Der blinde Brahmane - Walther Kabel - E-Book

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Walther Kabel

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Beschreibung

Wir näherten uns Indien — dem Zauberlande Indien! Was hätte ich darum gegeben, wenn wir das von der Reling unseres Dampfers aus bereits erkennbare Bombay, diese nächst Kalkutta größte Hafenstadt des indischen Kaiserreichs, hätten als harmlose, friedfertige Touristen betreten dürfen!
Aber — wir waren ja leider durchaus nicht friedfertig. Im Gegenteil: wir setzten Cecil Warbatty nach — noch immer! wir wußten, er war abermals entwischt. Und die größte Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß er uns dort drüben in Bombay bereits erwartete, um seine wiederholte Drohung wahr und uns — kalt zu machen.
Wir standen an der Reling und genossen das seltsame Bild der Riesenstadt mit ihren fast eine Million Einwohnern, mit ihren 89 Moscheen, 41 Hindutempeln, mit ihrer ganzen seltsamen Anlage auf der gleichnamigen Insel, die wieder zwei Halbinseln nach Süden zu ins Meer hinausschickt.
 

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 15

Der blinde Brahmane

© 2022 Librorium Editions

ISBN : 9782383836469

Table of Contents

Der blinde Brahmane.

Die Schlangenkiste.

Der Irrgarten der Tempelruinen.

Der »falsche« Warbatty.

Mein verwünschter Ehrgeiz.

Und der Sieger?

Warbattys Testament.

In Haidarabad.

Ein kleines Abenteuer im Fremdenheim

Der singende Vogel.

Der Affe und die Sonne.

Warbattys Geniestreich.

 

Der blinde Brahmane.

1. Kapitel.

Die Schlangenkiste.

Wir näherten uns Indien — dem Zauberlande Indien! Was hätte ich darum gegeben, wenn wir das von der Reling unseres Dampfers aus bereits erkennbare Bombay, diese nächst Kalkutta größte Hafenstadt des indischen Kaiserreichs, hätten als harmlose, friedfertige Touristen betreten dürfen!

Aber — wir waren ja leider durchaus nicht friedfertig. Im Gegenteil: wir setzten Cecil Warbatty nach — noch immer! wir wußten, er war abermals entwischt. Und die größte Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß er uns dort drüben in Bombay bereits erwartete, um seine wiederholte Drohung wahr und uns — kalt zu machen.

Wir standen an der Reling und genossen das seltsame Bild der Riesenstadt mit ihren fast eine Million Einwohnern, mit ihren 89 Moscheen, 41 Hindutempeln, mit ihrer ganzen seltsamen Anlage auf der gleichnamigen Insel, die wieder zwei Halbinseln nach Süden zu ins Meer hinausschickt.

»Entzückend!« schwärmte Harst. »Ich kenne Bombay recht gut. Trotzdem überwältigt mich dieser Gesamteindruck abermals. — Sieh nur — all diese weißen Villen, diese riesigen Fabriken, diese Kuppeln der Moscheen! Und dort, mein lieber Schraut, dort auf der Südspitze der Halbinsel Malabar Hill die berühmten fünf »Türme des Schweigens«, nördlich davon der nicht minder berühmte Walkeshar-Tempel.« — Eine kurze Pause. Dann: »Uebrigens wird es jetzt für uns Zeit, hier von Bord zu verschwinden, das heißt, uns so zu verändern, daß auch Warbattys Geieraugen uns nicht erkennen. Komm’ also in unsere Kabine. Mit Kapitän Anderson, auf dessen Schweigen wir uns verlassen können, habe ich bereits alles vereinbart. Die Anzeige hat er uns besorgt. Sie werden zunächst ihre Schuldigkeit tun. Die Hauptsache ist, daß wir unerkannt an Land gelangen. Alles weitere findet sich dann schon — auch unser Freund Cecil wird zu finden sein!« —

Eine halbe Stunde drauf legte der Dampfer am Viktoria-Dock an. Die Fahrgäste verließen das Schiff; das Ausladen des Gepäcks begann; hierbei halfen auch zwei schmierige Heizer, deren fettige, rußige Gesichter infolge besonderer, von Harst ersonnener Kniffe mit den unsrigen sehr geringe oder besser gar keine Aehnlichkeit hatten.

Plötzlich gab Harst mir einen Rippenstoß, als wir gerade einen Riesenkoffer auf das Rutschbrett der Ladeluke bugsierten.

»Du — er ist schon da, unser lieber Freund! Glotze nun aber bitte nicht nach dem Bollwerk hinunter, als erwartetest Du dort Deine nicht existierende teure Braut oder Gattin herauszufinden unter all den hunderten von Neugierigen! — Ich begreife nur nicht, wie Warbatty so frech sein kann, sich dort beinahe in seiner wahren Gestalt aufzubauen, — er, der doch ein tadelloser Verkleidungskünstler ist und dem doch die Polizei hier genau so eifrig nachsetzt wie überall! — Offen gestanden, diese freche Sicherheit, die unser Liebling hier zur Schau trägt, behagt mir nicht. Ich wittere geradezu eine Teufelei —«

Der Riesenkoffer rutschte auf das Bollwerk hinab. Wir tauchten wieder im Laderaum unter. Ich zog Harst in einen Winkel, wo die übrigen Arbeiter nicht auf uns achteten.

»Weshalb gehst Du nicht einfach zu Kapitän Anderson und veranlaßt ihn, Warbatty in aller Stille festzunehmen,« meinte ich. »Tu’s doch! Anderson ist ja ein schlauer Kopf. Auf den kann man —«

»Lieber Schraut,« unterbrach er mich. »Du vergißt die Hauptsache: Mir muß jetzt mehr als bisher daran liegen, diesen vielfachen Mörder nicht lediglich hier sofort verhaften zu lassen, sondern vorher noch seine hiesigen Pläne zu durchkreuzen. Er hat hier — das steht ja wohl außer Zweifel — abermals einen »großen Schlag« vor. Und — er soll endlich einsehen, daß ich der Mann dazu bin, zweierlei gleichzeitig und endgültig zu erreichen: seine Festnahme und die Vereitelung seiner Pläne! Endgültig!« Harsts Stimme verriet seine Erregung. »Hier in Bombay wird er zur Strecke gebracht — oder ich bin ein elender Stümper.«

»Gestatte,« warf ich ein. »Du hattest ihn ja auch in Aden den Behörden überliefert. Was kannst Du dafür, wenn diese Idioten ihn wieder entschlüpfen ließen?!«

»Oh — sehr viel, mein lieber Schraut, — sehr viel kann ich dafür! Ich hätte in Aden die Sache unbedingt so einrichten müssen, daß Warbatty nicht mehr entfliehen konnte, — also —« — er flüsterte noch leiser — »einen so scharfen Zusammenstoß zwischen ihm und den Polizeibeamten herbeiführen müssen, daß er — tot am Platze blieb. Ich weiß jetzt: anders ist dieser vielfache, rücksichtslose Mörder nicht unschädlich zu machen. Nun — ich richte mich für Bombay darauf ein, das kannst Du mir glauben!« Und seine Stimme sagte mir abermals, daß es ihm mit alledem völlig ernst war.

Er hatte ja auch recht damit: eine Verhaftung hätte die Welt nie von diesem Scheusal befreit!

Wir schwangen jeder einen kleineren Koffer auf die Schulter, stiegen zur Ladeluke empor. Und wieder raunte Harst mir zu: »Er steht noch immer da!«

Gleich darauf sah ich, daß Harst sich auf Kapitän Anderson zuschlängelte. Was sie dann hinter einem Stapel Kisten auf dem Vorschiff verhandelten, sollte ich bald gewahr werden. — Harst tauchte wieder im Laderaum auf.

»Komm’ hinter mir drein — unauffällig!« meinte er leise und stieg die Treppe zu dem tieferen Ladedeck hinab. Hier erwartete uns Anderson schon, führte uns in einen Verschlag, der durch dicke Eisenplatten gegen Einbruch geschützt war und zur Beförderung der unter Wertversicherung aufgegebenen Stückgüter diente.

Außer anderen Gepäckstücken stand hier auch in einer Ecke eine mit Zinkblech benagelte, sehr große Kiste, deren übergreifender Deckel ebenso wie die Seitenwände zahlreiche kleine Luftlöcher hatte.

»Dies ist die Schlangentransportkiste, Master Harst,« erklärte Anderson. »Die giftigen Bestien, die ich vor einem Monat hierin für einen Freund mit nach London nehmen wollte, krepierten unterwegs. Eine dreiviertel Stunde werden Sie beide es darin schon aushalten.«

In der Kiste lagen noch die wollenen Decken, in die die Reptile eingehüllt gewesen waren. Harst warf einige davon heraus und kletterte nun in den Kasten hinein.

Wir hatten wirklich gerade so viel Platz, nebeneinander mit angezogenen Beinen zu sitzen.

Anderson verschloß die Kiste, zog den Schlüssel ab, rief uns noch leise ein: »Auf Wiedersehen in meinem Heim!« zu und verließ die Kammer.

»Wir werden jetzt sofort abgeholt und nach dem Bungalow Andersons (Bungalow, luftig gebautes, villenähnliches Haus) auf Malabar Hill transportiert werden, während der Kapitän unseren Landsmann, den deutschen Steward Grüttner, der ja ein geriebener Bursche ist, hinter Warbatty her schickt. Ich habe Anderson unseren »Freund« gezeigt.« Harst lachte leise auf. »Nun soll unser Cecil mal versuchen, uns hier aufzustöbern in Bombay! Wird ihm schwer werden!«

Mein guter Harald hätte damals lieber mit dem triumphierenden Lächeln sparsamer sein sollen! Die Zukunft bewies, daß …

Doch — ich will den Ereignissen nicht vorgreifen. —

Die Sache schien tadellos zu klappen. Nach zehn Minuten wurde unsere Kiste auf das Bollwerk geschafft, wobei uns die Dampferwinde eine kleine Luftreise vermittelte. Wäre die Kette gerissen, hätten wir wohl so viel Arm-, Bein- und sonstige Brüche davongetragen, daß Warbatty in aller Seelenruhe hier in Indien sich hätte fernerhin betätigen können.

Aber — die Kette hielt. Wir merkten, daß wir auf einen Handwagen verladen wurden, hörten wachsenden Straßenlärm um uns herum und fuhren über offenbar gutgepflegte, glatte Wege dahin. — So ging’s etwa zehn Minuten weiter. Dann wurde es stiller ringsum. Der Weg führte wohl durch entlegenere Gassen.

Plötzlich hörten wir, daß die beiden Eingeborenen die den Wagen schoben, und die sich zuweilen in Mahrati (indische Sprache der nordwestlichen Gebiete) unterhalten hatten, angesprochen wurden und zwar offenbar von einem farbigen, sehr groben Polizisten. Ich selbst verstand von dem Wortwechsel nichts. Als ich Harst fragte, was los sei (er beherrschte wenigstens einige der indischen Mundarten leidlich) meinte er, unsere »Schieber« hätten einen für Wagenverkehr verbotenen Weg benutzt.

Die Kistenfahrt ging weiter. Dann wieder ein Aufenthalt; wieder eine halb gebrüllte Unterredung; wieder vorwärts. —

»Wenn’s noch lange dauert,« erklärte ich schließlich, »bekomme ich Wadenkrämpfe —«

»Ich auch!« war Harsts lakonische Antwort. Er zog seine Uhr, die er ebenso wie Revolver, Brieftasche und anderes bei sich behalten hatte. Das Leuchtzifferblatt strahlte vor mir als helle, kleine Scheibe.

»Hm!« machte Harst. »Eine Stunde sind wir bereits unterwegs! Und Anderson sprach nur von etwa 45 Minuten bis zu seinem Bungalow. Sollte etwa —«

Er führte den Satz nicht zu Ende. — Diese halb beendeten Sätze waren bei ihm stets der Hinweis auf irgend eine Gefahr, die er selbst noch nicht klar überschaute. Kein Wunder, daß mir in dem engen Behälter noch heißer wurde als bisher.

»Fürchtest Du etwa, daß diese Transportgeschichte hier irgendwie nicht stimmt?« fragte ich schnell, und mir lief jetzt der Schweiß in Strömen am Leibe entlang.

Er antwortete nicht sofort. Dann: »Meinst Du, wir fahren zur Zeit über einen gebahnten Weg?!« sagte er langsam. »Mein lieber Freund und Privatsekretär, ich schätze, Cecil Warbatty hat uns schon wieder in den Klauen, oder aber er hofft doch wenigstens, daß ihm dieser Streich gelingen wird. Unser Wagen rumpelt über Steine, Baumwurzeln, Aststücke. Wir befinden uns mithin außerhalb der Stadt. Nach Malabar Hill führen nur tadellose Straßen. — Warte — wir werden sofort Gewißheit haben. Es geht nicht anders: ich muß mich sehr energisch melden! Sehen können wir nichts. Die Luftlöcher laufen ja so schräg durch die Bretter, daß sie als Ausguck nicht verwendbar sind.«