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Dieses eBook: "Der Bravo - Eine venezianische Geschichte" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Tausende von Fackeln und Lampen erleuchteten die Arkaden mit hellem Glänze, während die Prokurazien, eine Flucht von großartigen Gebäuden, der massive Palast des Dogen, die Kirche, eine der ältesten in der ganzen Christenheit, die Granitsäulen der Piazetta, die Siegesmasten des großen Platzes und der schwindelerregend hohe Campanile in dem milderen Mondesstrahle schlummerten. Der geräumigen Fläche des großen Platzes die Vorderseite zukehrend, standen die groteske und ehrwürdige Kathedrale des San Marco und die übrigen Monumente des Platzes als ein Denkmal von der alten Herrlichkeit und Größe der Republik."" James Fenimore Cooper (1789-1851) war ein amerikanischer Schriftsteller der Romantik. Cooper ist in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselfigur der amerikanischen Literatur. Neben Washington Irving war er der erste amerikanische Schriftsteller, der von seinen Büchern leben konnte. Er blieb bis weit in das 20. Jahrhundert hinein auch in Europa der wohl meistgelesene.
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Ein Abenteuerroman des Autors von Der letzte Mohikaner und Der Wildtöter
Inhaltsverzeichnis
Die Sonne war hinter den Tiroler Alpen verschwunden, und schon begann der Mond über die niedere Fläche des Lido aufzusteigen. Gleich einem Strome, der sich durch einen engen Kanal in ein geräumiges, schäumendes Becken ergießt, zwängten sich aus den schmalen Gassen Venedigs Hunderte von Fußgängern hervor nach dem St. Markusplatze. Stolze Cavalieri und gravitätische Cittadini, dalmatische Krieger und venezianische Matrosen, ehrsame Bürgerfrauen und Damen von feineren Sitten, Juwelenhändler vom Rialto und Kaufleute aus der Levante, Jude, Türke, Christ, Reisender, Abenteurer, Podesta, Kammerdiener, Advokat und Gondoliere – alle zogen nach dem einen gemeinschaftlichen Mittelpunkte der Erholung. Der geschäftige und der nachlässige Blick, der gemessene Schritt und das prüfende Auge, Scherz und Gelächter, der Cantatrice Lied und die Melodie der Flöte, die drolligen Gebärden eines Lustigmachers und das tragische Zürnen des Improvisators, das gezwungene melancholische Lächeln des Harfners und das Geschrei der Wasserverkäufer, Mönchskapuzen, Federbüsche – dies Durcheinandergesumme, dieses mannigfache Hin-und Her-Gedränge, verbunden mit den unbeweglicheren Gegenständen des Ortes, machte den Auftritt zu dem eigentümlichsten, den man finden konnte.
Auf der Grenzlinie liegend, die das westliche Europa von dem östlichen scheidet, und mit dem letzteren in ununterbrochenem Verkehr, besaß Venedig eine größere Mischung der Charaktere und der Kostüme als irgendeiner der zahlreichen Häfen dieser Gegend. Zur genannten Stunde waren die Kaffeehäuser und Kasinos in den die drei Seiten der länglich viereckigen, großen Piazza umgebenden Portikos mit Gesellschaft schon überfüllt, und das Menschengewimmel auf dem freien Platze selbst ward daher zusehends größer.
Tausende von Fackeln und Lampen erleuchteten die Arkaden mit hellem Glänze, während die Prokurazien, eine Flucht von großartigen Gebäuden, der massive Palast des Dogen, die Kirche, eine der ältesten in der ganzen Christenheit, die Granitsäulen der Piazetta, die Siegesmasten des großen Platzes und der schwindelerregend hohe Campanile in dem milderen Mondesstrahle schlummerten.
Der geräumigen Fläche des großen Platzes die Vorderseite zukehrend, standen die groteske und ehrwürdige Kathedrale des San Marco und die übrigen Monumente des Platzes als ein Denkmal von der alten Herrlichkeit und Größe der Republik.
Neben diesem Bau tat sich manch andere bemerkenswerte Zier des Platzes hervor. Der Fuß des Campanile lag tief im Schatten, während die Ostseite des grauen Gipfels wohl hundert Fuß abwärts vom vollen Mondlichte beglänzt war. Am andern Ende des kleinen Platzes, nahe der Seeküste, erhoben sich auf ihren Säulen von afrikanischem Granit hier der geflügelte Löwe des Markus, dort Theodor, der Schutzheilige der Stadt, sich gegen den azurnen Hintergrund deutlich abhebend.
Am Fuße der Markussäule stand ein Mann, der in die belebte und auffallende Szene vor seinen Augen, wie es schien, mit der achtlosen Gleichgültigkeit der Gewohnheit schaute. Die Menge, zum Teil maskiert, zum Teil nicht vermeidend, daß man sie kenne, war den Damm entlang in die Piazetta geströmt, um den Hauptplatz zu erreichen, während jener Mann kaum einen Blick seitwärts warf. Er stand wie jemand, der gewohnt ist, mit Geduld und Gehorsam dem Vergnügen anderer zu dienen und auf den Wink seines Herrn zu warten, ehe er sich vom Fleck rührte. Eine seidene Jacke mit Blumen in glänzenden Farben durchwirkt, der umgelegte Scharlachkragen und die vorn mit einem Wappen gestickte Samtmütze verrieten einen Gondoliere in Privatdiensten.
Überdrüssig der Possen einer etwas entfernten Gauklerbande, wandte er sich dem leichten Lüftchen zu, das aus dem Wasser aufstieg, als plötzlich die Freude des Wiedererkennens durch seine Züge leuchtete, und im Augenblick hatte er seinen Arm in den eines schwarzbraunen Seemannes eingehängt, der die lose Kleidung und die phrygische Mütze seines Standes trug.
»Du bist’s, Stefano! Sagten sie doch, du wärst den verdammten Barbaren in die Klauen geraten und pflanztest Blumen für einen Ungläubigen mit deinen Händen und begössest sie mit deinen Tränen.«
Mit derber Vertraulichkeit erwiderte der Seemann: »›La bella Sorrentina‹ ist keine Dirne, die Siesta hielte mit einem tunesischen Kaper, der sie umschwärmt. Wärst du je übern Lido rausgekommen, so wüßtest du, daß es was anderes ist, Jagd zu machen auf die Feluke, und was anders, sie zu fangen.«
»Danke San Teodoro für die Rettung!«
Der Seemann warf einen halb komischen, halb ernsten Blick hinauf zum Bilde des Schutzpatrons und sagte dann: »Die Flügel deines Löwen hätten wir besser brauchen können als die Gunst deines Heiligen. Ich versteige mich mit Bitten um Beistand nicht weiter nördlich als zum heiligen Januarius, und wenn ein Orkan losheulte.«
»Desto schlimmer für dich, caro, denn der gute Bischof versteht sich wohl drauf, die Lava zu hemmen, aber nicht, die Winde zu stillen. Aber war denn wirklich Gefahr, die Feluke und ihre brave Mannschaft an die Türken zu verlieren?«
»Ja, wahrhaftig, es schwärmte ein Tuneser zwischen Stromboli und Sizilien, aber leichter hätt er die Wolke überm Vulkan gehascht als die Feluke im Schirokko! Aber wie steht’s in Venedig? – Und du, was tust du derzeit in den Kanälen, um die Blumen auf deiner Jacke frisch zu halten?« »Heut wie gestern und morgen wie heute. Ich rudere die Gondel vom Rialto zur Giudecca, vom San Giorgio zum San Marco, vom San Marco zum Lido und vom Lido nach Hause. Auf dem Wege gibt’s keine tunesischen Kaper.«
»Aber ist nichts los in der Republik?«
»Nichts von Bedeutung, das ich wüßte – außer dem Unglück, das dem Pietro begegnet ist. Du erinnerst dich noch des Petrillo? Der einst mit dir nach Dalmatien kreuzte als Superkargo, weil er just in Verdacht war, dem jungen Franken geholfen zu haben, der mit einer Senatorstochter durchging.«
»Ob ich noch denk an die letzte Hungersnot? Der Spitzbube tat nichts als Makkaroni fressen und den Lacrimae Christi schlürfen, den der dalmatische Graf an Bord hatte.«
»Poverino! Seine Gondel ward von einem Ankonaschiff niedergerannt. Das ging drüber weg wie ein Senator, der eine Fliege zertritt.«
»Klein Fisch muß nicht in tief Wasser!«
»Der ehrliche Kerl fuhr über die Giudecca mit einem Fremden, der sein Gebet im Redentore verrichten wollte. Da schoß ihm die Brigg in den Baldachin und schlug die Gondel in Stücke, als war’s ‘ne Wasserblase gewesen, die der Buzentaur zurückläßt.«
»Der Padrone hätt so großmütig sein sollen, über Pietros Dummheit nicht zu klagen, da der ja seine Strafe ohnehin hatte.«
»Madre di dio! Der Padrone ging zur Stund in See, oder er wäre Futter für die Fische in den Lagunen geworden! Da ist kein Gondoliere in ganz Venedig, der nicht den Schimpf im Herzen fühlte. Wir wissen uns so gut Recht zu schaffen als unsere Herren.«
»Ei nu, eine Gondel ist so gut sterblich wie ‘ne Feluke, und jedes hat seine Zeit. Besser, am Stoß einer Brigg sterben, als in die Klauen eines Türken fallen! – Was macht dein junger Herr, Gino? Ist’s zu hoffen, daß er seine Ansprüche beim Senat durchsetzt?«
»Morgens kühlt er sich in der Giudecca ab, und willst du wissen, was er abends macht, sieh dich nur um unter den Edeln im Broglio.«
Indem er sprach, warf der Gondoliere einen Blick seitwärts auf eine Gruppe Patrizier, die unter den schattigen Arkaden am Palast des Dogen umherwandelten, einem Ort, der zu gewissen Zeiten nur den Bevorrechteten verstattet war.
»Mir ist nicht unbekannt, daß die Edeln von Venedig zur Abendzeit die niedrige Kolonnade da zu besuchen pflegen, aber daß sie sich in der Giudecca baden, hab ich mein Lebtag nicht gehört.«
»Wir waren eben in der Näh, als das Ankonaschiff das Kunststück machte. Während Giorgio und ich vor Wut schäumten über die Tölpelei des Fremden, sprang mein junger Herr, der, was Gondelfahren anlangt, nicht viel Kenntnis hat, ins Wasser und rettete die junge Dame, damit es ihr nicht wie ihrem Onkel erginge.«
»Diavolo! Du hast mir noch keine Silbe gesagt von einer jungen Dame und dem Tod ihres Onkels.«
»Ach, du hattest deinen Tunesen im Kopf und hast’s vergessen. Ich muß dir ja doch gesagt haben, wie nah die schöne Signora dran war, das Schicksal der Gondel zu teilen, und wie der Padrone den Tod des römischen Marchese auch auf seiner Seele hat.«
»Santo Padre! Daß ein Christ den Tod eines gehetzten Hundes sterben soll durch die Unachtsamkeit eines Gondoliere!«
»Es mag ein Glück für den von Ankona gewesen sein, daß es so kam, denn der Römer, sagen sie, war ein Mann von Bedeutung, daß er allenfalls hätte auch einen Senator über die Seufzerbrücke spedieren können.«
»Hol der Teufel alle unachtsamen Schiffsleute, sag ich! – Was ist aus dem linkischen Schurken geworden?«
»Ich sag dir, er machte, daß er aus dem Lido kam, oder –«
»Pietrillo?«
»Den holte Giorgio mit der Ruderstange herauf, denn wir waren alle beide hinterher, die Kissen und andere Sachen von Wert aufzufischen.«
»Konntest du für den armen Römer gar nichts tun?«
»Für den Fremden konnten wir nichts tun als beten zu San Teodoro, denn er ist nicht wieder aufgestanden. – Aber was hat dich hergebracht nach Venedig, caro mio?«
Der Kalabrese legte einen Finger auf die eine Backe und zog damit die Haut nach unten, so daß sein dunkles, schelmisches Auge ein possenhaftes Aussehen bekam.
»Schau doch, Gino – fordert nicht dein Herr manchmal seine Gondel zwischen Sonnenuntergang und Morgen?«
»Ein Eul’ ist nicht wachsamer, als er in letzter Zeit war. Dieser mein Kopf lag auf keinem Kissen, ehe die Sonne über den Lido raufkam, nun schon seit der Schnee schmolz von Monselice.« –
»He? Und wenn die Sonne des Angesichts deines Herrn unter ist in seinem Palaste, dann läufst du zur Rialtobrücke, zu den Juwelieren und Fleischern, und posaunst aus, was er die Nacht durch getan hat?«
»Diamine! Das war die letzte Nacht meines Dienstes beim Herzog von Sant’ Agata, wäre meine Zunge so schlüpfrig! Der Gondoliere und der Beichtiger, das sind die beiden Geheimräte eines Edeln, Meister Stefano, ‘s ist nur der kleine Unterschied, daß der letztere bloß weiß, was ihm der Sünder enthüllen will, der erstere aber weiß manchmal mehr. Da kann ich was Besseres tun, als mit meines Herrn Geheimnissen in den Straßen umherzulaufen!«
»Und ich bin auch klüger, als daß ich jeden Trödler von San Marco sollt in meinen Frachtbrief gucken lassen!«
»He, alter Freund, ‘s ist bei alledem ein Unterschied zwischen unser beider Geschäft. Ein Padrone von einer Feluke kann sich billigerweise nicht messen mit dem so überaus vertrauten Gondoliere eines neapolitanischen Herzogs, der Anwartschaft hat auf einen Sitz im Rate der Dreihundert.«
»Just der Unterschied zwischen still Wasser und rauhem. – Du kräuselst die Oberfläche eines Kanals mit deinem schläfrigen Ruder. Ich aber, ich streiche übers Adriatische Gewässer, vor einem Schirokko her, der heiß genug ist, meine Makkaroni zu kochen und die See schäumen zu machen.«
»St!« unterbrach ihn plötzlich der Gondoliere, der sich mit italienischem Humor, doch ohne wirklichen Eifer in den Rangstreit eingelassen hatte. »St! Da kommt einer, der sonst glauben möchte, wir bedürften seiner Faust, um den Streit zu schlichten. – Eccolo«
Der Kalabrese trat einen Schritt zurück und betrachtete schweigend und mit düsterm, gespanntem Blick den Vorübergehenden, der diese schnelle Bemerkung veranlaßt hatte. Der Fremde ging langsam vorbei, ein Mann, noch nicht dreißig Jahre alt, obwohl der ruhige Ernst seiner Züge ein vorgerückteres Alter vermuten ließ. In seinen Wangen war kein Blutstropfen – aber mehr geistige Leiden als körperliche schienen sie gebleicht zu haben. Gesundheit verriet sonst der starke, muskulöse Bau seines Körpers, der, gewandt und geschmeidig, doch alle Zeichen der Kraft an sich trug. Sein Schritt war sicher, fest und gleichförmig; er hielt sich aufrecht und leicht. In seinen Mienen konnte dem Beobachter ein hervorstechender Zug von Selbstbeherrschung kaum entgehen. Seine Bekleidung aber gehörte dem niederen Stande an. Ein Wams von geringem Samt, eine dunkle Monteromütze, dergleichen in den südlichen Gegenden Europas damals gebräuchlich war, und andere Kleidungsstücke ähnlicher Art machten seinen Anzug aus. Sein Blick war eher schwermütig als finster, und dessen Festigkeit stimmte gut zu der ruhigen Haltung des ganzen Körpers. Die Gesichtszüge waren kühn und wohl edel zu nennen, und aus diesen auffallenden Zügen hervor blitzte ein Auge voll Feuer, Klugheit und Leidenschaft. Indem der Fremde vorüberging, streiften seine glänzenden Augen den Gondoliere und dessen Gefährten, aber dieser Blick, obgleich durchdringend, war doch anteillos, einer von jenen Streifblicken, die Menschen, die zu Mißtrauen Ursache haben, in die Menge zu werfen pflegen. Derselbe Blick traf jeden Nächsten, der entgegenkam, und ehe sich die feste, gehaltene Gestalt im Gedränge verlor, hatte das unstete Auge mit seinem schnellen, blitzenden Strahl wohl zwanzig andere berührt.
Der Gondoliere und der Seemann schwiegen still, bis sie den Fremden, dem sie starr nachsahen, gänzlich aus den Augen verloren hatten. Dann stieß der erstere eintönig und mit tiefem Atemzuge hervor: »Jacopo!«
Sein Kamerad hob drei Finger auf, verstohlen auf den Palast des Dogen deutend: »Lassen sie den so frei umherlaufen, selbst in San Marco?« fragte er mit unverstelltem Erstaunen.
»‘s ist nicht leicht, caro amico, Wasser stromauf treiben oder den Strom, wo er hinabstürzt, hemmen. Die meisten Senatoren, sagt man, würden lieber ihre Aussicht auf die gehörnte Mütze fahrenlassen als diesen Jacopo! Er kennt mehr Familiengeheimnisse als der gute Prior von San Marco, und doch sitzt der arme Mann die Hälfte seiner Zeit im Beichtstuhl.«
»Aha, sie haben Furcht, ihm ein eisern Wams anzulegen, damit nicht Geheimnisse ungeschickt ausgepreßt werden.«
»Corpo di Bacco! ‘s war wenig Frieden in Venedig, wenn sich’s der Rat der Drei einfallen ließ, die Zunge jenes Mannes so plump frei zu machen.«
»Man sagt aber, Gino, daß der Rat der Drei eine Manier hat, die Fische der Lagunen zu füttern, die den Verdacht auf irgendein so unglückliches Ankonaschiff werfen könnte, wenn man je den Leichnam fände.«
»He, du brauchst das nicht so laut zu schreien, wenn sich’s auch so verhält. Wahrhaftig, es gibt wenig Geschäftsleute, denen man mehr Kundschaft zutraut als dem, der eben nach der Piazetta ging.«
»So, für zwei Zechinen!« setzte der Kalabrese mit einer erläuternden Gebärde hinzu.
»Santa Madonna! Du vergissest, Stefano, daß der Beichtvater keine Mühe hat, wenn dieser einen expediert. Von seiner Faust hast du den Stoß nicht einen Deut wohlfeiler als hundert Zechinen. Deine Sorte für zwei Zechinen läßt ja einem Manne Zeit, Geschichten zu erzählen oder gar seinen Segen zu beten während der halben Arbeit.«
»Jacopo!« rief der andere mit einem Nachdruck, der all seinen Abscheu und sein Entsetzen gleichsam in einen Laut zu fassen schien.
Der Gondoliere zuckte die Achseln.
»Stefano Milano«, sagte er nach einer Pause, »es gibt Dinge in Venedig, die ein Mann, der seine Makkaroni in Frieden essen will, wohltut, zu vergessen. Mag dein Geschäft hier sein, was es wollte, du kommst gelegen, dem Wettfahren beizuwohnen, das der Staat selber morgen gibt.«
»Wirst du beim Rennen dabeisein?«
»Georgio oder ich, unterm Schutz des heiligen Theodor. Der Preis ist eine silberne Gondel für den, der durch Glück oder Geschicklichkeit den Sieg davonträgt.«
»Gino!« sagte eine befehlende Stimme neben dem Gondoliere.
»Signore.«
Der Mann, der das Gespräch unterbrochen hatte, deutete auf das Boot, ohne weiter ein Wort zu sagen.
»A rivederti«, murmelte der Gondoliere in Hast. Sein Kamerad drückte ihm ganz freundschaftlich die Hand – denn eigentlich waren sie geborene Landsleute, obgleich das wandelbare Schicksal den einen in die Kanäle geführt hatte –, und im nächsten Augenblick ordnete Gino die Kissen für seinen Herrn, nachdem er zuvor seinen ihm unterstellten Rudergesellen aus tiefem Schlaf geweckt hatte.
Inhaltsverzeichnis
Als Don Camillo Monforte in die Gondel getreten war, setzte er sich nicht in die Kajüte. Einen Arm auf das Dach des Baldachins gelehnt, den Mantel nachlässig über eine Schulter geworfen, stand der junge Edle in Gedanken vertieft, bis seine geschickten Dienstleute das Fahrzeug mitten aus der kleinen Flotte, die sich am Kai drängte, losgewirrt und ins offene Wasser gebracht hatten. Nach diesem ersten Geschäft griff Gino an seine Scharlachmütze und sah seinen Herrn fragend an, des Befehls gewärtig, nach welcher Richtung er rudern solle. Eine stillschweigende Bewegung, die auf den Canale Grande deutete, diente zur Antwort.
»Du setzest eine Ehre darin, Gino, deine Geschicklichkeit in der Regatta zu zeigen?« bemerkte Don Camillo nach einer kleinen Weile. »Dies Streben verdient durch Erfolg belohnt zu werden. Du sprachst da mit einem Fremden, als ich dich zur Gondel rief?«
»Ich erkundigte mich, was es auf unseren kalabrischen Höhen Neues gäbe, bei einem, der mit seiner Feluke in den Hafen kam, obgleich er beim heiligen Januarius geschworen hatte, daß seine vorige unglückliche Reise hierher die letzte sein sollte.«
»Wie nennt er seine Feluke, und wie heißt der Padrone?«
»Das Schiff heißt ›La bella Sorrentina‹ und wird von einem gewissen Stefano Milano, dem Sohn eines alten Dieners auf Sant’ Agata, kommandiert. Was die Schnelligkeit anbetrifft, ist das Schiff keins der schlechtesten und gilt auch für ziemlich schön.«
Der Edle schien jetzt dem Gespräch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, da er es bisher in dem gleichgültigen Tone geführt hatte, mit dem ein herablassender Vorgesetzter seinen Untergebenen zu ermuntern pflegt.
»›La bella Sorrentina‹. Sollte ich nicht das Fahrzeug kennen?«
»Ei freilich, Signore! Der Padrone hat Verwandte zu Sant’ Agata, wie ich Ew. Exzellenz berichtet habe, und sein Schiff hat manch frostigen Winter beim Schlosse auf dem Strand gelegen.«
»Was führt ihn nach Venedig?« »Wenn ich das erfahren könnt, ich gab meine neueste Livreejacke drum. Es ist gerade meine Sach nicht, mich um anderer Leute Tun zu kümmern, und freilich wohl ist Bescheidenheit die Haupttugend eines Gondoliere. Indes ich brachte so ‘nen geheimen Wink über sein Gewerb hier an, wie alte Nachbarn wohl mögen, da war der Mensch aber so zurückhaltend, als hätt er die Beichten von fünfzig Christenseelen in Fracht genommen. Aber wenn’s Ew. Exzellenz gelegen ist, mir Vollmacht zu geben, ihn auszufragen, so müßt’s ja mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht so mit dem Respekt vor Ew. Exzellenz und mit guter Manier etwas mehr von ihm herausbrächten als einen falschen Frachtzettel?«
»Du magst unter meinen Gondeln eine zur Regatta auswählen, Gino!« bemerkte der Herzog von Sant’ Agata und trat in die Kajüte, wo er sich auf die glatten, schwarzledernen Kissen warf, ohne weiter auf das Geschwätz seines Dieners zu achten.
Geräuschlos flog die Gondel dahin in jener gespenstischen Weise, die dieser Art von Fahrzeugen eigen ist. Gino, der, als der Vorgesetzte seines Gehilfen auf dem kleinen, geschweiften Verdeck des Hinterteils stand, bewegte sein Ruder mit gewohnter Behendigkeit und Geschicklichkeit, indem er das leichte Boot bald zur Rechten, bald zur Linken schwenken ließ, während es zwischen den zahllosen entgegenkommenden Barken von allerlei Form und Bestimmung hindurchglitt. Ein Palast nach dem andern und mancher von den Hauptkanälen, die nach den verschiedenen Schauspielhäusern und den übrigen Vergnügungsorten führten, die sein Herr zu besuchen pflegte, blieben dahinten, ohne daß Don Camillo eine neue Anweisung gab. Endlich befand sich das Boot einem Hause gegenüber, das mehr als gewöhnliche Erwartung zu erregen schien. Giorgio führte sein Ruder nur mit einer Hand und sah über seine Schulter nach Gino, und dieser ließ das seinige gemächlich auf dem Wasser schleppen. Beide schienen weiteren Befehl zu erwarten, nach Art jener mechanischen Übereinstimmung mit der Gewohnheit des Gebieters, die ein lang gebrauchtes Pferd in der Nähe einer Tür zu zeigen pflegt, die sein Herr selten unbesucht läßt.
Das Gebäude, das die Gondolieri so zögern machte, war eine von den Wohnungen Venedigs, die durch äußere reiche Verzierung ebensosehr auffallen als durch ihre seltsame Lage mitten im Wasser. Ein plumper, massiver Sockel von Marmor wurzelte so fest in der Flut, als wüchse er aus lebendigem Felsen, während Stockwerk auf Stockwerk merklich aufgesetzt war, in mutwilliger Anwendung der eigensinnigsten Regeln einer ausschweifenden Architektur, sich bis zu einer Höhe hinauftürmend, wie man sonst nur an Palästen der Fürsten zu sehen gewohnt ist. Kolonnaden, Medaillons und massive Karniese schwebten über dem Kanal, als hätte menschliche Kunst einen Stolz darein gesetzt, in der schweren Fülle des oberen Baues das unstete Element an seinem Fuße zu höhnen. Eine Reihe Stufen, an die jede leichte, von der vorüberfahrenden Barke erregte Wallung eine Welle antrieb, führte zu einem geräumigen Hausflur, der in verschiedener Beziehung die Dienste eines Hofraums tat. Zwei bis drei unbemannte Gondeln, die dicht dabei lagen, zeigten, daß sie für den Gebrauch der Hausbewohner da waren.
»Wohin belieben Ew. Exzellenz?« fragte Gino, als er merkte, daß sein Zögern keinen weiteren Auftrag bewirkte.
»Nach dem Palazzo!«
Giorgio warf einen Blick der Verwunderung auf seinen Kameraden, jedoch die folgsame Gondel schoß, wie auf plötzlichen inneren Antrieb, an der düsteren, aber reichen Wohnung vorüber. Einen Augenblick darauf drehte sie sich seitwärts, und an dem hohlen Rauschen, wie es Wasser zwischen hohen Mauern erzeugt, war zu merken, daß man in einen engeren Kanal einfuhr. Mit verkürzten Rudern ließen die Leute das Boot nach vorwärts gehen, jetzt in einen neuen Kanal kurz einbiegend, jetzt unter einer niedrigen Brücke hinschlüpfend, jetzt das bei Bootsleuten des Landes übliche helle, aber wohlklingende »già è« ausstoßend, das den Entgegenschiffenden zur Warnung dient. Bald jedoch wandte Gino mit einer Rückbewegung des Ruders den Bord des gehemmten Fahrzeugs einer kleinen Treppe zu.
»Folge mir«, sagte Don Camillo, indem er seinen Fuß mit gewohnter Vorsicht auf die nassen Steine setzte, und legte eine Hand auf Ginos Schulter. »Ich habe einen Auftrag für dich.«
Weder der Hausflur noch der Eingang und was sonst von der Wohnung zunächst in die Augen fiel, verriet so viel Pracht und Reichtum als jener Palast im großen Kanal, doch war immer noch die Wohnung eines Edelmanns von Bedeutung daran zu erkennen.
»Du wirst wohltun, Gino, dein Glück der neuen Gondel anzuvertrauen«, sagte der Herr, die schweren Steinstufen zu einem oberen Flur hinansteigend, und wies auf ein neues, schönes Boot, das in einem Winkel der geräumigen Halle lag, wie man etwa anderswo Kutschen im Hofe stehen sieht. »Du weißt, Freund, wer Gunst finden will bei Jupiter, muß selber Hand ans Werk legen.«
Ginos Auge glänzte vor Freude, und er ergoß sich in Danksagungen. Der erste Flur war erreicht, und schon befanden sich die beiden in einer Reihe düsterer Gemächer, ehe sich die Dankbarkeit und der Handwerksstolz des Gondoliere hinlänglich Luft gemacht hatten.
»Mit einem tüchtigen Arm und einer behenden Gondel kannst du so gut siegen, Gino, als ein anderer«, sagte Don Camillo, indem er die Tür schloß, sobald sein Diener im Zimmer war. »Jetzt kannst du mir einen neuen Beweis von deinem Eifer in meinem Dienste geben. Ist dir ein Mann namens Jacopo Frontoni persönlich bekannt?«
»Exzellenz!« rief der Gondoliere, nach Luft schnappend.
»Ich frage dich, ob du einen, der Frontoni heißt, von Angesicht kennst?«
»Von Angesicht, Signore?«
»Woran sonst wolltest du einen Mann erkennen?«
»Einen Mann, Signor Don Camillo!«
»Hast du deinen Herrn zum besten, Gino? Ich habe dich gefragt, ob dir ein gewisser Jacopo Frontoni von Person bekannt ist, der hier in Venedig wohnt?«
»Ja, Exzellenz!«
»Ich meine den, der längst durch das Unglück seiner Familie bekannt ist; sein Vater soll auf der dalmatischen Küste oder anderswo in Verbannung leben.«
»Ja, Exzellenz!«
»Es gibt viele dieses Namens, es ist daher wichtig, daß du den rechten Mann nicht verfehlst. Der Frontoni, den ich meine, heißt Jacopo, ist ein junger Mann von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, hat eine behende Gestalt, ein schwermütiges Gesicht und kein so lebhaftes Wesen, als man in seinen Jahren zu haben pflegt.«
»Ja, Exzellenz!«
»Er unterhält nur wenig Umgang mit seinesgleichen und zeichnet sich mehr durch ein schweigsames Betreiben seiner Geschäfte als durch die gewöhnlichen Tändeleien und Vergnügungen von Leuten seines Schlages aus. Also, ein gewisser Jacopo Frontoni, der irgendwo in der Nähe des Arsenals wohnt, ist’s, den ich meine.«
»Cospetto! Herr Herzog, uns Gondolieri ist der Mensch so bekannt wie die Rialtobrücke, Exzellenz brauchen sich mit seiner Beschreibung nicht zu mühen.«
Don Camillo suchte unter den Papieren in seinem Schreibtische. Bei der Bemerkung seines Dieners blickte er etwas überrascht auf, fuhr dann aber gelassen wieder fort zu suchen, indem er sagte: »Wenn dir der Mann bekannt ist, desto besser.«
»Ja, Exzellenz! Und was ist Ihr Begehren von diesem verwünschten Jacopo?«
Der Herzog von Sant’ Agata schien jetzt das Gesuchte gefunden zu haben, legte die umhergeworfenen Papiere wieder zusammen und schloß den Schreibtisch zu.
»Gino«, redete er nun seinen Diener in einem vertrauten und freundschaftlichen Tone an, »du bist auf meinen Gütern geboren, und obgleich in Venedig zum Schiffer erzogen, so hast du doch dein Leben in meinem Dienste zugebracht.«
»Ja, Exzellenz!«
»Es ist mein Wunsch, daß du dein Leben beschließen sollst, wo du es begannst. Ich hab in deine Verschwiegenheit bisher immer viel Vertrauen gesetzt, und es freut mich, sagen zu können, daß es mich nie getäuscht hat, wiewohl du Zeuge warst von einigen meiner Jugendtaten, die deinem Herrn manche Verlegenheit zuziehen konnten, wenn du minder verschwiegen warst.«
»Ja, Exzellenz!« Don Camillo lächelte, aber dies heitere Aufleuchten machte schnell einem ernsten und besorgten Blicke Platz.
»Da du den Mann kennst, den ich dir genannt habe, so ist unser Geschäft einfach. Nimm dies Paket«, sagte er und legte einen versiegelten Brief von mehr als gewöhnlicher Größe in die Hand des Gondoliere, zugleich einen Siegelring vom Finger ziehend, »und dies zum Wahrzeichen deiner Sendung. In dem Bogen des Dogenpalastes, der zum Kanal San Marco führt, unter der Seufzerbrücke, wirst du Jacopo finden. Gib ihm das Paket, und sollte er es wünschen, so zeige ihm auch den Ring. Erwarte sein Geheiß und bringe mir Antwort.«
Gino vernahm diesen Befehl mit vollkommener Ehrerbietung, aber mit unverhohlenem Schrecken. Die gewohnte Unterwerfung unter den Willen seines Herrn schien in ihm mit tiefem Abscheu gegen das ihm aufgetragene Geschäft zu kämpfen. Es zeigte sich sogar in seinem wenn auch unterwürfigen Zaudern eine Spur davon, daß der Grund zu seinem Widerwillen tiefer lag. Wenn dem Don Camillo der Blick und die Gebärdung seines Dieners überhaupt nicht entgingen, so tat er doch, als merkte er nichts.
»Beim gewölbten Durchgange des Palastes unter der Seufzerbrücke«, sagte er nochmals kaltblütig. »Mach, daß du zeitig hinkommst, möglichst kurz vor der ersten Stunde der Nacht.«
»Ich wollte, Signore, es hätte Euch beliebt, Giorgio und mir zu befehlen, Euch nach Padua zu fahren.«
»Das ist weit. Warum hast du mit einem Male Lust, dich so müde zu machen?«
»Weil es da auf den Wiesen keinen Dogenpalast gibt und keine Seufzerbrücke und keinen Hund von Jacopo Frontoni.«
»Mein Auftrag ist dir nicht genehm, aber du sollst wissen, daß ein treuer Diener gewissenhaft auszuführen hat, was ihm sein Herr befiehlt. Du bist geboren auf meinem Grund und Boden, Gino Monaldi, und obgleich du von Jugend auf dies Geschäft eines Gondoliere versehen hast, bist du doch eigentlich mein Vasall in Neapel.«
»St. Januarius verleih mir Dankbarkeit für solche hohe Ehre, Signore! Aber es gibt keinen Wasserhändler in den Straßen von Venedig und keinen Schiffer auf den Kanälen, der nicht diesen Jacopo überall hin wünschte, nur nicht in Abrahams Schoß. Er ist der Schrecken aller jungen Liebhaber und aller dringenden Gläubiger auf den Inseln.«
»Du siehst, einfältiger Schwätzer, daß es noch von den ersteren einen gibt, der sich nicht vor ihm fürchtet. Du suchst ihn auf unter der Seufzerbrücke, zeigst ihm den Siegelring und übergibst ihm das Paket, wie ich dir befohlen habe.«
»Ich bin um meine ganze Ehre, wenn man mich mit dem gottlosen Kerl reden sieht. Erst gestern sagte Annina, die hübsche Tochter des alten Weinhändlers auf dem Lido, in Jacopo Frontonis Gesellschaft gesehen zu werden sei ebenso schlimm, als wenn einer zweimal dabei ertappt wird, altes Tau aus dem Arsenal zu entwenden, wie es ihrer Mutter Vetter, dem Roderigo, erging.«
»Dein Gleichnis schmeckt nach der Moral vom Lido. Vergiß nicht, den Ring zu zeigen, damit er deiner Botschaft nicht mißtraue. «
»Hätte mir Ew. Exzellenz nicht befehlen können, die Flügel des Löwen zu kappen oder ein besseres Gemälde zu malen als Tiziano di Vezelli? Es ist mir in den Tod zuwider, auch nur gegrüßt zu werden von einem von Euern Kehlabschneidern. Sah mich einer von unsern Gondolieri mit dem Manne reden, Ew. Exzellenz’ ganzer Einfluß reichte nicht hin, mir einen Platz bei der Regatta zu verschaffen.«
»Wenn er dich bleiben heißt, Gino, so warte ab, was ihm beliebt, wenn er dich aber gleich wieder fortschickt, so eile zurückzukommen, damit ich Bescheid erhalte.«
»Ich weiß sehr wohl, Signore Don Camillo, daß die Ehre eines Edelmannes von zarterer Natur ist als die seines Bedienten und daß ein Fleck auf der seidenen Senatorsrobe weiter gesehen wird als der Schmutz auf einer Livreejacke. Wenn aber einer, der Ew. Exzellenz’ Aufmerksamkeit nicht wert ist, eine Beleidigung gewagt hat, sind Giorgio und ich jederzeit bereit, zu beweisen, wie sehr es uns am Herzen liegt, daß unseres Herrn guter Name nicht angetastet werde. Aber so ein Mietling für zwei oder zehn oder auch hundert Zechinen!« »Ich danke dir für den Wink, Gino. Geh schlafen in deine Gondel und schicke Giorgio in mein Kabinett.«
»Signore!«
»Bist du denn entschlossen, keinen von meinen Aufträgen auszuführen? «
»Befehlen Ew. Exzellenz, daß ich auf dem Fußweg zur Seufzerbrücke gehe oder durch die Kanäle?«
»Du könntest einer Gondel bedürfen – zu Wasser.«
»Ehe sich ein Gaukler umdrehen kann, soll Antwort da sein von Jacopo.«
So seine Absicht plötzlich ändernd, verließ der Gondoliere das Zimmer; sein Widerwille verstummte augenblicklich, als er sah, daß ein anderer das ihm vom Herrn geschenkte Vertrauen genießen sollte. Er stieg schnell eine geheime Treppe hinunter, um den Hausflur zu vermeiden, wo ein halbes Dutzend Dienstleute verschiedentlich beschäftigt war. Ein enger Korridor des Palastes führte ihn in einen inneren Hof und dann durch eine niedrige, unscheinbare Tür in einen dunklen Weg, der mit der nächsten Straße zusammenhing.
Es ist der Fehler der meisten Beschreibungen von Venedig, daß sie von den Kanälen viel zu rühmen wissen, aber nichts melden von den stillen, engen, gepflasterten, bequemen Straßen, die alle Inseln durchschneiden und miteinander durch zahllose Brücken; zusammenhängen.
In eine von diesen Straßen gelangte Gino, als er aus dem geheimen Gange trat, der zu dem Palast seines Herrn führte. Er brach sich durch die hin und her ziehende Menge Bahn, geschickt wie ein Aal, der sich durch die Wucherpflanzen der Lagunen schmiegt. Nickend nur beantwortete er die häufigen Grüße seiner Kameraden und hemmte seinen schnellen Schritt erst, als er in einem Stadtviertel, das Leute geringen Standes bewohnten, in die Tür einer niedrigen dunklen Wohnung trat. Zwischen Fässern, Tauwerk und Wegwurf aller Art umhertappend, gelang es dem Gondoliere, eine innere versteckte Tür zu finden, die in ein kleines Zimmer führte, das sein Tageslicht nur aus einer Art Spalt zwischen diesem und dem Nachbarhause erhielt.
»Gebenedeite St. Anna! Bist du’s, Gino Monaldi!« rief eine lebhafte venezianische Dirne, in deren Ton und Gebärde sich Koketterie und Erstaunen mischten. »Zu Fuß und durch die geheime Tür. Ist dies eine Stunde zu Geschäften deiner Art?«
»Du hast recht, Annina. Zu einem Handel mit deinem Vater ist es nicht Zeit, und für einen Besuch bei dir ist es zu früh. Aber hier gilt’s nicht schwatzen, sondern tun. Gib mir die Jacke, die ich trug, als wir miteinander zu der Lustbarkeit nach Fusina gingen. «
»Ich weiß nichts von deinem Handel, Gino, und von deinen Gründen, die Livree deines Herrn mit dem Anzug eines gemeinen Schiffers zu vertauschen. Diese seidenen Blumen stehen dir viel besser als der verblichene Samt, und wenn ich den einmal gelobt habe, so geschah es bloß, weil es eben auf die Lustbarkeit abgesehen war, und …«
»Zitto, zitto! Hier gibt’s nichts von Lustbarkeit, sondern eine wichtige Sache, die gleich zu Ende gebracht werden muß. Die Jacke, wenn du mich lieb hast.«
Annina warf das Kleidungsstück auf einen Stuhl und zeigte deutlich, daß ihr ein Bekenntnis dieser Art auch im unbewachtesten Augenblick nicht zu entlocken war.
»Wenn ich dich lieb habe? O ja! Da hast du die Jacke, Gino, und du magst dir in den Taschen die Antwort auf den Brief suchen, den du von des Herzogs Schreiber hast anfertigen lassen, was mir aber nicht lieb ist. Ein Mädchen muß vorsichtig sein in dergleichen Angelegenheiten, man weiß ja nicht, ob es nicht einen Nebenbuhler zum Vertrauten macht.«
»Jedes Wort darin ist so ehrlich, als hätt’s der Teufel selber für mich besorgt, Mädchen!« brummte Gino, indem er seine geblümte Jacke abwarf und die einfachere geschwind anzog. »Die Mütze, Annina, und die Maske!«
»Eine so falsche Physiognomie wie deine bedarf doch nicht erst des seidenen Läppchens, um sich zu verstecken«, sagte sie, ihm demungeachtet beides hinwerfend.
»Gut so – Pater Baptista selber, der sich rühmt, er könne einen Sünder von einem Reuigen durch den bloßen Geruch unterscheiden, soll doch in diesen Kleidern nicht Don Camillo Monfortes Diener ahnen! Sind deines Vaters Gondeln alle im Wasser?«
»Wie sollt er denn sonst nach dem Lido gekommen sein und mein Bruder nach Fusina und die zwei Arbeitsleute an ihre gewöhnlichen Geschäfte auf den Inseln, oder woher sollt ich sonst allein im Hause sein?«
»Diavolo! Ist kein Boot im Kanal?«
»Du hast ungewöhnliche Eile, Gino, jetzt mit deiner Maske und Samtjacke! Ich weiß nicht, ob ich einen darf in meines Vaters Haus hereinlassen, wenn ich allein bin, daß er dann so verkleidet und zu dieser Tageszeit fortschleiche. Du mußt mir deinen Auftrag sagen, damit ich urteilen kann, ob das zulässig ist.«
»So höre! Du hast von dem Abenteuer gehört, das meinem Herrn mit der Nichte des römischen Marchese begegnete, der in die Giudecca fiel durch die Unvorsichtigkeit eines Ankonafahrers, der über die Gondel hinging, als wäre seine Feluke eine Galeere von erstem Range gewesen.«
»Seit einem Monat spricht man ja hier auf dem Lido von nichts anderem; die aufgebrachten Gondolieri haben die Geschichte mit allen möglichen Variationen schon bis zum Überdruß wiederholt.«
»Gut, diese Sache, scheint’s, wird heut nacht zu Ende kommen. Mein Herr, fürcht ich, wird einen rechten Narrenstreich ausführen.«
»Sich trauen lassen?«
»Oder noch was Schlimmeres. – Ich soll möglichst schnell und heimlich einen Priester holen.«
Annina hörte mit großer Teilnahme dem Märchen des Gondoliere zu. Aber, war es mißtrauisches Temperament oder alte Gewohnheit oder Bekanntschaft mit der Art und Weise ihres Gefährten, genug, es regten sich in ihr einige Zweifel an der Wahrheit der Geschichte.
»Das wird ein sehr plötzliches Hochzeitsfest sein!« sagte sie nach einer Pause, »‘s ist gut, daß nur wenig dazu gebeten sind, sonst möchten die Dreihundert die Freude verderben! Zu welchem Kloster bist du geschickt?«
»Ich hab keinen bestimmten Auftrag. Der erste beste kann’s sein, wofern er ein Franziskaner ist und ein Priester, der Herz hat für Liebende, denen Eile not tut.«
»Don Camillo Monforte, der Erbe eines alten, berühmten Gechlechts, vermählt sich nicht mit so wenig Umständen. Dein Lügenmaul, Gino, hat mich betrügen wollen, aber du solltest doch längst wissen, wie du damit bei mir unrecht ankommst. Sag mir die Wahrheit oder sollst nicht an dein Geschäft kommen, sondern hier mein Gefangener bleiben, solang mir’s beliebt.«
»Vielleicht, daß ich dir nicht von Geschehenem geredet habe, sondern was ich denke, daß binnen kurzem geschehen wird! Aber Don Camillo hat mich neuerlich so auf dem Wasser erhalten, daß ich fast alles im Traume tue, sobald ich nicht beim Ruder bin.«
»Du suchst mich umsonst zu hintergehen, Gino! Denn dein Auge sagt mir die Wahrheit, und wenn deine Zunge und dein Hirn wer weiß wohin geraten. Trink da einen Schluck und entlaste dein Gewissen als ein Mann.«
»Ich wollte, dein Vater machte mit Stefane Milano Bekanntschaft«, sagte der Gondoliere nach einem langen Atemzuge und noch längerem Trunk. »Das ist ein Padrone aus Kalabrien, der oft köstliches Getränk aus seiner Gegend in den Hafen bringt und der dir ein Faß roten Lacrimae Christi durch den Broglio selbst schafft, ohne daß es ein einziger von den Herren gewahren soll. Der Mann ist gegenwärtig hier, und wenn du willst, so könntet ihr bald um einige Schläuche handelseins werden.«
»Nun, und warum nicht jetzt gleich? Seine Feluke, sagst du, ist im Hafen, und du kannst ihn ja herführen durch die geheime Tür und die Gäßchen.«
»Du vergißt mein Geschäft. Don Camillo ist nicht gewohnt, zuletzt bedient zu werden. Cospetto! ‘s war ein Jammer, wenn ein anderer den Wein bekäme, den der Kalabrese gewiß heimlich mitgebracht hat.«
»Dein Geschäft kann nicht so dringend sein als das, einen Wein von so besonderer Güte zu erlangen, oder wenn ja, so magst du erst deines Herrn Auftrag besorgen, und dann zum Hafen und Stefano aufgesucht. Damit wir um den Kauf nicht kommen, will ich selber eine Maske nehmen und mit dir gehn, um den Kalabresen zu sprechen. Du weißt, mein Vater hat in solchen Angelegenheiten viel Zutrauen zu mir.«
Während Gino über diesen Vorschlag halb verdutzt und halb erfreut dastand, wechselte die hurtige, verschmitzte Annina einige ihrer Kleidungsstücke, nahm eine seidene Maske vors Gesicht, verschloß sorgfältig die Tür und hieß den Gondoliere ihr folgen.
Der Kanal, mit dem die Wohnung des Weinhändlers in Verbindung stand, war eng, düster und wenig befahren. Eine Gondel der einfachsten Art lag dicht beim Hause angebunden, das Mädchen sprang ohne weitere Umstände hinein. Don Camillos Diener zauderte nur einen Augenblick, denn er merkte, daß der Plan, der ihm durch den Kopf fuhr, mit Hilfe einer andern Gondel zu entfliehen, unausführbar war, weil es an Gerät fehlte, und so nahm er seinen gewöhnlichen Platz im Hinterteil des Fahrzeugs ein und fing an, mit mechanischer Geläufigkeit zu rudern.
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Anninas Gegenwart setzte Gino sehr in Verlegenheit. Sobald sich das Boot dem Ende des Kanals näherte, schaute er umher, die wohlbekannte Feluke des Kalabresen zu suchen.
Der Hafen war von Schiffen aus sehr entfernten Gegenden belebt, und man sah die Flaggen der meisten Seemächte Europas in angemessenen Entfernungen innerhalb der Grenzen des Lido. Der Mond stand hoch genug, um sein mildes Licht über das schimmernde Bassin zu ergießen.
»Du verstehst nichts von der Schönheit eines Schiffes, Annina«, sagte der Gondoliere, der tief hinten im Boote stand, »sonst hätt ich dir geraten, diesen Fremden von Kandia anzusehen. Ein schönerer Bau soll nie innerhalb des Lido gesehen worden sein als eben dieser Grieche.«
»Wir haben nichts mit dem Kaufmann von Kandia zu schaffen, Gino, darum rudre nur zu, die Zeit eilt.«
»Er hat viel herben griechischen Wein im Raume, aber wie du sagst, wir haben nichts mit ihm zu tun. Jenes stolze Schiff, das abgesondert liegt von den übrigen kleinen Fahrzeugen unsrer Gewässer, gehört einem Ketzer von den englischen Inseln, ‘s war ein Unglückstag für die Republik, Mädchen, an dem sie diesen Fremden zuerst erlaubte, das Adriatische Meer zu befahren.«
»Ist’s denn gewiß, Gino, daß San Marcos Arm stark genug war, es ihnen zu verwehren?«
»Element! Ich wollte, du tätest eine solche Frage nicht an einem Ort, wo so viele Gondeln in Bewegung sind! Hier sind Ragusaner, Malteser, Sizilianer, Toskaner in Unzahl, und dort liegt an der Einfahrt der Giudecca eine kleine Anzahl französischer Schiffe dicht beieinander, ‘s ist ein Volk, das zu Wasser und zu Lande immer zusammenhält, weil’s das Schwatzen liebt. Doch hier sind wir am Ende unsrer Fahrt.«
Ginos Ruder machte eine Rückbewegung, und die Gondel hielt neben einer Feluke still.
»Einen guten Abend der ›Bella Sorrentina‹ und ihrem ehrenwerten Padrone«, grüßte der Gondoliere, indem er auf das Verdeck des Schiffes trat. »Ist der wackere Stefano Milario an Bord der behenden Feluke?«
Der Kalabrese antwortete ohne Verzug, und in wenigen Augenblicken war der Padrone mit seinen beiden Gästen in ein Gespräch vertieft.
»Ich hab dir hier jemanden gebracht, der Lust hat, gute venezianische Zechinen in deine Tasche zu schaffen, caro«, sagte der Gondoliere, nachdem die ersten Vorläufer der Unterhaltung in bester Form erledigt waren. »Es ist die Tochter eines höchst reellen Weinhändlers und ist ebenso bereit, eure sizilianischen Trauben in die Inseln zu versetzen, als sie imstand und gesonnen ist, sie zu bezahlen.«
»Und gewiß auch ebenso schön«, sagte der Seemann mit plumper Galanterie, »wenn die schwarze Wolke vor ihrem Antlitz behend weggezogen würde.«
»Eine Maske hindert nicht beim Handel, sofern nur ordentlich bezahlt wird. Wir haben hier in Venedig immerwährend Karneval, und der Käufer wie der Verkäufer hat es frei, sein Gesicht zu verstecken, so gut als seine Gedanken. Was hast du im Artikel verbotener Weine, Stefane, damit meine Gefährtin den Abend nicht mit müßigen Worten verliere?«
»Per Diana! Meister Gino, du bist ohne Umstände in deinen Fragen. Der Raum der Feluke ist leer, wie du dich überzeugen kannst, wenn du die Treppe runtersteigen willst. Was aber Wein anbelangt, so lechzen wir nach einem Tropfen, unser Blut zu wärmen.«
»Statt also herzukommen, ihn hier zu suchen«, sagte Annina, »hätten wir besser getan, nach der Kathedrale zu gehen und ein Ave zu beten für deine glückliche Heimfahrt. Und nun, da unser Witz aus ist, wollen wir gehen und einen andern suchen, der weniger pfiffig im Antworten ist als du, Meister Stefano.«
»Cospetto! Du weißt nicht, was du sprichst«, flüsterte Gino, als er sah, daß die vorsichtige Annina nicht bleiben wollte, »der Mann besucht nicht die kleinste Bucht in Italien, ohne auf eigne Rechnung etwas Nutzbares in der Feluke versteckt mitzubringen. Ein einziger Kauf von ihm entscheidet die Frage, ob deines Vaters Weine oder die von Baptista besser sind.«
Annina ward nachdenklich. Die lange Übung in dem kleinen, aber geheimen und überaus gefährlichen Handel, den ihr Vater, trotz der wachsamen und strengen venezianischen Polizei, bisher glücklich geführt hatte, machte ihr es einerseits bedenklich, einem gänzlich Unbekannten ihre Absicht zu zeigen, andererseits aber ein Geschäft aufzugeben, wobei etwas zu gewinnen sein konnte. Daß Gino sie in bezug auf seinen Auftrag geäfft hatte, war ganz klar, da ein Diener des Herzogs von Sant’ Agata nicht leicht einer Verkleidung bedürfen konnte, um so einen Priester aufzusuchen, doch kannte sie seine Sorge für ihr persönliches Wohl zu gut, um ihm in einer Sache zu mißtrauen, die ihre eigene Sicherheit anging.
»Wenn du Furcht hast, daß hier Polizeispione sind«, sagte sie zu dem Padrone in einem Tone, der ihren Wunsch verriet, »so kann dich Gino leicht enttäuschen. Bezeug ihm doch, Gino, daß mich bei einem Geschäfte der Art kein Verdacht eines Verrats treffen kann.«
»Laß mich dem Kalabresen ein Wort ins Ohr sagen«, erwiderte der Gondoliere mit Nachdruck. – »Stefano Milano, wenn du mein Freund bist«, sprach er, als sie ein wenig beiseite getreten waren, »so verwickle das Mädchen hier in eine Unterredung und handle mit ihr auf gut Glück.«
»Soll ich ihr Don Camillos Weinernte oder die des Vizekönigs von Sizilien verkaufen, caro?«
»Wenn du wirklich trocken bist, so stelle dich wenigstens, als hättest du was, und mach Schwierigkeiten mit dem Preis. Halte sie nur eine Minute mit Redensarten hin, daß ich inzwischen unbemerkt in meine Gondel kommen kann, und dann, einem alten geprüften Freund zuliebe, bringe sie sänftiglich auf den Kai mit der schönsten Manier, die nur möglich ist.«
»Aha! Ich fange an, den Sinn von der Sache zu begreifen«, sagte der gefällige Padrone. »Ich will mit dem Frauenzimmer eine Stunde lang von der Blume meines Weines oder, wenn du willst, von ihrer Schönheit schwatzen, aber aus den Rippen der Feluke einen Tropfen Besseres als Lagunenwasser pressen, wäre ein Wunder San Teodoros würdig.«
»Du brauchst nicht eben von was anderm zu sprechen als von der Güte des Weines. Sie nimmt’s bald übel, wenn man von ihrem Äußeren schwatzt.«
»Da sich Gino offenherzig über die Sache ausgelassen hat«, nahm der gewandte Kalabrese das Wort, als hätte er plötzlich Zutrauen gefaßt, »so fang ich an zu glauben, daß wir doch noch einig werden können. Beehrt mich, schöne Donna, in meine arme Kajüte zu treten, da wollen wir mit Ruhe sprechen, wie es unser beiderseitiger Vorteil und unsere beiderseitige Sicherheit erfordern.«
Annina hatte im stillen wohl Bedenklichkeiten, dennoch aber ließ sie sich vom Padrone an die Stufen führen, als täte sie es mit der größten Bereitwilligkeit. Kaum wandte sie den Rücken, so schlüpfte Gino in die Gondel, die ein einziger Druck seines kräftigen Arms über eines Mannes Sprungweite vom Schiffe abtrieb. So schnell und geräuschlos dies geschah, hatte Anninas eifersüchtiges Auge dennoch die Flucht des Gondoliere entdeckt. Nicht imstand, diese zu verhindern, ließ sie sich, ohne Unruhe zu verraten, hinunterführen, als wäre alles so verabredet gewesen.
Mit einer Geistesgegenwart, die zufällig mit dem Plan ihres vorigen Gefährten zusammentraf, warf sie hin: »Gino sagte mir, Ihr hättet ein Boot, das mir nach beendigter Unterredung den freundlichen Dienst erweisen würde, mich an den Kai zu setzen.«
»Die Feluke selber sollte es tun, wenn andre Mittel fehlten«, versetzte der Seemann galant, als sie in die Kajüte eintraten.
Gino, nunmehr ungehindert, seine Schuldigkeit zu tun, betrieb seine Arbeit mit verdoppeltem Eifer. Das leichte Boot glitt durch die geschickte Handhabung des einzigen Ruders zwischen den vielen Fahrzeugen in solchen Windungen hin, daß alles Zusammenstoßen vermieden ward, bis er in den engen Kanal einfuhr, der den Dogenpalast von dem in schönerem und gediegenerem Stil erbauten Gefängnisse der Republik trennt.
Er passierte erst die Brücke, die zur Verbindung der Kais gehört. Darauf stahl er sich unter jenen berühmten Bogen, den Träger einer bedeckten Galerie, die das obere Stockwerk des Palastes mit dem des Kerkers vereinigt. Es ist dies der Gang, durch den die Gefangenen geführt werden, um vor ihren Richtern zu stehen, und man hat ihm deshalb den Namen der Seufzerbrücke gegeben.
Ginos Ruder ließ jetzt ein wenig nach, und die Gondel näherte sich einer Treppe. Indem er auf die unterste Stufe trat, warf er einen kleinen, eisernen Anker, der an einem Tau hing, in eine Spalte zwischen zwei Steinen und überließ sein Boot der Sicherheit dieser eigentümlichen Befestigung. Darauf schritt er die Stufen unter dem gewölbten Wassertor des Palastes hinauf und trat in den weiten, düsteren Hof.
Dieser war beinahe ganz menschenleer, denn es war spät, und alles zog sich nach dem dicht dabei gelegenen, munter belebten Platze. In der offenen Galerie am Eingang der Riesentreppe schritt ein Hellebardier auf und nieder, und hier und da scholl der Fußtritt anderer Schildwachen unter den gewölbten, schweren Bogen der langen Korridore. Aus den Fenstern blinkte kein Licht, sondern das Gebäude gab ein passendes Bild jener geheimnisvollen Macht, die das Geschick Venedigs und seiner Bürger leitete.
Da der Gondoliere die Hoffnung, seinen Mann unter dem Bogen zu finden, getäuscht sah, ging er weiter; er schmeichelte sich, ihn gar nicht mehr zu treffen, und das ermutigte ihn, durch ein lautes Hm! seine Gegenwart bemerklich zu machen. In diesem Augenblick glitt von der Seite des Kais eine Gestalt in den Hof und ging schnell bis in dessen Mitte. Ginos Herz pochte heftig, aber er nahm sich zusammen und trat dem Fremden entgegen. Da zeigte das Mondlicht, das auch in diesen düstern Raum drang, daß der Fremde ebenfalls maskiert war.
»San Teodoro und San Marco mögen Euch behüten«, hob der Gondoliere an. »Wenn ich mich nicht irre, seid Ihr der Mann, den ich hier treffen soll.«
Der Fremde stutzte und schien sich anfangs schnell davonmachen zu wollen, besann sich aber plötzlich und entgegnete: »Kann sein oder auch nicht. Nimm die Maske ab, daß ich sehen kann, ob dem so ist, wie du sagst.«
»Mit Eurer gütigen Erlaubnis, würdiger und werter Herr, möchte ich’s vorziehen, die Abendluft abzuhalten durch dies Stückchen Pappe und Seidenzeug.«
»Hier ist keiner, dich zu verraten. Wenn ich nicht weiß, wer du bist, wie soll ich dir traun?«
»In der Tat, Signore, ich weiß wohl, was ein unmaskiertes Gesicht vermag, und drum bitt ich Euch selbst, mir zu zeigen, was die Natur an Eure Gesichtsbildung gewendet hat, denn ich, der ich Euch was anzuvertrauen habe, muß erst wissen, ob es an den rechten Mann kommt.«
»Das ist gut und zeugt von deiner Klugheit, doch hab ich nicht Lust, meine Maske abzulegen, und da wenig Aussicht ist, daß wir uns verständigen werden, so will ich meiner Wege gehn. Schöne gute Nacht.«
»Cospetto! Signore, Ihr seid zu eilig für mich, der ich an solche Unterhandlungen nicht gewöhnt bin. Hier ist ein Siegelring, der uns vielleicht verständigen kann.«
Der Fremde nahm das Juwel und hielt es gegen das Mondlicht, wobei sich Überraschung und Vergnügen in seiner Bewegung verrieten.
»Das ist der Falkenbusch des Neapolitaners – dessen, der Herr von Sant’ Agata ist.«
»Ja, und von manchen andern Lehen, guter Signore, nicht zu gedenken der Ehrenstellen, auf die er in Venedig Anspruch hat. Hab ich recht, daß mein Auftrag Euch angeht?«
»Es ist wahr, daß mein gegenwärtiges Geschäft eben niemanden betrifft als Don Camillo Monforte. Aber dir war doch nicht bloß aufgetragen, den Ring vorzuzeigen?«
»O nein, hier ist ein Paket, das nur darauf wartet, daß ich über die Person dessen, mit dem ich rede, Gewißheit erlange, um es in seine Hände zu geben.«
Der Fremde dachte einen Augenblick nach, dann, umherblickend, sprach er hastig: »Hier ist nicht der Ort, Freund, sich zu demaskieren. Wart hier, ich will gleich wiederkommen und dich an einen gelegeneren Platz führen.«
Kaum waren diese Worte gesprochen, so sah sich Gino allein mitten im Hofe. Der maskierte Fremde war schnell fortgegangen und befand sich schon am Fuße der Riesentreppe, ehe der Gondoliere Zeit hatte, sich zu besinnen. Mit leichtem, schnellem Schritt und ohne den Hellebardier zu beachten, stieg er hinauf und näherte sich der ersten von den drei bis vier Öffnungen der Mauer, die berühmt sind als die Behälter zur Aufnahme geheimer Anklagen und denen die geschnitzten Tierköpfe umher den Namen der Löwenrachen gegeben haben. Er warf etwas in den gähnenden Marmorschlund hinab; die Entfernung und die Dunkelheit der Galerie verhinderten Gino, zu bemerken, was es war. Darauf aber sah er die Gestalt wie einen Schatten die massiven Stufen hinunterschweben.
Gino hatte sich nach dem Bogen des Wassertores zurückgezogen und erwartete, daß sich der Fremde im Schutze des Schattens zu ihm gesellen würde, er sah aber zu seiner großen Bestürzung, die Gestalt durch das äußere Portal des Palastes dem St.-Markus-Platz zueilen. Im Augenblick jagte er ihm mit atemloser Eile nach. Er erreichte die glänzende, munterbelebte Piazza, die gegen den düsteren Hofraum abstach wie Tag gegen Nacht. Hier sah er, wie ganz vergeblich eine weitere Verfolgung des Fremden sein würde. Doch, geängstigt durch den Verlust des Siegelringes, warf sich der unvorsichtige, aber ehrliche Gondoliere in die dichte Volksmenge und suchte umsonst seinen Dieb aus tausend Masken herauszufinden.
Gino musterte mit wachsamen Augen die Menge. Fünfzigmal war er im Begriff zu reden, und ebensooft zeigte ihm eine kleine Verschiedenheit des Wuchses oder Anzugs, ein Gelächter oder ein leicht hingeworfenes Wort, daß er sich geirrt hatte. Er drang bis zum Ausgang der Piazza, dann nahm er seinen Weg zur andern Seite durch das Gedränge des Portikus, blickte in jedes Kaffeehaus und betrachtete jeden Vorübergehenden, bis er wieder zurück zur Piazetta gelangte. Da fühlte er seinen Ellbogen leicht gestreift und hemmte seinen Schritt, indem er sich umsah. Ein Frauenzimmer, gleich einer Contadina gekleidet, redete ihn mit verstellter Stimme an: »Wohin so schnell? Was hast du in diesem lustigen Haufen verloren?«
»Corpo di Bacco!« rief der Gondoliere. »Ist dir nicht ein Domino begegnet, der etwa so aussieht wie andere ordentliche Leute und einen Gang hat ungefähr wie ein Senator oder ein Padre und der eine Maske trägt, die tausend andern hier auf dem Platze so ähnlich ist wie eine Seite des Campanile der andern?«
»Du zeichnest den Mann so vortrefflich, daß man ihn nicht verfehlen kann. Da steht er neben dir.«
Gino drehte sich geschwind um und sah an dem Orte, wo er den Fremden zu finden gedachte, einen grinsenden Harlekin Possen treiben.
»Deine Augen, schöne Contadina, sind so blöd wie die eines Maulwurfs.« Er unterbrach seine Worte, denn sobald die, die ihn angeredet hatte, sah, daß sie sich in der Person geirrt hatte, war sie verschwunden. So immerfort getäuscht, drängte er sich dem Wasser zu. Endlich erreichte er einen Platz am Kai, der mehr Raum für Beobachtungen darbot. Er blieb stehen, unentschlossen, ob er zurückkehren und seinem Herrn seine Unvorsichtigkeit eingestehen oder ob er den Versuch zur Wiedererlangung des eingebüßten Ringes noch einmal erneuern sollte. Auf dem leeren Raum zwischen den beiden Granitpfeilern befand sich niemand als er und noch ein anderer, der regungslos wie eine Bildsäule am Fußgestell des Löwen von San Marco stand. Zwei oder drei streiften dicht an dem unbeweglichen Fremden hin, sei es aus Neugier, sei es, weil sie jemanden suchten, der sich hier einfinden sollte, aber wie zurückprallend von seiner Steinphysiognomie, glitten sie vorüber. Da Gino mehrmals dies auffallende Zurückschrecken vor dem Unbekannten bemerkt hatte, fühlte er sich bewogen, sich diesem über den Platz hin zu nähern und die Ursache zu erforschen. Beim Schalle der Tritte drehte sich der Fremde ein wenig um, und als das volle Mondlicht jetzt auf seine Züge fiel, zeigten sich dem Gondoliere das ruhige Gesicht und forschende Auge dessen, an den er abgeschickt war.
Zuerst durchzuckte den Gondoliere wie alle andern die Lust, sich schnell zu entfernen, aber er gedachte seines Auftrags und seines Verlustes und suchte seinen Widerwillen und seine Bestürzung zu bemeistern. Noch sprach er nicht, sondern starrte nur den Banditen mit einem Blick an, der zugleich die Verwirrung seines Gemüts und halbe Lust zur Anrede kundgab.
»Willst du was von mir?« fragte Jacopo, da sich beide länger angesehen hatten, als beim zufälligen Hinblicken zu geschehen pflegt.
»Meines Herrn Siegelring!«
»Ich kenne dich nicht.«
»Dies Bild San Teodoros, wenn es reden könnte, müßte bezeugen, daß ich die heilige Wahrheit sage. Ich hab die Ehre nicht, Euch bekannt zu sein, Signore Jacopo, aber man kann auch mit einem Fremden Geschäfte haben. Wenn Ihr es wart, der mit einem friedlichen und unschuldigen Gondoliere im Hofe des Palastes zusammentraf, eben als der Turm der Piazza das letzte Viertel schlug, und von diesem einen Ring erhielt, der keinem als dem rechtmäßigen Eigentümer was nützen kann, so wird ein so edelmütiger Mann nicht anstehen, ihn zurückzugeben.«
»Hältst du mich für einen Juwelier vom Rialto, daß du von Ringen mit mir sprichst?«
»Ich halte Euch für einen Mann, der gar wohl bekannt und geschätzt ist bei vielen Leuten von Rang und Bedeutung hier in Venedig, wie der Auftrag meines Herrn an Euch beweisen kann.«
»Nimm die Maske ab. Ehrliche Leute brauchen das Gesicht nicht zu verstecken.«
»Ihr sprecht gar sehr wahr, Signore Frontoni, was nicht zu verwundern ist, da Ihr so oft Gelegenheit habt, in die Handlungsweise der Menschen zu schauen. Aber mein Gesicht hat nichts, das die Mühe verlohnte, es anzusehen, und ich möchte gern wie alle andern tun in dieser lustigen Zeit, wenn’s Euch beliebt.«
»Wie du willst. Ich bitt dich aber, laß mich desgleichen tun.«
»Wer wollte so verwegen sein, Euch Euer Belieben streitig zu machen, Signore?«
»Mir beliebt, allein zu sein.«
»Cospetto! Kein Mensch in Venedig hülf Euch lieber dazu als ich, wenn nur meines Herrn Auftrag besorgt wäre«, murmelte Gino zwischen den Zähnen. »Ich habe hier ein Paket, Signore, das ich Euch und keinem andern abgeben soll.«
»Ich kenne dich nicht. – Hast du einen Namen?«
»So wie Ihr’s meint, eben nicht, Signore! In der Art von Ruf bin ich so namenlos wie ein Findelkind.«
»Wenn dein Herr nicht mehr bedeutet als du, so kann das Paket zurückgegeben werden.«’
»‘s gibt wenige im Gebiet von San Marco, die edleren Stammes sind und schönere Aussichten haben als der Herzog von Sant’ Agata.«
Die Kälte in den Zügen des Banditen verschwand.
»Wenn du von Don Camillo Monforte kommst, warum zögerst du, mir das zu sagen? Was verlangt er?«
»Ich weiß nicht, ob das, was in diesem Papiere steht, von ihm selber ist oder von irgendeinem andern, aber so, wie es da ist, Signore Jacopo, ward mir befohlen, es Euch abzuliefern.«
Er nahm schweigend das Paket, der Blick aber, den er auf das Siegel und die Aufschrift warf, schien dem schüchternen Gondoliere der Blick eines Tigers zu sein, der Blut sieht,
»Du sprachst was von einem Ringe. Hast du den Siegelring deines Herrn mitgebracht? Ich bin gewohnt, Wahrzeichen zu sehen, ehe ich Zutrauen fasse.«
»Wollte Gott, ich hätt ihn noch! Aber jemand, den ich fälschlich für Euch hielt, Meister Jacopo, hat ihn an seinem eigenen langen Finger, fürcht ich.«
»Das magst du mit deinem Herrn ausmachen«, erwiderte der Bandit kalt und betrachtete das Siegel von neuem.
»Wenn Ihr die Handschrift meines Herrn kennt«, fiel der Gondoliere hastig ein, der für das Schicksal seines Pakets fürchtete, »so werdet Ihr in diesen Zügen seine schöne Hand erkennen. Wenig Leute in Venedig oder gar in ganz Sizilien schreiben eine bessere Hand mit ihrem Gänsekiel als Don Camillo Monforte. Ich selbst kann’s nicht halb so schön machen.«
»Ich bin kein Schreiber«, sagte der Bandit, ohne sich dieses Geständnisses zu schämen. »Ich hab’s nicht gelernt, solche Schreiberei zu entziffern. Wenn du die Kunst so gut verstehst, sag mir, an wen die Aufschrift lautet.«
»Es wäre sehr unziemlich, auch nur ein Silbchen auszusprechen von den Geheimnissen meines Herrn«, erwiderte der Gondoliere, sich plötzlich eine Hintertür suchend. »Es ist hinlänglich, daß er mir befahl, den Brief abzugeben; außerdem auch nur ein wenig zu flüstern wäre gar sehr anmaßend.«
Das dunkle Auge des Banditen rollte über die Gestalt seines Gefährten hin, daß diesem das Blut aus den Adern entwich.
»Ich sage dir, lies laut den Namen, der auf diesem Papier steht«, rief Jacopo in strengem Ton. »Hier ist keiner, uns zu behorchen, als der Löwe und der Heilige da über unsern Köpfen.«
»Gerechter San Marco! Wer kann sagen in Venedig, welches Ohr offen ist und welches geschlossen! Wenn’s Euch beliebt, Signore Frontoni, wollen wir die Untersuchung auf eine passendere Gelegenheit aufschieben.«
»Freund, ich laß mich nicht zum Narren haben! Den Namen, oder zeig mir irgendein Pfand, daß du von dem kommst, den du mir nennst, sonst nimm dein Paket zurück, ‘s ist kein Geschäft für mich.«
»Denkt einen Augenblick an die Folgen, Signore Jacopo, und beschließt nicht so hastig.«
»Es kann keine Folgen haben, eine solche Botschaft abzuweisen!«
»Per Dio, Signore! Der Herzog wird Lust haben, mir kein Ohrzipfelchen zu lassen, um Vater Battistas Rat anzuhören.«
»So wird der Herzog dem Henker eine Müh sparen.«
Mit diesen Worten warf der Bandit dem Gondoliere das Paket vor die Füße und fing an, langsam die Piazetta hinaufzugehen. Gino hob den Brief auf, und sein Hirn wirbelte von der Anstrengung, einen von seines Herrn Bekannten auszudenken, an den ein Brief bei solcher Gelegenheit gerichtet sein konnte.
»Ich wundre mich, Signore Jacopo«, sagte er, »daß ein so kluger Mann wie Ihr nicht daran denkt, daß ein Paket, das an ihn angegeben wird, auch an ihn selbst adressiert sein muß.«
Der Bandit nahm das Papier und hielt die Schrift gegen das Mondlicht.
»Das ist nicht der Fall… Ich kann nicht lesen, aber die Züge meines Namens hat mich die Notdurft schon kennengelehrt.«
»Diamine! So geht mir’s auch, Signore. Wenn der Brief an mich gerichtet wäre, so wollte ich’s so geschwind erkennen wie die Alte ihr Junges.«
»Du kannst also nicht lesen?«
»Ich hab nie Anspruch drauf gemacht. Auch hab ich nur ein bißchen vom Schreiben gesprochen. Die Gelehrsamkeit teilt sich, wie Ihr wohl wißt, Meister Jacopo, in Lesen, Schreiben und Rechnen; man kann wohl das eine verstehen, ohne ein Wörtchen vom andern zu wissen.«
»Das hättest du gleich sagen sollen. Geh, ich will die Sache bedenken.«
Gino war froh loszukommen; er hatte aber kaum einige Schritte getan, so sah er eine Frauengestalt hinter einer der Granitsäulen hervorgleiten. Indem er sich geschwind so drehte, daß er entdecken konnte, wer es wäre, der vermutlich gehorcht hätte, sah er, daß Annina Zeugin gewesen war von seinem Gespräch mit dem Banditen.
Inhaltsverzeichnis
Während jenes lebendigen Treibens auf der Piazza San Marco lag der Überrest der Stadt still und einsam im Lichte des Mondes, der so hoch stand, daß sein Schein zwischen die Häuser fiel und hier und da auch die Oberfläche des Wassers flimmernd berührte. Zuweilen entfaltete ein Blick seines Lichtes auf die schweren Karniese eines Palastes den merkwürdigsten Kontrast finsterer Einsamkeit von innen und glänzend reicher Architektur des äußern Gebäudes. Zu einem von diesen Edelsitzen führt uns jetzt unsere Erzählung.
Eine schwerfällige Pracht herrschte in der Bauart des Hauses. Der geräumige Flur war massiv gewölbt, die marmornen Stufen breit und schwer. Die Zimmer überraschten durch Bildwerk und Vergoldung, und die Wände waren reichlich geschmückt mit unzähligen Meisterwerken der größten italienischen Künstler. Die kühlen, schönen Mosaikfußböden von den kostbarsten Marmorarten vollendeten den stolzen Stil, der Glanz und Geschmack vereinigte.
Das Gebäude, das auf zwei Seiten unmittelbar aus dem Wasser hervorstieg, hatte in der Mitte, wie gewöhnlich, einen dunkeln Hof. Den verschiedenen Seiten des Hauses folgend, konnte man durch manche zu dieser Stunde dem kühlen Zug der Seeluft geöffnete Tür in die langen Reihen der mit wahrhaft königlicher Pracht ausgestattetem Gemächer blicken, in denen umschattete Lampen ein sanftes, angenehmes Licht verbreiteten.