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Sherlock Holmes ermittelt wieder!Alles sieht danach aus, als habe der junge Anwalt McFarlane seinen Klienten Oldacre, einen wohlhabenden Baumeister aus Norwood, ermordet: Erst am Tag zuvor hatte Oldacre McFarlane aufgesucht, um sein Testament zu machen. Das Kuriose an der Sache: McFarlane sollte sein alleiniger Erbe werden! Am nächsten Tag ist Oldacre tot, und alle Indizien deuten auf McFarlanes Schuld hin. Aber so schnell lässt sich Sherlock Holmes nicht an der Nase herumführen...-
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Seitenzahl: 45
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Arthur Conan Doyle
Saga
Der Baumeister von Norwood ÜbersetzterR. Lautenbach, Adolf Gleiner Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1894, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726390421
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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„Vom Standpunkt des Kriminalisten,“ sagte Sherlock Holmes eines Tages, „ist London seit dem Tode des Professors. Mariarty seligen Angedenkens die uninteressanteste Stadt geworden.“
„Ich kann mir kaum denken, dass viele ehrbare Bürger deine Ansicht teilen,“ gab ich ihm zur Antwort.
„Nun — ja, ich will nicht selbstsüchtig sein,“ sagte er lächelnd und schob seinen Stuhl vom Tisch zurück, an dem wir eben gefrühstückt hatten. „Die Allgemeinheit hat immerhin den Vorteil, nur der arme Fachmann ist zu bedauern, weil er Beschäftigung und Brot verliert. Dem Manne von Beruf brachte oft die Zeitung eines Morgens alle möglichen guten Aussichten. Oft war es nur eine ganz schwache Spur, Watson, eine ganz zarte Andeutung, und doch zeigte sie mir, dass etwas für den Detektiv im Anzug war, ebenso wie die leiseste Schwingung am Rande des Netzes die in der Mitte lauernde Spinne auf die nahende Beute aufmerksam macht. Unbedeutende Diebstähle, leichte Ueberfälle, kleinliche Beleidigungen — alle diese Vergehen konnten von einem Manne, der die Fäden in der Hand hatte, in Zusammenhang gebracht und auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt werden. Für das Studium der feineren Verbrecherwelt bot keine Stadt Europas ein solch’ gutes Material wie das damalige London. Aber jetzt —“ er zuckte mit den Achseln, betrübt über den Stand der Dinge, an dem er selbst treulich mitgearbeitet hatte.
Zu der in Rede stehenden Zeit war Holmes einige Monate von seiner Reise zurück, und ich hatte auf sein Anraten meine Praxis verkauft und wohnte wieder mit ihm zusammen in unserem alten Heim in der Bakerstrasse. Meine kleine Kundschaft hatte ein junger Arzt, Namens Verner, für einen so auffallend hohen Preis übernommen, wie ich ihn kaum zu fordern gewagt hatte — ein Umstand, der mir erst nach Fahren klar wurde, als ich erfuhr, dass Verner ein entfernter Verwandter von Holmes, und mein Freund der Vermittler war.
Diese Monate unserer Partnerschaft waren jedoch nicht so ereignislos, wie er gesagt hatte. Nach meinen Notizen fällt in diese Zeit der Fall des Präsidenten Murillo und der erschütternde Vorgang auf dem holländischen Dampfer ,Friesland‘, wobei wir beide beinahe das Leben verloren hätten. Seine kalte, stolze Natur war aber jeglichem öffentlichem Beifall abhold, und darum bat er mich dringend, nichts darüber zu veröffentlichen — dieses Hindernis ist, wie ich bereits in einer früheren Erzählung erwähnt habe, erst jetzt beseitigt.
Holmes sass nach seinem sonderbaren Protest behaglich in seinen Stuhl zurückgelehnt und las die Morgenblätter, als es plötzlich heftig klingelte und ungestüm an der Haustür pochte. Nachdem aufgemacht worden war, kam jemand rasch die Treppe heraufgestürzt und stand im nächsten Augenblick in unserem Zimmer. Es war ein junger Mann in der höchsten Erregung, mit verstörten Blicken und zerzaustem Haar, bleich und zitternd. Er sah uns, einen nach dem anderen, verdutzt an und musste aus unseren fragenden Gesichtern entnehmen, dass wir auf eine Entschuldigung wegen seines taktlosen Eintretens warteten.
„Es tut mir leid, Herr Holmes,“ sagte er hastig. „Nehmen Sie mir’s nicht übel. Ich bin fast von Sinnen. Ich bin der unglückliche John Hektor Farlane.“
Er brachte das so heraus, als ob der Name allein seinen Besuch und sein Benehmen erklären müsste; aber aus meines Freundes Gesicht konnte ich ersehen, dass er so wenig damit anzufangen vermochte wie ich.
„Nehmen Sie eine Zigarette, Herr Farlane,“ sagte er und schob ihm seine Schachtel hinüber. Bei Ihrem Zustand würde Ihnen mein Freund Dr. Watson hier ein Beruhigungsmittel verordnen. Es war in den letzten Tagen aussergewöhnlich heiss. Nun, wenn Sie sich etwas beruhigt haben, nehmen Sie dann auf jenem Stuhl dort Platz und erzählen Sie uns langsam und ruhig, wer Sie sind und was Sie wünschen. Sie nannten Ihren Namen, als ob ich Sie kennen müsste, ich kann Ihnen jedoch versichern, dass ich aus den Umständen nur schliesse, dass Sie Junggeselle, Anwalt, Freimaurer und Asthmatiker sind, weiter weiss ich nichts.“
Bei meiner Bekanntschaft mit der Art, wie mein Freund seine Schlüsse zog, war es für mich nicht schwer, zu erkennen, woraus er gefolgert hatte. Ich bemerkte eine gewisse Nachlässigkeit in der Kleidung, ein Aktenbündel, das aus der Tasche herausguckte, einen Schmuckgegenstand an der Uhrkette und das beschwerliche Atmen. Unser Klient war jedoch sehr erstaunt.
„Jawohl, Herr Holmes, das stimmt alles, und ausserdem bin ich in dieser Stunde der unglücklichste Mensch in ganz London. Versagen Sie mir um Gottes willen Ihre Hilfe nicht, Herr Holmes! Wenn man, ehe ich mit meiner Erzählung fertig bin, kommt, um mich zu verhaften, so sorgen Sie dafür, dass man mir Zeit lässt, bis ich zu Ende bin und Ihnen die volle Wahrheit gesagt habe. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich das Bewusstsein mit ins Gefängnis nehmen könnte, dass Sie draussen für mich tätig wären.“
„Sie verhaften!“ warf Holmes hier ein. „Das klingt ja gefährlich — äusserst interessant. Auf welchen Verdacht hin fürchten Sie denn, verhaftet zu werden?“
„Auf den Verdacht, den Herrn Jonas Oldacre in Lower Norwood ermordet zu haben.“