Demonea - David Scott - E-Book

Demonea E-Book

David Scott

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Beschreibung

ANGST VERZWEIFLUNG VERSCHWÖRUNG Zu Beginn des 22. Jahrhunderts ist der Bergbau auf Asteroiden ein wichtiger Wirtschaftszweig. Doch als ein verstörendes Bild im Netz auftaucht, das die Menschen in Angst und Schrecken versetzt, beginnt die Jagd nach dem Geheimnis dahinter. Verschwörungen und Piraten machen die Suche gefährlich und unberechenbar. Ein Reporter verfolgt seine eigenen Pläne und gerät dabei in einen Konflikt mit einer Macht, die keine Gefangenen kennt. Kann die SPACE PATROL UNIT der Foundation, einer Organisation zum Schutz der Space Miner Basen, die Katastrophe verhindern?

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Disclaimer

Handlung, Orte und Personen in diesem Science-Fiction Roman sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, Namen und lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

EPILOG

PROLOG

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem mein Kollege Yel aufgeregt in den Kontrollraum des neuen Radioteleskops stürmte. In der Nacht zuvor hatte sein Computerterminal eine Technosignatur registriert. Yel tippte mit dem Zeigefinger auf einen Computerausdruck.

»Diese Technosignatur stammt nicht von unserer Technik auf der Erde.« Die neue KI-Technologie konnte das Signal eindeutig verifizieren. Yel sah mich erwartungsvoll an.

»Hörst du mir zu?«

Ich war immer noch skeptisch, aber Yel setzte sich auf seinen Arbeitsstuhl und gab die Koordinaten ein. Er konnte es kaum erwarten, bis die ersten Ergebnisse auf dem Bildschirm erschienen. Yel beugte sich zum Bildschirm vor und seine Finger fuhren nachdenklich über die Lippen. Plötzlich blätterte er hektisch in seinen Aufzeichnungen und schaute noch einmal auf die Sterndaten aus Angst, alles könnte sich am Ende als Irrtum erweisen. Als ich Yel über die Schulter sah, erkannte ich, dass es sich tatsächlich um ein bis dahin unbekanntes Sternensystem handelte, von dem die Technosignatur stammte. Zu diesem Zeitpunkt ahnten weder Yel noch ich, was es wirklich mit dieser Entdeckung auf sich hatte.

Ein Superflare vervielfachte die Helligkeit eines Roten Zwergsterns und führte damit zu seiner Entdeckung. Mit bloßem Auge waren diese leuchtschwachen Zwergsterne nicht zu beobachten. Ihrer geringen Masse bedingt beruhte die Kernfusion auf einer Proton-Proton-Reaktion, die viel langsamer abläuft als bei größeren Sternen. Deshalb gehörten sie auch zu den ältesten Sternen der Milchstraße. Bei genauerer Betrachtung der übertragenen Computerdaten handelte es sich wahrscheinlich um ein Doppelsternsystem, das von Planeten umkreist wurde.

Wenige Tage später bestätigten auch andere Weltraumteleskope, dass Yel tatsächlich ein neues Sternsystem entdeckt hatte, das weitere Untersuchungen rechtfertigte.

Yel versuchte, die Technosignatur mit dem neuen KI-Entschlüsselungssystem zu knacken. Und tatsächlich, wenn auch Monate später, gelang es den Wissenschaftlern dank eines bekannten Kryptologen der Sache näher zu kommen. Yel glaubte, die berühmte Nadel im Heuhaufen gefunden zu haben. Aus den empfangenen Datenfragmenten konnten die Wissenschaftler mit Unterstützung der KI-Technologie so etwas wie einen Hilferuf rekonstruieren.

Der Notruf einer künstlichen Intelligenz, die womöglich seit Jahrtausenden unterwegs war, durchdrang die Weiten des Weltalls in der Hoffnung, dass ein Empfänger die verschlüsselten Signale auffangen würde. Yel war hoch motiviert, das Rätsel zu lösen, als er mir die Interpretation der Wissenschaftler zeigte. Er gab der Technosignatur den Namen DEMONEA, geboren aus der Dunkelheit.

Beim Lesen offenbarte sich mir eine faszinierende Geschichte. In grauer Vorzeit tobte wahrscheinlich ein erbitterter Kampf zwischen zwei KI-Kampfeinheiten, den letzten ihrer Art. Die eine verteidigte ihren Planeten, während die andere alle erdenklichen Waffen einsetzte, um ihn zu erobern. Schließlich entbrannte im Orbit der Supererde die grausamste Schlacht um den Sieg, in der auch die letzten organischen Einheiten der Verteidiger den Tod fanden. In der schlimmsten Stunde der Supererde erreichte der Superflare des einen Roten Zwergsterns vermutlich die KI-Kampfeinheit der Verteidiger. Der Superflare, ein magnetischer Sturm der Superlative, riss die Atmosphäre der Supererde mit sich. Noch bevor die KI-Kampfeinheit der Verteidiger reagieren konnte, geschah das Undenkbare. Ein aus seiner Bahn geworfener Himmelskörper kollidierte wahrscheinlich mit der KI-Kampfeinheit. Die Aufprallenergie muss so gewaltig gewesen sein, dass der Himmelskörper und das künstliche Objekt miteinander verschmolzen. Die neue Flugbahn führte aus dem Heimatsystem hinaus in den freien Weltraum. Alles andere blieb offen und führte in den Bereich der Spekulation.

Die Interpretation der Wissenschaftler schien mir gar nicht so abwegig. Yel steckte voller Energie und Tatendrang. Ich sah ihm an, dass er mehr über das außerirdische Objekt herausfinden wollte.

Die Geschichte begeisterte mich und ich dachte darüber nach, Yel bei seinen Nachforschungen zu unterstützen.

Computertagebuch: 25.09.2087 »Notiz speichern.«

KAPITEL 1

Jemand musste es vertuscht haben, dennoch fühlte sich niemand schuldig, dass unzählige Meteoriten ohne Vorwarnung auf der Erde einschlugen. Noch spielten die Verantwortlichen die Situation herunter, während sich in den sozialen Netzwerken die Meldungen über verletzte Menschen überschlugen.

Verschwörungstheoretiker verkündeten den Weltuntergang, andere glaubten an eine Alieninvasion, bis ... Unbekannte das Bild des Tages posteten. Die Medien heizten die Stimmung an und schlossen eine ernsthafte Bedrohung für die Erde nicht aus. Sollte das 22. Jahrhundert mit einer beispiellosen Katastrophe beginnen?

In Washington versammelten sich täglich Hunderte Menschen vor dem Weißen Haus, um lautstark ihren Unmut über die fehlende offizielle Stellungnahme der Regierung kundzutun. Als der Übertragungswagen von MNC-TV an diesem Tag vor dem Weißen Haus eintraf, hielten die Demonstranten bereits Transparente mit ihren Forderungen in die Höhe. Dian Hunting, die bekannte Medienikone mit dem Mikrofon in der Hand, atmete tief durch. Sie richtete ihre Frisur, prüfte ihr Outfit und nahm eine aufrechte Haltung an. Was in den letzten Tagen geschah, versprach die Story des Jahres zu werden. Dian wusste, dass nichts die Menschen mehr fesselte als eine geheimnisvolle Bedrohung. »Briefing!« Das war das Signal für ihre Assistenten. »Ich will keine Überraschungen, … Mädels.« Alle drei Assistenten nickten eifrig, um kein Missfallen aufkommen zu lassen. Dian Hunting warf einen letzten Blick in die Runde, bevor der Moment kam, wo sie die Wagentür öffnete, und die Bühne betrat, ihren Medienthron, das Sprachrohr der öffentlichen Meinung. Ihr Assistent Redge, neu im Team, hielt die Videokamera geschultert und stand an ihrer Seite, bereit, alles aufzunehmen.

Die Stimmung heizte sich mit jeder Minute mehr auf. Die ersten Demonstranten in der Menge erkannten ihr Idol sofort. Sie riefen ihren Namen. Dian! Dian! Immer mehr scharten sich um die Medienikone wie Bienen um ihre Königin. Jetzt! Das war der Moment, sich in Szene zu setzen. Dian Hunting, das Mikrofon in der Hand, streckte demonstrativ den Arm in die Höhe und blickte zum Himmel, eine symbolische Geste, die jeder verstand. Einen Moment herrschte erwartungsvolle Stille. Das war für Dian der perfekte Augenblick, um ihr besorgtes Gesicht in die Kamera zu halten, furchtlos, sich der aufgeregten Menschenmenge auszuliefern.

»Guten Morgen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich bin Dian Hunting und berichte für MNC-TV. Wir stehen hier vor dem Weißen Haus, umringt von vielen verängstigten Bürgern, die Antworten von der Regierung fordern.«

Dian! Dian! ... Die Regierung soll uns die Wahrheit sagen, riefen die Demonstranten. Im Hintergrund wurden erneut Transparente in die Höhe gehalten. Die eingekesselte Dian blickte kurz zu ihrem Assistenten Dan, der gebannt eine attraktive Rothaarige beobachtete. »Dan!« Was macht der Trottel da? Die Stimmen der Umstehenden übertönten jedoch ihren Ruf. Verdammt! Kamera-Assistent Redge gab Dian ein Zeichen. Sie richtete ihr Mikrofon auf eine weinende Frau, die zitternd eine Hand vor den Mund presste, während noch mehr Demonstranten Dian umringten. Redge zoomte das weinende Gesicht der Frau heran, dass jeder die Tränen im Gesicht der Frau erkennen konnte.

»Wovor haben sie solche Angst, Mrs?«, fragte Dian mitfühlend.

»Mrs Hunting«, schluchzte die junge Frau und berührte Dians freie Hand. »Ich will nicht sterben!«

Ein älterer Mann drängte sich vor. »Und Sie! Sir, sie sind sicher Pensionär? Ich sehe den Zorn in ihren Augen.«

»Das haben Sie richtig erkannt, Mrs Hunting. Verschaffen sie uns Gehör bei denen da oben.

Gestern fiel so ein Meteorit in meinen Garten. Es hätte meine Frau oder die Enkel treffen können. Unser Hund hatte nicht so viel Glück. Der Anblick war grauenvoll. Glauben sie mir.« Die traurigen Worte des alten Mannes rührten die umstehende Menge. Dian klopfte ihm anteilnehmend auf die Schulter.

»Ich kann sie gut verstehen, Sir.«

Assistent Henry ließ gerade die Minidrohne aufsteigen, ... Da passierte es. Das Unfassbare geschah. Eine lauter Knall, vielleicht einige Kilometer entfernt, gefolgt von einer dunklen Rauchwolke, die in den blauen Himmel aufstieg, ließ alle ängstlich innehalten. Unruhe breitete sich unter den Demonstranten aus wie eine Meeresbrandung, die unaufhaltsam auf den Strand zurollt. Plötzlich hielt jemand sein Smartphone in die Höhe und rief aufgeregt: »Meteoriten!« In der Ferne heulten die ersten Sirenen. Die Menschen begannen zu schubsen. Andere schrien, stolperten und stürzten. Von einer Sekunde auf die andere rannten alle in Panik kreischend davon.

Regungslos und mit geöffnetem Mund stand Dian plötzlich allein auf der menschenleeren Straße. Nur die zurückgelassenen Transparente zeugten noch von der Demonstration. Die Zeit schien wie eingefroren. Erst das klackende Geräusch des Mikrofons, das hart auf den Bürgersteig aufschlug, holte sie in die Realität zurück. Dem MNC-TV Team bot sich ein Anblick, den sie so schnell nicht vergessen würden. Der Schreck saß Dian noch in den Knochen, als sie ihr Mikrofon vom Bürgersteig aufhob. Assistent Redge, ebenso überrascht, hielt tapfer die Kamera auf Dian gerichtet, die nicht zu schauspielern brauchte, um schockiert zu wirken. Bei den nächsten Worten lag ein leichtes Zittern in ihrer Stimme.

»Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, wir wissen nicht, was gerade passiert ist. Aber die Situation spricht für sich selbst. Wir berichteten live von der Demonstration vor dem Weißen Haus, die unerwartet ein plötzliches Ende fand. Bleiben Sie bei uns. MNC-TV hält Sie auf dem Laufenden. Ich bin Dian Hunting für MNC-TV.«

Dian gab Assistent Redge ein Handzeichen, die Aufnahme zu beenden. Sie musste mehrmals tief durchatmen, um sich zu beruhigen.

»Dan!« Verdammt! Ihr Reporterzögling war nirgends zu entdecken. Assistent Henry hielt noch immer die Minidrohne in der Hand, mit der er geistesgegenwärtig das Geschehen aus der Luft gefilmt hatte. Gott segne diese Erfindung, dachte Dian bei sich, bevor sie in den Übertragungswagen stieg. »Zusammenpacken!«, herrschte sie alle an. »Geht das nicht schneller?« Auch das noch! Ihre Hände durchsuchten fahrig sämtliche Taschen des Hosenanzugs. Schrecksekunden ließen sie erblassen ... »Mein Smartphone«, schrie Dian aufgeregt. Sie musste dringend jemanden von der Late-Night Show kontakten! Reporter Dan Henning, der im Übertragungswagen am Videoterminal die letzten Einstellungen für die Live-Übertragung koordinierte, starrte entsetzt auf die von der Minidrohne eingefangenen Videobilder.

»Oh mein Gott«, murmelte er mehr zu sich selbst, dann leise das Wort Déjà-vu, als sich Dian zu ihm herunterbeugte.

»Mein Smartphone! Dan, wo ist es?«

»Ich, … ich weiß nicht, Boss. Eben lag es noch ... hier.« Verwirrt blickte er in Dians Augen, die sich zu schmalen Schlitzen verengten. Er spürte förmlich die Gereiztheit in Dians Gesicht.

»Das glaube ich jetzt nicht, Dan!« Ihre flache Hand schlug mehrmals auf die Rückenlehne seines Autositzes. »Spar dir das Déjà-vu für die Mystery Show am Montag auf!«

Kamera-Assistent Redge tuschelte leise mit dem blond gelockten Henry, dessen kräftige Hände erwartungsvoll die digitale Steuerkonsole des Übertragungswagens umklammerten. Dian Hunting, die Jägerin vor dem Herrn, spürte plötzlich, wie das Adrenalin durch ihre Adern pumpte und ließ sich auf ihren Autositz nieder.

»Henry, worauf wartest du? Fahr endlich los!« Die Worte klangen so barsch, dass Henry nicht lange überlegte und auf das Gaspedal drückte. »Die Front wartet auf uns!«, schrie Dian und fühlte sich wie Jeanne d‘Arc. Reporter Dan bekam eine Gänsehaut. Er sah seinen Körper bereits in den dunklen Abgrund stürzen.

»Dian!«, versuchte er verunsichert einzuwenden. »Ich habe so ein ungutes Gefühl.«

»Das ist keine Diskussionsrunde, Dan!« Die aufsteigende Hitze schnürte Dian die Luft ab. Verärgert versuchte ihre Hand den Reißverschluss des Blazers zu öffnen, der natürlich in der neuen Seidenbluse hängen blieb. Aber egal! Ihre Hand packte Dan hart am Oberarm. »Kein Wort mehr! Du willst Reporter sein? Deine Einstellung nervt mich!« Herrje! Dian, die in ihrem Autositz saß, zog den Sicherheitsgurt fester an. Womit hatte sie diesen Reporter verdient? Er war eine Schande für die ganze Zunft. Dan sah sein Ego am Boden zertreten, gedemütigt, vor allem vor Redge, dem vorlauten Neuen, der Henry gerade einen vielsagenden Blick zuwarf. Dian schwitzte vor Aufregung und überprüfte hastig ihr Make-up, um für die Story des Tages perfekt auszusehen, während Dan das Gefühl hatte, dem Tod ins Auge zu blicken. Es schien nicht sein Tag zu sein.

Das Team von MNC-TV kehrte erst spät am Abend in die Redaktionsräume des großen Medienkonzerns zurück. Obwohl alle einen harten Arbeitstag mit schrecklichen Bildern verkraften mussten, warteten redaktionelle Pflichten, die keinen Aufschub duldeten. Müde betrat Dan die Etage, in der sich das Großraumbüro der Mitarbeiter von MNC-TV befand. Vor ihm öffnete sich die zweiflügelige Glastür mit der Aufschrift MNC-TV. Der elektrische Türantrieb machte seit Tagen ein lautes, schleifendes Geräusch. Genervt wünschte Dan den Handwerker zum Teufel, auf den alle seit Tagen vergebens warteten.

Der in gedämpftes Licht getauchte Raum empfing ihn mit den üblichen Bürogeräuschen der Spätschicht. Zu seiner Linken standen zwei gestikulierende Kollegen, die augenscheinlich in ein Zwiegespräch vertieft waren.

»Hallo Jungs.« Einer der beiden hob kurz die Hand zum Gruß, schaute aber nicht zu ihm rüber. Reporter Dan sehnte sich nach seinem Arbeitsplatz, der am Ende des über fünfhundert Quadratmeter großen Büroraumes auf ihn wartete. Leise drang eine piepsende Frauenstimme an sein rechtes Ohr.

»Hallo Dan. Bisschen spät heute.« Berte blickte kurz auf, bevor ihre künstlichen Fingernägel wieder die unschuldige Tastatur quälten. Das Klickern zerrte an seinen Nerven.

»Hallo Berte. Noch immer fleißig?« Schüchtern, wie Berte war, antwortete sie nur mit einem leisen Kichern. Der Weg zu seinem Arbeitsplatz kam ihm heute endlos vor. Seine müden Füße schlurften an unbesetzten Arbeitsplätzen vorbei. Weiter hinten blubberte eine Kaffeemaschine vor sich hin. Das dumpfe Geräusch einer zuschlagenden Schranktür, Geschirrklappern ... Noch drei Meter. Dan war fast zu Hause, wenn man den Arbeitsplatz am Fenster, auf dessen Fensterbank einsam ein Kaktus wartete, so nennen wollte. Ich bin zu Hause, dachte Reporter Dan!

Endlich stand er vor seinem Arbeitsplatz. Er warf die Reportertasche auf den Arbeitstisch, auf dem sich jede Menge Recherchematerial zu einem Berg aufgestapelt hatte, einen Berg, den er noch durchsehen musste. Eine alles verschlingende Dunkelheit drang durch die Jalousien der Fenster und wurde nur von den Lichtinseln der besetzten Arbeitsplätze aufgehalten, die ihrerseits wieder gespenstische Formen auf den Fußboden malten. Verdammt, was war mit ihm los? Kraftlos ließ er sich in den gepolsterten Arbeitsstuhl mit der weichen Nackenstütze sinken, wo ihn die Müdigkeit zu übermannen drohte. »Ächz!« Gähnend und sich die Augen reibend, starrte Dan auf den hellen Computerbildschirm, auf dem ein blinkender Button aufdringlich zum Öffnen der neuen Nachrichten aufforderte. Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch die halblangen Haare, die ihm widerspenstig ins Gesicht fielen. Lustlos klickte sein rechter Zeigefinger auf die erste Nachricht.

Termin ... Bericht, ... Nächste Nachricht. Susan hat Geburtstag. Wir sammeln ... Blabla. Dan lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, während die Geräusche im Raum ihn einlullten. Er musste kurz eingenickt sein, als ein leises Lachen an sein Ohr drang, gefolgt von einem Flüstern. Nach einem Moment der Stille erkannte er die Stimme von Redge Letter, dessen Arbeitsplatz sich schräg gegenüber befand. Eine große Zimmerpflanze dazwischen täuschte etwas Privatsphäre vor.

Redge flirtete. Dan verstand nur ja, … nein, vielleicht. Es folgte eine kurze Unterbrechung. »Ich brauche etwas Zeit. Du kannst dich auf mich verlassen.« Danach war nur noch das Klicken der Tastatur zu hören.

Dan streckte die Arme hoch, um gegen die Müdigkeit anzukämpfen. Konzentriere dich, wenn du nicht die ganze Nacht im Büro verbringen willst. Während seine Hand nach einem Stift grapschte, nagte im Hinterkopf das Geheimnis um die Rothaarige neben dem Übertragungswagen am Morgen. Absurd! Grace war tot, aber diese Ähnlichkeit? Dan spielte mit dem Stift, als plötzlich eine kräftige Hand an seiner Schulter rüttelte. Er zuckte zusammen. Der Stift rutschte ihm unwillkürlich aus den Fingern, rollte über die Tischkante und fiel, den Gesetzen der Schwerkraft gehorchend, auf den Fußboden. Scheiße! Dan starrte apathisch auf den Becher vor ihm, in dem sich noch mehr Schreibutensilien befanden.

»He, Du!« Henry grinste selbstgefällig. »Ist wohl nicht dein Tag, Danny Boy?« Du Schleimpilz, dein Tag kommt auch noch, an dem du Freunde brauchst, dachte Dan bei sich. »Befehl von oben«, kam es betont gedehnt in einem herablassenden Tonfall. »Dein Mutterschiff ruft nach dir.«

Dan musste sich zwingen, seinen Körper aus dem bequemen Arbeitsstuhl zu erheben. Er war platt und ausgelaugt, wenn man es so nennen wollte. Während sein Körper langsam die Senkrechte erreichte, grinste der um einen Kopf größere Henry immer noch selbstgefällig. Dieser Muskelprotz ging ihm auf den Zeiger. Aber Dan verzog nur die Mundwinkel zu einem verächtlichen Lächeln. Jedoch konnte er sich eine Antwort am Ende doch nicht verkneifen.

»Für heute genug bei Mama geschleimt?« Henry zog nur die rechte Augenbraue hoch und zuckte mit den breiten Schultern, während er zu Redge hinüberblickte, der ihn aufgeregt mit der Hand zu sich winkte. Es musste etwas Aufregendes auf dem Computerterminal zu sehen sein, denn Henry ging eilig zu ihm hinüber. Was gab es zu sehen, dass er nicht erfahren sollte? Dan fühlte sich übergangen, während er Richtung Flur trabte. Eine weitere Demütigung könnte er heute nicht mehr ertragen. Sein Sklavendasein wurde ihm bewusster, je näher er dem Ausgang des Großraumbüros kam. Außerdem nagte im Hinterkopf sein Jagdinstinkt. Er hätte schwören können, dass die rothaarige Frau am Übertragungswagen Redge heimlich einen kleinen Zettel zugesteckt hatte.

Als Reporter Dan den weitläufigen Flur des großen Firmengebäudes von MEDIA NEWS CHANNEL betrat, schloss sich die Aufzugstür mit einem dumpfen Geräusch direkt vor seinen Augen. So ein Mist! Er musste auf den nächsten Aufzug warten. Fluchend drückte er mit der Hand alle Aufzugknöpfe gleichzeitig. Warum dauerte das so lange? Endlich, mit einem Gong öffnete sich die Tür des zweiten Aufzugs. Er musste sich in eine überfüllte Aufzugskabine zwängen, aus der ihm ein Schwall abgestandener Luft entgegenschlug. Verschiedenste menschliche Ausdünstungen attackierten seine Nase. Übelkeit stieg seine Speiseröhre hoch. Ein Gefühl unerträglicher Enge machte sich breit. Die Sekunden schienen sich wie Kaugummi zu dehnen, bis die Aufzugskabine anhielt und ein erlösendes Ging-Gong die Aufzugstür wieder öffnete.

Aufatmend betrat Dan den Flur der Chefetage. Seine Beine legten einen Gang zu, bis er keuchend vor Dians Wachhund Nora stehen blieb, die mit ihren hohen Absätzen den Fußboden traktierte.

»Dan! Wo bleiben Sie denn? Dian wartet. Sie ist ungehalten.« Dan fühlte sich um Jahre gealtert. Sein Herz schlug bis zum Hals, als er Dian Hunting gegenüberstand.

»Sorry, Boss, der Aufzug ...«, versuchte Dan sich zu rechtfertigen, während seine Hände in der Jackentasche nach einem Taschentuch suchten.

»Wird ja auch Zeit, Dan. Ich habe gleich ein Interview in der Late-Night Show. Nimm dir ein Beispiel an Henry.« Dan blickte betreten zu Boden. »Wenn du mein erster Reporter-Assistent bleiben willst …« Angst stieg in Dan auf. Er versuchte, ein Schlucken zu unterdrücken. Nur keinen Laut von sich geben, hämmerte es in seinem Kopf. Dian öffnete die oberste Schublade ihres Schreibtisches. »Oh! Wo habe ich …?« Ihre rechte Hand wühlte in der Schublade zwischen Papieren, Stiften und Makeup. »MNC-TV ist nächstes Wochenende zu Senator Prestons Wohltätigkeitsparty eingeladen. Er möchte dich kennenlernen. Hier ist deine Einladung. Und! Mach endlich was mit deinen Haaren. Das ist kein Dschungeltreffen. Und ... kauf dir ein anderes Eau de Toilette. Dieses stinkt.« Dan nickte ängstlich und zugleich erleichtert, einem Standgericht entkommen zu sein. »Nora! Wo bleibt meine Visagistin?«

»Anne ist unterwegs«, antwortete Nora sofort aus dem Vorzimmer. Dian widmete sich bereits dem bevorstehenden Interviewablauf, während Nora den Reporter-Assistenten Dan am Arm aus dem Raum zog, der noch andächtig seine Einladung ins Paradies anglotzte.

KAPITEL 2

Der Schwarm Meteoroide kam wie aus dem Nichts und raste mit großer Geschwindigkeit auf die Erde zu, wo erste Meteoritentreffer die Menschen in Angst und Schrecken versetzt hatten. Mehrere Schwarmobjekte schlugen auf der Rückseite des Mondes ein und hinterließen auf Moonbase 21 ein Chaos. Ein größeres Objekt aus dem Schwarm traf zudem das Radioteleskop, welches erst vor einigen Monaten in Betrieb gegangen war. Kurz vor dem Einschlag registrierte das Radioteleskop Schwarmobjekte mit einer Geschwindigkeit von 48.000 Kilometer pro Stunde und mehr. Ein Objekt aus dem Schwarm beschädigte die Kontrollstation. Dabei wurden mehrere Wissenschaftler verletzt. Hilfe von anderen Mondbasen lief nur schleppend an, da auch sie mit Einschlägen zu kämpfen hatten, die jegliche Hilfsmaßnahmen behinderten. Die Astronomen auf Moonbase 21 sahen keine Alternative.

Über einen Relaissatelliten konnten die Wissenschaftler einen letzten Notruf absetzen, in der Hoffnung, Hilfe zu erhalten. Unter den Astronomen auf Moonbase 21 verbreitete sich Ratlosigkeit, wie sie ohne aktuelle Radardaten eine Prognose abgeben sollten. Während die Wissenschaftler auf Unterstützung hofften, warteten die Regierungen auf der Erde auf die wissenschaftlichen Ergebnisse. Das neue Radioteleskop sollte vor gefährlichen Asteroiden und anderen Objekten warnen und dann diese Katastrophe. Es war zum Verzweifeln.

Nur die BS SPACERANGER, das mit modernster Technik ausgerüstete Patrouillenschiff der Foundation, einer privaten Organisation zum Schutz der Space Miner, konnte ihnen helfen. Dieses Raumschiff verfügte über die notwendige Radarbildtechnologie, um auch kleinere Objekte rechtzeitig zu erfassen. Trotzdem blieb es ein gefährlicher Einsatz für die BS SPACERANGER, denn noch nie wurde das Kraftfeld der Außenhülle auf eine so harte Bewährungsprobe gestellt. Zudem verbrauchte die geheime Technologie Unmengen an Energie. Die Situation spitzte sich zu, als die Annäherungssensoren in den letzten Stunden eine Zunahme der Trefferdichte von Schwarmobjekten registrierten. Damit wurde der Einsatz zum Pokerspiel. Die endgültige Größe des Schwarms konnte bis dahin nur geschätzt werden.

Auf der Brücke der BS SPACERANGER herrschte an diesem Morgen eine angespannte Stimmung, denn niemand konnte sagen, wie lange die Reparatur des Radioteleskops dauern würde. Aber jeder an Bord hoffte darauf, dass der gefährliche Auftrag ein baldiges Ende finden würde. Kommunikationsoffizier Hotch war erst vor kurzem an Bord der BS SPACERANGER gekommen, neugierig und ein Neuling, wie er im Buche stand. Voller Tatendrang schaute er jede Minute auf die Zeitanzeige seiner Konsole, als könnte er damit den Lauf der Zeit beeinflussen. Laut schnaufend rutschte er auf seinen Sitz hin und her, bis Navigator Teetje genug hatte und ihm einen strengen Blick zuwarf.

»He, Teetje! Es ist 9:18 Uhr. Wir warten jetzt seit über drei Stunden auf eine Antwort von Moonbase 21. Das Warten bringt mich um. Hörst du mir zu?« Hotch trommelte gereizt mit den Fingerspitzen auf die Seitenlehne seines Sitzes, bereit, jeden Moment in Aktion zu treten. Sein Kollege Teetje schien heute taub zu sein. »Ich halte das nicht mehr aus, Teetje! Was machst du da eigentlich?«

Navigationsoffizier Teetje, ein Nerd vom Fach und bereits länger an Bord, hatte genug. Genervt sah er zu seinem Kollegen, der immer ungeduldiger wurde.

»Was? Siehst du nicht, dass ich ein Problem lösen muss?« Seine Finger tippten erneut etwas auf dem Eingabedisplay der Konsole ein. »Scheiße!« Die Finger des schlaksigen Navigators versuchten, das Headset zu richten, welches er in der Aufregung fast heruntergerissen hatte. »Zwei Sensoren melden keine Daten mehr!« Teetje schien der Verzweiflung nahe. »Die Lageregelung … Wir sind von unserer Position im Orbit abgewichen.« Frustriert blickte er Hotch an, der gerade Arme und Beine ausstreckte und demonstrativ gähnte. »He, Hotch«, flüsterte Teetje, damit er nicht die Aufmerksamkeit des Colonels auf sich zog. »Ich glaube, wir driften. Die Anziehungskraft des Mondes schwankt in diesem Bereich stärker als erwartet.«

»Bist du sicher?«, fragte Hotch unsicher und misstrauisch zugleich.

»Was willst du hören?« Teetje wurde unbewusst lauter, was natürlich die Aufmerksamkeit von Col. Clifford erregte. »Die Lageregelung der BS SPACERANGER zeigt eine Abweichung, die Drift beträgt ...« Col. Clifford schaltete sich ein.

»Vielleicht ein Sensorfehler der Datenanalyse? Sofort überprüfen!« Hotch horchte ängstlich auf.

»Stürzen wir jetzt ab?« Der Navigator schüttelte frustriert den Kopf. »Teetje, wir sitzen hier und können nichts tun, außer Löcher in die Luft starren. Ich habe den Verdacht, dass die von der Moonbase 21 nicht mit uns reden wollen. Die verheimlichen uns etwas.« Hotch besaß ein Gespür für solche Dinge. Teetje gab die Daten erneut in den Hauptcomputer ein. Dessen sanfte weibliche Stimme verkündete emotionslos, dass zwei Annäherungssensoren im Bereich der vorderen Waffenphalanx ausgefallen waren und eine Reparatur erforderlich sei. Die Gedanken von Hotch schwebten davon. Er verschränkte seine Arme im Nacken, während seine Fantasie ihn in eine virtuelle Welt entführte.

»Teetje?«

»Jaaa, … was ist? Du machst mich fertig.«

»Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wenn unser Hauptcomputer einen Avatar hätte?«

»Deine Fantasie möchte ich haben, Hotch.«

»Na ja. Zu dieser weichen Stimme gehört einfach auch ein schöner Körper, finde ich.«

»Du bist verrückt, Hotch. Das ist eine KI, völlig emotionslos, außer AKIU natürlich«, beeilte sich Teetje sofort hinzuzufügen. Er glaubte, dass der KI-Roboter alles hören könnte, da er mit dem Hauptcomputer kommunizierte. Hotch winkte ab.

»Nein, ich dachte eher an …« Teetje schüttelte den Kopf. Er ahnte, was Hotch bewegte.

»Du meinst doch nicht unsere kleine Nervensäge, oder?« Hotch schaute verlegen auf seine Konsole, während sein Gesicht rot anlief. Nur gut, dass sich in diesem Moment das Kommunikationsmodul auf seiner Konsole aktivierte, bevor es für ihn peinlich wurde. Das Kommunikationsmodul, kurz Com, meldete eine eingehende Transmission von Moonbase 21. Erleichtert schaltete er Prof. Seki vom Radioteleskop auf den Hauptschirm der Brücke. Col. Clifford, der bis dahin dem Wortwechsel seiner beiden Raumfahrt-Offiziere zugehört hatte, sprang vom Stuhl des Captains auf.

»Prof. Seki! Guten Morgen. Wie geht es mit den Reparaturarbeiten voran?« Prof. Seki, übernächtigt mit dunklen Ringen unter den Augen, blickte nachdenklich in die Kamera und räusperte sich, als säße ihm ein Frosch im Hals.

»Colonel! Wie soll ich sagen, das Ersatzteil passt nicht. Wir müssen improvisieren.« Ein kurzes Schweigen trat ein, während der Professor in einem Wust von Zetteln kramte. »Ah, hier ist es. Entschuldigen Sie bitte. Wir brauchen wohl noch vierundzwanzig Stunden. Ja und danke für die Sensordaten. Zumindest konnten wir Dichte und Masse einzelner Objekte ermitteln und damit eine mögliche Flugbahn berechnen. Wir melden uns.«

»Verstanden, Prof. Seki, BS SPACERANGER Ende.« Col. Clifford ließ sich enttäuscht in den Stuhl des Captains sinken. Seine Hände umklammerten die Seitenlehnen so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

»Keine guten Nachrichten«, bestätigte Hotch überflüssigerweise. Col. Clifford biss sich auf die Unterlippe, bis seine Zunge Blut schmeckte. Ein Ausfall der beiden Sensoren bedeutete eine Sicherheitslücke in der Hülle, ein unkalkulierbares Risiko für das gesamte Raumschiff.

»Teetje! Analyse Status!«

»Sir! Abgesehen von den beiden Sensoren müssen wir die angezeigte Drift der Lageregelung ausgleichen.« Col. Cliffords Stimme nahm einen ärgerlichen Unterton an, als er zu Hotch sprach.

»Hotch! Geben sie einen Countdown ein. Zeitfenster vierundzwanzig Stunden.«

»Der Countdown wurde eingegeben, Sir.«

»Wo bleibt AKIU? Rufen sie diese Riesenameise aus. Sofort!« Der Colonel verstand den General nicht, dass er dieses KI-Modell bevorzugte, das so angsteinflößend wirkte. »Hotch, sie haben die Brücke. Ich bin im Maschinenraum.«

Col. Clifford stieg genervt in den Aufzug.

»Maschinenraum, Deck vier.« Vierundzwanzig Stunden konnten eine Ewigkeit sein, wenn man sich in der Schusslinie gefährlicher Objekte befand, die jede Minute alles in eine Katastrophe zu verwandeln drohten. Mist! Verdammter Mist! Die ganze Mission entwickelte sich langsam zu einem Himmelfahrtskommando. General Smith würde ihn eigenhändig umbringen, wenn die BS SPACERANGER auch nur einen Kratzer abbekommen würde. Nicht daran denken! Er musste mit Chief Baxter sprechen. Als die Aufzugstür leise zur Seite glitt, piepte sein Display am Handgelenk. Besorgt blickte er auf Chief Baxters ärgerliches Gesicht, dessen Hände aufgeregt gestikulierten und ein Bauteil in die Kamera hielten.

»Wir haben einen Druckabfall achtern, Sir. Die Techniker suchen noch.«

»Ich bin unterwegs.«

»Ja, Sir.« Den Blick noch auf das Display an seinem Handgelenk gerichtet, übersah er die Robotik Spezialistin Rea, die gerade in den Aufzug stürmen wollte. Beide tauschten einen kurzen vorwurfsvollen Blick aus, in dem eine unterdrückte Abneigung mitschwang.

»Sir?« Col. Clifford dachte, sie sollte sich eine Brille kaufen. Natürlich, wo sonst sollte er AKIU suchen, wenn nicht in ihrer Nähe. Er hatte bislang noch nicht herausgefunden, wie die beiden miteinander kommunizierten. Das leise metallische Knistern verursachte bei ihm jedes Mal eine Gänsehaut. Wütend, mit einem Spruch auf der Zunge, erinnerte er sich daran, dass er als Vertreter von General Smith damit keine Kompetenz ausstrahlen würde und schluckte den Ärger hinunter.

AKIU, eine sechsbeinige KI-Robotereinheit, war das Produkt des Robotiklabors der SPACE MINING COMPANY, in dem Rea gearbeitet hatte. Der General brachte sie von der Basisstation Janus1 mit, nachdem die MININGSTAR BX2 auf tragische Weise dort abgestürzt war. Er fragte sich, wer auf die Idee kam, dieser KI das Aussehen einer riesigen Ameise zu geben. Vielleicht verdächtigte er den General grundlos. Allein der dreieckige Kopf mit den großen Facettenaugen erinnerte an ein Monster aus alten Filmen, in denen Insekten die Menschheit vernichten wollten. Er blickte zu dem zwei Meter großen KI gesteuerten Roboter, dessen Arme einen Menschen mit Leichtigkeit töten konnten. Respektvoll trat er einen Schritt zur Seite, was seine Nervensäge schmunzeln ließ.

»Alles in Ordnung, Rea?«

»Nein! Sir! Sie hätten mich fast umgehauen.« Er wollte den Vorfall vergessen, als AKIU plötzlich seltsame Klickgeräusche von sich gab. Es war zum Verzweifeln, wie immer sah die Riesenameise Rea an, als wäre sie die Mutter. »Oh! Sir, da wäre noch eine wichtige Sache.«

»Ich habe es eilig. Was gibt es so Dringendes?« Rea reichte ihm wortlos ein Workpad mit den aktuellen Sensordaten des Minisatelliten der BS SPACERANGER. Die Facettenaugen der großen KI-Ameise starrten emotionslos auf den Colonel, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Misstrauisch nahm er kurzerhand das Workpad in die Hand. Er traute seinen Augen nicht.

»Sir, die BS SPACERANGER hat ein Leck, irgendwo hier, in der Nähe der rechten Antriebssektion.« Auf den Bildern trieben seltsame weiße Partikel ins All. Das fehlte gerade noch. »Sir! Sehen die diese kleinen Schneeflocken, die ins All schweben?« Es klang, als würde man zu einem Kind sagen. Schau, es schneit. Rea verdrehte die Augen und sah kurz zu AKIU. »Sir! Hallo! … Kühlflüssigkeit!«

»Das sehe ich auch. Verdammt! Ich bin auf dem Weg zum Maschinenraum.«

»Wie Sie meinen. … Sir!« Das ungleiche Paar betrat den Aufzug und der Colonel blieb mit seiner Entscheidung allein im Korridor auf Deck vier zurück.

Der Maschinenraum, der sich über drei Decks erstreckte, nahm zusammen mit der Antriebssektion fast die Hälfte des über 120 Meter langen Raumschiffes ein, das an ein riesiges Alien-Insekt erinnerte. Was sollte heute noch passieren, dachte Col. Clifford, als er den Maschinenraum betrat, wo ein verärgerter Chief mit einem Werkzeug verzweifelt auf einen kleinen Metallkasten einschlug und versuchte, das Ding gewaltsam zu öffnen. Chief Jeff Baxter, gerade mal dreißig Jahre alt und von athletischer Statur, fluchte laut wie ein alter Seebär. Er zweifelte an seinen Fähigkeiten als Konstrukteur des neuen Ionenantriebs.

»Geh endlich auf, du Mistding oder du landest in der Schrottpresse.« Baxter trat mit dem Fuß gegen einen Reinigungsroboter, der dummerweise vor seinem Fuß stehen blieb. »Au, verdammt!« Für einen kurzen Moment hörte er die Engel singen. Daran war nur dieses kleine Monster mit ihrem Qubi schuld. Neben dem Eingangsschott blinkten einige Lampen der Umweltkontrollen auf, als wollten sie den Chief um Hilfe rufen. Der Hauptcomputer meldete einen Druckabfall in Triebwerkssektion TSR1, Priorität eins auf seiner To-do-Liste. Gleich! Als Chief Baxter den Colonel aus dem Augenwinkel heraus wahrnahm, ließ er von dem Metallkasten aus einer Nanolegierung ab. Col. Clifford übersah die Gewalttat an dem unschuldigen Objekt, denn es ging ihm manchmal genauso, wenn er an Rea dachte, wie sie ihn mit ihrer Aufsässigkeit in den Wahnsinn treiben wollte.

»Will wohl nicht, das Ding?« Fasziniert blickten beide auf das zerbeulte Metallteil, das nur noch Schrott war.

»Sir, wir verbrauchen zu viel Energie für das Kraftfeld.« Beide nickten und tauschten einen einvernehmlichen Blick aus. Der Chief schaute auf die Anzeige der Umweltkontrollen, seine nächste Aufgabe, die nicht warten konnte. Das fehlte ihm noch zu seinem Glück.

»Jeff! Auf der Moonbase 21 brauchen sie noch mindestens vierundzwanzig Stunden für die Reparatur. Zudem haben AKIU und Rea ein Kühlmittelleck in der Nähe der Antriebssektion entdeckt. Was ist damit?«

»Sagen Sie mir etwas Neues, Sir«, unterbrach ihn Chief Baxter. Dann zog er geräuschvoll einen Hocker heran und setzte sich darauf, um seinen schmerzenden Fuß zu massieren. »Noch neunzehn Stunden. Dann bricht das Kraftfeld zusammen und die Außenhülle wird zum Sieb.«

»Hast du einen Vorschlag, Jeff?«

»Wir könnten für kurze Zeit Energie vom Ersatzantrieb abzweigen, aber dann ...« Col. Clifford überlegte.

»Eine höhere Umlaufbahn.« Chief Baxter neigte den Kopf und tippte etwas auf dem Workpad ein.

»Gut. Das könnte für kurze Zeit funktionieren, reicht aber nicht aus.«

»Ach, da ist noch etwas. Der Star Tracker. Die Lageregelung spielt verrückt. Wir treiben ab.«

»Gibt es sonst noch Probleme, Sir?« Col. Clifford schüttelte den Kopf und wollte gehen.

»Ich verlasse mich auf dich, Jeff.« Vorsichtig nahm Chief Baxter ein Workpad vom Arbeitstisch.

»Sehen Sie sich diesen kleinen Würfel an. Kreuzgefährlich, wenn Sie mich fragen.«

»Was ist damit?« Der Colonel sah nur einen kleinen Quantencomputer, einen Würfel, der harmlos dalag.

»Sie hat das Ding absichtlich zurückgelassen, um mich auszuspionieren.«

»Du siehst Gespenster, Jeff. Gib her. Ich werde unserer Nervensäge den Arbeitsplan geben. Du hast zu tun, wie ich sehe.«

Chief Baxter sah die beiden Techniker an, die in ihren Raumanzügen plötzlich vor ihm standen und auf seine Befehle warteten.

»Boss, das Kühlmittelleck befindet sich hinter der Verkleidung in Sektion zwei. Die Außenhülle wurde getroffen. Wir brauchen schweres Gerät.«

»Worauf wartet ihr dann noch?«, schrie Chief Baxter beide an. Die Frustration in seiner Stimme war nicht zu überhören. Die beiden Techniker tauschten kurz einen Blick, bevor sie eilig mit einem Werkzeugkoffer verschwanden.

»Okay! Sag Bescheid, Jeff.«

Das fahle Mondlicht tauchte die Messe auf Deck drei in eine gespenstische Zwischenwelt. Eine kleine Fensterfront erlaubte der Besatzung einen Blick auf die Außenwelt des Raumschiffs. Der Ausblick auf die Erde mit ihren Ozeanen und Kontinenten faszinierte immer und erinnerte alle daran, wo sie herkamen. So fantastisch der Ausblick auch war, so fragil war ihr Heimatplanet, wenn Gefahren aus dem All die Erde bedrohten.

Rea hockte auf einem Tisch am hintersten Fenster und dezimierte den Schokoriegelvorrat der Kombüse, während sie aufmerksam die Arbeit der autonomen Robotereinheiten auf Moonbase 21 beobachtete. Gerade als es spannend wurde, öffnete sich am anderen Ende der Messe, etwa acht Meter entfernt, ein Türschott. Das metallische Klacken des Türschotts aktivierte Bob.

Im Gegenlicht war eine hochgewachsene Person zu erkennen, deren Identität sich erst beim Näherkommen im fahlen Mondlicht offenbarte. Rea hatte eigentlich Chief Baxter erwartet, bevor sie mit vollem Mund eine Frage formulierte.

»Was kann ich für Sie tun, ... Sir?« Das letzte Wort betonte sie dabei besonders förmlich.

»Du solltest besser ins Bett gehen. Es ist spät«, antwortete eine tiefe beruhigende Stimme.

»Warum?« Ohne den Colonel zu beachten, riss sie die Verpackung eines neuen Schokoriegels auf. »Wollen Sie mich verhaften, weil ich hier sitze, Sir? Ich kann nicht einschlafen! Irgendwas fühlt sich komisch an. Die Aktivitäten auf Moonbase 21 lenken mich ab. Verstehen Sie das? Sir!« Col. Clifford hatte es nicht so mit Gefühlen, seit ihn seine Frau vor zwei Jahren wegen eines Anwalts verlassen hatte. Er wollte gerade das Workpad auf den Tisch legen, als er zwei heiße Punkte auf seiner Brust spürte. Ein leises Geräusch, das in ein metallisches Rascheln übergingen, drang an sein Ohr. Neben Rea krabbelte eine etwa dreißig Zentimeter große Roboterspinne, die roten Laseraugen auf seinen Oberkörper gerichtet. Col. Clifford hielt instinktiv inne. Adrenalin versetzte seinen Körper in Alarmbereitschaft, die Hand an der Waffe bereit, auf das Ding zu feuern.

»Was ist das neben dir? Rea! Antworte mir!«

»Ah, meinen Sie Bob?«

Rea schob den Rest des Schokoriegels in den Mund und wischte sich die klebrigen Finger an ihrem T-Shirt ab. »Doc Merli wollte unsere mobile medizinische Diagnose-Einheit verbessern.« Ihre Hand strich wohlwollend über das kleine Monster aus Nanomaterial, woraufhin Bob seine Laser deaktivierte. »Hier! Ganz harmlos, Sir.«

»Warum Waffen?«

Rea schaute an die Decke und wiegte den Kopf.

»Sir! Sie sagten doch, dass unsere Missionen gefährlich wären.«

Col. Clifford gab Rea kommentarlos das Workpad mit dem Arbeitsplan für den nächsten Tag und ging entnervt hinaus.

Erst als sich das Türschott zum Gang hinter ihm schloss, löste sich seine innere Anspannung. Verdammt, fast hätte er einen kleinen Roboter erschossen. In diesem Augenblick wünschte er sich, der General würde seinen Aufenthalt auf der Erde schnellstmöglich beenden.

Auch in seiner Kabine nervte ihn das Problem mit den ausgefallenen Star Trackern, die für die Lageregelung des Raumschiffs zuständig waren. Sein Körper fiel erschöpft auf die Schlafeinheit, während sein Gehirn unablässig die Optionen bewertete, wie das Raumschiff, ohne Schaden zu nehmen, die gefährliche Lage überstehen könnte. General Smith hatte ihm kurzerhand das Kommando über die BS SPACERANGER übertragen, solange er auf der Erde weilte und kein geeigneter Captain zur Verfügung stand. Sein eigentlicher Job an Bord bestand darin, das SPU-Team zu leiten und die Feinde der Space Miner zu bekämpfen. Die Space Patrol Unit, kurz SPU, setzte sich aus erfahrenen Elitekämpfern zusammen, denen der General vertraute. Jetzt musste er zwei Positionen gleichzeitig besetzen. Um die Sache rund zu machen, befahl ihm der General kurzerhand, auf seine Neuerwerbung, dieses unschuldig aussehende Bunny, aufzupassen. Er war kein Kindergärtner. Von Müdigkeit übermannt, driftete sein Unterbewusstsein in verschiedene albtraumhafte Traumsequenzen ab, bis das Display der Bordzeit 4:35 Uhr anzeigte. Er wachte entsetzt auf, als ihn AKIU attackieren wollte. Er brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass alles nur ein Traum war.

Sein Körper versuchte sich langsam zu beruhigen. An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Erst als eiskaltes Wasser über seinen Körper lief, fühlte er sich besser. Seit drei Tagen hatte er sich nicht mehr rasiert. Egal, vielleicht morgen. Der General weilte auf der Erde, weit entfernt. Das Gesicht im Spiegel erinnerte ihn daran, dass er auch nur ein Mann war, der seinen Job machte.

Zwanzig Minuten später betrat er die Brücke. AKIU erfasste ihn sofort mit seinen großen Facettenaugen, als würde er in seinen Gedanken lesen. Nein! Zur Abwechslung sprach die Riesenameise. Ein Wunder war geschehen.

»Guten Morgen, Colonel. Sie sind eine Stunde zu früh.« Da kein neuer Befehl folgte, war die Sache für AKIU erledigt und die KI widmete sich wieder ihren Aufgaben. Im Bereitschaftsraum neben der Brücke ließ sich Col. Clifford in den bequemen Arbeitssessel des Generals fallen. »Ächz!« Die Finger seiner linken Hand strichen über sein bartstoppeliges Kinn, während seine Augen auf den Bildschirm mit den Sensordaten der letzten Nacht gerichtet waren. Jeff hatte Recht. Sie hatten nicht nur ein Problem. Der Bildschirm zeigte eine eingehende Transmission von der Erde an. Seltsam. Woher wusste der General, dass er früher auf der Brücke Dienst tat? Es war erst 5:00 Uhr.

»Guten Morgen, General.«

»Na endlich Clifford. Bericht!«