Der Bienenjäger (Wildwest-Abenteuerroman) - James Fenimore Cooper - E-Book

Der Bienenjäger (Wildwest-Abenteuerroman) E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

Dieses eBook: "Der Bienenjäger (Wildwest-Abenteuerroman)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "So sprang auch jetzt ein schöner Rehbock mit einer Meute von fünfzig Wölfen dicht hinter sich in mächtigen Sätzen durch die enge Schlucht, die der Bach durchströmte, und kam auf den Rasenplatz des Thalgrundes. Sein ungestümer Anprall wurde zuerst durch den Anblick des Feuers gehemmt, dann erhob sich ein düsterer Kreis von Männern, die alle bewaffnet und an die Jagd gewöhnt waren. In kürzerer Zeit, als die Erzählung dieses Vorfalls forderte, wimmelte dieses kleine Rasenstück von Menschen und Thieren. Das wilde Ungestüm der Jagd und der Flucht hatte die Thiere gehindert, ihren feinen Geruchssinn wirken zu lassen, und für einen Augenblick waren Alle in eine Art Knäul verstrickt." James Fenimore Cooper (1789-1851) war ein amerikanischer Schriftsteller der Romantik. Cooper ist in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselfigur der amerikanischen Literatur. Neben Washington Irving war er der erste amerikanische Schriftsteller, der von seinen Büchern leben konnte. Er blieb bis weit in das 20. Jahrhundert hinein auch in Europa der wohl meistgelesene. Nach dem Vorbild Sir Walter Scotts schrieb er die ersten historischen Romane und die ersten Seefahrtsromane der amerikanischen Literatur. Besonders bekannt sind bis heute seine fünf "Lederstrumpf"-Romane, die die Erschließung des amerikanischen Westens durch weiße Scouts, Trapper und Siedler, aber auch die allmähliche Zurückdrängung und Vernichtung der indianischen Kultur thematisieren.

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James Fenimore Cooper

Der Bienenjäger (Wildwest-Abenteuerroman)

Spannender Abenteuerroman - Klassiker der Jugendliteratur
e-artnow, 2016 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-5068-7

Inhaltsverzeichnis

ERSTES KAPITEL.
ZWEITES KAPITEL.
DRITTES KAPITEL.
VIERTES KAPITEL.
FÜNFTES KAPITEL.
SECHSTES KAPITEL.
SIEBENTES KAPITEL.
ACHTES KAPITEL.
NEUNTES KAPITEL.
ZEHNTES KAPITEL.
EILFTES KAPITEL.
ZWÖLFTES KAPITEL.
DREIZEHNTES KAPITEL.
VIERZEHNTES KAPITEL.
FÜNFZEHNTES KAPITEL.
SECHZEHNTES KAPITEL.
SIEBZEHNTES KAPITEL.
ACHTZEHNTES KAPITEL.
NEUNZEHNTES KAPITEL.
ZWANZIGSTES KAPITEL.
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL.
DREISSIGSTES KAPITEL.

ERSTES KAPITEL.

Inhaltsverzeichnis

Wie fordern emsig, Stund’ um Stunde

   Die kleinen Bienen ihr Gedeih’n,

Und sammeln sich in weiter Runde

   Von jeder Blume Honig ein!

Watts.

Wir haben den berühmten Wasserfall von Niagara oft ein Wunder der Schöpfung nennen hören. Die Gewalt, welche nahe in die Sinne fallende Gegenstände über manche Menschen üben, beweist nur, daß die Phantasie des minder Begabten durch neue, als durch weniger auffallende, obgleich unendlich erhabenere Bilder leichter zu erregen ist. So scheint es in der That seltsam, daß man eine der Erscheinungen der Erde mehr bewundert, als die Erde selbst, oder daß man die Macht dessen anstaunt, welcher die Erde geschaffen hat, während jede Nacht uns ein mit anderen Welten, welche gleichfalls das Werk seiner Hand sind, ausgelegtes Firmament vor Augen führt.

Dennoch liegt in der genaueren Betrachtung der geringsten Werke der Weisheit und Allmacht Gottes ein Beweggrund zur Anbetung. Das Blatt ist für uns in Bezug auf fernliegende Gründe etwas ebenso Unbegreifliches, ein ebenso würdiger Gegenstand der Bewunderung, wie der Baum, an welchem er wächst, der einzelne Baum läßt uns die Unzulänglichkeit unseres Wissens und Forschens ebenso eindringlich gewahren, wie der ganze Wald, und obgleich eine Mannigfaltigkeit, welche grenzenlos zu sein scheint, überall vorherrscht, sehen wir doch in der Eichel, sowie in dem knotigen Aste, an welchem sie wächst, dasselbe bewundernswürdige Verhältniß zwischen Zweck und Mittel, dieselbe gütige Umsicht und dieselbe wohlwollende Weisheit.

Die amerikanischen Wälder sind so oft geschildert worden, daß man Anstand nimmt, Scenen von Neuem zu malen, welche vielleicht schon zu oft da waren, um Bilder wieder aufzufrischen, welche der Phantasie der Leser schon mehrfach vorgeführt worden sind. Aber Gott hat die Wälder geschaffen, und unerschöpflich sind die Gegenstände, welche seine Güte uns bietet. Selbst das Meer mit seiner grenzenlosen Wasseröde hat sich an Schönheiten und Wundern jeder Art reich erwiesen, und wer sich noch einmal mit uns in die jungfräulichen Wälder dieses ausgedehnten Landes versenken will, entdeckt vielleicht neue Gegenstände der Bewunderung, neue Gründe, das erhabene Wesen anzubeten, welchem Alles, das Weltall, wie dessen kleinstes Theilchen, das Dasein verdankt.

Unsere Erzählung fällt in das Jahr 1812. Der schöne Julimonat war fast zu Ende, die Sonne näherte sich bereits den westlichen Grenzen einer Waldgegend, als die Personen der Eröffnungsscene auf einer Bühne auftraten, die einer genauern Beschreibung würdig ist.

Die Gegend war, in einem Sinne, wild, bot aber ein Bild dar, welches nicht ohne einige der lebendigsten, gefälligsten Züge der Civilisation waren. Der Boden war ein ›rollender‹, wie man es bei uns zu nennen pflegt, weil man darin eine Aehnlichkeit mit dem Meere finden will, wenn es sich in bangen Wellen daher wälzt. Obgleich eine Waldgegend, war sie nicht, wie die amerikanischen Wälder gewöhnlich sind, deren hohe, schlanke Bäume dem Lichte entgegenstehen, sondern sie hatte Zwischenräume zwischen den niedrigen Eichen, welche sich weit und breit hinzogen und mit jener Nachlässigkeit zerstreut schienen, die man wohl auf Geländen gewahrt, wo die Kunst sich dem Charakter der Natur zu nähern strebt. Die Bäume waren, mit sehr wenigen Ausnahmen, Bosquet-Eichen, eine kleine Varietät einer sehr ausgedehnten Klasse, und die stets unregelmäßigen und oft ungemein schönen Zwischenräume haben den Namen Lichtungen (openings) erhalten, von der Verbindung der beiden Ausdrücke leitet sich der Name dieser besonderen Art heimischer Wälder ab, welche man ›Eichen- Lichtungen‹ nennt.

Diese Wälder, welche gewissen Landstrichen so eigenthümlich sind, haben zwar im Ganzen einen ziemlich einförmigen Charakter, sind aber nicht ohne eine wechselnde Mannigfaltigkeit. Die Bäume sind ziemlich gleicher Größe, nicht viel höher als Birnbäume, mit welchen sie überhaupt in Bezug auf die Form viel Aehnliches haben, während der Stamm selten mehr als zwei Fuß im Durchmesser hat. Die Abwechslung besteht in der Art der Vertheilung. Zuweilen stehen sie so regelmäßig wie die Bäume in einem Obstgarten, dann sind sie wieder mehr zerstreut und ordnungslos, während man andererseits weite Landstrecken sieht, wo sie in einzelnen Schlägen mit freien Räumen stehen, die mit künstlichen Rasenplätzen große Aehnlichkeit haben und mit frischem Grün bedeckt sind. Diese Grasplätze sollen von den Feuern herrühren, welche die Indianer von Zeit zu Zeit anmachen, um ihre Jagdgründe zu lichten.

Der Leser wird jetzt gebeten, seine Blicke einem dieser grasigen Lichtungen zuzuwenden, welcher sich an einer fast unmerklich ansteigenden Höhe hinaufzog und vielleicht fünfzig bis sechzig Morgen Land umfaßte.

So weit in der Wildniß dieser Fleck auch lag, sah man vier Männer hier, von denen zwei sogar der gesitteten Welt anzugehören schienen.

Die Wälder ringsum waren das damals unbevölkerte Waldgebiet von Michigan, und ein kleiner, sich sanft schlängelnder Wasserstreifen, welchen man in der Ferne eben noch sehen konnte, war ein Ausbug des Kalamazoo, eines schönen, kleinen Flusses, welcher westwärts fließt und seinen Tribut in das große Becken des Michigan See’s ergießt. Dieser Fluß ist jetzt durch seine Dörfer und Meierhöfe, durch seine Mühlen und Eisenbahnen bekannt, damals aber hatte man außer dem Wigwam des Indianers oder der gelegentlichen Waldhütte eines weißen Abenteurers nie eine menschliche Wohnung an seinen Ufern gesehen. In jener Zeit war diese ganze schöne Halbinsel, mit Ausnahme eines kleinen Landstreifens dem Detroit-Fluß entlang, welcher schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts von den Franzosen geklärt worden, im wörtlichen Sinn eine Wildniß. Wenn man einen weißen Mann dort sah, war er ein indianischer Kaufmann oder ein Jäger, oder ein Abenteurer, welcher an dem Grenzer-Leben und den Sitten der Wilden Gefallen fand und sich nach der Weise der Hinterwäldler beschäftigte.

Dieser Art waren zwei der oben erwähnten Männer in der Lichtung, während ihre Gefährten dem Stamme der Urbewohner angehörten. Was merkwürdiger ist, – die vier Männer waren einander durchaus fremd, denn sie hatten sich eine Stunde vor dem Beginn unserer Erzählung nie gesehen.

Wenn wir sagen, sie seien einander fremd gewesen, wollen wir dadurch nicht andeuten, die Weißen hätten sich gekannt und die Indianer seien ihnen fremd gewesen, sondern Keiner der Vier hatte je Einen aus der Gesellschaft gesehen, ehe sie sich in jener Graslichtung begegneten, obgleich sie durch ihren Ruf ein wenig miteinander bekannt waren.

In dem Augenblicke, in welchem wir diese Gruppe der Phantasie unserer Leser vorzuführen wünschen, waren Drei derselben ernste, stumme Beobachter des Thuns des Vierten. Dieser Vierte war von mittlerer Größe, jung, rüstig, von ungemein schönem Körperbau und einem gewissen offenen, freien Ausdrucke des Gesichtes, welcher es anziehend machte, obgleich es leichte Spuren der Blattern zeigte.

Sein eigentlicher Name war Benjamin Boden, er war aber weit und breit in den nordwestlichen Gebieten, wir sagen weit und breit in Bezug auf den Raum, nicht auf die Bevölkerung, unter dem Beinamen ›Ben Buzz‹ bekannt. Die Voyageurs und andere Franzosen jener Gegenden nannten ihn allgemein ›le Bourdon‹ oder ›Drohne‹, nicht jedoch wegen seiner Trägheit und Unthätigkeit, sondern weil es bekannt war, daß er Hand an das legte, was der Fleiß Anderer erzeugt hatte.

Mit einem Worte, Ben Boden war ein ›Bienenjäger‹, und wie er einer der ersten war, welche in jenen Wildnissen dieses Gewerbe betrieben, so war er auch bei weitem der geschickteste und glücklichste. Der Honig des le Bourdon galt nicht nur für reiner und wohlschmeckender, als der aller Anderen, welche mit diesem Gegenstande handelten, sondern war auch in der größten Fülle vorhanden. Mehr als zwanzig achtungswerthe Familien an den beiden Ufern des Detroit kauften nie von irgend einem Andern, sondern warteten geduldig auf die Ankunft des geräumigen Rinde-Canoe’s des Buzz im Herbst, um ihre Vorräthe an diesem schmackhaften Nahrungsmittel für den herannahenden Winter einzukaufen. Von der sichern Ankunft le Bourdon’s hing es allein ab, in welchem Grade die ganze Familie der Kuchen, den von Buchweizen, indianischem Reis- und Weizen-Mehl nicht ausgeschlossen, bewillkommt und schmackhaft befunden ward. Zu Allem wurde Honig gegessen, und der wilde Honig hatte einen Ruf, mochte er ihn nun verdienen oder nicht, welcher ihn selbst willkommener machte, als den, welcher durch die Arbeit und Kunst der zahmen Biene bereitet war.

Le Bourdon’s Bekleidung war seinem Gewerb und Leben angepaßt. Er trug ein Jagdhemd und weite Beinkleider von dünnem Zeuge, das grün gefärbt und mit gelben Franzen besetzt war. Dieß war die gewöhnliche Waldtracht des amerikanischen Jägers, da man glaubte, diese Farbe verschmölze der Art mit der des Waldes, daß der Schütze sich leicht verstecken könne. Auf dem Kopfe trug Ben eine Thierbalgmütze, welche ziemlich hübsch gemacht war und deren Wolle er, des warmen Wetters wegen, beseitigt hatte. Seine Mocassins waren ganz gut gearbeitet, schienen aber in Folge weiter Märsche gelitten zu haben. Seine Waffen waren vortrefflich, aber seine ganze kriegerische Herrüstung, selbst das scharfe, lange Messer hing an dem Ladestock seiner Büchse, welche in sorglosem Vertrauen an den Stamm der nächsten Eiche gelehnt war, als fühlte ihr Eigenthümer, daß er ihrer vorerst nicht bedürfe.

So war es nicht bei den drei Anderen. Nicht nur war Jeder von ihnen gut bewaffnet, sondern sie hatten ihre verlässigen Büchsen so umgehängt, daß sie dieselben im Nu zur Hand nehmen konnten, der andere weiße Mann untersuchte sogar von Zeit zu Zeit heimlich, aber mit großer Achtsamkeit, den Stein und die Zündpfanne seiner Waffe.

Dieses zweite Blaßgesicht war von dem eben geschilderten sehr verschieden. Er war noch jung, schlank, muskelkräftig, mager, aber elastisch und stark, ein wenig gebückt und rundschulterig, und auf seinem Gesichte brannte ein nicht zu verkennendes Licht, gleich dem des berüchtigten Bardolph, des Kumpans Fallstaff’s. Kurz, Whiskey hatte das Gesicht Gershom Waring’s in einer Weise gefärbt, welche sein Thun ebenso zuverlässig andeutete, wie seine Sprache seine Abstammung verrieth, denn nach dieser war er offenbar in einem der Staaten von Neu-England heimisch. Gershom war aber so lange in den nordwestlichen Gebieten gewesen, daß er viele seiner ursprünglichen Ansichten und Gewohnheiten gegen andere vertauscht hatte.

Von den Indianern war der eine, ein ältlicher, zurückhaltender erfahrner Krieger, ein Pottawattamie, Hirschfuß genannt, welcher überall in den nordwestlichen Gebieten – wo Waarenniederlagen oder Besatzungen waren, Michigan bis Detroit hinab – eingerechnet, gar wohl bekannt war.

Der andere Indianer war ein Chippewa oder O-jebway, wie die gesitteten Eingebornen jenes Stammes das Wort ausgesprochen wissen wollen. Bei den Seinigen nannte man ihn gewöhnlich ›Taubenflügel‹, – ein Name, welchen er der Raschheit und Weite seiner Ausflüge verdankte. Dieser junge Mann, der kaum das fünfundzwanzigste Jahr erreicht hatte, erfreute sich bereits eines hohen Rufes bei den zahlreichen Stämmen seiner Nation als Boote oder ›Läufer‹.

Der Zufall hatte diese vier Männer, welche, wie bemerkt, einander ganz fremd waren, auf der Eichen-Lichtung, deren wir oben gedacht haben, eine kleine Stunde vor der Scene zusammengeführt, welche wir im Begriffe sind, dem Leser zu schildern.

Obgleich das Zusammentreffen von den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln derer, welche sich in einer Wildniß begegnen, begleitet war, hatte es doch ein ziemlich freundliches Aussehen, – ein Umstand, welcher einigermaßen dem Interesse zuzuschreiben war, das Alle an der Beschäftigung des Bienenjägers nahmen.

Die drei Anderen waren von verschiedenen Seiten heran gekommen und überraschten le Bourdon inmitten einer der erregendsten Scenen, welche sein Beruf veranlaßt, – eine Scene, die das Interesse der Zuschauer in so hohem Grade in Anspruch nahm, daß sie in der Spannung des Augenblicks alle anderen Rücksichten vergaßen.

Nachdem sich diese Männer kurz begrüßt und die Umgebung und deren lebendige Staffage sorgsam in das Auge gefaßt hatten, wendete jeder Einzelne seine Aufmerksamkeit dem zu, was vorging, und Alle vereinigten ihre Bitten, Ben Buzz möge ohne alle Berücksichtigung der Besucher sein Geschäft fortsetzen.

Die Unterhaltung wurde theils in englischer und theils in einer der indianischen Mundarten, welche zufällig Alle zu verstehen schienen, geführt.

»Laßt uns sehen, laßt uns sehen, Fremder,« rief Gershom, und diese Art der Anrede sowohl wie die Aussprache verrieth sogleich seine Abstammung, »was Ihr mit Euern Werkzeugen ausrichten könnt. Ich habe von solchem Thun sprechen hören, nie aber selbst Bienen ausnehmen sehen, und fühle eine verzweifelte Lust, alles Mögliche zu lernen, von der Rechenkunst an bis zum Predigen.«

»Das kommt von Euerm puritanischen Geblüte,« antwortete le Bourdon mit einem ruhigen Lächeln, und in einer für einen Mann seines Berufes und seiner Lebensweise ungemein reinen Sprache. »Wie ich höre, predigt ihr Puritaner aus innerm Triebe.«

»Ich weiß nicht, wie es sich damit verhält,« antwortete Gershom, »das aber weiß ich, daß ich zu Allem Geschick habe. Man hat mir drüben zu Bob Ruly erzählt, daß hier solche Dinge vorgehen, und da entschloß ich mich, Whiskey Herz auf eine Woche zu verlassen, um zu sehen, wie Ihr die Sache angreift.«

›Whiskey Herz‹ war ein Spitzname, welchen die Süßwassermatrosen jener Gegend und die wenigen anderen weißen Abenteurer sächsischen Ursprungs, welche den Weg in diese pfadlosen Gebiete gefunden, zuerst Gershom selbst und dann seiner Wohnung gegeben hatten. Die Voyageurs nannten den Platz l’eau de mort, – eine scherzhafte Travestie auf die eau de vis, ihrer fernen, aber in theuerm Andenken gehaltenen Brennereien an den Ufern der Garonne.

Ben Boden schenkte jedoch den in schleppendem Tone hervorkommenden Bemerkungen Gershom Waring’s wenig Aufmerksamkeit. Er hatte von ›Whiskey Herz‹ schon öfter sprechen hören, den Mann selbst aber sah er jetzt zum ersten Male. Seine Aufmerksamkeit war seinem Berufe oder seiner augenblicklichen Beschäftigung zugewendet, und wenn er sich dieser je entschlug, so richtete sie sich vornehmlich auf die Indianer, besonders auf den Läufer.

Von Hirschfuß hatte er durch das Gerücht einige Kenntniß, und das Wenige, was er von ihm gehört hatte, machte ihn gegen sein Gehaben bei weitem gleichgültiger als gegen das des jüngern Indianers.

Von dieser jungen Rothhaut hatte er nie etwas gehört, und während er sich bemühte, sich ihm gegenüber ein sorgloses Ansehen zu geben, regte sich eine lebhafte Neugierde in ihm, zu erfahren was der Chippewa im Schilde führe.

Was Gershom betrifft, so hatte er ihn auf den ersten Blick durchschaut, und als den befunden, der er wirklich war, – ein umziehender, trinksüchtiger, sorgloser Abenteurer, welchem ziemlich viele schlechte Eigenschaften und Laster beiwohnten, denen sich weniges zugesellte, das den Widerwillen, welchen er sonst anständigen Leuten einflößen mußte, wenn nicht ganz vergessen ließ, doch wenigstens minderte.

Mittlerweile nahm die Bienenjagd, an welcher alle Zuschauer so lebhaften Antheil nahmen, ihren Fortgang. Da die Mehrzahl unserer Leser mit diesem Verfahren wahrscheinlich unbekannt sind, wird es nöthig sein, das Geschäft selbst und die dabei angewendeten Hilfsmittel näher in das Auge zu fassen.

Ben Buzz’s ›Werkzeuge‹, wie Gershom die Gerätschaften seines Berufes genannt hatte, waren weder sehr zahlreich noch sehr künstlicher Art. Sie befanden sich alle in einem kleinen, hölzernen, mit einem Deckel versehenen Eimer, denen ähnlich, in welchen Handwerker und Taglöhner hier zu Lande ihr Essen in ihre Werkstätten mitzunehmen pflegen.

Le Bourdon hatte dieses Gefäß geöffnet und seine Geräthschaften herausgenommen, diese bestanden in einem kleinen zinnernen Becher, welcher durch einen Deckel geschlossen war, einer hölzernen Schachtel, einer Platte oder Teller, gleichfalls von Holz, und einem gewöhnlichen großen Trinkgefäße von schlechtem grünlichem Glase.

In dem Jahre 1812 gab es noch keine Scheibe oder Gefäß von klarem durchsichtigem Glase, das in Amerika gemacht worden wäre. Jetzt hat man es in dieser, wie in vielen anderen Künsten bei uns zu einem hohen Grade der Vollendung gebracht, und unsere Fabriken liefern Gläser, welche mit den schönsten, die die alte Welt erzeugt, wetteifern können.

Der Becher Ben Buzz’s war jedoch in mehr als einem Sinne sein Landsmann. Er war nicht nur amerikanisch, sondern stammte aus dem Theile von Pennsylvanien, wo er selbst heimisch war. Unrein und von grünlicher Farbe, war das Glas das beste, was Pittsburg damals hervorbringen konnte, und Ben hatte es erst das Jahr vorher da gekauft, wo es geblasen worden war.

Eine Eiche von mehr als gewöhnlicher Dicke stand dem offenen Grunde des Rasenplatzes näher, als die übrigen Bäume der Lichtung. Der Blitz hatte in diesem Sommer diese Eiche getroffen und den Stamm bis auf vier Fuß von dem Boden gespalten. Verschiedene Bruchstücke des Stammes und der Aeste lagen zerstreut umher, und auf diese setzten sich die Zuschauer und achteten aufmerksam auf das Thun des Bienenjägers. Von dem Stumpfe hatte Ben die Splitter mit seiner Axt abgehauen, und sich so eine Art Tisch bereitet, auf den er jetzt die verschiedenen Geräthschaften seines Berufes legte, wie er sie nach und nach bedurfte.

Der hölzerne Teller wurde zuerst auf diesen rohen Tisch gestellt. Dann öffnete le Bourdon die kleine Schachtel und nahm ein Stück von einer Honigscheibe heraus, welche rund war und anderthalb Zoll im Durchmesser hatte. Zunächst wurde nun der kleine Zinnbecher zur Hand genommen. Reiner, schöner Honig wurde aus dem Röhrchen in die Zellen der Wabe gegossen, bis sie alle halb voll waren. Der Becher kam jetzt an die Reihe, wurde sorgsam gereinigt und untersucht, indem der Bienenjäger ihn gegen das Licht hielt. Es war allerdings wenig an ihm zu bewundern, er war aber hinreichend rein, um seinen Zwecken zu entsprechen. Ben wollte nur durch das Glas sehen, um zu beobachten, was in seinem Innern vorgehe.

Nachdem Buzzing Ben – der summende Ben, wie er gleichfalls genannt zu werden pflegte – diese vorbereitenden Anstalten getroffen hatte, wendete er seine Aufmerksamkeit der sammetgleichen Fläche der grasigen Lichtung zu. Während des letzten Frühlings hatte sich das Jagdfeuer der Indianer über die ganze Gegend verbreitet, und das Gras war jetzt so frisch, anmuthig und kurz, als wenn der Platz abgeweidet worden wäre. Weißer Klee besonders war in Fülle da und trat eben in volle Blüthe. Manchfache andere Blüthen hatten sich auch erschlossen, und um sie summten Tausende von Bienen. Diese emsigen kleinen Thiere waren in großer Thätigkeit, um sich mit Süßigkeit zu befrachten, sie hatten keine Ahnung von dem Raub, auf welchen die List des Menschen es abgesehen hatte.

Während le Bourdon leise an den Blüthen und ihren summenden Besuchern hinstrich, folgten die Blicke der zwei rothen Männer jeder kleinsten Bewegung, wie die Katze die Maus im Auge hat, Gershom war jedoch weniger aufmerksam, das Ganze schien ihm ziemlich merkwürdig, aber er zog den Whiskey allem Honig auf der weiten Erde vor.

Endlich fand le Bourdon eine Biene, die ihm anstand, er achtete des Augenblickes, wo sie von dem weißen Kleekopfe die Süßigkeit in sich schlürfte, deckte den fleckig-grünen Becher über sie und machte sie so zu seiner Gefangenen. Sobald die Biene sich von dem Glase umgeben sah, hob sie die Flügel und suchte sich aufzuschwingen. Dadurch kam sie in den obern Theil ihres Gefängnisses, und nun brachte Ben seine freie Hand sorgfältig unter das Glas und kehrte zu dem Baumstumpfe zurück. Hier stellte er den Becher so auf den Teller, daß er die Honigscheibe bedeckte.

Nachdem Ben Buzz dieß glücklich und ohne viele Mühe vollbracht hatte, sah er einen Augenblick nach seiner Gefangenen, um sich zu überzeugen, daß Alles in Ordnung sei. Dann nahm er seine Mütze ab und bedeckte Teller, Honigwabe und Biene damit. Er wartete nun eine halbe Minute, und als er die Mütze sorgfältig wieder aufhob, bemerkte er, daß die Biene, sobald eine Dunkelheit, wie die in ihrem Stock, um sie herrschte, auf die Wabe herabgekommen war und den Honig in sich sog.

Als Ben die Mütze ganz wegnahm, waren der Kopf und der halbe Körper der Biene in der Zelle, und ihre ganze Aufmerksamkeit hatte sich diesem unerwarteten Schatze zugewendet. Da ihr Gefangennehmer mehr nicht wünschte, betrachtete er diesen Theil seiner Arbeit als beendigt. Es war jetzt augenfällig, warum ein Glas und nicht ein Gefäß von Holz oder Rinde gebraucht worden, um die Biene zu fangen. Die Durchsichtigkeit war nothwendig, um die Bewegungen der Gefangenen zu beobachten, sowie die Dunkelheit nothwendig war, um sie zu veranlassen, ihren Fluchtversuchen zu entsagen und sich auf die Wabe niederzulassen.

Da die Biene nun emsig beschäftigt war, sich mit Honig zu sättigen, brauchte le Bourdon nicht zu zaudern, das Glas wegzunehmen. Er entfernte sich sogar wieder, brachte eine neue Gefangene ein und verfuhr mit ihr, wie mit der vorigen. Eine Minute später war diese Biene gleichfalls in eine Zelle versenkt, und das Glas wurde wieder entfernt. Le Bourdon winkte nun seinen Gefährten, näher heranzukommen.

»Hier sind sie und saugen emsig an dem Honig,« sagte er, indem er auf die Bienen deutete. »Indem sie diese Wabe untergraben, ahnen sie nicht, daß sie ihren eigenen Stock untergraben. So ist es aber mit uns Allen. Wenn wir auf dem Gipfel des Glückes zu sein glauben, sind wir vielleicht unserem Falle am nächsten, und in den Augenblicken unserer bittersten Noth und Bedrängniß lacht uns vielleicht das schönste Glück entgegen. Ich denke oft hier in der Wildniß, wenn ich allein bin und meine Gedanken thätig werden, an diese Dinge.«

Ben sprach, wenn man seine Stellung im Leben in das Auge faßt, sehr rein und richtig, und nur dann und wann entschlüpfte ihm ein Wort, welches ziemlich deutlich gewahren ließ, daß er eben kein Gelehrter war. Die fehlerhafte Aussprache eines Wortes hat oft Einfluß auf das Geschick eines Mannes, welcher in der Welt lebt, einem Ben Buzz aber, der in dem Laufe einer halben Sommerjagd oft kein halbes Dutzend menschliche Gesichter sah, konnte wenig an solchen Dingen liegen. Wir erinnern uns jedoch eines Engländers, welcher dem bekannten Burn jede geistige Befähigung absprach, weil er nach der amerikanischen Sitte European und nicht European sagte.

»Warum Stock in Gefahr?« fragte Hirschfuß, der ein ziemlich praktischer Bursche war. »Ich ihn nicht sehen, ihn nicht hören, sonst Honig nehmen.«

»Honig könnt Ihr für ein gutes Wort hier bekommen, denn ich habe dessen bereits eine Menge in meiner Hütte, obgleich es noch ziemlich früh im Sommer ist, um den Vorrath schon anzubrechen. Ihr müßt wissen, daß die Bienenjäger gewöhnlich erst im August ausziehen, denn sie halten es für besser, ihrem Berufe nachzugehen, wenn die Geschöpfe Zeit gehabt haben, ihre während des Winters geleerten Zellen wieder zu füllen. Aber auch ein alter Stock ist stets etwas werth, und was mehr ist, – ich habe mich überzeugt, dieser Sommer sei kein gewöhnlicher, und so bin ich ziemlich zeitig aufgebrochen.«

Bei diesen Worten streifte Ben’s Auge das Antlitz Taubenflügel’s, welcher diesen Blick in einer Weise zurückgab, welche bewies, daß bereits ein geheimes Einverständniß zwischen ihnen herrsche, obgleich sie sich vor einer Stunde zum ersten Male gesehen hatten.

»Gu-u-t!« rief Gershom, »das ist wunderbar, ich gebe das zu, ja, es ist wunderbar, aber wir haben etwas zu Whiskey Herz, das über den süßesten Honig geht, der je über eines Menschen Lippe gekommen ist.«

»Und von diesem Etwas habt Ihr Euern Antheil zu Euch genommen, Freund, ich bin dessen gewiß, wenn die Zeichen nicht trügen, welche ich zwischen den Fenstern Eures Gesichtes sehe,« erwiederte Ben lachend, – »aber still, ihr Leute, still! Jene erste Biene ist satt und beginnt an ihren Stock zu denken. Sie wird sich bald aufschwingen, um nach ›Honig Herz‹ zu eilen, und ich muß sie im Auge behalten. Stellt Euch jetzt ein wenig seitwärts, Freunde, und laßt mir Raum zu meinem Gewerbe.«

Die Männer traten abseits, und le Bourdon war nun mit allen seinen Sinnen bei seinem Geschäfte. Die zuerst gefangene Biene hatte ihren Honigsack jetzt vollständig gefüllt, und es schien ihr Anfangs schwer zu werden, sich auf ihren Flügeln zu erheben. Nach einigen vorbereitenden Augenblicken schwang sie sich jedoch auf und umkreiste den Platz, als wäre sie zweifelhaft, welche Richtung sie einschlagen sollte.

Ben ließ sie nicht aus den Augen, und als sie bald darauf in einer Luftlinie davon schoß, sah er sie noch eine große Strecke, nachdem sie den Andern bereits aus den Blicken verschwunden war. Ben blickte ihr schweigend nach und merkte sich die Richtung, in welcher sie dahin geflogen war.

»Jene Biene hat sich wahrscheinlich in der Ecke des Moors drüben niedergelassen,« sagte er endlich und deutete auf ein Stück niedrig gelegenes Land, wo der Baumwuchs weit stärker und kräftiger war, als auf der ›Lichtung‹, – oder sie ist über jene Waldspitze weggeflogen und hat jenseit der Prairie einen dichten Waldsaum aufgesucht, welcher sich etwa drei Meilen von hier nach Westen hinzieht. In dem letztem Falle werde ich meine Zeit und Mühe verloren haben.«

»Was der Andere thun?« fragte Hirschfuß mit augenfälliger Neugierde.

»Ganz recht, dieser andere Herr muß beinahe reisefertig sein und wir wollen sehen, welchen Weg er einschlägt. Es ist immer gut, wenn der Bienenjäger das eine Geschöpf eine Strecke verfolgen kann, denn er ist dann im Stande, seine Linie desto sicherer nach dem andern zu ziehen.«

Hirschfuß schien sehr geneigt, Ben um eine nähere Erklärung dieser Worte anzugehen, allein er sah wohl, daß dieser jetzt keine Zeit hatte, seine Wißbegierde zu befriedigen, denn die zweite Biene schickte sich jetzt zum Auffluge an.

Wie die erste erhob sie sich in die Luft und umkreiste den Baumstumpf mehrere Male, ehe sie in einer Luftlinie ihrem Stocke entgegen schoß. Dieser Gegenstand war so klein und seine Bewegung so rasch, daß nur der Bienenjäger das Thierchen sah, als es seinen Flug ernstlich begann. Zu seinem Leidwesen flog aber der kleine Bursche nicht in derselben Richtung, welche die erste Biene genommen hatte, sondern schoß in einen rechten Winkel ab. Daraus konnte man deutlich schließen, daß zwei Stöcke in der Gegend waren und daß man sie in sehr verschiedenen Richtungen zu suchen hatte.

Le Bourdon verlor keinen Augenblick mit nutzlosem Geplauder, sondern fing eine neue Biene, mit welcher er gerade so verfuhr, wie er mit den zwei ersten gethan hatte. Als dieses Thierchen sich gesättigt hatte, stieg es empor, umkreiste wie gewöhnlich den Stumpf, als wollte es sich den Platz behufs eines zweiten Besuches merken, und flog dann genau in derselben Linie davon, welche die erste Biene eingehalten hatte.

Ben folgte ihrer Richtung mit großer Sorgfalt, und fesselte den Blick auf sie, bis sie volle hundert Schritte von dem Baumstamm entfernt war. Ein gutes Auge und lange Uebung allein konnten ihn in den Stand setzen, diesem ›Pünktchen‹ so weit in der Luft zu folgen.

»Wir wollen unsern Aufenthaltsort ändern, Freunde,« sagte Buzzing Ben in der besten Laune, nachdem er mit dieser letzten Beobachtung im Reinen war, und packte sein Geräthe ein, um aufzubrechen. – »Ich muß den Winkel dieser Bursche nehmen, und fast fürchte ich, er ist jenseits der Prairie geflogen und also für den heutigen Tag ganz aus meinem Bereiche.«

Die hier erwähnte Prairie war einer jener kleinen natürlichen Wiesen- oder Weidegründe, wie man sie in Michigan häufig findet, und mochte vierbis fünftausend Morgen Land umfassen. Der kräftigere Wald, welcher auf dem Moorgrunde wuchs, drängte sich in die Prairie herein, und die zu lösende Frage war, ob die Bienen über diese Bäume geflogen waren, – denn diese Richtung hatten sie ohne allen Zweifel in einer Luftlinie eingeschlagen, – oder ob sie ihren Stock hier gefunden hatten.

»Ich muß den Winkel dieser Bursche nehmen,« wiederholte le Bourdon, »und wenn Ihr mit mir gehen wollt, Freunde, so werdet ihr bald den kitzlichsten Theil des Berufes der Bienenjäger sehen. Viele können die Linie einer Biene finden, aber von dem Winkel verstehen sie nichts.«

Da dieß für die Zuhörer so gut wie hebräisch war, erfolgte keine Antwort. Man schickte sich an, Ben zu folgen, der bald mit seinen Anstalten fertig war und aufbrach.

Der Bienenjäger schritt über den offenen Grund und ging auf eine Stelle zu, welche volle hundert Ruthen von seinem ersten Standpunkt entfernt war, und wo er einen andern Baumstumpf fand, der ihm als Tisch dienen mußte.

Le Bourdon verfuhr nun in gleicher Weise wie früher und heftete sein Auge bald auf zwei Bienen, welche ihre Köpfe in die Zellen der Wabe versenkt hatten.

Nichts konnte den Ernst und die Aufmerksamkeit übertreffen, mit welcher die Indianer diese ganze Zeit dem Thun des jungen Blaßgesichts folgten. Sie hatten sich ziemlich gut über die Bedeutung des Kunstausdrucks ›die Linie nehmen‹, verständigt, wie es sich aber mit dem ›Winkel nehmen‹ verhalte, war ihnen bis jetzt noch ein Geheimniß. Das Erstere hatte mit ihrem Verfahren auf der Jagd so viel Aehnlichkeit, daß sie sich bald eine ziemlich richtige Vorstellung davon bildeten, das Letztere setzte aber eine Art Wissen voraus, welches ihnen gänzlich fremd war.

Auch waren sie nicht viel klüger, nachdem le Bourdon seinen ›Winkel‹ genommen hatte, denn sie waren nicht daran gewöhnt, von den einzelnen Theilen seines Gehabens zu einer allgemeinen Schlußfolgerung fortzuschreiten.

Was Gershom betrifft, so gab er sich das Ansehen, als sei ihm Alles, was vorging, geläufig, obgleich er ebenso wenig davon verstand, wie die Indianer selbst. Diese kleine Heuchelei war eine Huldigung, welche er seiner weißen Abkunft darbrachte, denn wie er die Sache ansah, war es eine Schmach für ein Blaßgesicht, weniger zu wissen, als eine Rothhaut.

Die Bienen saugten sich in dem Honig nach Behagen voll. Endlich erhob sich die eine aus ihrer Zelle und schickte sich zum Auffluge an. Ben winkte den Zuschauern, weiter auf die Seite zu treten, damit er seinen Standpunkt nach den Umständen wählen könne, dieß war kaum geschehen, als das Thierchen sich emporschwang.

Nachdem es einen Augenblick um den Baumstamm gesummt hatte, schoß es davon und nahm eine Richtung, welche fast einen rechten Winkel mit dem bildete, in welchen le Bourdon es verschwinden zu sehen glaubte.

Ben brauchte eine halbe Minute, ehe er sich erinnerte, daß dieses kleine Geschöpf in einer Linie geflogen war, die mit jener fast gleich lief, welche die zweite Biene von seinem frühem Standpunkt aus verfolgt hatte. Diese Linie führte über die benachbarte Prairie, und es war nicht daran zu denken, den Bienen dorthin nachzugehen.

Die zweite Biene war aber auch bald bereit, sich davon zu machen, und als sie abschoß, sah le Bourdon, zu seinem großen Vergnügen, daß sie dem Punkte auf dem Moor zuflog, in oder über welchen bereits zwei seiner Gefangenen ihren Weg genommen hatten.

Damit war der Zweifel beseitigt. Wäre der Stock dieser Biene jenseit des Waldes gewesen, so hätte er den Durchschnittswinkel nicht da, sondern bei dem Stock jenseit der Prairie suchen müssen.

Der Leser wird einsehen, daß Geschöpfe, welche ihrem Instinkte, oder dem gehorchen, was man bei Bienen Verstand nennen kann, ohne einen sehr wichtigen Grund nie von der geraden Linie in ihrem Fluge abweichen. So werden zwei Bienen, welche man auf Blüthen, die zweihundert Schritte von einander stehen, fängt, sich auf ihrem Heimwege nie kreuzen und erst an ihrem gemeinschaftlichen Stocke Zusammentreffen, und da, wo der Durchschnittswinkel ihrer gegenseitigen Fluglinie sich findet, da wird auch ihr Stock sich finden.

Da le Bourdon eben diesen Süßigkeitsbehälter suchte, denke man sich, wie groß seine Freude war, als die Richtung, welche diese letzte Biene nahm, ihm die nöthige Gewißheit gab, daß ihr Stock auf jenem Punkte des dichten Waldes sich finden müsse.

ZWEITES KAPITEL.

Inhaltsverzeichnis

Wie baut geschickt sie ihre Zelle,

   Wie niedlich formt das Wachs sie aus

Schafft eifrig Süßigkeit zur Stelle

   Und füllt mit Winterkost das Haus.

Watts.

Zunächst mußte nun ermittelt werden, welches der Baum sei, in den sich die Bienen geflüchtet hatten. Le Bourdon nahm seine Geräthschaften zusammen, machte sich wanderfertig und schritt raschen, elastischen Schrittes, von seinen Gefährten gefolgt, dem Punkte des Waldes zu.

Die Entfernung mochte eine halbe Meile betragen, – eine Kleinigkeit für Männer, welche gewöhnt waren, ihre Glieder zu brauchen. Nach zehn Minuten waren Alle dort und der Bienenjäger spähte emsig nach dem Baume um. Dieß war der Abschluß des Tagewerks, und Ben war nicht nur mit Allem versehen, was hier erforderlich war, sondern er kannte auch die verschiedenen Zeichen, welche auf Wohnsitze von Bienen deuten konnten.

Ein in diesem Berufe Ungeübter hätte hundertmal durch diesen Theil des Waldes wandern können, ohne auch nur zu ahnen, daß Geschöpfe, wie Ben sie jetzt suchte, hier zu finden seien. Im Allgemeinen stiegen die Bienen zu hoch, als daß man sie vom Boden aus leicht bemerken könnte, obgleich ein geübtes Auge sie auf eine Entfernung hin sieht, welche fast wunderbar scheint.

Ben hatte jedoch noch andere Hilfsmittel, als seine Augen. Er wußte, daß der Baum, welchen er suchte, hohl sein müsse, und solche Bäume lassen gewöhnlich außen schon gewahren, was ihnen im Innern fehlt. Dann bauen die Bienen in gewisse Baumarten lieber, als in andere, während der Instinkt der emsigen, kleinen Thiere sie gewöhnlich in den Stand setzt, sich solche Wohnsitze zu wählen, bei denen sich nicht erwarten läßt, daß ein früher Umsturz sie um die Früchte ihres Fleißes bringe. Mit allen diesen Einzelnheiten waren die Bienen und der Bienenjäger zumal sehr vertraut, und Ben richtete sich bei seinen Nachforschungen danach.

Unter seinen Berufsgeräthschaften war auch ein kleines Perspectiv, es war nicht viel größer als jene, deren man sich in den Theatern zu bedienen pflegt, aber ungemein scharf und seinem Zweck in jeder Art entsprechend. Ben’s Augen fielen bald auf eine halb verwitterte Ulme, und es schien ihm, als könne dieser Baum den Stock bergen. Mit Hilfe seines Glases sah er auch, in einer Höhe von nicht weniger als siebzig Fuß von dem Boden, Bienen um die absterbenden Aeste fliegen. Bei näherer Untersuchung wurde seine Aufmerksamkeit auf eine knorrige Oeffnung gelenkt, durch welche er mit Hilfe seines Perspectivs die Bienen haufenweise aus- und einfliegen sah.

Damit war die Sache entschieden. Er legte alle seine Geräthschaften bis auf die Axt bei Seite und begann sofort den Baum anzuhauen.

»Fremder,« sagte Gershom, als le Bourdon den ersten Span ausgehauen hatte, »Ihr thut vielleicht besser, diesen Theil der Arbeit mir zu überlassen. Ich hoffe, Ihr versagt mir meinen Antheil an dem Honig nicht, und was ich bekomme, verdien’ ich auch gern. Ich weiß von Jugend auf mit Aexten und Schnitzmessern umzugehen, und nehme es im Gebrauche eines jeden solchen Werkzeuges mit dem Kräftigsten und Geschicktesten in und außer Neu-England auf.«

»Ihr könnt den Versuch machen, wenn Ihr es wünscht,« sagte Ben und reichte ihm die Axt. »Ich kann einen Baum so gut fällen, wie Ihr, mache mir aber nicht so viel aus dem Geschäft, um es ganz allein abthun zu wollen.«

»Nun, ich darf wohl sagen, ich liebe diese Art Arbeit,« sagte Gershom, und prüfte zuerst die Schärfe der Axt mit seinem Daumen, und schwang sie dann in der Luft, um zu sehen, wie sie ›zöge‹.

»Ich wüßte nicht viel zum Lobe Euerer Axt zu sagen, Fremder, denn der Helm paßt nicht zu dem Eisen, wie mir’s scheint, wie dem aber auch sein mag, stürzen muß diese Ulme, und wenn zehn Millionen Bienen mir um den Kopf schwärmen sollten.«

Dieß war keine eitle Prahlerei von Seiten Waring’s. So wenig er in so manchen Beziehungen zu brauchen war, so trefflich wußte er mit der Axt umzugehen, wie er jetzt durch die Raschheit bewies, mit welcher er den dicken Stamm der Ulme durchhieb. Er fragte Ben, wo der Baum fallen solle, und als er rasselnd niederbrach, fiel er genau auf die angegebene Stelle.

Mächtig war die Verwirrung und Bestürzung der Bienen, als ihr lang werthgehaltener Wohnsitz so plötzlich niederstürzte. Ihr Feind hatte nicht geahnt, daß sie diesen Baum seit langer Zeit bewohnt hatten, aber die Beute, welche ihm jetzt ward, erwies sich als die reichste, welche er jemals aus einem Baum ausgenommen hatte.

Die kleinen Thierchen füllten wolkenartig die Luft, und die vier Männer hielten es für räthlich, eine Weile abseits zu gehen, damit die gekränkten und gereizten Bienen sie nicht angriffen und Rache nähmen. Wären sie sich ihrer Macht bewußt gewesen, so dürfte ihnen dieß leicht geworden sein, denn Niemand ist im Stande, sich gegen diese unbedeutend scheinenden Thierchen zu schützen, wenn sie erzürnt sind und ernstlich angreifen, und ihr Feind sich nicht bedecken kann.

Die Uebelthäter kamen jedoch bei dieser Gelegenheit unversehrt davon. Der Stock war so rasch niedergestürzt, daß seine Bewohner ganz betäubt schienen und sich in ihr Schicksal ergaben, wie der Mensch sich vor der Gewalt von Stürmen und Erdbeben beugt. Nach einer halben Stunde hatten sie sich fast Alle auf einem nahen Baume gesammelt und hielten wahrscheinlich in ihrer Weise Rath, was nun zu thun sei.

Die Indianer waren über die scharfsinnige Weise, mit welcher le Bourdon den Bienenstock entdeckt hatte, bei weitem entzückter, als über den Reichthum der Beute, während Ben selbst, sowie Gershom ihre Freude über den Ertrag der Jagd laut an den Tag legten.

Als der Baum mit Holzkeilen auseinander getrieben wurde, ergab sich, daß in den geräumigen Aushöhlungen der Honig seit Jahren aufbewahrt worden, und Ben schätzte den ihm zufallenden Antheil auf mehr als dreihundert Pfund guten Honig – die Wabe eingerechnet. Die beiden Indianer und Gershom erhielten so viel als jeder tragen konnte, was verhältnißmäßig wenig war, da sie ihren Antheil nicht anders als auf ihrem Rücken fortzubringen vermochten.

Der Honig wurde diesen Abend nicht mehr gesammelt, der Tag war dazu schon zu weit vorgerückt, und le Bourdon – nie hat gewiß Jemand diesen Beinamen weniger verdient, als unser thätiger, junger Bienenjäger – erbot sich, die Fremden in seiner Hütte zu beherbergen und versprach, sie am nächsten Morgen mit einem guten Vorrath von Honig in ihren Reisesäcken auf ihre verschiedenen Pfade zu bringen.

»Wie man hört, gehen wir wahrscheinlich unruhigen Zeiten entgegen,« fuhr er mit einfachem Ernste fort, nachdem er seine gastfreundliche Einladung hatte laut werden lassen, »und ich möchte gern vernehmen, was in der Welt vorgeht. Von Whiskey Herz kann ich, um offen zu sprechen, kaum erwarten, viel zu erfahren, ich würde mich aber sehr irren, wenn Taubenflügel hier nicht mit Neuigkeiten bekannt ist, welchen wir Alle mit offenen Ohren lauschen werden.«

Die Indianer nahmen die Einladung mit einem ihrer gewöhnlichen Ausrufe der Freude an. Gershom aber war der Mann nicht, der sich kurz und bündig auszudrücken vermochte. Während der Bienenjäger die Gefährten seiner Hütte oder Shanty entgegenführte, leitete er das Gespräch mit seinem gewöhnlichen Freimuthe.

Ehe wir jedoch dieser Unterhaltung näher gedenken, müssen wir einen Augenblick abschweifen, um unsererseits ein Wort über den Ausdruck ›Shanty‹ zu sagen. Er wird jetzt in allen Schulen der Vereinigten Staaten heimisch gebraucht und bezeichnet eine Hütte, welche in der Eile und zu augenblicklichen Zwecken erbaut worden. Wie man bekannten Gegenständen bekannte Beiwörter beizulegen pflegt, so hat man dann und wann auch dauernderen Wohnungen diesen Namen gegeben, dieß jedoch ausnahmsweise. Es ist sehr zweifelhaft, woher dieser Ausdruck stammt, und die Sprachgelehrten konnten sich bis jetzt nicht darüber vereinigen. Manche glauben, es sei restlichen, oder nordwestlichen, d. h. canadischen oder französischen Ursprungs und komme von chiente, ein Hundehaus, eine schlechte Wohnung. Da aber das Beiwort ›Shanty‹ (Santy) etwas Eiliges, Flüchtiges bezeichnet und jede Nation lieber aus ihrer eigenen, als aus fremden Hilfsquellen schöpft, so dürfte die letztere Herleitung der ersteren vorzuziehen sein, dennoch stellen wir es dem Leser anheim, nach Gefallen unter beiden zu wählen.

Das Shanty oder die Hütte unseres Bienenjägers stand ganz nahe an dem Ufer des Kalamazoo, und in einem sehr schönen Wäldchen von Bosquet-Eichen. Ben hatte bei der Wahl der Oertlichkeit viel Geschmack bewiesen, obgleich die Nähe einer Quelle des köstlichsten Wassers wahrscheinlich einen bedeutenden Einfluß auf seinen Entschluß gehabt haben mag. Vor Allem war es nothwendig, daß er in der Nähe des Flusses wohnte, denn er mußte alle seine Reisen zu Wasser machen, um seinen Honig abzusetzen. Ein tüchtiges Rinde-Canoe lag in einer kleinen Einbuchtung, außerhalb des Bereichs der Strömung, vorn und hinten gut befestigt, damit es nicht an die Felsen anschlug.

Die Wohnung war nicht ohne Rücksicht auf Sicherheit aufgeführt worden. Dieß war, wie Ben aus Erfahrung wußte, ziemlich unerläßlich, denn er mußte sich gegen zwei Feinde schützen, gegen Menschen und gegen Bären.

Von den Ersteren hatte der Bienenjäger bisher freilich wenig zu fürchten gehabt. Jenes Gebiet war fast ganz unbewohnt. Die nördlichen Theile der edlen Halbinsel Michigan liegen entweder tief und sind sumpfig, oder sie sind zu zerklüftet und wild, als daß sie die eingeborenen Jäger von den Lichtungen und Prairien, welche sich damals in reicher Fülle nach Süden und Westen ausdehnten, hierher gelockt hätten. Nur selten betrat der Fuß eines Menschen die nördliche Hälfte der Halbinsel, wenn man die Ufer der Flüsse oder das Gestade der Seen ausnimmt.

Mit der südlichen Hälfte verhielt es sich jedoch anders, denn die Lichtungen, die Rasenplätze, die Wasserstraßen waren für den Wilden eben so anziehend, wie sie es in der neuern Zeit für den weißen Mann gewesen sind. Demungeachtet bekam man die Bisons oder Büffel, wie man dieses Thier gewöhnlich, obgleich ganz irrig, zu nennen pflegt, nicht in so großen Heerden, wie man sie zu schildern gewohnt ist, zu Gesicht, bevor man die großen Prairien westlich vom Mississippi erreichte. Dort sammelten sich die Indianer mit Vorliebe, obgleich ihre Zahl niemals so bedeutend war, wie man es nach dem Umfange des Gebietes, das sie besaßen, denken sollte.

In jenen Tagen jedoch, welche in Bezug auf die Zeit uns noch so nahe liegen, während sie in Bezug auf die Begebnisse bereits fern stehen, hatten die Chippewas, Ottawas und die Pottawattamies – verwandte Stämme, wenn wir nicht irren – noch Wohnsitze in dem eigentlichen Michigan, und eine beträchtliche Anzahl derselben fand sich in dem damals sogenannten St. Joseph’s-Land, oder die Ufer des Flusses entlang, welcher diesen Namen trägt, – ein Landstrich, welcher fast den stolzen Namen ›der Garten von Amerika‹ verdient.

Le Bourdon kannte viele ihrer Kneger und wurde von ihnen sehr geschätzt, obgleich er nie einen von denen, welche der Zufall jetzt in seinen Weg führte, gesehen hatte. Im Allgemeinen hatte er sich über die rothen Männer nicht zu beklagen, sie staunten über seine Beschäftigung und achteten ihn seines Charakters wegen, er hatte aber durch Geächtete jener Stämme, so wie durch landstreicherische Weiße, welche sich zuweilen in seine zeitliche Behausung schlichen, Verluste und selbst thätliche Mißhandlungen erlitten.

Bei der jetzigen Veranlassung fühlte le Bourdon sich in Folge des Umstandes, daß Gershom Waring, ein Landsmann und in gewissem Sinne ein christlicher Glaubensgenosse mit seiner Wohnung bekannt geworden, weit unbehaglicher, als dadurch, daß der Chippewa und der Pottawattamie sie kannten.

Die Bären waren stete, gefährliche Feinde des Bienenjägers. Der gemeine, braune amerikanische Bär wird selten einem bewaffneten Manne – und le Bourdon ging nie ohne seine Büchse aus – Furcht einflößen, obgleich ein furchtbar aussehendes Thier, besonders wenn er ganz ausgewachsen ist, greift er doch höchst selten ein menschliches Wesen an, nur der Hunger oder die Sorgfalt für seine Jungen kann ihn reizen, in einem solchen Grade von seinen herkömmlichen Gewohnheiten abzuweichen.

Der Bär liebt aber den Honig leidenschaftlich. Er sinnt auf alle Arten bärenhafter List, um zu dieser Süßigkeit zu gelangen, und riecht sie schon von Weitem. Eine dieser braunen Familien hatte eines Tages in eine Hütte Ben’s geschaut, die nicht mit hinreichender Sorgfalt gebaut war, und die Diebe zehrten seinen ganzen Vorrath, bis auf die letzte Wabe auf. Dieser Unfall hatte den Bienenjäger, der damals noch jung in seinem Berufe war, fast zu Grunde gerichtet. Seit diesem Begebniß war er vorsichtig geworden, und hatte sich eine Festung gebaut, welche wenigstens Zähnen und Klauen trotzen konnte. Dieß war keine schwierige Aufgabe für den, welcher eine Axt und schöne Fichten in der Nähe hatte, wie denn auch die jetzige Wohnung unseres Helden bewies.

Le Bourdon brachte jetzt den zweiten Sommer im Kastei Meal hin, wie er selbst die Hütte benannte. Dieser Name war verderbt aus ›chateau au miel‹ (Honigschloß), wie ein tollköpfiger Voyageur, welcher Ben im vorigen Sommer behilflich geworden war, seine Barke den Kalamazoo herauf zu bringen und lange genug bei ihm geweilt hatte, um ihm bei dem Baue zur Hand zu sein, die Hütte getauft hatte.

Das Gebäude hatte genau zwölf Fuß im Innern und etwas weniger als vierzehn von Außen im Geviert. Es war in der gewöhnlichen Art aus Fichtenblöcken zusammengesetzt, zeichnete sich aber von ähnlichen Hütten dadurch aus, daß sein Dach aus behauenen Balken bestand, welche so gut aneinander gepaßt waren, daß sie den Regen abhielten. Diese ungewöhnliche Vorsicht war nothwendig, wenn er seinen Honig geschützt wissen wollte, denn die Bären hätten mit leichter Mühe das herkömmliche Rindendach der Hütte abgedeckt, um zu so reichen Vorräthen zu gelangen, wie der Bienenjäger sie bald in seiner Behausung angesammelt hatte.

Die Hütte hatte ein Fenster, das le Bourdon in seinem Canoe mitgebracht hatte, und welches aus sechs kleinen Scheiben bestand, das Aeußere war durch starke Eisenbarren, die in die Blöcke eingefügt worden, gut verwahrt. Die Thüre bestand aus eichenen Brettern von dreifacher Dicke, die tüchtig vermacht waren, sie lief auf starken eisernen Angeln, welche so fest waren, daß man sie nicht leicht sprengen konnte. Die äußere Festigung bestand aus einem starken eisernen Schubriegel, an welchem ein schweres Vorlegeschloß hing. Nur mit einer Eisenstange, welche kräftig gehandhabt wurde, konnte diese Thüre gesprengt werden. Wenn Ben in der Hütte war, vermachte er sie innen mit drei Eisenbarren.

»Gu-u-t, Ihr legt ziemlich viel Werth auf Euern Honig, Fremder, wie es mir scheint,« sagte Gershom, als le Bourdon das Schloß öffnete, und den Riegel zurückschob, »wenn man die Sorgfalt sieht, mit welcher Ihr ihn einschließt. Nun, drunten bei uns ist man nicht halb so eigen. Dorchen und Blüthe legen nicht einmal eine Barre an die Thüre, wenn ich im Freien schlafe, was ich, wenn der Sommer einmal wirklich gekommen ist, fast immer zu thun pflege.«

»Und wo liegt Euer ›drunten bei uns‹, wenn man so frei sein darf, dieß zu fragen?« erwiederte le Bourdon, indem er die Thüre halb geöffnet ließ und dem Andern, einer Antwort gewärtig, in das Gesicht sah.

»Nun, drunten zu Whiskey Herz, wie die Voyageurs und andere Bootsleute den Platz nennen.«

»Und wo liegt Whiskey Herz?« fragte Ben ein wenig hartnäckig.

»Nun, ich dachte, alle Welt müßte das wissen,« versetzte Gershom, »denn der Whiskey ist das Anziehendste, was ich kenne. Whiskey Herz ist eben da, wo ich zufällig bin, es ist, wenn ich so sagen darf, ein reisender Name. Da ich jetzt an der Mündung des Kalamazoo wohne, so liegt auch Whiskey Herz dort.«

»Nun verstehe ich die Sache,« antwortete le Bourdon, und um seinen schönen geformten Mund spielte ein verächtliches Lächeln. Da Ihr und der Whiskey innige Freunde seid, bleibt ihr auch stets beisammen. Als ich in den Fluß einlief, was in der letzten Woche des Aprils geschah, sah ich an der Mündung nichts, das wie Whiskey oder wie ein Herz ausgesehen hatte.«

»Wäret Ihr vierzehn Tage später gekommen, Fremder, so würdet Ihr Beides gesehen haben. Herzen, die reisen, und solche, die stets auf derselben Stelle bleiben, sind zwei verschiedene Dinge, sollt ich denken. Jene findet man überall, und diese muß man aufsuchen.«

»Und wer sind Dorchen und Blüthe? Ich hoffe, die letztere ist keine Whiskey Blüthe?«

»Gewiß nicht, sie rührt keinen Tropfen an, obgleich ich ihr stets sage, daß er keinem Sterblichen schadet. Sie gibt sich die größte Mühe, mich zu überzeugen, daß er mir schade, dieß ist aber ein Irrthum, wie Jeder sogleich sehen kann, der mich gehörig anschaut.«

Ben schaute ihn an und kam zu einer anderen Schlußfolgerung.

»Ist sie so blühend, weil Ihr sie Blüthe nennt?« fragte der Bienenjäger, »oder ist sie so jung?«

»Das Mädchen ist ein wenig von beidem. Dorchen ist meine Frau und Blüthe ist meine Schwester. Der eigentliche Name der letzteren ist Margery Waring, alle Welt nennt sie aber ›Blüthe‹, und so habe ich mich in die Sache gefügt und halte es wie die Uebrigen.«

Wahrscheinlich minderte sich das Interesse le Bourdon’s an dieser Blüthe der Wildniß in hohem Grade, sobald er hörte, sie sei mit dem Whiskey Herzen so nah verwandt, Gershom war nichts weniger als einnehmend, und Vieles deutete augenfällig daraufhin, daß er den Spitznamen verdiente, welchen, wie es sich später herausstellte, die westlichen Abenteurer ihm und seiner Wohnung zumal gegeben hatten, so daß Niemand von anständig nüchternen Sitten leicht an etwas Gefallen finden konnte, das zu ihm gehörte.

Mochte dem nun aber sein, wie ihm wollte, der Bienenjäger trat in seine Hütte und die drei Fremden folgten ihm ohne nutzlose Förmlichkeiten.

Das Innere des Shanty, um uns des landesüblichen Ausdrucks zu bedienen, war für eine Wohnung, welche ein Junggeselle sich in einem so entlegenen Theile der Welt eingerichtet hatte, ungemein reinlich und ansprechend. Der Honig war in niedlichen, schön geformten Fäßchen auf eine Seite des Zimmers sorgfältig aufgestapelt, so daß er möglichst wenig Raum einnahm und das Gemach eher zierte als verunstaltete. Le Bourdon hatte diese Fäßchen selbst gemacht und man sah, daß er sich in diesem Gewerbe das nöthige Geschick erworben hatte. Die Wälder lieferten stets reichen Stoff und eine Menge Dauben, welche unter einem nahen Baum aufgearkt waren, bewiesen, daß er diesen Theil seiner Arbeit noch nicht für abgeschlossen hielt.

In einer Ecke der Hütte lagen drei schöne Bärenfelle, welche er seinen Feinden in den letzten zwei Monaten abgezogen hatte. Drei andere waren in der Nähe an jungen Bäumen zum Trocknen ausgespannt. Die Bärenjagd machte einen wesentlichen Theil des Berufs unseres Helden aus, und die Trophäen seiner Kämpft mit ihnen waren verhältnißmäßig zahlreich. Die oben erwähnten Bärenfelle waren des Bienenjägers Lager, wenn er in der Hütte schlief.

Ein roher Tisch, – eine einzige Diele, die auf Kreuzstöcken lag, – einige Bänke, eine ziemlich große hölzerne Kiste waren das ganze Stubengeräthe. An den Wänden hingen Werkzeuge mancherlei Art und nicht weniger als drei Büchsen, überdieß stand in einer Ecke noch eine sehr zierliche ›Vogelflinte‹ mit Doppelläufen. Diese Waffen hatte unser Held auf seinen verschiedenen Ausflügen zusammengebracht und theils aus Neigung, theils aus Vorsicht oder als unentbehrlich behalten.

Von Pulver und Blei war kein großer Vorrath sichtbar, nur drei bis vier Pulverhörner und einige Kugel- und Schrotbeutel hingen an hölzernen Nägeln. Ben hatte aber einen geheimen Vorrath, sowie noch eine Büchse in einem natürlichen Magazin und Arsenal, in hinreichender Entfernung von dem Shanty, sorgsam versteckt, damit sie nicht das Loos seiner Festung theilten, wenn diese von einem Unfälle bedroht werden sollte.

Das Geschäft des Kochens ging außerhalb des Hauses vor sich. Le Bourdon hatte für diesen wesentlichen Theil eines behaglichen Waldlebens reichlich vorgesorgt.

Er hatte einen kleinen Ofen, einen hinreichend passenden Herd und eine Art Speisekammer in der Nähe der Quelle und unter dem Schatten einer prachtvollen Ulme. In dem Vorrathshaus, wenn wir es so nennen dürfen, hatte er sein Faß mit Mehl, sein Faß mit Salz, gedörrtes und geräuchertes Rindfleisch und – was der Hinterwäldler, wenn er sich früh an das Siedlerleben gewöhnt hat, vor allem liebt – ein halbes Faß eingepökeltes Schweinfleisch.

Das Rinde-Canoe war geräumig genug, um alle diese Dinge zu fassen, welche nur als Ballast für dieses empfindliche Boot dienten, und sein Eigenthümer rechnete darauf, daß auf der Rückreise sein Honig dieselben Dienste leisten würde, wenn er die verschiedenen, eben genannten Vorräthe verzehrt oder vertauscht haben sollte.

Der Leser lächelt vielleicht, wenn er von Tausch hört, und fragt, wo die wohl zu finden sein möchten, mit welchen ein Tausch abgeschlossen werden könne? Allein die großen Seen und die zahllosen Flüsse jenes Gebietes, so fern es auch von gewöhnlichen Wohnsitzen des gesitteten Menschen war, boten mannigfache Verkehrmittel, welche dem regen Betriebsgeiste nicht entgehen konnten.

Die Indianer waren stets bereit, Felle und Pelze gegen Pulver, Blei, Büchsen, Blankete und leider – gegen ›Feuerwasser‹ zu vertauschen. Dann waren den weißen Männern, welche in diese Wildnisse vordrangen, Vorräthe, wie unser Held sie besaß, höchst willkommen, und sie boten Uhren, Büchsen, und was sie sonst zufällig besaßen, selbst ihre Weiber und Kinder zum Austausche.

Wir würden jedoch le Bourdon Unrecht thun, wenn wir ihn in irgend einer Weise der schachernden Rasse beigesellten. Er war ein Bienenjäger, ebenso sehr aus Liebe zu der Wildniß, und aus Liebe zu Gefahr und Abenteuer, als aus Liebe zum Gewinn. Er hatte gewiß den Beruf ergiebig gefunden, sonst hätte er ihn ohne Zweifel wieder aufgegeben; mancher Mann aber, ja, wir dürfen sagen, die meisten, selbst aus der Gesellschaftsklasse, welcher er angehörte, – hätten seinen reichlichen Verdienst für zu mühsam erworben angesehen, wenn er nur dadurch erkauft werden konnte, daß man allem Umgange mit seinesgleichen entsagte.

Ben Buzz liebte aber diese Einsamkeit, ihre Gefahren, ihre Ruhe, welche durch kurze Augenblicke hoher Erregung gehoben wurde, und vor Allem das Selbstvertrauen, welches zu seinen Erfolgen und zu seinem Glücke unerläßlich war.

Das weibliche Geschlecht hatte bis jetzt seine Zauberkraft noch nicht an ihm geübt, und jeden Tag wuchs und kräftigte sich in seinem Herzen die Leidenschaft für das einsame Leben und für die seltsamen, aber gewiß verlockenden Waldfreuden. Nur sehr selten trat er selbst mit den indianischen Stämmen in Verkehr, welche in der Nähe seiner gelegentlichen Jagdgebiete wohnten, und öfter hatte er seinen Aufenthalt geändert, um selbst einem freundlichen Zusammentreffen mit Weißen auszuweichen, welche den Gestaden jener Binnen-Seen entlang, auf deren Wasser bis jetzt noch selten ein Segel geglänzt hatte, gleich ihm ein bescheidenes Glück suchten.

In dieser Hinsicht waren Boden und Gershom wahre Gegenfüßler, denn der Letztere war, trotz seiner Anhänglichkeit an ein wanderndes Dasein und an das Grenzleben, ein eingefleischter Schwätzer.

Die Pflichten der Gastfreundschaft werden bei den Grenzern selten vernachlässigt. Der Stadtbewohner verliert vielleicht seine natürliche Neigung, jeden an seinen Tisch zu laden, der sich bei ihm einstellt, da der Andrang der Gesellschaft zu groß ist, eine außerordentliche Ausnahme aber wäre es, wenn man von einem Grenzer hörte, er sei nicht gastfreundlich. Er hat wenig zu bieten, dieses Wenige aber wird selten verweigert.

Unter dem Einflusse dieses Gefühls – wir könnten auch sagen dieser Sitte – schickte le Bourdon sich jetzt alsbald an, alles das, worüber er zu verfügen hatte, und was bereits gekocht war, heran zu schaffen. Das Mahl, zu welchem er seine Gäste bald einlud, bestand aus einem tüchtigen Stücke gekochten Schweinfleisches, das Ben zufällig den Tag vorher über dem Feuer gehabt hatte, gebratenem Bärenfleisch, dem Reste eines Hirschbratens und einer Ente, welche er am vorigen Morgen an dem Kalamazoo geschossen hatte, nebst Brod, Salz, und was in der Wildniß eine Seltenheit war, zwei bis drei rohen Zwiebeln. Gershom war entzückt über die letztere Zugabe, Ben kostete wenigstens davon, aber die Indianer ließen sie mit kalter Gleichgültigkeit an sich vorüber gehen. Der Nachtisch bestand aus Brod und Honig, und alle Anwesenden ließen es sich trefflich schmecken.

Wirth und Gäste waren ziemlich schweigsam, so lange das Mahl währte, als es zu Ende war, verließen Alle die Hütte, um in der kühlen Abendluft und unter den stattlichen Eichen, von welchen das Haus umgeben war, ihre Pfeifen zu rauchen.

Die Unterhaltung begann über das Thun und den Charakter jedes Einzelnen einiges Licht zu verbreiten.

»Ihr seid ein Pottawattamie, und Ihr ein Chippewa,« sagte le Bourdon, als er seinen zwei rothen Gästen ihre Pfeifen höflich darreichte, die er mit seinem Tabak gestopft hatte, – »ich glaube, Ihr seid eine Art Vettern, obgleich Eure Stämme verschiedene Namen haben.«

»Nation – O-jeb-way,« versetzte der ältere Indianer und hob einen Finger in die Höhe, um seinem Worte mehr Nachdruck zu geben.

»Stamm – Pottawattamie,« fügte der Läufer in derselben bündigen Weise hinzu.

»Baccy – gut!« bemerkte der ältere, um zu zeigen, daß er mit dem, was Ben ihm bot, zufrieden sei.

»Habt Ihr nichts zu trinken?« fragte Whiskey Herz, der auf nichts größern Werth legte, als auf das ›Feuerwasser‹.

»Dort ist die Quelle,« versetzte le Bourdon ernst, »ein Kürbisbecher hängt an dem Baume.«

Gershom verzerrte das Gesicht, rührte sich aber nicht.

»Gibt es etwas Neues unter den Stämmen?« fragte der Bienenjäger, nachdem er eine passende Weile gewartet hatte, um sich nicht den Schein zu geben, als treibe ihn weibische Neugierde.

Hirschfuß blies einige starke Dampfwolken aus, ehe es ihm beliebte, zu antworten. Dann nahm er mit unerschütterlicher Ruhe die Pfeife aus dem Munde, blies die Asche ab, drückte das Feuer ein wenig nieder, brachte den Tabak durch einige neue Züge frisch in Brand und sagte dann würdevoll:

»Fragen meinen jungen Bruder – er Läufer – er wissen.«

Taubenflügel schien aber kaum mittheilender zu sein, als der Pottawattamie. Er dampfte in ruhiger Würde fort, während der Bienenjäger geduldig harrte, bis es seinem jüngern Gaste gefallen würde, ihm zu antworten.

Dieser Augenblick ließ sich einige Zeit erwarten, kam aber endlich. Fast fünf Minuten nach des älteren Indianers Bemerkung brachte der Chippewa oder Ojebway seine Pfeife vom Munde, schaute sich höflich nach seinem Wirthe um und sagte mit Nachdruck:

»Schlechte Sommerneuigkeiten bald. Blaßgesichter rufen junge Leute zusammen und graben Streitaxt aus.«

»Ich habe etwas davon gehört,« versetzte le Bourdon mit verdüstertem Antlitz, »und fürchtete, es dürfte wohl so kommen.«

»Mein Bruder auch Streitaxt ausgraben, he?« fragte Taubenflügel.

»Warum sollte ich dieß? Ich bin allein hier in den Lichtungen, und es wäre thöricht, wenn ich daran denken wollte, mich in einen Kampf einzulassen.«

»Haben keinen Stamm, nicht Ojebway, nicht Pottawattamie, he?«

»Ich habe meinen Stamm, so gut wie jeder Andere, Chippewa, sehe aber nicht, was ich ihm hier sollte nützen können. Wenn die Amerikaner und Engländer sich bekämpfen, müssen sie dieß weit von dieser Wildniß thun, – auf dem großen Salzsee oder in dessen Nähe.«

»Das nicht wissen – das nie wissen – bis es sehen. Englische Krieger Menge in Canada.«

»Das ist möglich, aber es gibt hier nicht viel amerikanische Krieger. Dieses Gebiet ist eine Wildniß, und es gibt weit und nah keine Soldaten, die sich einander die Kehlen abschneiden könnten.«

»Für was Ihr ihn nehmen?« fragte Taubenflügel, indem er einen Blick auf Gershom warf, der es nicht länger ausgehalten hatte, sondern an die Quelle gegangen war, um einen kleinen Rest Feuerwasser, das er von Haus mitgenommen, mit Wasser zu mischen. – »Haben ziemlich guten Scalp.«

»Sein Scalp ist wahrscheinlich so gut, wie der eines Andern, er und ich sind aber Landsleute und können die Streitaxt nicht gegen einander aufheben.«

»Nicht so denken. Er viel Yankee, er!«

Le Bourdon lächelte über diesen Beweis von Taubenflügel’s Scharfsinn, so unbehaglich ihn auch der Sinn seiner Worte stimmte.

»Darin möcht Ihr wohl recht haben,« erwiederte er, »aber ich bin auch ›viel‹ Yankee.«

»Nein, das nicht sagen,« antwortete der Chippewa, »das nicht sagen dürfen. Englisch – nicht Yankee. Er ganz und gar nicht wie Ihr.«

»Nun, wir gleichen uns allerdings in manchen Beziehungen sehr wenig, demungeachtet sind wir Landsleute. Mein großer Vater lebt, so gut wie der seinige, zu Washington.«

Der Chippewa schien verlegen, ja, es war, als senkte er sein Haupt traurig, denn le Bourdon’s offenes, mannhaftes Wesen stimmte ihn eher freundlich, als feindlich, während das was er eben zugestanden, ihn ziemlich auf die gegnerische Seite stellte.

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der junge Indianer das Gespräch in der freundlichsten Absicht fortsetzte, Ben mit dem wahren Stande der Dinge in diesem Theile der Welt bekannt zu machen.

»Viel Britisch in Wäldern,« sagte er mit einem sehr bedeutsamen Blicke. »Yankee noch nicht gekommen.«

»Laßt mich sofort wissen, wie die Dinge stehen, Chippewa,« rief le Bourdon aus. »Ich bin, wie Ihr seht, nur ein friedlicher Bienenjäger und will keines Menschen Scalp und keines Menschen Honig, sofern man mir auch meinen Scalp und meinen Honig läßt. Ist ein Krieg zwischen Amerika und Canada ausgebrochen oder nicht?«

»Der sagen Ja, und der sagen Nein,« erwiederte Taubenflügel ausweichend. »Ich selbst es nicht wissen. Jetzt gehen zu sehen. Aber viel Montreal Wampum-Gürtel bei Rothhäuten, viel Büchsen, auch viel Pulver.«

»Ich habe etwas davon gehört, als ich die Seen heraufkam,« versetzte Ben, »und ein Handelsmann von Canada, ein alter Bekannter und überdieß ein guter Freund, obgleich er nach dem Gesetze jetzt mein Feind sein soll, stieß mir unterwegs auf und gab mir zu verstehen, dieser Sommer werde nicht ohne Kopfnüsse vorüber gehen. Doch schienen Alle zu Mackinaw zu schlafen, als ich dort vorüber kam.«

»Sehr bald aufwachen, sie. Canada-Krieger nehmen Fort.«

»Wenn ich das wüßte, Chippewa, würde ich noch diese Nacht aufbrechen und Lärm schlagen.«

»Nein, das nicht klug sein.«

»Ich würde gehen, und wenn ich in der nächsten Stunde sterben müßte.«

»Besser nachdenken, nicht so ein Thor sein, ich Euch sagen.«

»Und ich sage Euch, Taubenflügel, daß ich gehen würde, und wenn mir du ganze Ojebway-Nation auf den Fersen wäre. Ich bin Amerikaner und werde zu meinem Volke halten, mag da kommen, was da will.«

»Glaubte, Ihr eben jetzt nur friedlicher Bienenjäger,« erwiederte der Chippewa ein wenig spöttisch.

Unterdessen hatte sich le Bourdon’s Hitze ein wenig abgekühlt, und er sah ein, daß er unvorsichtig gewesen. Er kannte die Geschichte der Vergangenheit hinreichend, um zu wissen, daß die Engländer, und in diesem Punkte auch die Franzosen, so lange sie Besitzungen in diesem Theile der Erde hatten, in keiner Periode der amerikanischen Geschichte Anstand genommen haben, die Wilden bei ihren Kämpfen zu betheiligen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese hochgebildeten und, wie man mit Recht hinzusetzen kann, menschenfreundlichen Nationen, – denn beide sind ohne Frage berechtigt, ein solches Lob in Anspruch zu nehmen, und jede von ihnen steht, wenn man sie selbst von der Sache sprechen hört, an der Spitze der Civilisation, – sie würden, sagen wir, trotz dieser Ansprüche ihre amerikanischen Kriege mit Beihülfe des Tomahawk, des Scalpirmessers und des Feuerbrandes führen. Der Weihrauch, welchen wir uns selbst streuen, kann die Blutspuren nicht vernichten.