David ist zurück! - Penny Jordan - E-Book

David ist zurück! E-Book

Penny Jordan

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Beschreibung

Wie ein Lauffeuer spricht es sich herum: David Crighton, der vor Jahren nach einem Betrugs-Skandal aus Haslewich geflohen war, ist zurück! Doch wird es ihm je gelingen, das Vertrauen seiner Familie zurückzugewinnen? Die sensible Honor möchte ihm so gern dabei helfen

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Seitenzahl: 196

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IMPRESSUM

David ist zurück! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Penny Jordan Originaltitel: „Coming Home“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA GOLDBand 4 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung:

Umschlagsmotive: Sylvain Robin / 123RF

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733769710

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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PROLOG

„Du wirkst so nachdenklich. Liegt dir etwas auf der Seele?“

David Crighton lächelte seinem Gefährten freundlich zu. „Einmal ein Jesuitenpater, immer ein Jesuitenpater, was?“

Der alte Mann lachte. „Ich gestehe, hin und wieder kann ich der Versuchung, einen Menschen zu einer Beichte zu bewegen, kaum widerstehen. Aber glaub mir, das tue ich aus reiner Nächstenliebe.“

David schaute aufs Meer hinaus. „An Abenden wie diesen frage ich mich, warum wir Menschen ein so unvollkommenes Leben führen, obwohl uns eine derartig vollkommene Welt geschenkt wurde. Warum wir nicht versuchen, mehr aus unserem Leben zu machen und selbst Vollkommenheit anzustreben.“

„Es ist wirklich ein wunderschöner Abend“, pflichtete Pater Ignatius ihm bei, während er sich zu David auf den Felsvorsprung setzte, von dem aus man nicht nur den Sternenhimmel über Jamaika betrachten, sondern auch den Blick über die ruhige See wandern lassen konnte. „Aber es hat schon oft solche Abende gegeben. Keiner davon hat dich je zu einem so philosophischen Ausbruch bewegt.“

„Philosophisch?“ David schüttelte den Kopf. „Nein. Wer philosophiert, ist abgehoben, steht über den Dingen und denkt über die menschliche Existenz im Allgemeinen nach. Das habe ich nicht getan. Ich dachte an ganz konkrete Dinge. Schuldgefühle … Selbstzweifel … Wünsche …“

Er verstummte, als der Priester ihn ansah. „Du willst nach Hause“, sagte Pater Ignatius wissend.

„Nach Hause!“ David lachte bitter. „Dies hier ist mein Zuhause, und zwar ein weitaus besseres, als ich es verdient habe.“

„Nein, David“, widersprach der Pater ihm sanft. „Du lebst hier, aber dein Zuhause, deine Heimat, ist dort, wo dein Herz ist. Du bist in England zu Hause, in Cheshire.“

„In Haslewich“, ergänzte David trocken. „Ich habe in der letzten Nacht von meinem Vater geträumt“, erzählte er dann unvermittelt. „Ich würde zu gern wissen, was sie ihm über mich gesagt haben. Über mein plötzliches Verschwinden, meine ich. Ich frage mich, ob er …“

„Nach dem, was du mir über deine Familie und deinen Zwillingsbruder erzählt hast, bezweifle ich, dass sie ihm etwas gesagt haben, das ihm wehtut“, wandte Pater Ignatius ein. „Aber wenn es du wirklich wissen willst, solltest du zu ihnen allen zurückkehren.“

„Zurückkehren?“, wiederholte David brüsk. „Nein, das kann ich nicht.“

„Natürlich kannst du“, beharrte sein Gefährte.

„Ich bin ein Dieb, ein Krimineller. Ich habe Geld gestohlen“, erinnerte David ihn scharf.

„Du hast gegen eines von Gottes Geboten verstoßen“, verbesserte der Priester. „Aber du hast deine Sünde von Herzen bereut und ernsthaft Buße getan. In den Augen Gottes hast du versucht, deinen schweren Fehler wiedergutzumachen.“

„In den Augen Gottes vielleicht“, meinte David mit grimmigem Lächeln. „Aber in den Augen des Gesetzes bin ich noch immer schuldig.“

„Was ist dir wichtiger, David?“, fragte Pater Ignatius ihn sanft. „Die Last der Schuld gegenüber deiner Familie oder die vor dem Gesetz?“

„Vielleicht ist mein Vater gar nicht mehr am Leben.“

„Du hast noch andere Angehörige“, erinnerte der Geistliche ihn.„Einen Bruder, eine Tochter, einen Sohn.“

„Denen geht es ohne mich besser“, vermutete David und wandte das Gesicht ab, damit sein Freund nicht darin lesen konnte, wie weh dieser Satz ihm tat.

„Vielleicht … vielleicht aber auch nicht.“

„Ich kann nicht zurückkehren“, wiederholte David, aber der Pater hörte die Ungewissheit und Sehnsucht in seiner Stimme.

Seit er in der Inselzeitung gelesen hatte, dass Davids Neffe Max auf der Suche nach seinem Onkel ausgeraubt und niedergestochen worden war, hatte Ignatius sich auf diesen Moment vorbereitet. David war ihm wie ein Sohn ans Herz gewachsen, und die Liebe, die er für ihn empfand, war die eines Vaters, auch wenn er nicht Davids Vater war. Und selbst wenn er es gewesen wäre, hätte es zu den Pflichten eines liebenden Vaters gehört, seinem Kind die Freiheit zu geben, damit es sein eigenes Leben leben konnte.

David hatte hier hart gearbeitet und ihm in seiner sich selbst auferlegten Pflicht geholfen, die Todkranken dieser Insel zu pflegen und bis zu ihrem Ende zu begleiten. Gemeinsam hatten sie denen beigestanden, die von der Gesellschaft ausgestoßen worden oder zu arm waren, um anderswo Geborgenheit zu finden. Erst im Laufe ihrer Zusammenarbeit war Ignatius klar geworden, was für ein einsames und aufopferungsreiches Leben er selbst geführt hatte.

David hatte er betrunken in einer stinkenden Gosse von Kingston gefunden, und er wusste noch immer nicht, warum er stehen geblieben war und ihm geholfen hatte. Einem wildfremden Mann, der ihn lallend verflucht hatte. Und dann hatte David ihn, als er endlich nüchtern war, vorwurfsvoll gefragt, warum er ihn nicht hatte sterben lassen.

Es hatte Monate gedauert, bis David den Mut fand, über sich, sein Leben und seine Vergangenheit zu sprechen. Der Priester hatte ihn nicht verurteilt. Warum auch? Es war nicht seine Aufgabe, über andere Urteile zu fällen. Es war seine Aufgabe, ihnen zu helfen, ihnen Trost zu spenden, sie zu lieben.

Als er Priester wurde, war er voller Visionen und Ideale gewesen, aber dann war etwas geschehen, das seinen Glauben zutiefst erschüttert hatte. Der Mann, den er am meisten bewunderte, der sein Vorbild gewesen war, hatte eine der unverzeihlichsten Sünden begangen. Pater John hatte sein Keuschheitsgelübde gebrochen und nicht nur eine heimliche Beziehung mit einer Frau gehabt, sondern mit ihr auch noch ein Kind gezeugt. Und er, der junge Priester, hatte sich gegen die Loyalität und für die Kirche entschieden und aus seiner Enttäuschung keinen Hehl gemacht.

Das Ergebnis war katastrophal gewesen. Pater John hatte sich das Leben genommen, und er, Francis O’Leary, den seine Kirche als Pater Ignatius kannte, hatte sich die Schuld daran gegeben. Einzig und allein sich selbst. Sogar der Bischof schien das genauso zu sehen.

Er war fortgeschickt worden in eine Gemeinde fern der Heimat, um einen neuen Anfang zu machen. Doch seine Schuld folgte ihm selbst dorthin. Man wusste, welche Rolle er bei dem tragischen Ende Pater Johns gespielt hatte. Er wurde zu einem Unberührbaren, zu jemandem, dem man aus dem Weg ging. Zu einem Priester, der nicht nur den Glauben an andere verloren hatte, sondern auch den an sich selbst. Also hatte er sich um eine Stelle als Missionar beworben und eine bekommen.

„Selbst wenn ich nach Hause zurückkehren wollte, ich könnte es nicht“, sagte David und holte den Priester jäh in die Gegenwart zurück. „Ich könnte das Geld für das Flugticket niemals aufbringen.“

Das stimmte, denn sie lebten sehr ärmlich und hatten nur das Notwendigste. Sie aßen Gemüse, das sie selbst anbauten, und für den Rest verließen sie sich auf die Großzügigkeit und Dankbarkeit ihrer Patienten und deren Familien.

„Du musst nicht unbedingt fliegen“, wandte Pater Ignatius ein. „Es gibt andere Möglichkeiten. Im Hafen liegt eine Jacht, die darauf wartet, zurück nach Europa gesegelt zu werden. Der Kapitän war gestern in der Coconut Bar. Er hat erzählt, dass er eine Mannschaft sucht, die für Kost, Logis und die Passage arbeitet.“

„Eine Jacht, die nach Europa fährt? Was hat sie geladen? Drogen?“, entgegnete David trocken.

„Nein, aber ihr Besitzer liegt im Sterben und will nach Hause.“

Die beiden Männer wechselten einen wissenden Blick.

„AIDS?“, fragte David unverblümt.

„Ja, das könnte ich mir vorstellen“, antwortete Ignatius.

Ein großer Teil ihrer Patienten befand sich im Endstadium dieser schrecklichen Krankheit, im Stich gelassen von ihren verängstigten Angehörigen und Freunden. David hatte lange genug an der Seite des Priesters gearbeitet und gelernt, diese Krankheit und diejenigen, die an ihr litten, zu respektieren. Sie zu respektieren und nicht zu fürchten.

„Ich kann einfach nicht gehen. Nicht jetzt“, flüsterte David, aber die Sehnsucht in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Träumst du oft von deinem Bruder?“, fragte Pater Ignatius ihn direkt.

„Nicht so wie letzte Nacht“, gestand David. „Ich habe davon geträumt, wie wir Kinder waren. Es war so voller Leben. Wir hatten gerade unsere ersten Fahrräder geschenkt bekommen, aber das Seltsame war …“ Er verstummte und zog die Stirn kraus. „In dem Traum habe ich auf meinem Fahrrad gesessen, aber meine Gefühle waren die von Jon.“

Der Priester sagte nichts. Er wusste, dass David seinen Bruder Jon Crighton aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, als er Max im Krankenhaus besucht und seinen Sohn schließlich nach Hause geholt hatte. Das Leben war etwas so Wertvolles, und weil er immer deutlicher merkte, wie sehr seine eigenen Kräfte schwanden, betete er für David. Er betete, dass David Crighton sich ein Herz fassen und zu seinem Zwillingsbruder heimkehren würde.

„Ich kann nicht gehen“, wiederholte David, aber sein Freund wusste, dass er es nicht nur konnte, sondern auch tun würde.

„Ja, Mrs. Crighton … natürlich, Maddy“, verbesserte Honor Jessop sich, als die Anruferin sie bat, sie beim Vornamen zu nennen. „Ich komme gern vorbei und sehe mir Ihren Schwiegervater an. Allerdings kann ich nicht versprechen, dass …“

Sie zögerte. Inzwischen war sie daran gewöhnt, dass ihre Patienten und deren Familien von ihr eine Art Wunder erwarteten, nachdem die Schulmedizin sie nicht hatte heilen können.

„Die Kräuterheilkunde ist keine Zauberei, sondern eine Naturwissenschaft“, musste sie ihnen manchmal erklären. Schließlich waren viele moderne Medikamente aus Pflanzen gewonnen worden, auch wenn sie inzwischen in den Labors der Pharmaindustrie synthetisch hergestellt wurden.

Honor war nicht immer Kräuterheilkundlerin gewesen. Ganz im Gegenteil. In den siebziger Jahren hatte sie Medizin studiert. Eine attraktive Brünette mit blauen Augen, hatte sie das Leben in vollen Zügen genossen und keine Party ausgelassen. Geradezu verzweifelt hatte sie versucht, ihre aristokratische Abstammung zu verleugnen und Teil der Londoner „Szene“ zu werden. Ironischerweise hatte sie ihren mittlerweile verstorbenen Ehemann jedoch nicht dort, sondern auf der Party kennengelernt, die Lady Caroline Agnew, eine Freundin ihrer Mutter, aus Anlass der Volljährigkeit ihrer Tochter gegeben hatte.

Rourke war damals der „angesagte“ Fotograf, arbeitete unter anderem für „Vogue“, und Honor war von ihm fasziniert. Alles an ihm verriet, dass er zu der Welt gehörte, nach der sie sich so sehr sehnte. Seine Kleidung, seine Frisur, die lässige Art und vor allem sein Akzent. Irgendwie gelang es ihr, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und sie verließen die Party gemeinsam.

Drei Monate später wurden sie ein Liebespaar, drei weitere Monate danach heirateten sie, und Honor brach das Medizinstudium ab. Zwei Jahre lang war sie blind vor Liebe und wollte nicht sehen, dass er sie belog und betrog, trank, Drogen nahm und Schulden machte.

Ihre Tochter Abigail war noch keine sechs Monate alt, als er sie das erste Mal verließ.

Honors Eltern waren strikt gegen die Heirat gewesen und weigerten sich, sie mit dem Kind bei sich aufzunehmen. Ihr Vater zahlte jedoch die Miete für eine kleine Wohnung, und sie suchte sich eine Arbeit in einer kleinen Familienapotheke. Dort entdeckte sie in einer Dachkammer ein altes Buch über Kräuter, das sie sofort fesselte.

Eines dunklen, verregneten Abends stand Rourke wieder vor ihrer Tür, und naiv wie sie war, bat sie ihn herein. Neun Monate später wurde Ellen geboren. Rourke hatte schon die nächste Affäre begonnen, dieses Mal mit einer reichen, älteren Frau.

Wieder allein, hatte Honor begonnen, sich intensiver mit Heilkräutern zu beschäftigen, und inzwischen war sie eine ausgebildete Heilkundlerin, die ihren Patienten sehr oft helfen konnte.

Sie war auch deshalb in das alte Haus auf dem Gut ihres Cousins Lord Astlegh gezogen, weil sie auf dem dazugehörigen Grundstück ihre eigenen Kräuter anbauen konnte. Das Haus lag sehr einsam, meilenweit vom Herrenhaus und von Haslewich entfernt, und hatte mit seiner spartanischen Einrichtung bei ihren Töchtern tiefes Entsetzen ausgelöst.

„Das ist ja eine Bruchbude“, hatte Abigail ausgerufen.

„Eine echt armselige Bruchbude“, hatte Ellen ihrer Schwester zugestimmt.

„Man wird dich für eine Art Hexe halten“, warnte Abigail im Scherz. „Also wirklich, Mum, mit all dem Geld, das du von Dad geerbt hast, hättest du dir ein richtig komfortables Haus kaufen können. Ich weiß, dass du sparen musstest, als wir noch klein waren, aber jetzt …“

„Jetzt habe ich mich entschieden, hier zu leben“, unterbrach Honor ihre Tochter mit Nachdruck.

Selbst jetzt noch konnte sie kaum fassen, dass Rourke ihr derart viel Geld hinterlassen hatte. Sie hatte nicht erwartet, dass er so jung sterben würde, erst recht nicht an einer verschleppten Erkältung, die sich zu einer Lungenentzündung entwickelt hatte. Da sie nie geschieden worden waren, war sie die gesetzliche Erbin gewesen. Das junge, langbeinige Model, mit dem Rourke zusammengelebt hatte, war selbst reich und nicht an seinem Geld interessiert.

Das Vermögen hatte er nicht als Modefotograf erworben, sondern mit seinen frühen Arbeiten, die durch ihre Originalität zu begehrten und sehr teuren Sammlerstücken geworden waren. Honor hatte sich das Geld mit ihren Töchtern geteilt.

Was sie den beiden jedoch nicht erzählt hatte, war, dass ihr neues Heim vor allem deshalb so heruntergekommen war, weil es einen denkbar schlechten Ruf besaß. Die Einheimischen erzählten sich, dass es für einen jüngeren Bruder des damaligen Lords Astlegh gebaut worden war, der dort seine Geliebte unterbrachte. Er besuchte sie dort, blieb manchmal tagelang bei ihr. Sehr zum Missfallen seiner Familie, die seine Heirat mit der Tochter eines anderen Großgrundbesitzers arrangiert hatte.

Der junge Mann wollte jedoch nur eine Frau, seine Geliebte, das wilde Mädchen aus einer umherziehenden Zigeunersippe, das manchmal barfuß durch den Wald lief.

„Komm mit mir mit“, soll die Frau ihn angeblich beschworen haben, als er ihr von den Heiratsplänen seiner Familie erzählte. „Lass uns zusammen fortgehen.“

Er schüttelte den Kopf. Er liebte außer ihr auch gutes Essen, gute Weine und gute Bücher.

„Ich kann nicht hierbleiben“, sagte die Zigeunerin. „Es beengt mich. Ich muss reisen, frei und ungebunden sein. Komm mit mir.“

„Ich kann nicht“, erwiderte er betrübt.

„Du bist ein Feigling“, entgegnete sie aufgebracht. „Du hast kein Feuer, keine Leidenschaft. Du bist kein richtiger Mann. Ein Mann meines Stammes würde für die Frau, die er liebt, alles tun.“

Ihre Augen blitzten, und im Halbdunkel der Waldlichtung hielt er ihre Tränen für ein verächtliches Funkeln.

Als man später ihre Leichen fand, wurde gemunkelt, dass sie ihn verhext hätte. Nur indem er erst sie und dann sich selbst tötete, hatte er ihren Zauber brechen können.

Seine Familie war einflussreich und ließ die Sache vertuschen, aber die Kunde vom tragischen Ende des Liebespaars verbreitete sich rasch in der gesamten Gegend. Das Haus und der Wald, der es umgab, galten als verwunschen. Wer die Warnungen missachtete und dennoch dort einzog, hielt es nie sehr lange dort aus …

Es war ein geräumiges und stabiles Haus aus rotem Backstein, in georgianischem Stil, mit kleinen Säulenvorbauten und klassisch geschnittenen Fenstern. Ein Haus, wie es sich die Frauen der Oberschicht, mit denen Honor aufgewachsen war, als idealen Ort für Ferien auf dem Lande vorstellten. Trotzdem hatte der jetzige Lord Astlegh keinen Mieter dafür finden können.

Er selbst hatte Honor von der Legende erzählt, die sich darum rankte.

„Hast du jemals ein Gespenst gesehen?“, hatte sie ihn neugierig gefragt.

Er hatte den Kopf geschüttelt. „Kompletter Blödsinn, wenn du mich fragst. Aber weißt du was, du kannst umsonst dort wohnen. Verkaufen kann ich es nämlich auch nicht, es gehört zum Gut. Allerdings müsstest du es selbst renovieren. Die Handwerker aus der Gegend trauen sich nicht hin.“

Honor hatte sich auf den ersten Blick in das malerische Haus verliebt und das Angebot sofort angenommen. Dank Rourkes Hinterlassenschaft würde sie das alte Gemäuer wieder in Stand setzen und ihren lang gehegten Traum verwirklichen können. Sie wollte die heilenden Kräuter, mit denen sie die Leiden ihrer Patienten linderte, selbst züchten. Foxdean war dafür der perfekte Ort. Vielleicht konnten sie ihrem Cousin sogar die Erlaubnis abringen, ein Gewächshaus für besonders empfindliche Pflanzen zu bauen.

Sie war in Haslewichs ausgezeichnetem Öko-Laden gewesen und hatte sich lange mit der Besitzerin unterhalten. Seitdem war sie von so vielen Hilfe suchenden Patienten angerufen worden, dass ihr Terminkalender schon recht voll war.

So konnte sie Maddy Crighton jetzt auch keinen kurzfristigen Termin für den Großvater ihres Mannes geben. „Natürlich müsste ich mir Mr. Crighton erst einmal ansehen, bevor ich etwas für ihn tun kann. Allerdings habe ich leider erst in zwei Wochen einen freien Termin.“

Am anderen Ende entstand eine kleine Pause. „Das ist schade. Aber dann werden wir wohl warten müssen.“

Während sie den Termin notierte, fragte Honor Maddy nach den Beschwerden des Patienten.

„Ben hat sich in den letzten Jahren zwei Hüftoperationen unterzogen, hat aber noch immer Schmerzen“, berichtete Maddy.

„Hat man ihm denn nichts gegen die Schmerzen verschrieben?“

„Doch, aber Gramps hat sie weggeworfen. Er ist ein schwieriger Patient … er hat keine sehr hohe Meinung von Ärzten.“

„Oje“, meinte Honor mitfühlend.

„Gramps ist erst Anfang achtzig, und es muss schlimm für ihn sein, nicht mehr so beweglich zu sein. Er fährt nicht mehr mit dem Auto und kann nicht sehr weit laufen.“

„Sie sollten ihn überreden, das Schmerzmittel zu nehmen, das der Arzt ihm verschrieben hat“, riet Honor ihr.

„Meinen Sie, Sie werden ihm helfen können?“, fragte Maddy voller Hoffnung.

„Bei Gelenkschmerzen bewirkt manchmal schon eine geringfügige Umstellung der Ernährung wahre Wunder. Außerdem kann man das geschädigte Gelenk mit Breiumschlägen behandeln, und es gibt eine Reihe von Kräuterextrakten, die helfen können. Aber das alles bespreche ich besser erst mit Ihnen, wenn ich Mr. Crighton gesehen habe.“

Nach dem Telefonat ging Honor in die altmodische Waschküche von Foxdean, in der sie ihren Destillierraum einrichten wollte. In dem Gang, der zur eigentlichen Küche führte, hatte sie ihre Bücherregale aufgestellt. Sie suchte ein bestimmtes Buch, zog es heraus und nahm es mit an den Küchentisch.

Sie setzte sich und schlug es auf. Es hieß Eine mittelalterliche Kräuterkunde, und sie hatte es in einem kleinen Antiquariat in Wells entdeckt.

Als sie wenig später aufstand, um sich einen Kaffee zu kochen, schlenderte der Kater durch die Tür. Er war kurz nach ihrem Einzug aus dem Nichts aufgetaucht und hatte Honor als sein Frauchen adoptiert. Sie hatte sich nach seinem Besitzer erkundigt, aber das Tier schien herrenlos zu sein, also hatte sie es behalten. Der Kater kam stets so pünktlich, dass sie die Uhr nach ihm stellen konnte. Jetzt zum Beispiel wusste sie, dass es drei war.

Mit gerunzelter Stirn sah sie zur Küchentür. Wie so vieles im Haus musste auch die Tür repariert, wenn nicht gar ersetzt werden. Sie musste bald jemanden finden, der ihr dabei helfen würde.

Die beiden größeren Bauunternehmen, bei denen sie sich erkundigt hatte, hatten unverschämt hohe Kostenvoranschläge gemacht, und die drei Ein-Mann-Firmen in Haslewich hatten alle Ausreden gefunden, den Auftrag nicht zu übernehmen.

Als auch der dritte Handwerker ablehnte, hatte sie ihn zur Rede gestellt. „Erzählen Sie mir bloß nicht, dass die Leute hier diese alberne Legende glauben, das Haus sei verwunschen?“

„Das ist keine alberne Legende“, hatte er grimmig erwidert. „Ein Onkel von mir hat sich das Bein gebrochen, als er an dem Haus arbeitete. Es infizierte sich, und man musste es ihm abnehmen.“

„Ein Unfall. So etwas passiert leider.“

„Sicher, aber in Ihrem Haus sind einfach zu viele solcher Sachen passiert. Hier werden Sie niemanden finden, Mrs. Jessop.“

1. KAPITEL

Honor arbeitete gerade im Garten, als sie den Mann in Richtung auf Fitzburgh Place den Reitweg entlangkommen sah. Ihr fiel auf, wie geschmeidig und entspannt er sich bewegte. Offenbar war er es gewohnt, längere Strecken zu laufen, aber er sah nicht aus wie ein Wanderer. Obwohl Honor nicht hätte sagen können, woran es lag, spürte sie doch deutlich, dass der Fremde etwas Besonderes war.

Er trug verblichene Jeans, ein altes kariertes Hemd, schwere Stiefel und auf dem Rücken einen kleinen Rucksack. Groß, schlank und gebräunt, war er durchaus einen zweiten Blick wert.

Sie richtete sich auf, lächelte ihm entgegen und sagte „Hallo“.

David blieb kurz stehen und lächelte zurück. Die Frau war nicht die erste Person, die ihn auf seinem Spaziergang grüßte, aber mit Sicherheit die hübscheste.

Seine Exfrau hatte alles eingesetzt, was es an Kosmetika gab, um ihre Schönheit erst zu betonen und dann zu erhalten. Sie hatte sich dahinter versteckt und sie ihren Mitmenschen dargeboten, um deren Anerkennung zu bekommen.

David konnte sich nicht erinnern, Tiggy jemals außerhalb des Bettes ohne Make-up gesehen zu haben. Diese Frau, die ihn mit leicht schräg gelegtem Kopf und fröhlich strahlenden Augen musterte, trug überhaupt kein Make-up. Und sie hatte es auch nicht nötig.

Sie war nicht jung. Er konnte die winzigen Fältchen um die Augenwinkel und die Lebenserfahrung in ihrem Lächeln sehen. Trotzdem vermutete er, dass sie selbst in einem Raum voller wesentlich jüngerer und titelbildhübscher Konkurrentinnen die Frau sein würde, die alle ansahen.

„Haben Sie Durst?“, fragte Honor ihn. „Ich wollte gerade eine Pause machen, um etwas zu trinken.“

Durst! David gelang es nicht, seine Überraschung zu verbergen.

Sie fragte sich, ob er wusste, wie sehr sein Gesicht verriet, was er dachte. Sie erkannte darin nicht nur Erstaunen, sondern auch typisch männlichen Tadel.

„Das ist sehr nett von Ihnen“, bedankte David sich, „aber …“

„Aber eine Frau meines Alters sollte nicht so leichtsinnig sein, einen wildfremden Mann in ihren Garten einzuladen, nicht wahr?“ Honor schmunzelte. „Ich verfüge über Zauberkräfte, die es mir erlauben, einen Menschen so zu sehen, wie er wirklich ist“, fügte sie mit ernster Stimme und lachenden Augen hinzu, als sie den Spaten abstellte und zur Pforte ging, um sie ihm zu öffnen. „Also? Trauen Sie sich jetzt herein?“

„Eine Hexe?“ In seinem gebräunten Gesicht blitzten strahlend weiße Zähne auf, und Honors Herz schlug schneller. Vorsicht, dachte sie, als der Mann auf sie zukam. Auch aus der Nähe war er atemberaubend attraktiv und hatte eine unkonventionelle und einzigartige Ausstrahlung, die ihren Puls rasen ließ. Sie war sicher, dass es kein Fehler war, diesen Fremden in ihr Haus zu bitten.

„Nein, nicht ganz“, erwiderte sie lächelnd und führte ihn zum Haus. „Ich bin Kräuterheilkundlerin.“

„Kräuterheilkundlerin?“

Sie hörte die Neugier in seiner Stimme und drehte sich zu ihm um. „Interessieren Sie sich für Heilkräuter?“, erkundigte sie sich und öffnete die Tür.

Der Raum dahinter war niedrig und viel zu dunkel für eine Küche. Honor wusste das, aber sie wollte die wuchernde Hecke vor den Fenstern nicht selbst zurückschneiden. Vielleicht würde der Bauunternehmer ihr einen Fachmann empfehlen können. Aber erst einmal musste sie einen finden.

„Ich kenne mich auf dem Gebiet nicht besonders aus“, gab David zu. „Aber ein Freund von mir ist fest davon überzeugt, dass die Antwort auf sämtliche Zivilisationskrankheiten sich genauso gut in der Natur wie im Labor finden lässt.“

„Ganz meine Meinung“, sagte Honor erfreut. „Lebt Ihr Freund hier? Übrigens, ich bin Honor Jessop und wohne noch nicht lange genug hier, um Leute zu kennen, die so denken wie ich.“

David schüttelte den Kopf. „Nein, er lebt in Jamaika. Ich bin David … Lawrence.“

Ja, sein Name gefiel ihr. Aber warum hatte er ihn ihr nur zögernd genannt?

„Jamaika … ich habe mich schon gefragt, wo Sie so beneidenswert braun geworden sind. Besuchen Sie ihn oft?“