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Der Adel und die Revolution ist eine der unbekannteren Erzählungen von Joseph Freiherr von Eichendorff.
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Seitenzahl: 31
Sehr alte Leute wissen sich wohl noch einigermaßen der sogenannten guten alten Zeit zu erinnern. Sie war aber eigentlich weder gut noch alt, sondern nur noch eine Karikatur des alten Guten. Das Schwert war zum Galanteriedegen, der Helm zur Zipfelperücke, aus dem Burgherrn ein pensionierter Husarenoberst geworden, der auf seinem öden Landsitz, von welchem seine Vorfahren einst die vorüberziehenden Kaufleute gebrandschatzt hatten, nun seinerseits von den Industriellen belagert und immer enger eingeschlossen wurde. Es war mit einem Wort die mürb und müde gewordene Ritterzeit, die sich puderte, um den bedeutenden Schimmel der Haare zu verkleiden; einem alten Gecken vergleichbar, der noch immer selbstzufrieden die Schönen umtänzelt und nicht begreifen kann und höchst empfindlich darüber ist, daß ihn die Welt nicht mehr für jung halten will.
Der Adel in seiner bisherigen Gestalt war ganz ein mittelalterliches Institut. Er stand durchaus auf der Lehenseinrichtung, wo, wie Planetensystem, die Zentralsonne des Kaisertums von den Fürsten und Grafen und diese wiederum von ihren Monden und Trabanten umkreist wurden. Die wechselseitige religiöse Treue zwischen Vasall und Lehnsherrn war die bewegende Seele aller damaligen Weltbegebenheiten und folglich die welthistorische Macht und Bedeutung des Adels. Aber der Dreißigjährige Krieg, diese große Tragödie des Mittelalters, hatte den letzteren, der ohnedem schon längst an menschlicher Altersschwäche litt, völlig gebrochen und beschlossen. Indem er die Idee des Kaisers, wenigstens faktisch, aus der Mitte nahm oder doch wesentlich verschob, mußte notwendig der ganze strenggegliederte Bau aus seinen Fugen geraten. Die Stelle der idealen Treue wurde sofort von der materiellen Geldkraft eingenommen; die mächtigeren Vasallen kauften Landsknechte und wurden Raubritter im Großen, die kleinern, die in der allgemeinen Verwirrung oft selbst nicht mehr wußten, wem sie verpflichtet, folgten dem größeren Glücke oder besserem Solde. Und als endlich die Wogen sich wieder verlaufen, bemerkte der erstaunte Adel zu spät, daß er sich selbst aus dem großen Staatsverbande heraus, auf den ewig beweglichen Triebsand gesetzt hatte: aus dem freien Lehensadel war unversehens ein Dienstadel geworden, der zu Hofe ging oder bei den stehenden Heeren sich einschreiben ließ.
So war denn namentlich auch die Ritterlichkeit zuletzt fast ausschließlich an die modernen Offizierskorps gekommen. Auf diese warf nun der Siebenjährige Krieg noch einmal einen wunderbaren Glanz, Ruhmbegier, kecke Lust am Abenteuer, Tapferkeit, aufopfernde Treue und manche der anderen Tugenden, die das Mittelalter groß gemacht, schienen von neuem aufzuleben. Allein es war kein in sich geschlossenes Rittertum im alten Sinne mehr, sondern nur das Aufleuchten einzelner bedeutender Persönlichkeiten, die eben deshalb wohl ihre Namen, nicht aber den Geist des Ganzen unsterblich machen konnten. Auch hier gibt schon das Kostüm, das niemals willkürlich oder zufällig ist, ein charakteristisches Signalement dieses neuen Ritters. Die Eisenrüstung war ihm allmählich zum Küraß, der Küraß zum bloßen Brustharnisch und dieser endlich gar zu einem handbreiten Blechschildchen zusammengeschrumpft, das er gleichsam zum Andenken an die entschwundene Rüstung, wie etwa jetzt der Orden zweiter Klasse, dicht unter dem Halse trug, die Rechte, der die Manschette nicht fehlen durfte, ruhte auf einem stattlichen spanischen Rohr, das gepuderte Haupt umschwebten zu beiden Seiten, anstatt der alten Geierflügel, zwei wurfähnlich aufgerollte Locken und »der Zopf der hing ihm hinten«. Ein Ritter mit dem Zopf ist aber durchaus eine undenkbare Mißgeburt, was die armen Bildhauer, welche die Helden des Siebenjährigen Krieges darstellen sollen, am schmerzlichsten empfinden. Und dieser fatale Zopf war in der Tat das mystische Symbol der verwandelten Zeit: alles Naturwüchsige, als störend und abgemacht, hinter sich geworfen und mumienhaft zusammengewickelt, bedeutete er zugleich den Stock, die damalige Zentripetalkraft der Heere.