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Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Politik - Politische Theorie und Ideengeschichte, Note: 1,0, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Veranstaltung: Proseminar, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit es vernunftbegabte Menschen gibt, wird das Haben als ein wichtiger Aspekt des Seins erkannt. Eigentum sicherte das Überleben von Familien und Völkern, nicht selten waren die Angst darum und das Streben danach daher Auslöser für blutige Auseinandersetzungen und Kriege. Da nun das Eigentum eine derartige Schlüsselrolle im menschlichen Dasein einnimmt, hat sich auch die politische Philosophie immer wieder mit diesem Thema befasst, so auch die bekanntesten Staatstheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen die Eigentumstheorien John Lockes und Jean-Jacques Rousseaus dargestellt werden. In einem vergleichenden Fazit werden einige Unterschiede aber auch Berührpunkte der beiden Theorien herausgearbeitet. Bei der Untersuchung der Lockeschen Eigentumstheorie wird überwiegend auf die „Zweite Abhandlung über die Regierung“ Bezug genommen, wo der Thematik ausreichend Rechnung getragen wurde. Bei Rousseau konnten die Erkenntnisse vor allem aus dem „Gesellschaftsvertrag“, den Verfassungsentwürfen für Polen und Korsika sowie den Abhandlungen über „Ungleichheit“ und „Politische Ökonomie“ gewonnen werden. Natürlich lässt sich ein Vergleich beider Theorien nur relativ ziehen, weit mehr als nur die Zeitspanne einiger Jahrzehnte trennen die wichtigen Schriften des Engländers von denen des Genfers. Auch nimmt das Eigentum in Lockes Schriften eine ungleich zentralere Position ein als bei Rousseau. Groß sind die Unterschiede nicht nur im Umfang der Würdigung des Eigentums, sondern auch bezüglich der Position demselben gegenüber. Während Locke sich nicht zuletzt um eine Rechtfertigung bereits bestehender oder sich entwickelnder Verhältnisse bemüht, zeichnet Rousseau Utopien, die, wie er selbst einräumt, nur noch für wenige Völker realisierbar erscheinen.
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1. Einleitung
Seit es vernunftbegabte Menschen gibt, wird das Haben als ein wichtiger Aspekt des Seins erkannt. Eigentum sicherte das Überleben von Familien und Völkern, nicht selten waren die Angst darum und das Streben danach daher Auslöser für blutige Auseinandersetzungen und Kriege. Da nun das Eigentum eine derartige Schlüsselrolle im menschlichen Dasein einnimmt, hat sich auch die politische Philosophie immer wieder mit diesem Thema befasst, so auch die bekanntesten Staatstheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen die Eigentumstheorien John Lockes und Jean-Jacques Rousseaus dargestellt werden. In einem vergleichenden Fazit will ich einige Unterschiede aber auch Berührpunkte der beiden Theorien herausarbeiten. Bei der Untersuchung der Lockeschen Eigentumstheorie werde ich mich überwiegend auf die „Zweite Abhandlung über die Regierung“ beziehen, wo der Thematik ausreichend Rechnung getragen wurde. Bei Rousseau konnte ich meine Erkenntnisse vor allem aus dem „Gesellschaftsvertrag“, den Verfassungsentwürfen für Polen und Korsika sowie den Abhandlungen über „Ungleichheit“ und „Politische Ökonomie“ gewinnen. Natürlich lässt sich ein Vergleich beider Theorien nur relativ ziehen, weit mehr als nur die Zeitspanne einiger Jahrzehnte trennen die wichtigen Schriften des Engländers von denen des Genfers. Auch nimmt das Eigentum in Lockes Schriften eine ungleich zentralere Position ein als bei Rousseau. Groß sind die Unterschiede nicht nur im Umfang der Würdigung des Eigentums, sondern auch bezüglich der Position demselben gegenüber. Während Locke sich nicht zuletzt um eine Rechtfertigung bereits bestehender oder sich entwickelnder Verhältnisse bemüht, zeichnet Rousseau Utopien, die, wie er selbst einräumt, nur noch für wenige Völker realisierbar erscheinen. Locke stammt nicht aus den Reihen des aufsteigenden gewerblichen Mittelstands, sondern stand vielmehr im Dienste jenes Teils der entfeudalisierten, Land besitzenden Aristokratie, der sich selbst an kapitalistischen Unternehmungen beteiligte. John Locke denkt bei seiner Theorie einer liberalen Schutzgemeinschaft und einer Politik zugunsten der individuellen Freiheit nicht zuletzt an die Sicherung des Eigentums der englischen Landlords und des aufstrebenden Bürgertums seiner Zeit - starker sozialer Kräfte, die sich vor allem mit den Whigs verbunden hatten. Die Gedanken Lockes über die ideale Lebensführung orientieren sich am „gentleman“, des Mitgliedes der begüterten, überwiegend aus Landbesitzern bestehenden Schicht, der, keinesfalls ein Müßiggänger, dennoch die „pleasure“ und „delight“ verschaffenden Zerstreuungen zu schätzen weiß. Rein bürgerlich ist sein Denken hinsichtlich der gesellschaftlichen Prozesse, die absolute Monarchie lehnt Locke strikt ab.
Jean-Jacques Rousseaus Sicht der Dinge ist das Produkt eines beständigen Wandels. Theologische, gesellschaftliche, philosophische und nicht zuletzt persönliche Umwälzungen prägten sein Weltbild. In seinen Schriften erkennt man wichtige Einflüsse des Anthropozentrismus, der Recht nicht mehr als Form des Willen Gottes sehen ließ, sondern als in der diesseitigen Natur des Menschen begründet. Der Genfer wendet sich gegen den Merkantilismus, der den Wohlstand des Bürgertums auf dem Rücken des dritten Standes vorantrieb. Wenngleich man Rousseau unbestritten zu den Aufklärern zählen kann, nahm er auch in deren Reihen eine Sonderstellung ein. Radikal lehnt er die ständische Ordnung ab, dem Gefühlsmenschen ist ferner
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der Versuch der Aufklärer zuwider, die Komplexität der Welt in ein starres mathematisch-physikalisches Schema zu pressen.
Trotz aller Unterschiede und manch eindeutig Widerlegtem wohnt beiden Theorien soviel Zeitlosigkeit inne, dass sie zur Formung des modernen Eigentumsbegriffs beitrugen und auch in aktuellen politischen Diskussionen immer wieder in Erinnerung gerufen werden.
Eines der Hauptprobleme bei der Interpretation der Lockeschen Eigentumstheorie sind die unterschiedlichen Definitionen, die er verwendet. Einerseits ist ein weiter „property“-Begriff mit den Elementen Leben, Freiheit und materieller Besitz - der dem üblichen Gebrauch des 17. Jahrhunderts entspricht - von einem engeren, ausschließlich aufs Materielle bezogenen zu unterscheiden. Daneben ergab sich bei der Analyse des materiellen Bereichs, dass - solange Locke terminologisch klar bleibt - nur die Dinge unter den (engeren) Begriff des „property“ fallen, die als „necessities“ der Selbsterhaltung dienen, während darüber hinausreichende Güter als „possession“ bezeichnet werden. „Property“ zeigt sich so als mit dem Begriff der Selbsterhaltung aufs engste verknüpft. Es umfasst den Bereich von Existenz und Persönlichkeit, der als unverzichtbar und unantastbar verstanden wird.