Den Klaren sieht die Leber nicht - Dietmar Wischmeyer - E-Book

Den Klaren sieht die Leber nicht E-Book

Dietmar Wischmeyer

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  • Herausgeber: Lappan
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Dieses Buch ist ein Geschenk für Männer, die es aus Stadtfrust, Liebe oder schlichter Unwissenheit aufs Land verschlagen hat. Es enthält die besten und männlichsten Kolumnen von Günther, dem Treckerfahrer alias Dietmar Wischmeyer. Ob Neuankömmling oder Fast-schon-Land-Profi, hier kann jeder noch etwas über harte Realitäten und raue Sitten lernen, die das Landleben so mit sich bringt. Ein Buch, das sich nicht mit der Harke aufhält, sondern gleich zeigt, was 'ne Forke ist.

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DIETMAR WISCHMEYER

Den Klarensieht die Leber nicht

Männerleben auf dem Lande

LAPPAN

Hat es euch aus Stadtfrust, Liebe oder schlichter Unwissenheit aufs Land verschlagen?

Männer, dies ist euer Buch!

Es enthält die besten und männlichsten Kolumnen von „Günther, der Treckerfahrer“ alias Dietmar Wischmeyer. Ob Neuankömmling oder Fast-schon-Land-Profi, hier kann jeder noch etwas über harte Realitäten und raue Sitten lernen, die das Landleben so mit sich bringt. Ein Buch, das sich nicht mit der Harke aufhält, sondern gleich zeigt, was ’ne Forke ist.

LIEGT DER BAUER UNTERM TRECKER, WAR DAS BIER WOHL VIEL ZU LECKER.

INHALT

Stadt und Land

Landleben

Kindheit auf dem Lande

Landbewohner 1: Bauern

Das Jahr auf dem Lande

Landbewohner 2: Zugezogene

Frühjahrsputz

Geselligkeit auf dem Lande

Wie kaufe ich einen alten Trecker?

Ein Tag im Leben … eines ganz normalen niedersächsischen Landbewohners

Landbewohner 3: Jäger

Der Jäger und seine Feinde

Der gute alte Herbst

Schützenfest

STADT UND LAND

Mir is aufgefallen, dass sich Stadt und Land immer mehr auseinanderentwickeln.

Die Städter reden heutzutage vom Leben auf dem Lande so ähnlich wie vom Leben auf dem Mars, also: Gibt es da überhaupt Leben? Und diese grünen Männchen, die da rumlaufen – warum haben die zwei Köppe, und wieso diese fetten Arschbacken? Also die Arschbacken, die gehören zum Trecker und nennen sich Hinterreifen, da sitzen die grünen Männchen die meiste Zeit drauf. Und von den zwei Köppen ist der obere ne Mütze. Die lebt zwar auch, aber nur, weil sie nich gewaschen wird, denn dann würde sie ja ein bis zwei Tage ausfallen, und die Haare fingen unkontrolliert an zu wachsen.

Wie man sieht, gibt es jede Menge Missverständnisse zwischen Stadt und Land. Ich möchte zu einer Verständigung zwischen den beiden Kulturen beitragen.

Doch zuerst die Vorurteile im Überblick:

Wie sich der Landwilli die Stadt vorstellt

Alle wohnen übereinander in winzigen Fick- und Kackzellen, die auch noch fremden Menschen gehören. Man kennt keine Sau von denen, die über, neben oder unter einem wohnen, kann sie aber anhand ihrer Furzgeräusche voneinander unterscheiden. In seine eigene Wohnung gelangt man nur durch ein finsteres Loch namens Treppenhaus, das steht voll mit vor sich hinmüffelnden Deichmannlatschen anderer Häftlinge, und überall hängen Dienstpläne, wann man den Flur auslecken muss für die anderen Arschgeigen. Mindestens eine Mietpartei in dem Haus stinkt, ist laut und gewalttätig. In einigen Hochregallagern gibs auch Fahrstühle, dadrin wird man zusammengeschlagen oder bleibt stecken, in jedem Fall pestets darin nach billigem Nuttendiesel oder kalter zugefurzter Fluppe.

Aus keiner Zelle kann man direkt nach draußen gehen, man muss immer durch den Korridor mit den Arschgeigen, die einen anglotzen – meist herrscht auch noch Grüßzwang. Will man raus zum Pissen, muss man zwanzig Treppen runterlatschen, und wenn man sich bis dahin nich bereits den Schlüpper vollgejaucht hat, muss man unten überrascht feststellen: Alle glotzen einen an wie ’n Auto, sobald man den Wurm blank zieht und neben der Krüppelkonifere ne Stange Wasser an die Hauswand nagelt. Wo bleibt da die Lebensqualität? An sich muss man aber auch gar nicht so oft pissen wie aufm Land, weil es viel zu aufwendig is, den Kasten Ballerbrühe die ganzen Stufen hochzuasten. Also wird inner Kneipe gesoffen, d. h. der Alkohol-Etat schnellt sinnlos in die Höhe, weil die Menge ja konstant bleibt – egal wie teuer.

Wurscht, was du vorhast: Wenn du inne Stadt wohnst, musst du dafür irgendwohin, und alles kostet Geld. Vor dem Haus, in dem sie dich wohnen lassen, steht auch nich dein Trecker, Moped oder Auto, da steht gar nix, höchstens nen Schild, wo draufsteht, wann der nächste Gefangenentransporter vorbeikommt und dich dahin mitnimmt, wo alle andern hinwollen. In diesen Transportern musst du dich zwischen fremde Arschmaden quetschen, die alle den Arm hochreißen, damit der Achselschweiß sich besser inner Atemluft verteilt. In der Kiste steht ein Hecht wie in der Umkleide von rumänischen Braunbären.

Solltest du allerdings ein eigenes Auto besitzen, dann parkt das JottWehDeh und wird nachts immer angezündet, oder militante Radfahrer treten die Spiegel ab. Is aber auch egal, denn solltest du einen Parkplatz ergattert haben, fährste da eh nie wieder weg. Wenn du vom Land das erste Mal inner Stadt bist, fällt dir sofort auf, dass man nirgends geradeaus latschen kann, immer bloß, wo Wege sind. Auf Gras is meist total verboten, und dauernd laufen einen andere vore Füße her. Dann sitzen da überall alte Ommas auffe Erde und halten einen leeren Kaffeebecher inne Luft. Andere quälen ein Schifferklavier zu Tode. Vor den Kneipen sitzen Menschen und trinken Kaffee, obwohl sie gar nich fahren müssen. Fast alle hetzen von links nach rechts, grüßen keinen und gucken aufn Fußboden. Sie sind total scheiße drauf, denn der Freigang ist bald zu Ende, dann geht’s heidewitzka zurück in die Knatterzelle bis zum anderen Morgen. Keiner von den Insassen inner Stadt hat eigenen Grund, nich mal so ’n pissiges Stück Wald, wo man wenigstens mal alte Asbestplatten verbuddeln kann. Nix, kein Haus, kein Grundstück. Zu fressen müssense alles zukaufen, die Nachbarn kennen se nich oder kommen aus Maluckistan. Parken kannste nirgends, und Pissen kostet Geld. Was für ein erbärmliches Dasein. Kein Wunder, dass sich der Stadtbewohner insgeheim nach dem Landleben sehnt.

Wie sich der Städter das Land vorstellt

Alles is grün und blüht, und am Wegesrand sitzt die willige Bauersmaid und flechtet sich einen Stringtanga aus Löwenzahnstängeln. In der Mittagszeit kommt der stramme Jungbauer mit nem Fuder Heu vorbei, aber nich fürs Vieh. Das hat er immer dabei, um darauf willige Bauersmaiden in Stringtangas aus Löwenzahn wegzuknetern, sobald es sich ergibt. Gearbeitet wird auf dem Bauernhof eigentlich nie, das Vieh ernährt sich von dem, was es selber findet. Nur das Getreide kommt – weil es keine Beine hat – nich von allein in die Scheune.

Die ganze Bauersfamilie singt ständig Volkslieder, und alle Tiere haben einen Namen, bis runter zur Sackratte von Opa. Geschlachtet werden die Tiere nur, wenn sie eine Patientenverfügung unterzeichnet haben. Alles is volles Rohr natürlich auf dem Hof. Der Trecker läuft mit Rapsöl, und das Unkraut wird auch nicht weggespritzt, sondern von den Buben und Maderln nachmittags rausgerupft. Die Bauersfamilie lebt total gesund und ernährt sich von den Feldfrüchten der Saison, also zwischen Oktober und Juni gar nich. Im Dezember wird ausgelost, wer dran glauben muss, bevor alle verschmachten. Meist zieht das Schwein den Kürzeren, denn alle mogeln bei dem Spiel.

Die Landwillis leben nur in Großfamilien: Enkel, Omma, Ziege und Schäferhund, alle in einem Zimmer, und lesen sich gegenseitig aus dem Hundertjährigen Kalender die Wettervorhersage vor. Bauern werden niemals krank. Falls doch, gehen sie sofort tot, damit die Angehörigen keine Last mit ihnen haben. Jeder in der Familie hat seinen Aufgabenbereich: Mutter kocht das ganze Jahr aus alles, was bei drei ausm Baum fällt, Marmelade – deshalb ist die Katze auch seit zwei Wochen verschwunden. Omma zieht den Pflug durch die Kartoffeln, wenn das Pferd seinen freien Tag hat, Opa raucht und vermöbelt die Blagen, Vater sitzt aufm Trecker und fährt die Kneipen ab. So sind alle zufrieden und leben ihren gemächlichen Trott. Der höchste Feiertag im Jahr ist der Stoppelmarkt in Vechta, da fahren die Bauern mit ihren Frauen hin und hoffen, dass die da irgendwie verlorengehen – wird aber meistens nix draus. Trotzdem ist der Bauer glücklich und zufrieden, weil nächstes Jahr is ja wieder Stoppelmarkt.

Und so ist das Landleben in der Realität

Fangen wir mal ganz von vorne an, bei der FORTPFLANZUNG. Da muss ich ja gar nich groß viel erzählen – im Großen und Ganzen wisst ihr wahrscheinlich, wie’s geht. Also die Biene fliegt mit dicken Eiern zu dem geilen Stiefmütterchen und verpasst der Alten einen zwischen die Staubgefäße, feddich aus. So haben sie das uns im Biologieunterricht ja beigebracht. Wer das jetzt allerdings als Gebrauchanweisung verstanden hat, der is böse auf die Schnauze gefallen. Denn beim Menschen können die Blumen laufen – und zwar weg. Die Frage is also, wie man die Biester überhaupt zu packen kriegt.

LIEGT DER MAIS WIE PLATT GEREGNET, IST IHM NE WILDSAU WOHL BEGEGNET.

Inne Stadt, kein Problem: Da latscht du in ein Schuhgeschäft und setzt dich da einfach lächelnd in die Ecke. Spätestens nach ner halben Stunde wollen dich die Hälfte der anwesenden Frauen heiraten. Aufm Land is die Besatzdichte an untenrum interessiertem Material einfach zu gering für so was – sowohl auf männlicher als auch vonne anderen Seite. Das Ende vom Lied: Alles muss ohne Schwund weggenagelt werden. Jeder, der halbwegs dem einen oder anderen Geschlecht zugeordnet werden kann, wird in die Zuchtgemeinschaft aufgenommen. Dass so was nich immer ein Spaß is, kann man sich vorstellen, deshalb findet der Geschlechtsverkehr in den seltensten Fällen freiwillig statt. Es is aber auch keine Vergewaltigung. Ich weiß gar nich, wie man das nennt, wenn beide es nich wollen, es aber trotzdem tun. Genau: zum Beispiel Schützenfest!

Auf jeden Fall muss ein Zaubertrank eingeflößt werden, um die Abstoßungskräfte zu überwinden. Der nennt sich Fanta/Korn und bewirkt wahre Wunder. Man muss echt aufpassen und nich zu viel davon einnehmen, sonst kriegt die Ziege 150 Tage nachm Schützenfest einen kleinen Manfred.

Is das überhaupt nötig, dass sich beide Fickelteilnehmer den anderen schönsaufen, um bei sich beizugehen? Sind die alle so hässlich? Alle nich, aber genuch. Und aufm Dorf hast du als Mann folgendes Problem: Du kennst von jeder Alten, die breitbeinig inne Bushaltestelle auf alles Mögliche wartet, nur nich auf den Bus, von jeder kennst du den Bruder, den Vadder oder den Opa. Und einem von den dreien sieht die garantiert ähnlich. Wenn du bei sie beigehst und in das Gesicht blickst, denkst du, sagen wir mal im besten Fall, du nagelst ihren Bruder, das wäre ja nur schwul. Im schlechtesten Fall sieht sie ihrem Opa ähnlich – wie man diese Schweinerei nennt, weiß ich nich.

Aus diesem Grund ist der männliche Landrammler gehemmt und flüchtet sich in eine erotische Scheinwelt. Er kauft sich Pornohefte und ist immer wieder enttäuscht. Zum Beispiel von Landlust: Nachdem er hundert Seiten mit Marmeladeeinkochen und Fensterbankdekorieren durchgeblättert hat und immer noch keine Titten kommen, schmeißt er das Lügenblatt wütend in die Ecke.

Oder er kauft sich ne ganze Palette Landliebe-Joghurt, frisst alle Becher nacheinander auf und is davon höchstens so geil geworden wie ne alte Stehlampe. Auch Betrug! Wo du hinguckst, wird der Landbewohner erotisch beschissen und verarscht.

Andererseits lauert dort, wo man’s gar nicht vermutet, die erotische Herausforderung: Im Jahreskalender vom Landmaschinenhändler räkeln sich gängige Weißrussinnen auf der Kreiselegge. Durch diese Kalender wird die Vorstellung des Landmannes von der Erotik geprägt – und, so kann man sagen, auch in eine Sackgasse geführt. Denn, sagen wir mal, er würde – aus Versehen oder im Internet – tatsächlich mal jemanden kennenlernen, und er schmeißt die Tante auf die Kreiselegge, um an ihr rumzuschrauben – dann war’s das ganz schnell.

Kurz gesagt: Die Zusammenführung der Geschlechter stellt ein Problem dar, und deshalb verlassen vor allem die jungen Frauen die Dörfer, viele mit Abdrücken von der Kreiselegge aufm Rücken, die meisten sogar aufm Bauch. Das Ganze nennt sich LANDFLUCHT, bedeutet aber im Wesentlichen: Nur die scharfen Weiber verlassen das stinkende Schilf. Wie das dann danach aussieht, kann man in der Rest-DDR bewundern. Innerhalb von nich mal einer Generation hat sich der Mann in einen Broiler zurückentwickelt: außen braun, innen wabbeliges Fleisch.

Damit es bei uns nicht so weit kommt, ist der Kampf um die EROTISCHEN ROHSTOFFE voll entbrannt. Auf drei Eber kommt eine Sau, so was könnte sich ein Mastbetrieb gar nich leisten – in einigen Dörfern isses Realität.

Da wird’s für den männlichen Landbewohner natürlich etwas eng mit einem geregelten Geschlechtsleben, geschweige denn Familiegründen. Damit die Maschine nich trockenläuft, geht er wenigstens regelmäßig in den Puff. Riesiger Vorteil: Da kann man auch duschen und warm essen, und die Frauen sprechen kein Deutsch.

Zieht sich diese Zwischeneiszeit zu lange hin beim Landmann, dann isser für die Nachzucht verloren. Der fragt sich doch: Warum soll ich mich mit ner eigenen Alten rumärgern, wenn das genauso gut der Lohnunternehmer machen kann. Is wie Mais häckseln: Da stellt man sich ja auch nich das teure Gerät in die Bude, wo man höchstens einmal im Jahr mal beigeht. Un da haben wir den nächsten großen Unterschied zur Stadt: Dort gibt es depressive Singles, doppeltverdienende Arschmaden, die sich gegenseitig auf ’n Geist gehen, und Kleinfamilien in Ökoghettos – lauter Sackgassen des menschlichen Zusammenlebens.

Aufm Land is die ERFOLGREICHSTE LEBENSFORM Mann um die 50, lebt mit Mama (84) und einem räudigen Zwerghuhn in einem baufälligen Resthof. Hier die Vorteile:

Es fließt kein einziger Euro in weltliche Pracht. Die schimmelige Bude wird einfach abgewohnt. Typisch

WEIBLICHER NESTBAUTRIEB

mit Zentralheizung, Badezimmer, neuen Sofas oder Kerzenständer findet nicht statt. Mama ist damit durch, sieht auch schlecht, und Hans-Gerd kommt sowieso immer erst nach Hause, wenns schon dunkel is.

Auch

DRAUSSEN

ums Haus umzu is Ruhe: keine Terrakottafrösche aufm Rasen – eigentlich nich mal Rasen; keine Hortensien, eher gar keine Blumen, bloß Brennnesseln; und da, wo Hans-Gerd immer hinpisst, blühen die auch sehr schön.

ESSEN:

Is einfach da, kocht Mama wie ’n Automat, schmeckt nach nix, aber solange man mit Maggi verfeinern kann, is alles in Butter.

WÄSCHE

machen, bügeln, staubsaugen, Müll sortieren – diesen ganzen Frauen-Scheiß, den die moderne Ehericke eiskalt auf ihre Drohne abwälzt, den macht Mama, ohne zu murren.

Und ganz wichtig. Mama hat einen natürlichen

BEWEGUNGSMELDER

in sich drin. Wenn sich nix mehr rührt im Zimmer, weil – sagen wir mal – Hans-Gerd in Ruhe seine sechste Flasche Oettinger aussaufen will, dann geht Mama einfach raus und will nich mit einem sprechen wie die neueren Modelle.

Mit Mama muss man eigentlich überhaupt nix besprechen: Alle

THEMEN,

die so ’ne normale Ehe zumüllen, sind sowieso gegessen: Schulversagen von der vergeigten Nachzucht, Anbauen mit Blumenfenster, andere Ehepaare einladen, wegfahren – die ganze Laberei fällt ersatzlos weg.

URLAUB

is überhaupt kein Thema: Erstens braucht man den nich, weil diese WG is sowieso grundentspannt. Und wenn, dann fährt jeder alleine nach seinen Vorlieben. Mama mitte Häkelgruppe zur Runkelblüte nach Bad Salzdetfurth und Hans-Gerd nach Thailand zum Gucken, was da so blüht.

Wenn die Kumpels auffe Arbeit erzählen, wie sie übere

FEIERTAGE

mit den Blagen und dem quengeligen Rochen stundenlag auffe A7 gestanden haben – dann weiß Hans-Gerd, dass er alles richtig gemacht hat in seinem Leben.

GEBURTSTAGE, HOCHZEITEN, WEIHNACHTEN

– dieser ganze Scheiß, wohin man eingeladen werden kann, fällt mehr oder weniger aus, weil ein Junggeselle, das is ein Aussätziger. Er müffelt so ’n büschen ausse Strickjacke raus. Frauen laden ihn grundsätzlich nich ein, weil ihre Ehemänner daran erkennen würden, wie schön das Leben auch sein kann. Und deren Männer laden ihn nich ein, weil: Typen in Ringfingerhaft haben sowieso nix zu melden. Keine Einladungen heißt: sich nie bescheuerte Geschenke ausdenken müssen. Un man darf den Alkohol trinken, den man selber am liebsten mag.

Warum nich nach diesem Muster leben, wenn’s so toll is? Die meisten sind einfach nich stark genug. Sie haben Angst, im Puff ihren Sachbearbeiter inne Quere zu laufen, sie lehnen Strickjacken aus religiösen Gründen ab, oder sie glauben, das Rammeln in der Ehe würde Geld sparen. Das Gegenteil is richtig, denn man kann dann ja nich mal mit dem eigenen Auto innen Puff fahren, weil das davor ja keiner sehen darf. Und Taxi is teuer.

So ist denn das wahre Leben auf dem Lande nich so romantisch, wie sich der Städter das vorstellt – aber auch nich so scheiße wie seins.

WIR ZIEHEN AUFS LAND!

Die Schneider-Gümbels fangen von vorne an: Call-Center verkauft und sich ins Abenteuer „Ganzheitliche Putenmast“ gestürzt.

Für Sascha und Madeleine sind die beiden Hühner wie eigene Babys: Sie stinken genauso schön.

Bevor Marie-Luise einer ihrer Hennen den Kopf abhackt, knuddelt sie sie stets noch ein bisschen.

Ihr Mann hat eine gutgehende Ferkelschlachterei im Westfälischen und schenkte ihr das niedliche Bauerngut im Engadin zum Valentinstag.

GESELLIGKEIT AUF DEM LANDE

Landparty Nr. 1: Die spontane Flasche Bier

Haupsächlich in der Dämmerung oder am Sonnabendvormittag haut sich der Landwilli auch schon mal außer der Reihe ein Pils ins Gekröse. Dazu muss man sich bloß mit einer Schaufel oder einer Harke vor die Tür stellen und rumkratzen. Dauert sicher keine fünf Minuten, und irgendein Kapalke ausser Nachbarschaft kommt angewackelt. Weil: Ist schweineneugierig; könnte ja sein, du schürfst da nach Uran oder vergräbst deine Oma. Muss also erst mal aktenkundig gemacht werden. Er kommt also angeschiggert, sieht, dass du bloß die Hundekacke außen Split kratzt, und weiß nicht, was er sagen soll, denn er hatte sich schon den Satz zurechtgelegt: „Na, biste Euer Omma am Einbetonier ’n – sicher, muss ja alles seine Ordnung haben.“ Nun ist ihm voll der Wind aus den Segeln genommen. Und immer, wenn zwischen zwei Landyogis eine Gesprächspause entsteht, sagt sofort einer: „Trinkste ein mit?“ Ruckzuck sind zwei Pils entkront und angeleckt. Und jetzt kommt das, was man auch vom Marmeladenbrot auf der Terrasse kennt: Sind erst mal zwei Wespen zugange, ist bald die ganze Bande da. Ein Dritter kommt angeschlurft, der hat gerade Besuch vom Ordnungsamt wegen seiner Gülle, die dauernd auf die Straße fließt. Aber der vom Amt mag auch wohl einen, und schon stehen da vier Heinis mit einer Pulle im Gesicht. Hastenichgesehen taucht wie von Zauberhand ein Grill auf, und vier Kilo Nacken qualmen vor sich hin. Einer war zwischendurch zur Tanke und hat neue Kisten geholt, und wenn zufällig an dem Abend noch Übungsstunde vom Frauenchor ist oder Handarbeitsabend, zack, dann gehen alle um zehn noch in den Puff. Schöner kann man sich eine Party eigentlich nicht mehr vorstellen. Aber es gibt noch jede Menge andere.

Landparty Nr. 2: Frühschoppen nach dem Gottesdienst

Gibt es leider kaum noch, weil kaum noch einer sonntagmorgens in die Kirche geht. Und die, die hingehen, saufen nachher nicht. Da fragt man sich, warum sich der Pastor dann überhaupt noch den Vormittag um die Ohren schlägt. Das Prinzip war ganz einfach und richtig durchdacht: Saufen schmeckt am besten, wenn man vorher Staub gefressen hat. Der Staub war in diesem Falle das monotone Rumgemache in der Kirche, außerdem quasselte der Pastor auch genauso viel wie die Alte zu Hause. Aber im Unterschied zum Eherochen hörte der Pastor irgendwann auf, und man war entlassen. Und auf diese ungeheure Erleichterung schmeckte ein frisch gezapftes Pils wie Manna aus dem Paradies. Leider gehen die Männer nicht mehr in die Kirche, sondern, wenn überhaupt, sofort in die Kneipe. Das kann bloß nicht funktionieren. Gottesdienst und Frühschoppen sind die beiden Seiten einer Medaille. Das haben die Pastoren natürlich auch nicht kapiert, sonst hätten sie längst eine Kneipe aufgemacht in der Sakristei.

IST DER SOMMER IHM ZU HEISS, GLOTZT DER BAUER JEDEN SCHEISS.

Landparty Nr. 3: Saufen beim Bauen

Die Leute vom Land sind ja ständig am Anbauen, Umbauen oder was Dranbauen. Was soll bloß diese tollwütige Verschandelung der Gegend, fragt sich da der neutrale Beobachter. Hier eine Dachgaube in die Frankfurter Doppelfalz gezergelt, da dreihundert Meter Sichtschutzelemente an der Rinderweide entlang, oder zur Not auch mal die Hundehütte verklinkern. Ständig liegt Sand aufn Hof und Steinwolle-Pakete im Flur. Muss das denn sein, haben die nix anderes zu tun? Können die nicht einfach einen Nachmittag im Garten liegen und sich zulaufen lassen? Nä, geht nicht! Das wäre Alkoholismus, und da gucken die Nachbarn schief. Wenn man aber dabei ein Loch gräbt für Beton und sich eine Kiste in den Ranzen kippt, das ist normal. Deshalb wird dauernd an der Hütte rumgeflickt, damit die Leute nicht reden. Das Schöne ist, dass Zement und Xylamon auch noch extrem durstbildend sind. Das Saufen beim Bauen ist nicht wirklich eine Party, es dient vielmehr dazu, dass der Körper nicht zwischen den andern Saufereien komplett trockenfällt und dann erst wieder entlüftet werden muss.

Landparty Nr. 4: Fell versaufen nach der Beerdigung

Im Gegensatz zu ähnlichen Besäufnissen wie hohe Geburtstage oder Hochzeiten hat die Beerdigung drei ganz entscheidende Vorteile, deshalb ist sie auch so beliebt auf dem Lande.

Erstens: Man muss keine teuren Geldgeschenke machen. Man kann zwar was in den Klingelbeutel schmeißen, ist aber ja anonym, geht also auch nix. Trotzdem gibt es nachher Kaffee und Kuchen und meist auch noch satt Alkohol. Bei einer Beerdigung kriegst du also auf jeden Fall den Einsatz wieder raus.

Zweitens: Beerdigungen kommen spontan, man weiß ja nicht wirklich, wann jemand übern Jordan geht. Ist also immer wieder eine unverhoffte Gelegenheit, um an der Theke zu hängen, grade, als man schon dachte, die Woche geht gar nicht mehr vorbei.

Und der dritte Vorteil: Beerdigungen sind immer in der Woche, also zusätzliche Termine, ohne die andern Wochenend-Sauftermine anzukratzen.

Landparty Nr.5: Vereine

Jeder aufm Land ist in mindestens einem Verein. Jedenfalls alle Männer. Hauptgrund: regelmäßig von der Alten weg. Darum ist es auch völlig egal, was für ein Verein im Dorf zugange ist, ob Feuerwehr, Schützen, Sängerknaben oder Kaninchenzüchter – es sind alle dabei. Lieber abends mit nem Pils in der Hand Karnickelscheiße wegmachen als mit dem Rochen zu Hause vorn Fernseher sitzen. Der Nager hat eben einen Vorteil: Er hält sein Maul.

Weil einmal in der Woche aber nicht reicht, lassen sich die Männervereine alle möglichen Sondersitzungen einfallen, zum Beispiel Festkomitee für den Geflügelzüchterball: achtzig Mal Treffen mit anschließend Freibier.

Oder Sängerwettstreit: jeden Abend üben mit zwischendurch Korn saufen usw. Als Opfer gibt es in all diesen Vereinen ein paarmal im Jahr eine Fete „mit Frauen“, damit die nicht aufmucken. Da kann man sich dann auch die natürlichen Fähigkeiten der Frau zunutze machen: Schnittchen schmieren, Kartoffelsalat machen oder Kuchen backen. Da haben die auch ihren Spaß und versperren nicht den Zugang zur Theke.

Landparty Nr. 6: Zeltfest

Einmal im Jahr ist in jedem Dorf Ausnahmezustand. Diese Orgie heißt dann Feuerwehr-, Schützen- oder Sängerfest oder meinetwegen auch Hühnerwämserball, ist vollkommen egal, weil: Ist alles dasselbe.

Es wird irgendwo ein Zelt aufgebaut, und dann wird mindestens drei Tage lang getestet, wie viel Ballerbrühe die alte Karkasse noch aufsaugen kann.

Das Event fängt aber meist schon Tage vorher an, mit Kränzeflechten, Birkenbraken an Verkehrsschilder nageln oder weiß der Henker. Hauptsache, mit dem Trecker rumnageln und Kiste Bier dabei. Während die Männer in der Wildnis das gefährliche Tannengrün erlegen, sitzen die Weibchen im Kreis und basteln daraus meterlange Kränze. So wird die traditionelle Rollenteilung gefestigt, und keiner kommt auf dumme Gedanken. Die Sitte des Kränzens ist uralt. Früher kamen beim Schützenfest immer mehrere Leute zu Tode: Kaputtgesoffen, an der Theke totgetrampelt oder an der achten Bratwurst erstickt. Ja, und weil das ganze Dorf nach dem Zeltfest zu tattrig war, um einen Kranz für die Beerdigungen zu flechten, wurden die vorher auf Vorrat fertig gemacht. Musste man Montag dann bloß noch auf Ende schneiden das Gestrüpp, Papierblume dran und ab zum Friedhof.

Heute gibt es ja kaum noch Tote bei Zeltfesten, nicht mal mehr Schlägereien – die waren ja früher der Höhepunkt. Die Schlägerei ist die Form, in der der Mann vom Lande einem andern sagt, dass er ihn lieb hat. Und nach der Massenschlägerei in der Sektbar waren alle Männer Blutsbrüder. Doch die soziale Kälte ist auch auf dem Dorf zu spüren: Keiner haut mehr dem anderen einfach so einen in die Fresse.

Willst du wissen, was bein Schützenfest genau passiert, musst du ans Ende vons Buch glotzen.

NATUR!

„Monokultur, mon amour!“ Lisa-Marie könnte die ganze Welt umarmen.

„Die mach ich mir heute Abend lecker zurecht.“ Anna freut sich auf die erste selbst gezogene Gurke.

Die Behälter mit dem Glyphosat gehörten zur Themenwelt „Konventionelle Landwirtschaft“ auf dem Öko-Hof.