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Geristein ist eine geheimnisvolle Burgruine nordöstlich von Bern. Im frühen 19. Jahrhundert hat der Berner Schriftsteller Johann Rudolf Wyss der Jüngere über den genannten Ort eine romantische Sage geschrieben. Diese ist hier vom Herausgeber in einer neuen Übertragung und mit Kommentaren und Bildern versehen zugänglich gemacht worden. Eine zweite Dichtung von Wyss über die Burg Ägerten am Gurten bei Bern rundet die literarische Neuausgabe ab.
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Seitenzahl: 64
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Über Geristein und seine Besonderheiten: Turmruine, Höhle, Nische, Inschrift, Relief, „Elefant“
Bemerkungen zur Novelle
Der Abend zu Geristein
Johann Rudolf Wyss der Jüngere:
Der Abend zu Geristein
Über die Burgruine Ägerten am Gurten
Johann Rudolf Wyss‘ Dichtung
Der Ritter von Ägerten
Johann Rudolf Wyss der Jüngere:
Der Ritter von Ägerten. Ein Schweizer Idyll
Die Bücher des Autors
Abbildung 1: Kauw - Geristein 5
Abbildung 2: Anonymus - Geristein 7
Abbildung 3: Wagner - Geristein 9
Abbildung 4: Felsformation auf Geristein, sogenannter Elefant 11
Abbildung 5: Kauw - Ägerten am Gurten 45
Abbildung 6: Lory - Ägerten am Gurten 49
Abbildung 7: Titelblatt des Almanachs
Alpenrosen
für das Jahr 1814 68
„Gerenstein“
Ansicht von Nordosten.
Aquarell von Albrecht Kauw, 14,5 x 18 cm
Datiert „1659“. - Nach Meinung des Verfassers in die 1770er Jahre zu setzen.
Die einfache, aber in ihrer Schlichtheit eindrucksvolle Komposition des Bilds verdient hervorgehoben zu werden.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Bernischen Historischen Museums, Bern
Foto: Stefan Rebsamen
Der zur Gemeinde Bolligen gehörende Weiler Geristein (früher: Gerenstein) liegt gut sieben Kilometer nordöstlich von Bern und hat als Mittelpunkt einer hügeligen Landschaft einen nach Westen geöffneten gewinkelten Sandstein-Grat.
In der nach Osten gerichteten Gehrung des Felsengebildes findet sich auf 762 Meter Höhe über Meer die Ruine Geristein.
Zentral ist bei dieser Burgstelle ein Rundturm mit drei Metern dicken Mauern an seiner Basis. Die Sandsteinquader auf der Innenseite des Bauwerks sind glatt, diejenigen außen mit charakteristischen Bossen versehen. - An letzteren finden sich etliche Steinmetzzeichen.
Der Turm von Geristein war mindestens zehn Meter hoch, mit einem Zinnenkranz von eigenartiger Form.
Die Art des Mauerwerks mit Buckelquadern ist typisch für die Epoche der Gotik. Diese setzt der Herausgeber gemäß den Erkenntnissen der Geschichts- und Chronologiekritik in die Zeit um 1750. – Da ist zu bemerken, daß die Anno Domini-Datierung damals noch nicht existierte.
Der Turm von Geristein hat große Ähnlichkeit mit den frühen sogenannten Artillerie-Türmen. – Diese waren allerdings niedriger und massiger.
Die Turmstumpf ist um 1975 eher unglücklich vor weiterer Abtragung konserviert worden.
Der Rundturm von Geristein weist eine große Merkwürdigkeit auf: Er besaß weder einen Eingang, noch Fenster, noch Schießscharten.
« Les Ruines de Gerstein près de Berne »
Aquarell, 16,9 x 22 cm, mit den Initialen C.S.L.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Burgerbibliothek Bern.
Die Figurenstaffage mit dem Esel will offenbar subtil und ironisch darauf hinweisen, daß das Besteigen des Turms gefährlich sei.
Das nicht datierte anonyme Bild ist um 1800 anzusetzen.
Eine vergleichende Betrachtung erklärt die sonderbare Eigentümlichkeit des Turms von Geristein.
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in der revidierten Geschichts- und Zeitenfolge wurden auch Türme errichtet, die wohl wehrhaft aussagen, aber keine solche Funktion hatten.
Als Beispiel sei der Turm der Seeburg, östlich von Luzern erwähnt. Dieser hatte ursprünglich ebenfalls weder einen Eingang, noch Fenster.
Der Rundturm von Geristein ist also um seiner selbst willen erbaut worden. Als solcher wurde er gleich nach seiner Erbauung zur Ruine.
Die erste Bildansicht von Geristein von Albrecht Kauw – nach dem Herausgeber zu Beginn der 1770er Jahre anzusetzen - zeigt den Turm noch mit einer eigenartigen Zinnenkrone, aber schon in einem beginnenden Verfall. Dabei war seit der Erbauung wahrscheinlich kaum eine Generation verstrichen.
Eine Mauer umgab den Burgplatz von Geristein. Von dieser sind im Nordosten neben dem Turm noch Reste vorhanden.
Gegen Süden trennt ein in den Felsen gehauener Halsgraben das Plateau ab.
Gegen Osten unterbricht eine natürliche Senke den Geristein-Grat zum Berg.
Im Westen hat der Platz von Geristein einen etwa fünf Meter tiefer gelegenen Geländeabsatz.
Auf diesem sieht man gegen die Burgseite hin eine merkwürdige menschengeformte Höhle mit einem rundlichen Eingang und einem Innenraum von ovaler Grundform.
„Gerenstein“
Lithographie von Johann Friedrich Wagner, 1837
Reproduktion der Schweizerischen Nationalbibliothek Bern
Nach dem Bild von Wagner ist der Rundturm gegenüber Kauw und Lory stärker abgetragen. Immerhin entspricht die Höhe der Ruine von Geristein in etwa dem ersten Foto des Turms von 1875.
Über den Zweck der Grotte von Geristein kann nur gerätselt werden. – Doch hat sie den Herausgeber angeregt, in seinen Teufelssagen aus der Umgebung von Bern auch eine Geschichte über jenes Gebilde zu schreiben.
Auf der Innenseite des Felsgrabens gegen Süden findet sich eine Nische, in welcher ein Götzen- oder Heiligenbild stand. Sogar zwei Befestigungslöcher für eine Figur sind erhalten.
An der Außenwand des erwähnten Abschnittsgrabens ist eine Inschrift angebracht: Überall einsam, doch nirgends verlassen.
Erst als der Herausgeber die Novelle von Johann Rudolf Wyss studierte, löste sich das Rätsel jenes pathetischen Spruchs: Dieser ist ein Zitat aus Der Abend von Geristein und zweifellos auf Veranlassung des Schriftstellers entstanden.
Am südlichen Ende der östlichen Felspartie vor dem Burgfelsen findet sich ferner ein Relief, welches die Umrisse eines Mannes darstellt, der in seiner linken Hand ein Kreuz hält.
Die Figur ist ausgesprochen unkünstlerisch. Sie kann nicht besonders alt sein.
Auch diese Felsbearbeitung hat sicher Wyss anbringen lassen: Es zeigt eine Szene aus der Geristein-Sage, nämlich den Ritter Ivo von Bolligen, wie er dem Zwingherrn Aimo das christliche Kreuz entgegenhält.
Der Autor erwähnt die Figur in der Erzählung und läßt offen, ob das Werk echt sei oder bloß eine müßige Macherei eines zeitgenössischen Steinmetzes.
Unbedingt ist auf eine bedeutsame Einzelheit am Burgfelsen von Geristein hinzuweisen. Diese ist dem Herausgeber vor Jahren aufgefallen:
Aufnahme von 1910, vom Herausgeber koloriert.
aus: Karl Ludwig Schmalz: Bolligen; Bern 1982, 367
Das alte Foto hat den Vorteil, daß der damalige Niederwald die Felsen des Elefanten ganz zeigen. In den folgenden hundert Jahren hat der Hochwald die Sicht fast ganz verdeckt.
Am Fuß des Felskopfs unterhalb des Turms, linkerhand vom Beginn des Treppenaufgangs zum Plateau, findet sich eine Jahrzahl eingehauen: J744.
Des Autors Forschungen haben ergeben, daß die heute gebräuchliche Jahrzählung Anno Domini mit vier arabischen Ziffern in den 1760er Jahren eingeführt wurde. – Vorher ist es nicht korrekt, diese Datierung zu verwenden. – Und diese Jahresangaben werden erst ab der Französischen Revolution glaubwürdig.
Doch gab es schon etwa zwei Jahrzehnte vor der heute gebräuchlichen Jahrzählung eine Vorstufe, nämlich Zahlen mit drei Ziffern und einem vorangestellten i oder j – wobei diese Buchstaben klein oder groß geschrieben vorkommen.
Die Angabe J744 ist nach Meinung des Herausgebers der früheste Beleg für diese anfängliche Jahrzählung.
Das I oder J steht dabei vermutlich für Jesus.
Darf man diese drei Ziffern als 1744 lesen? – Möglich ist es, wenngleich um diese Zeit noch keine Angabe sicher ist.
Schließlich ist der sogenannte Elefant von Geristein zu erwähnen; untrennbar mit jenem Ort verbunden.
Wyss räsoniert in seiner Erzählung über die natürliche oder künstliche Entstehung der bizarren Felsgebilde am südwestlichen Ende des Geristein-Grats.
Man sieht dort einen hohen, leicht gebogenen und rundlich geformten Felsenzahn; dahinter als Abschluß einen markanten Felsenbuckel, mit einer großen, oben rundbogigen Öffnung – einem Portal. Dahinter findet sich ein zweiter, kleinerer Durchlaß.
Die Sandsteinformation als Abschluß des Grats gleicht von Norden wie von Süden her verblüffend dem Kopf eines Elefanten, wobei der Bogen des großen Felsentors einen Rüssel darstellt. – Die zweite kleine Öffnung deutet den Mund des Tiers – oder die Vorderbeine - an.
Der rundgeschliffene, westwärts leicht gebogenen Felsen, welcher die Figur des Elefanten überragt, läßt sich als Stoßzahn deuten, vielleicht auch als Mahnfinger.
Die bisherige Literatur ist zurückhaltend über diese Felsfigur, die im Volksmund seit eh und je Elefant genannt wird. - Man spürt das Unbehagen, sich über ein doch sehr deutliches Bild in Stein äußern zu müssen.