doch es gibt ihm auch einen einzigartigen Schlachtruf für seine Unternehmen. Das überaus ehrgeizige Ziel bildet die einheitliche Grundlage für alles, was Musk tut. Beschäftigte bei allen dreien seiner Unternehmen sind sich darüber sehr im Klaren, ebenso wie über die Tatsache, dass sie tagein, tagaus versuchen, das Unmögliche zu schaffen. Wenn Musk unrealistische Ziele vorgibt, Mitarbeiter niedermacht oder sie bis zur Erschöpfung arbeiten lässt, wird das von ihnen – auf gewisse Weise – als Teil der Agenda für die Marsbesiedelung verstanden. Manche Mitarbeiter lieben ihn dafür. Andere hassen ihn, bleiben aber aufgrund von Respekt für seine Energie und Mission eigenartig loyal zu ihm. Musk hat etwas, das vielen der Entrepreneure im Silicon Valley fehlt, nämlich einen bedeutenden Lebensinhalt. Er ist der besessene Genius hinter der größten Mission, die jemals irgendjemand gewagt hat. Er ist weniger ein CEO auf der Jagd nach Reichtum als ein General, der seine Truppen zum Sieg kommandiert. Mark Zuckerberg will Ihnen dabei helfen, Baby-Fotos weiterzugeben, Musk aber will … nun ja, die Menschheit vor einer selbst herbeigeführten oder versehentlichen Auslöschung bewahren.
Das Leben, das sich Musk für die Arbeit an all seinen Vorhaben eingerichtet hat, ist absurd. Eine typische Woche beginnt für ihn in seiner Villa in Bellaire. Montage sind komplett der Arbeit bei SpaceX gewidmet. Dienstags beginnt Musk bei SpaceX, dann springt er in seinen Jet und fliegt ins Silicon Valley. Er verbringt ein paar Tage bei Tesla, das Büros in Palo Alto und eine Fabrik in Fremont hat. Ein eigenes Haus in Nordkalifornien besitzt Musk nicht, also schläft er meist im Luxushotel Rosewood oder bei Freunden. Um Aufenthalte bei Freunden zu organisieren, schickt Musks Assistentin eine E-Mail, in der sie fragt »Platz für eine Person?«, und wenn der Freund mit »Ja« antwortet, steht Musk irgendwann spätabends vor der Tür. Meistens bekommt er ein Gästezimmer, aber er ist auch bekannt dafür, gelegentlich einfach auf der Couch einzuschlafen, nachdem er sich mit ein paar Videospielen entspannt hat. Am Donnerstag geht es dann zurück nach Los Angeles und zu SpaceX. Das Sorgerecht für seine fünf Söhne – Zwillinge und Drillinge – teilt er sich mit seiner Exfrau Justine; die Kinder sind vier Tage pro Woche bei ihm. Jedes Jahr rechnet Musk aus, wie viel Zeit pro Woche er im Flugzeug verbracht hat – das gibt ihm ein Gefühl dafür, wie sehr die Dinge aus dem Ruder laufen. Auf die Frage, wie er diese enge Taktung überlebt, antwortet Musk: »Ich hatte eine harte Kindheit, das war möglicherweise hilfreich.«
Bei einem meiner Besuche in Muskland hatte er unser Interview kurz vor seine Abreise zu einem Campingurlaub am Crater Lake National Park in Oregon gelegt. Es war kurz vor 20 Uhr an einem Freitagabend, also würde Musk bald seine Söhne und ihre Kindermädchen in seinen Privatjet stecken, sich nach dem Flug von Fahrern zu seinen Freunden auf dem Campinglatz bringen lassen, die dem Musk-Clan dann beim Auspacken und Aufbauen mitten in der Nacht helfen sollten. Für das Wochenende war etwas Wandern geplant und dann war wieder Schluss mit Entspannen. Am Sonntagnachmittag wollte Musk mit seinen Jungs zurück nach Los Angeles fliegen, abends dann allein weiter nach New York. Schlafen. Montagfrüh Morgen-Talkshows im Fernsehen mitnehmen. Meetings. E-Mails. Schlafen. Dienstagmorgen zurück nach Los Angeles. Arbeiten bei SpaceX. Nachmittags Flug nach San Jose für einen Besuch in der Tesla-Fabrik. Am selben Abend weiter nach Washington D.C. für ein Treffen mit Präsident Obama. Mittwochabend zurück nach Los Angeles. Ein paar Tage Arbeit bei SpaceX, dann zu einer Wochenendkonferenz, ausgerichtet vom Google-Chairman Eric Schmidt, in Yellowstone. Zu dieser Zeit hatte sich Musk gerade von seiner zweiten Frau getrennt, der Schauspielerin Talulah Riley, und er versuchte herauszufinden, wie er nebenbei auch noch ein wenig Privatleben bekommen könnte. »Ich glaube, den Unternehmen und meinen Kindern widme ich genügend Zeit«, sagte er. »Allerdings hätte ich gern mehr Zeit für Verabredungen. Ich muss eine Freundin finden. Deshalb muss ich ein kleines bisschen mehr Zeit freimachen. Vielleicht sogar fünf oder zehn – wie viel Zeit pro Woche möchte eine Frau haben? Vielleicht zehn Stunden? Ist das sowas wie das Minimum? Ich weiß es nicht.«
Zeit zum Entspannen findet Musk nur selten, aber wenn er sie hat, sind seine Feste so dramatisch wie der Rest seines Lebens. An seinem 30. Geburtstag mietete er ein Schloss in England für etwa 20 Personen. Von 2 Uhr bis 6 Uhr morgens spielten Musk und Gäste eine Versteckenvariante namens Sardinen, bei der einer losrennt und sich versteckt und der Rest ihn suchen muss. Eine weitere Sause fand in Paris statt. Um Mitternacht waren Musk, sein Bruder und seine Cousins noch unternehmungslustig und beschlossen, bis 6 Uhr morgens mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Den Tag danach verschliefen sie und stiegen dann abends in den Orient Express, in dem sie wieder die ganze Nacht lang wach blieben. An Bord des luxuriösen Zuges befand sich die Lucent Dossier Experience, eine Gruppe von Avantgarde-Künstlern, die Handlesen und Akrobatik vorführte. Bei der Ankunft in Venedig am nächsten Tag aß der Musk-Trupp zu Abend, anschließend saß er bis 9 Uhr morgens auf der Terrasse seines Hotels mit Blick auf den Canal Grande. Außerdem liebt Musk Maskenbälle. Bei einem davon erschien er als Ritter verkleidet und focht mit einem Sonnenschirm ein Duell gegen einen Zwerg im Darth-Vader-Kostüm.
Zu einem seiner letzten Geburtstage lud Musk 50 Gäste in ein Schloss – oder zumindest das Schloss-Ähnlichste, was die USA zu bieten haben – in Tarrytown im Bundesstaat New York ein. Das Motiv dieser Party war japanischer Steampunk, der so etwas wie den feuchten Traum jedes Science-Fiction-Fans darstellt: eine Mischung aus Korsetten, Leder und Maschinenanbetung. Musk kam als Samurai.
Zum Unterhaltungsprogramm zählte eine Aufführung von The Mikado, einer in Japan spielenden komischen Oper von Gilbert und Sullivan, in einem kleinen Theater im Stadtinneren. »Ich bin nicht sicher, ob die Amerikaner sie verstanden haben«, sagt Riley, die Musk erneut heiratete, nachdem sein Plan mit zehn Stunden Zeit pro Woche für Verabredungen gescheitert war. Was danach kam, gefiel den Amerikanern und allen anderen Anwesenden ganz bestimmt: Zurück im Schloss, zog sich Musk eine Augenbinde über, wurde gegen eine Wand gedrückt und musste in jeder Hand einen Luftballon und einen weiteren zwischen seinen Beinen halten. Dann machte sich der Messerwerfer ans Werk. »Ich hatte ihn schon mal gesehen, fürchtete aber, dass er vielleicht einen schlechten Tag haben könnte«, sagt Musk dazu. »Immerhin dachte ich, er würde im Zweifelsfall nur eine Keimdrüse treffen statt beide.« Die Zuschauer waren sprachlos und fürchteten um Musks Gesundheit. »Es war bizarr«, sagt Bill Lee, einer von Musks guten Freunden. »Aber Elon glaubt an die Wissenschaft der Dinge.« Zu der Party kamen auch einer der besten Sumoringer der Welt und einige Landsleute von ihm. In dem Schloss war ein Ring aufgebaut worden und Musk nahm es mit dem Champion auf. »Er war 350 Pfund schwer und das waren keine labberigen Pfunde«, sagt Musk. »Ich war voll im Adrenalinrausch und schaffte es, den Kerl hochzuheben. Er ließ mich die erste Runde gewinnen und besiegte mich dann. Ich glaube, mein Rücken tut immer noch weh.«
Riley hat aus der Planung solcher Partys für Musk eine eigene Kunstform gemacht. Kennengelernt hat sie ihn allerdings im Jahr 2008, als seine Unternehmen gerade zusammenbrachen. Sie sah zu, wie er sein gesamtes Vermögen verlor und in der Presse lächerlich gemacht wurde. Sie weiß, dass der Stachel dieser Jahre noch in ihrem Mann steckt und dass sie nicht die erste traumatische Erfahrung in seinem Leben waren – zusammen mit dem tragischen Verlust eines neugeborenen Sohns und einer brutalen Kindheit in Südafrika bedeuten sie eine gequälte Seele. Riley gibt sich größte Mühe, um dafür zu sorgen, dass Musks Fluchten von der Arbeit und seiner Vergangenheit für ihn erfrischend wirken, wenn nicht sogar heilend. »Ich versuche, mir interessante Sachen auszudenken, die er noch nicht gemacht hat, damit er sich entspannen kann«, sagt Riley, »wir versuchen jetzt, seine schreckliche Kindheit etwas auszugleichen.«
Die Bemühungen von Riley mögen aufrichtig sein, helfen aber können sie nicht immer. Eine Weile nach der Sumo-Party traf ich Musk wieder bei der Arbeit im Silicon Valley. Es war ein Samstag und der Firmenparkplatz stand voller Autos. In den Tesla-Büros waren Hunderte junger Männer bei der Arbeit. Manche entwarfen am Computer Autoteile, andere machten auf ihren Tischen Experimente mit Elektronik. Alle paar Minuten war Musks brüllendes Lachen zu hören, das die gesamte Etage erfasste. Als er in den Konferenzraum kam, in dem ich auf ihn wartete, merkte ich an, es sei beeindruckend, an einem Samstag so viele Leute im Büro zu sehen. Musk sah die Sache anders und klagte, in letzter Zeit kämen immer weniger seiner Mitarbeiter auch am Wochenende. »Wir sind zum Teufel nochmal nachlässig geworden«, sagte er. »Ich wollte gerade eine E-Mail dazu schreiben. Wir sind zum Teufel nochmal nachlässig.«
Diese Haltung scheint gut zu dem Bild zu passen, die man von anderen Visionären hat. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie etwa Howard Hughes oder Steve Jobs ihre Beschäftigten auf ähnliche Weise fordern. Etwas Neues aufzubauen – vor allem etwas bedeutendes Neues – ist ein schmutziges Geschäft. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten ist Musk als Unternehmer tätig und in dieser Zeit hat er eine Spur von Menschen hinter sich gelassen, die ihn entweder bewundern oder verachten. Bei meiner journalistischen Arbeit hatte ich Gelegenheit, mit vielen von ihnen zu sprechen, mir ihre Meinung über Musk anzuhören und mich über all die dreckigen Details zu informieren, wie er und seine Unternehmen funktionieren.
Meine Abendessen mit Musk und regelmäßige Besuche in Muskland aber zeigten andere mögliche Wahrheiten über diesen Mann. Er hat sich etwas vorgenommen, das potenziell viel bedeutender ist als alles, was Hughes oder Jobs je geschaffen haben. Musk betätigt sich in Branchen wie Raumfahrt und Automobil, die in den USA fast schon aufgegeben schienen, und lässt sie als etwas Neues und Begeisterndes wieder aufleben. Den Kern dieser Transformation bildet Musks Geschick als Softwareprogrammierer und seine Fähigkeit, es auch auf Maschinen anzuwenden. Er hat Atome und Bits auf eine Weise zusammengebracht, wie es kaum jemand auch nur für möglich gehalten hätte, und die Ergebnisse sind spektakulär. Natürlich hat Musk noch kein heißes Massenprodukt wie das iPhone im Angebot und anders als Facebook erreicht er auch nicht mehr als eine Milliarde Menschen. Noch produziert er nur Spielzeuge für Reiche und sein entstehendes Imperium könnte schon durch eine explodierende Rakete oder einen großen Tesla-Rückruf zusammenbrechen. Andererseits haben seine Unternehmen schon deutlich mehr erreicht, als seine lautesten Gegner je für möglich gehalten hätten, und sein Versprechen von dem, was noch kommen soll, müsste in schwachen Momenten selbst erbitterte Skeptiker optimistisch stimmen. »Für mich ist Elon das leuchtende Beispiel dafür, wie sich das Silicon Valley neu erfinden und relevanter werden könnte, als wenn es weiter nur auf schnelle Börsengänge und den Start von Produkten mit inkrementellen Verbesserungen aus ist«, sagt Edward Jung, ein angesehener Softwareexperte und Erfinder. »Diese Sachen sind wichtig, aber sie reichen nicht aus. Wir müssen uns mit anderen Modellen für Projekte mit längerfristigem Charakter und mehr Technologie-Integration beschäftigen.« Genau die von Jung angesprochene Integration, also das harmonische Zusammenbringen von Software, Elektronik, neuesten Materialien und Rechenleistung, scheint eine spezielle Begabung von Musk zu sein. Man muss nur ein klein wenig anders auf ihn blicken und schon sieht es so aus, als könne er mit seinen besonderen Fähigkeiten den Weg in ein Zeitalter mit beeindruckenden Maschinen und Realität gewordenen Science-Fiction-Träumen ebnen.
In diesem Sinn ähnelt Musk viel eher Thomas Edison als Howard Hughes. Er ist ein Erfinder, gefeierter Geschäftsmann und Industrieller, der aus großartigen Ideen großartige Produkte machen kann. Er beschäftigt Tausende Menschen, die in amerikanischen Fabriken Metall bearbeiten, obwohl das heute eigentlich als undenkbar gilt. Der aus Südafrika stammende Musk wirkt heute wie der innovativste Industrielle der USA, wie ihr unkonventionellster Denker und wie die Person, die das Silicon Valley am ehesten auf einen ambitionierteren Kurs bringen kann. Dank Musk werden die Amerikaner in zehn Jahren vielleicht die modernsten Autobahnen der Welt haben – ein System aus Tausenden von mit Solarstrom versorgten Ladestationen, genutzt von lautlosen Elektroautos. Bis dahin könnte auch SpaceX schon täglich Raketen starten, die Menschen und Ausrüstung in Dutzende Ecken des Weltraums befördern, und längere Reisen zum Mars vorbereiten. Diese Fortschritte sind kaum zu begreifen und scheinen doch unvermeidlich, wenn Musk sich nur genügend Zeit dafür erkaufen kann, sie zum Funktionieren zu bringen. Wie seine Exfrau Justine sagt: »Er tut, was er will, und dabei ist er gnadenlos. Es ist Elons Welt und der Rest von uns lebt auch darin.«
In der Öffentlichkeit tauchte Elon Reeve Musk erstmals im Jahr 1984 auf: Das südafrikanische Branchenblatt PC and Office Technologie veröffentlichte den Programmcode für ein von ihm entwickeltes Videospiel namens Blastar, das mit nur 167 Befehlszeilen auskam. Die frühen Computernutzer von damals mussten noch Textbefehle eintippen, um ihre Maschinen zu irgendetwas zu bewegen. Vor diesem Hintergrund war Musks Programm nicht eben ein Wunderwerk der Informatik, doch mit Sicherheit weitaus mehr als das, was die meisten anderen 12-Jährigen hervorbrachten. Der Bericht in dem Magazin brachte Musk 500 Dollar ein und ließ schon ein wenig von seinem Wesen erkennen. Wie ab Seite 69 zu lesen war, wollte der junge Mann wie ein Science-Fiction-Autor als E.R. Musk bezeichnet werden und hatte schon damals große Visionen im Kopf. In einem kurzen Erklärkasten hieß es: »In diesem Spiel müssen Sie einen Alien-Raumtransporter zerstören, der tödliche Wasserstoffbomben und Zustandsveränderungsmaschinen an Bord hat. Das Spiel arbeitet geschickt mit Sprites und Animation und insofern lohnt es sich, die Programmierung anzusehen« (was Zustandsveränderungsmaschinen sein sollen, konnte mir nicht einmal das Internet verraten).
Ein Junge, der sich für den Weltraum und Kämpfe zwischen Gut und Böse interessiert, ist nichts Besonderes – aber einer, der diese Fantasien ernst nimmt, schon eher. So war es beim jungen Elon Musk. Bis zur Mitte seiner Teenagerjahre hatte er Fantasie und Realität so weit vermischt, dass sie in seinem Kopf kaum noch auseinanderzuhalten waren. Irgendwann sah Musk die Sicherung einer Zukunft für die Menschheit im All als seine persönliche Verpflichtung an. Wenn er dazu sauberere Energien entwickeln oder Raumschiffe zur Vergrößerung der Reichweite der menschlichen Spezies bauen musste, dann würde er das eben tun – irgendwie würde er die Probleme schon lösen. »Vielleicht habe ich als Kind zu viele Comics gelesen«, sagt er. »In Comics scheint es irgendwie immer darum zu gehen, die Welt zu retten. Ich bekam das Gefühl, man sollte versuchen, die Welt besser zu machen, weil das Gegenteil keinen Sinn ergeben würde.«
Mit ungefähr 14 Jahren geriet Musk in eine ausgeprägte Existenzkrise. Darauf reagierte er, wie es viele begabte Jugendliche tun: mit einer Hinwendung zu religiösen und philosophischen Texten. Musk sah sich eine Handvoll Ideologien an und endete dann mehr oder weniger dort, von wo er gekommen war. Er machte sich die Science-Fiction-Lehren aus einem der einflussreichsten Bücher seines Lebens zu eigen – aus Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams. »Adams erklärt, dass es mit am schwierigen ist, herauszufinden, welche Fragen man stellen sollte«, sagt Musk. »Wenn man die Fragen gefunden hat, ist die Antwort relativ einfach. Ich kam zu dem Schluss, dass wir unbedingt versuchen sollten, die Breite und Tiefe des menschlichen Bewusstseins zu vergrößern, damit wir besser verstehen, welches die richtigen Fragen sind.« So entwickelte der Teenager Musk sein ultralogisches Mission Statement: »Das einzig Sinnvolle ist, sich für mehr kollektive Aufklärung einzusetzen«, sagt er.
Die Gründe für Musks Sinnsuche sind nicht schwer zu erkennen. Geboren 1971, wuchs er in Pretoria auf, einer großen Stadt im Nordwesten Südafrikas, ungefähr eine Autostunde entfernt von Johannesburg. Für wohlhabende Weiße wie die Familie Musk hatte das Leben in Südafrika zu dieser Zeit einen gewissen vergifteten Reiz: Was immer man brauchte, wurde von einem Trupp schwarzer Haushaltshilfen erledigt. Gutsituierte Südafrikaner waren deshalb meist entspannt und bekannt für ihre Lebensfreude. Sie feierten fantastische Partys, bei denen sie im Garten Lamm grillten und reichlich Wein tranken, während Kindermädchen auf den Nachwuchs aufpassten und afrikanische Tanzgruppen bis tief in die Nacht für Unterhaltung sorgten. Die Natur um sie herum war von unvergleichlicher Schönheit und Vitalität. Und die Bevölkerung ging viel großzügiger mit ihrer Zeit um, als es im Westen üblich war. Ein beliebter Ausdruck in Südafrika ist »just now« für »jetzt gleich« – und er kann alles zwischen fünf Minuten und fünf Stunden bedeuten. Hinzu kam ein allgemeines Gefühl der Freiheit, das durch die rohe, raue Energie des afrikanischen Kontinents entsteht.
Hinter all diesen Annehmlichkeiten lauerte natürlich das Gespenst der Apartheid. Immer wieder kochte Südafrika über vor Spannungen und Gewalt. Es gab Zusammenstöße zwischen Schwarzen und Weißen ebenso wie zwischen Schwarzen unterschiedlicher Stämme. Musks Kindheit fiel mit einigen der blutigsten, abstoßendsten Phasen der Apartheid zusammen. Nur ein paar Tage nach dem Aufstand in Soweto, bei dem bei Protesten gegen Dekrete der weißen Regierung Hunderte schwarzer Schüler starben, wurde Musk vier Jahre alt. Wegen der rassistischen Politik gab es seit Jahren Sanktionen anderer Staaten gegen Südafrika. Musk konnte in seiner Kindheit trotzdem ins Ausland reisen und dürfte ein Gefühl dafür bekommen haben, wie seine Heimat im Rest der Welt gesehen wurde. Weiße südafrikanische Kinder, die in dieser Zeit irgendetwas mitbekamen, fühlten sich eindeutig beschämt und wussten, dass mit ihrem Land etwas nicht stimmte.
Musks Vorstellung, dass die Menschheit gerettet werden muss, wurde für ihn immer wieder bestätigt. Doch statt sich nur für die unmittelbaren Bedürfnisse Südafrikas zu interessieren, richtete Musk seinen Blick fast von Anfang an auf die gesamte Spezies. Die USA sah er so klischeehaft, wie es nur geht: als das Land der unbegrenzten Möglichkeit und damit als die Bühne, auf der er seine Träume am ehesten verwirklichen konnte. Und so kam es, dass ein einsamer, linkischer Junge aus Südafrika, der vollkommen im Ernst von der Notwendigkeit »kollektiver Aufklärung« sprach, zum mutigsten Industriellen Amerikas wurde.
Als Musk im Twen-Alter tatsächlich in die USA kam, war das eine Rückkehr zu den Wurzeln seiner Familie. Stammbäume zeigen, dass Vorfahren seiner mütterlichen Seite mit dem deutsch-schweizerischen Nachnamen Haldeman während der Revolutionskriege aus Europa nach New York zogen. Von dort aus verbreiteten sie sich in den Prärien des Mittleren Westens, vor allem in den Bundesstaaten Illinois und Minnesota. »Offenbar hatten wir im Bürgerkrieg Leute auf beiden Seiten und waren eine Familie von Farmern«, sagt Musks Onkel Scott Haldeman, der inoffizielle Familienhistoriker.
Seine Kindheit über wurde Musk wegen seines ungewöhnlichen Namens von anderen Jungen gehänselt. Den ersten Teil davon verdankte er seinem Urgroßvater John Elon Haldeman, der 1872 geboren wurde1 und in Illinois aufwuchs, bevor er sich nach Minnesota aufmachte. Dort traf er seine fünf Jahre jüngere Frau Almeda Jane Norman. 1902 hatte sich das Paar in einer Blockhütte in der Stadt Pequot im Zentrum Minnesotas niedergelassen und den Sohn Joshua Norman Haldeman, Musks Großvater, bekommen. Aus ihm sollte ein exzentrischer und außergewöhnlicher Mann und ein Vorbild für Musk werden.2
Joshua Norman Haldeman wird als sportlicher, eigenständiger Junge beschrieben. Im Jahr 1907 zog seine Familie in die Prärien von Saskatchewan und kurz darauf starb sein Vater. Joshua war damals erst sieben Jahre alt, musste aber schon bei der Haushaltsführung helfen. Eher aber zog es ihn in das weite, offene Land und er fing an mit Rodeo-Reiten, Boxen und Ringen. Haldeman ritt Pferde für lokale Farmer ein, wobei er sich oft verletzte, und er organisierte eines der ersten Rodeos in Kanada. Auf Familienfotos ist zu sehen, wie er mit schicken Cowboy-Hosen sein Können im Lassowerfen zeigt. Als Teenager verließ Haldeman sein Zuhause und machte eine Ausbildung an der Palmer School of Chiropractic in Iowa. Dann kehrte er zurück nach Saskatchewan, um Farmer zu werden.
Als in den 1930er-Jahren die Große Depression ausbrach, geriet Haldeman in finanzielle Nöte. Er konnte die Bankdarlehen für seine Maschinen nicht mehr bezahlen und rund 20,32 Quadratkilometer seines Landes wurden gepfändet. »Von da an glaubte Dad nicht mehr an Banken oder Sparen«, sagt Scott Haldeman, der später einen Chiropraktik-Abschluss an derselben Schule wie sein Vater machen und einer der weltweit besten Experten für Rückenschmerzen werden sollte. Nachdem er 1934 seine Farm ganz verloren hatte, lebte Haldeman ein Nomadenleben, das sein Enkel Jahrzehnte später in Kanada wiederholen sollte. 1,90 Meter groß, machte er Gelegenheitsjobs als Bauarbeiter und Rodeo-Reiter, bevor er sich als Chiropraktiker niederließ.3
Bis 1948 hatte Haldeman die kanadische Tanzlehrerin Winnifred Josephine Fletcher (Wyn) geheiratet und eine florierende Chiropraktik-Praxis aufgebaut. In diesem Jahr wuchs die Familie um die Zwillingstöchter Kaye und Musks spätere Mutter Maye. Sie lebten in einem dreistöckigen Haus mit 20 Zimmern, in dem es auch ein Tanzstudio gab, sodass Wyn weiter unterrichten konnte. Immer auf der Suche nach neuen Beschäftigungen, hatte Haldeman mit dem Fliegen begonnen und sich ein eigenes Flugzeug gekauft. Die Familie wurde in der Gegend etwas berüchtigt, als bekannt wurde, dass Haldeman und seine Frau die Kinder gern in ihre einmotorige Maschine packten und so ganz Nordamerika erkundeten. Oft reiste Haldeman mit seinem Flugzeug auch zu politischen oder Chiropraktik-Veranstaltungen. Später schrieb er zusammen mit seiner Frau ein Buch mit dem Titel The Flying Haldemans: Pity the Poor Private Pilot.
Im Jahr 1950 schien für Haldeman alles bestens zu laufen – und er beschloss, es aufzugeben. Der Arzt und Politiker hatte seit Langem gegen staatliche Einmischungen in das Leben von Bürgern gekämpft und empfand die kanadische Bürokratie als lästig. Haldeman als ein Mann, der in seinem Haus Fluchen, Rauchen, Coca-Cola und Weißmehl verbot, vertrat die Ansicht, dass die Moral im Land im Niedergang begriffen sei. Außerdem hatte er eine dauerhafte Lust am Abenteuer. Und so verkaufte die Familie innerhalb von ein paar Monaten ihr Haus, die Tanzschule und die Chiropraktik-Praxis und beschloss, nach Südafrika zu ziehen – wo Haldeman nie zuvor war. Scott Haldeman weiß noch, wie er seinem Vater dabei half, das Flugzeug der Familie, eine Bellanca Cruisair Baujahr 1948, zu zerlegen und in Kisten für den Seetransport nach Afrika zu verpacken. Als es dort angekommen war, baute die Familie es wieder zusammen und durchsuchte das Land aus der Luft nach einem guten Ort zum Wohnen. Letztlich fiel die Wahl auf Pretoria, wo Haldeman wieder als Chiropraktiker arbeitete.
Die Abenteuerlust der Familie schien keine Grenzen zu kennen. 1952 brachen Joshua und Wyn mit dem Flugzeug zu einer Reise von 35.000 Kilometern auf, die sie über Afrika nach Schottland und Norwegen führte. Wyn machte den Navigator und übernahm, obwohl sie keinen Pilotenschein hatte, auch gelegentlich das Steuer. Diese Reise übertraf das Paar 1954 noch, als es 48.000 Kilometer nach Australien und zurück flog. Zeitungen berichteten darüber und die beiden gelten als die einzigen Privatpiloten, die je mit einer einmotorigen Maschine von Afrika nach Australien geflogen sind.4
Wenn sie nicht in der Luft waren, machten die Haldemans große, einen Monat lange Expeditionen, um die »Verlorene Stadt« zu finden, die es in der Kalahari-Wüste im südlichen Afrika geben sollte. Ein Familienfoto von einer dieser Exkursionen zeigt die fünf Kinder mitten im afrikanischen Busch. Sie haben sich um einen großen Metalltopf versammelt, der von der Glut eines Lagerfeuers erwärmt wird. Die Kinder sitzen mit überkreuzten Beinen in Klappstühlen, lesen Bücher und wirken entspannt. Hinter ihnen sind das rubinrote Bellanca-Flugzeug, ein Zelt und ein Auto zu sehen. Die Beschaulichkeit dieser Szene verdeckt allerdings, wie gefährlich diese Reisen waren. Einmal fuhr der Kleinlaster der Familie über einen Baumstumpf, wodurch sich die Stoßstange in den Kühler bohrte. Gestrandet mitten im Nirgendwo mit keinerlei Kommunikationsmöglichkeiten, verbrachte Joshua drei Tage damit, das Auto zu reparieren, während die Familie Essen jagte. Zu anderen Zeiten wurde ihr Lagerfeuer nachts von Hyänen und Leoparden umringt und eines Morgens wachte die Familie auf, um einen Meter entfernt von ihrem Haupttisch einen Löwen zu sehen. Joshua griff den ersten Gegenstand, der er finden konnte – eine Lampe –, wedelte damit und sagte dem Löwen, er solle weggehen. Das Tier gehorchte.5
Bei der Kindererziehung setzten die Haldemans auf das Prinzip Laissez-Faire, das sich über die Generationen bis zu Musk halten sollte. Die Kinder wurden nie bestraft, denn Joshua glaubte, sie würden den Weg zum richtigen Verhalten schon intuitiv finden. Wenn Mama und Papa zu einem ihrer extravaganten Flüge aufbrachen, blieben die Kinder zu Hause. Scott Haldeman kann sich nicht erinnern, seinen Vater auch nur ein einziges Mal in seiner Schule gesehen zu haben, obwohl er dort Kapitän des Rugby-Teams und Stufensprecher war. »Für ihn war das alles einfach wie erwartet«, sagt Scott Haldeman. »Wir hatten den Eindruck, dass wir zu absolut allem fähig waren. Man muss sich nur entscheiden und es dann machen. In diesem Sinn wäre mein Vater sehr stolz auf Elon gewesen.«
Haldeman starb im Jahr 1974 im Alter von 72 Jahren. Er übte Landungen in seinem Flugzeug und übersah einen Draht zwischen zwei Masten. Der Draht verfing sich in den Rädern des Flugzeugs und ließ es vornüber kippen und Haldeman brach sich das Genick. Elon war damals noch ein Kleinkind. Aber seine gesamte Kindheit über hörte er viele Geschichten über die Taten seines Großvaters und sah endlose Diashows über seine Reisen und Expeditionen in den Busch. »Meine Großmutter erzählte diese Geschichten, wie sie während ihrer Reisen mehrere Male fast gestorben wären«, sagt Musk. »Sie hatten ein Flugzeug so gut wie ohne Instrumente – nicht mal ein Funkgerät und statt Luftkarten hatten sie Straßenkarten und manche davon waren nicht einmal richtig. Mein Großvater hatte diesen Drang zum Abenteuer, zu Expeditionen, zu verrückten Sachen.« Elon Musk lässt sich gern darauf ein, dass er seine ungewöhnlich hohe Risikobereitschaft direkt von seinem Großvater geerbt haben könnte. Viele Jahre nach der letzten Diashow wollte er das rote Bellanca-Flugzeug kaufen, doch es ließ sich nicht mehr auffinden.
Elons Mutter Maye Musk vergötterte ihre Eltern. In ihrer Jugend galt sie als Nerd. Sie mochte Mathematik und Naturwissenschaften und zeigte gute Leistungen. Als sie 15 Jahre alt war, fielen aber allmählich auch ihre anderen Vorzüge auf. Maye war wunderschön. Sie war groß, hatte hellblonde Haare, hohe Wangenknochen und ein ebenmäßiges Gesicht, sodass sie überall herausstach. Ein Freund der Familie betrieb eine Model-Schule und Maye machte ein paar Kurse bei ihm. Am Wochenende trat sie bei Modenschauen auf und ließ sich für Magazine fotografieren, manchmal war sie für eine Veranstaltung im Haus eines Senators oder Botschafters und irgendwann kam sie auch ins Finale für Miss South Africa. (Maye arbeitete noch mit über 60 Jahren als Model. Sie war auf den Titelseiten von Magazinen wie New Yorker und Elle sowie in Musikvideos von Beyoncé zu sehen.)
Maye und Errol Musk, der Vater von Elon, wuchsen in derselben Gegend auf. Zum ersten Mal trafen sie sich, als Maye, geboren 1948, ungefähr elf Jahre alt war. Im Vergleich zur nerdigen Maye war Errol der coole Junge, aber er schwärmte jahrelang für sie. »Er verliebte sich wegen meiner Beine und Zähne in mich«, sagt Maye. Während ihres Studiums waren die beiden mal zusammen, mal nicht. Und laut Maye verbrachte Errol ungefähr sieben Jahre damit, hartnäckig um ihre Hand anzuhalten und sie endlich dazu zu bringen, Ja zu sagen. »Er hat mir einfach immer wieder Anträge gemacht«, sagt sie.
Die Ehe war von Anfang an schwierig. Während der Flitterwochen wurde Maye schwanger und brachte am 28. Juni 1971 – neun Monate und zwei Tage nach der Hochzeit – Elon zur Welt. Echtes Eheglück war dem Paar eher nicht beschieden, aber sie schafften es, sich in Pretoria ein angenehmes Leben zu machen. Errol arbeitete als Ingenieur und hatte mit großen Projekten, wie Bürogebäuden, Einkaufszentren, Wohnsiedlungen und einer Luftwaffenbasis, zu tun. Maye eröffnete eine Praxis als Ernährungsberaterin. Etwas mehr als ein Jahr nach Elons Geburt kamen sein Bruder Kimbal und bald darauf ihre gemeinsame Schwester Tosca zur Welt.