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Geristein ist eine geheimnisvolle Burgruine nordöstlich von Bern. Im frühen 19. Jahrhundert hat der Berner Schriftsteller Johann Rudolf Wyss der Jüngere über den genannten Ort eine romantische Novelle geschrieben. Diese ist hier vom Herausgeber in einer neuen Übertragung und mit Kommentaren und Bildern versehen, zugänglich gemacht worden. Eine zweite Dichtung von Wyss, Der Ritter von Ägerten, rundet die literarische Neuausgabe ab.
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Seitenzahl: 64
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Cover-Bild:Detail der Turmruine von GeristeinFoto: Autor, 17.6.2013
Titelbild:GeristeinAquarell von Gabriel Lory (Vater), um 1823 Größe: 27,7 x 37,5 cm
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Graphischen Sammlung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
Bemerkungen zur überarbeiteten Ausgabe:Die beiden Werke von Johann Rudolf Wyss dem Jüngeren, Geristein und Ägerten, sind vom Autor mehrmals herausgegeben worden. Die letzte Edition stammt von 2019.
Jene Ausgabe enthielt im Anhang des Autors Sage von der Teufelsküche im Grauholz.
Diese Erzählung findet sich jetzt in dem Werk Teufelssagen aus der Umgebung von Bern.
Zu Geristein und Ägerten vergleiche auch das Buch des Herausgebers Burgen rund um Bern.
Über Geristein und seine Besonderheiten: Turmruine, Höhle, Nische, Inschrift, Relief, „Elefant“
Bemerkungen zur Novelle Der Abend zu Geristein
Johann Rudolf Wyss der Jüngere: Der Abend zu Geristein
Über die Burgruine Ägerten am Gurten
Johann Rudolf Wyss‘ Dichtung Der Ritter von Ägerten
Johann Rudolf Wyss der Jüngere: Der Ritter von Ägerten. Ein Schweizer Idyll
Die Bücher des Autors
Abbildung 1: Geristein
Abbildung 2: Geristein
Abbildung 3: Geristein
Abbildung 4: Felsformation auf Geristein, sogenannter Elefant
Abbildung 5: Die Ruine Ägerten am Gurten
Abbildung 6: Die Ruine Ägerten am Gurten
Abbildung 7: Titelblatt des Almanachs Alpenrosen für das Jahr 1814
„Gerenstein“
Ansicht von Nordosten.
Aquarell von Albrecht Kauw, 14,5 x 18 cm
Datiert „1659“. - Nach Meinung des Verfassers in die 1770er Jahre zu setzen.
Die einfache, aber in ihrer Schlichtheit eindrucksvolle Komposition des Bilds verdient hervorgehoben zu werden.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Bernischen Historischen Museums, Bern
Foto: Stefan Rebsamen
Der zur Gemeinde Bolligen gehörende Weiler Geristein (früher: Gerenstein) liegt gut sieben Kilometer nordöstlich von Bern und hat als Mittelpunkt einer hügeligen Landschaft einen nach Westen geöffneten gewinkelten Sandstein-Grat.
In der nach Osten gerichteten Gehrung des Felsengebildes findet sich auf 762 Meter Höhe über Meer die Ruine Geristein.
Zentral ist bei dieser Burgstelle ein Rundturm mit über drei Metern dicken Mauern an seiner Basis. Die Sandsteinquader auf der Innenseite des Bauwerks sind glatt, diejenigen außen mit charakteristischen Bossen versehen. - An letzteren finden sich etliche Steinmetzzeichen.
Der Turm von Geristein war schätzungsweise zehn bis zwölf Meter hoch, mit einem Zinnenkranz von eigenartiger Form.
Die Art des Mauerwerks mit Buckelquadern ist typisch für die Epoche der Gotik. Diese setzt der Herausgeber gemäß den Erkenntnissen der Geschichts- und Chronologiekritik in die Zeit um 1750. – Da ist zu bemerken, daß die Anno Domini-Datierung damals noch nicht existierte.
Der Turm von Geristein hat große Ähnlichkeit mit den frühen sogenannten Artillerie-Türmen. – Diese waren allerdings niedriger und massiger.
« Les Ruines de Gerstein près de Berne »
Aquarell, 16,9 x 22 cm, mit den Initialen C.S.L.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Burgerbibliothek Bern.
Die Figurenstaffage mit dem Esel will offenbar subtil und ironisch darauf hinweisen, daß das Besteigen des Turms gefährlich sei.
Das nicht datierte anonyme Bild ist ins frühe 19. Jahrhundert zu setzen.
Die Turmstumpf ist um 1975 eher unglücklich vor weiterer Abtragung konserviert worden.
Der Rundturm von Geristein weist eine große Merkwürdigkeit auf: Er besaß weder einen Eingang, noch Fenster, noch Schießscharten.
Eine vergleichende Betrachtung erklärt die sonderbare Eigentümlichkeit des Turms von Geristein.
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in der revidierten Geschichts- und Zeitenfolge wurden auch Türme errichtet, die wohl wehrhaft aussagen, aber keine solche Funktion hatten.
Als Beispiel sei der Turm der Seeburg, östlich von Luzern erwähnt. Dieser hatte ursprünglich ebenfalls weder einen Eingang, noch Fenster.
Der Rundturm von Geristein ist also um seiner selbst willen erbaut worden. Als solcher wurde er gleich nach seiner Erbauung zur Ruine.
Albrecht Kauws Ansicht von Geristein zeigt den Turm noch mit einer Zinnenkrone, aber schon in einem beginnenden Verfall. – Dabei war seit der Erbauung wahrscheinlich weniger als ein Vierteljahrhundert verstrichen.
Eine Mauer umgab den Burgplatz von Geristein. Von dieser sind im Nordosten neben dem Turm noch Reste vorhanden.
Gegen Süden trennte ein in den Felsen gehauerer Halsgraben das Plateau ab.
Gegen Osten unterbricht eine natürliche Senke den Geristein-Grat zum Berg.
„Gerenstein“
Lithographie von Johann Friedrich Wagner, 1837
Reproduktion der Schweizerischen Nationalbibliothek Bern
Nach dem Bild von Wagner ist der Rundturm gegenüber Kauw und Lory stärker abgetragen. Immerhin entspricht die Höhe der Ruine von Geristein in etwa dem ersten Foto des Turms von 1875.
Im Westen hatte der Platz von Geristein einen etwa fünf Meter tiefer gelegenen Geländeabsatz. Auf diesem sieht man gegen die Burgseite hin eine merkwürdige menschengeformte Höhle mit einem Eingang und einem Innenraum in Gestalt eines liegenden Ovals.
Über den Zweck der Grotte von Geristein kann nur gerätselt werden. – Doch hat sie den Herausgeber angeregt, in seinen Teufelssagen aus der Umgebung von Bern auch eine Geschichte über jenes Gebilde zu schreiben.
Auf der Innenseite des Felsgrabens gegen Süden findet sich eine Nische, in welcher ein Götzen- oder Heiligenbild stand. Sogar zwei Befestigungslöcher für eine Figur sind erhalten.
An der Außenwand des erwähnten Abschnittsgrabens ist eine Inschrift angebracht: Überall einsam, doch nirgends verlassen.
Erst als der Herausgeber die Novelle von Johann Rudolf Wyss studierte, löste sich das Rätsel jenes pathetischen Spruchs: Dieser ist ein Zitat aus Der Abend von Geristein – zweifellos auf Veranlassung des Schriftstellers entstanden.
Am südlichen Ende der östlichen Felspartie vor dem Burgplatz findet sich ferner ein Relief, welches die Umrisse eines Mannes darstellt, der in seiner linken Hand ein Kreuz hält.
Die Figur ist ausgesprochen unkünstlerisch. Sie kann nicht besonders alt sein.
Auch diese Felsbearbeitung hat sicher Wyss anbringen lassen. Es zeigt eine Szene aus der Geristein-Sage, nämlich den Ritter Ivo von Bolligen, wie er dem Zwingherrn Aimo das christliche Kreuz entgegenhält.
Der Autor erwähnt die Figur in der Erzählung und läßt offen, ob das Werk echt sei oder bloß eine müßige Macherei eines zeitgenössischen Steinmetzes.
Unbedingt ist auf eine bedeutsame Einzelheit am Burgfelsen von Geristein hinzuweisen. Diese ist erst dem Herausgeber aufgefallen:
Am Fuß des Felskopfs unterhalb des Turms, linkerhand vom Beginn des Aufgangs zum Plateau, findet sich eine Jahrzahl eingehauen: J744.
Des Autors Forschungen haben ergeben, daß die heute gebräuchliche Jahrzählung Anno Domini mit vier arabischen Ziffern in den 1760er Jahren eingeführt wurde. – Vorher ist es nicht korrekt, diese Datierung zu verwenden. – Und diese Jahresangaben werden erst ab der Französischen Revolution glaubwürdig.
Doch gab es schon etwa zwei Jahrzehnte vor der heute gebräuchlichen Jahrzählung eine Vorstufe, nämlich Zahlen mit drei Ziffern und einem vorangestellten i oder j – wobei diese Buchstaben klein oder groß geschrieben vorkommen.
Die Angabe J744 ist nach Meinung des Herausgebers der früheste Beleg für diese anfängliche Jahrzählung.
Das I oder J steht dabei vermutlich für Jesus.
Aufnahme von 1910, vom Herausgeber koloriert.
aus: Karl Ludwig Schmalz: Bolligen; Bern 1982, 367
Das alte Foto hat den Vorteil, daß der damalige Niederwald die Felsen des Elefanten ganz zeigen. In den folgenden hundert Jahren hat der Hochwald die Sicht fast ganz verdeckt.
Darf man diese drei Ziffern als 1744 lesen? – Möglich ist es, wenngleich um diese Zeit noch keine Angabe sicher ist.
Schließlich ist der sogenannte Elefant von Geristein zu erwähnen; untrennbar mit jenem Ort verbunden.
Wyss räsoniert in seiner Erzählung über die natürliche oder künstliche Entstehung der bizarren Felsgebilde am südwestlichen Ende des Geristein-Grats.
Dort sieht man einen hohen, leicht gebogenen und rundlich geformten Felsenzahn; dahinter eine Felsrippe mit rundlichem Abschluß gegen oben und mit einer großen und einer kleinen rundbogigen Öffnung. Beide Bögen ragen deutlich aus dem auf drei Seiten abschüssigen Terrain hervor.