Der Clown in uns - David Gilmore - E-Book

Der Clown in uns E-Book

David Gilmore

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Beschreibung

In uns allen schlummert ein Clown. Doch wie können wir die Fähigkeit entwickeln, das Leben in ein Spiel zu verwandeln und es als Spiel begreifen? David Gilmore lädt uns ein, den Clown in uns zu entdecken. Dann spüren wir nicht nur Lebendigkeit und Freude, sondern können auch mit konkreten Lebenssituationen gelassener umgehen.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Zwei Welten

Das Wesen der Null

Die Welt der Null und die Welt der Prägung

Die Wahl der Wirklichkeit – Die Wahl des Humors

Die rote Nase als Hilfe zum Narrensprung

Die Null erkennen und stärken

Humor als Prozess seelischer Gesundheit

Lebensfreude und Lebenslust üben

Lachen als natürlicher Ausdruck

Gefühle, Sinne und Stimmung wahrnehmen und erleben

Sich auf Begegnung einlassen

Wertschätzung

Das Wagnis des Ausdrucks

Wir sind unser Körper

Der Ausdruck und die Null

Das unbekümmerte Spiel, Spaß und Kreativität

Kreativität und das Spiel des Moments

Improvisation und authentischer Ausdruck

Spiel, Komik und der Clown im Alltag

Übertreibung und die Lust am Stolpern

Komik – die Mechanik des Humors

Spiel und Komik im Alltag entdecken

Risiko, Routine und Rollen – Lust am Scheitern?

Der Umgang mit Schwächen

Routinen, Brüche und die Freiheit, Fehler zu machen

Scheitern als Chance

Wünsche erfüllen – eine Übung für den Alltag

Die Prägung und der Ernst der Maske

Wo das Lachen aufhört oder: Die Aggression hinter dem Lächeln

Der Ernst unserer programmierten Muster und Dogmen

Teufelskreise

Wie wir uns wiederholen

Wie wir in der Welt wirken

Die Reaktionskette

Ich bin das Opfer und ich habe recht

Spaß am Theater des Alltags

Der spielerische Umgang mit Teufelskreisen, Programmen und Mustern

Die Komik in der Vergeblichkeit

Die Krise auf die Spitze treiben

Der Umgang mit Grenzen, Widersprüchen und Tabus

Inszenierung, Wiederholung, Übertreibung und Reduktion

Du hast recht!

Humor und Enttäuschung oder: Die Entmystifizierung des Alltags

Die Kunst, nicht zu reagieren

Menschen zum Lachen bringen

Die Freiheit des Esels und die Angst vor der Freiheit

Der Narrensprung

Humor im Alltag – eine Umgewöhnung

Das Feuer des Herzens – Vision, Sinn, Begeisterung

Literaturhinweise

Einleitung

Mit diesem Buch möchte ich Menschen an ihren Humor, an ihr Lachen und an ihre Lebenslust erinnern – die eigene Kraft des Lachens wachrufen. Ich möchte die Leser darin unterstützen, Leichtigkeit und Freude im Alltag zu erleben, mit Lebenssituationen humorvoll und mit sich selbst fürsorglich umzugehen. Humor kann uns an unsere Freude, Hoffnung und Inspiration führen, weil wir Lebensfreude als unsere Kernerfahrung erkennen.

Menschen humorvoll, spielerisch und würdevoll zu begegnen bedeutet, sie in ihrem Kern, in ihrem Wesen ernst zu nehmen und sie wertzuschätzen. Wir können dann die Seiten ihrer Prägung, die uns stören oder aufstoßen, nicht nur besser ertragen, sondern sie von einer humorvollen Seite sehen. Das heißt, wir fangen an, die spielerische, veränderbare Natur des Lebens zu sehen und die Grenzen zu erkennen, die wir uns selbst auferlegen.

Unsere Grenzen fangen im Kopf an und drücken unseren Versuch aus, das Leben in eine für uns verständliche Form zu bringen, ihm einen Sinn und eine Richtung zu geben. Je mehr wir unsere eigenen Grenzen leben und richtig finden, umso mehr verkörpern wir sie, erleben sie, wiederholen sie. Sie werden zu unserem Ernst – sie werden zu einer Normalität, die wir nicht infrage stellen.

Einen Sinn für einfühlsame Komik im Alltag zu entwickeln heißt, uns wertzuschätzen, unseren Wert zu schätzen, unsere Würde ernst zu nehmen und dem natürlichen Humor, dem natürlichen Lachen freien Lauf zu lassen. Es heißt auch, unsere Lebensspiele weniger ernst zu nehmen, dafür aber zu merken, was wir wirklich brauchen, und uns das auch zu geben. Es heißt, uns als Geschenk zu sehen und uns nicht so wichtig zu nehmen. Es heißt, ein ganzes Stück bescheidener zu werden und ein ganzes Stück mutiger, bis wir und die Menschen um uns herum die Kraft unseres Lachens als selbstverständlicher Ausdruck unserer natürlichen Lebensfreude und unserer Spiellust entdecken und die verschiedenen Facetten des Humors als normalen Bestandteil unseres alltäglichen Lebens ansehen. Aus dieser Sicht wird das Lachen zu einer Kraft, die uns hilft, mit den Herausforderungen des Lebens und mit den Hindernissen des Alltags besser fertig zu werden.

In Seminaren frage ich die Teilnehmer, was sie sich für sich wünschen. Sie geben mir immer wieder eine sehr klare Beschreibung ihrer Vorstellungen: Sie wollen gesund und froh sein. Sie wünschen sich mehr Gelassenheit und Entspannung, mehr Vertrauen und Lebendigkeit, mehr Zufriedenheit, mehr Leichtigkeit. Sie wollen unbekümmert und spontan sein. Sie wollen mehr »Pfeffer«, mehr Energie und Neugierde in ihrem täglichen Leben. Sie wollen natürlich und authentisch sein. Sie wollen ihre Talente finden und Entscheidungen treffen können. Sie wollen privat und beruflich ein erfülltes Leben und den Freiraum und die Unterstützung dazu. Sie wünschen sich Aufgaben, die sie erfüllen und durch die sie anderen nützlich sind. Sie wollen in ihrem privaten und beruflichen Leben eine Erweiterung und eine Vielfalt erleben. Sie wollen auch mit schwierigen Situationen und mit Hindernissen humorvoll, spielerisch und leicht umgehen können. Sie verbinden das alles mit dem Grundbedürfnis, mehr lachen zu können.

Schon bei der Beschreibung ihrer Wünsche fühlen sie sich offen, belebt, angeregt, neugierig und lustvoll. Sie spüren die »Null« in sich, indem sie die eigenen Lebenswünsche ausdrücken und sich die Erfüllung schon bildhaft vorstellen. Mit »Null« meine ich den freien inneren Raum, unsere Lebendigkeit und die Lebensenergie in uns allen. Humor ist – aus meiner Sicht – der direkte Ausdruck unserer Lebendigkeit oder der Versuch, unsere innere Freiheit jenseits unserer besonderen Prägungen immer wieder herzustellen, besonders dann, wenn unser natürliches Lachen verloren geht.

Viele meiner Seminarteilnehmer merken, dass sie immer wieder an Grenzen stoßen und dass sie das Lachen auch verlieren können. Manchmal ist es klar, wie das gekommen ist – sie haben einen lieben Menschen verloren durch Tod oder durch Trennung oder sie haben den Verlust des Arbeitsplatzes hinnehmen müssen. Sehr oft haben sie das Gefühl, sich selbst im Wege zu stehen, und begreifen nicht, wie das geschieht. Sie tragen oft ganz alte Geschichten mit sich herum. Oder sie meinen, eigentlich mehr vom Leben haben zu können, trauen sich aber nicht das einzufordern. Sie spüren, »in mir ist mehr«, aber sie finden so viele Gründe, weshalb sie das nicht ernsthafter verfolgen. Vielleicht trauen sie sich noch vor sich selbst, dem nachzugehen, aber nicht mehr vor anderen. Manche merken, wie steif sie sind oder dass sie sich einfach zu wenig Lebenslust erlauben. Manche haben von sich eine schlechte Meinung. Manche lassen sich von den Meinungen anderer verunsichern. Manchmal haben sie auch körperliche Symptome entwickelt, die sie beunruhigen, stören oder behindern. Manche merken schon, dass sie sich wie im Kreise drehen, oder haben von sich zu viel abverlangt, und sind einfach erschöpft. Und manche vermuten: Den Clown in sich zu finden, das könnte so etwas sein wie ein neuer Lebensweg, eine grundsätzliche Änderung in der Lebenshaltung.

Ob Sie mehr den Humor, mehr das Lachen, mehr die Komik, mehr den Clown oder mehr den Narren in den Vordergrund stellen, ob sie nur einfach »besser leben« oder eine sinnvollere Aufgabe finden wollen: Sie ahnen, hier geht es darum, in einem anderen Sinne sich zu »lösen« und eine grundsätzlich andere Haltung, eine spielerische, freundlichere Haltung sich selbst, anderen und ihrem Leben in der Welt gegenüber zu entwickeln. Egal, wie viel Sie lesen oder wie viele Seminare Sie besuchen, egal, wie viele Ausbildungen Sie gemacht haben, entscheidend ist letzten Endes: Setzen Sie auch um, was Sie gelernt haben?

Entscheidend für die Entwicklung von Humor und eine spielerische Haltung zum Leben ist die Fähigkeit zu »springen«. Zu springen bedeutet für mich, aus der »Null« zu handeln. Das kann heißen: sich zu zeigen, sich zu äußern, etwas zu wagen. Manchmal vollzieht sich ein Sprung zunächst innerlich. Wenn es wirklich ein Sprung ist, dann hat er Wirkung. Springen heißt auch: absichtlich wirken. Ein Narrensprung ist ein Sprung, bei dem wir nicht genau wissen, wo der Sprung uns hinführt. Ein Narrensprung vertraut auf das, was wir »die Stimme des Herzens« nennen – er ist ein beherzter Sprung. Ein Narrensprung ist ein Sprung ins Feuer – und das Feuer wärmt und begeistert. Er ist ein Sprung ins kalte Wasser – und das Wasser belebt. Er ist ein Sprung in die Luft – und die Luft inspiriert uns, haucht uns zu. Wenn er oder sie so springt, landet ein Narr oder eine Närrin mit beiden Beinen auf dem Boden, auf der Erde.

In diesem Sinne hat ein Narr keinen »Sprung in der Tasse«, ihm fehlen nicht die »Tassen im Schrank«. Sondern er springt für etwas, was sein Herzt bewegt. Manchmal springt er erst, wenn ihm keine andere Wahl bleibt und ihm alle anderen Wege verschlossen sind. Und vielleicht ist es tatsächlich Zeit, die Tassen im Schrank auszuräumen und sie zerscheppern zu lassen!

So wünsche ich Ihnen mit diesem Buch einen guten Sprung!

Zwei Welten

Das Wesen der Null

Es gibt wohl viele Antworten auf die Frage: Wer sind wir?

Wir sind körperlich. Wir fühlen und wir denken. Wir handeln, wir entscheiden und bestimmen. Wir versuchen auch einen Sinn im Leben zu finden. Aber unsere Kernerfahrung ist doch: Wir leben. Das Leben können wir nicht erklären, vielleicht bestenfalls beschreiben. Wir leben und sind Teil des Lebens.

Wie wir leben, was wir tun, was wir denken, was wir fühlen und welche Ziele uns begeistern und unseren Lebenslauf bestimmen, das ist für mich erst einmal zweitrangig. Zuerst ist das Leben. Ich nenne alles, was ist, die »Null«. Das sehe ich als unsere Kernerfahrung, die wir direkt erleben und die uns niemand erklären muss. Erst dann wird das Leben durch uns geprägt. Wir nehmen einen bestimmten Standpunkt ein, werden an einem bestimmten Ort geboren, lernen eine bestimmte

Sprache und Kultur und unsere Eltern vermitteln ihre höchstpersönliche Art, wie man leben soll und wie sie es gerne hätten, dass wir leben.

Zunächst also leben wir. In uns ist Lebensenergie und Freude ist eine Form von Lebensenergie. Warum spreche ich in dem Zusammenhang aber von der »Null«? Weil die Prägungen durch Kultur und Familie dazu führen, dass wir oft nicht den Menschen an sich sehen, der lebt, sondern das Was, Wie und Woher. Wir übernehmen Meinungen über die damit verbundenen Unterschiede und trennen uns voneinander. Wir fühlen uns manchmal sogar von uns selbst getrennt.

Manche Kulturen können mit dem Begriff »Null« etwas ganz Konkretes verbinden, zum Beispiel Indianerkulturen, die von der »Zero« sprechen. Sie haben sogar professionelle »Nullen«: Clowns, die ihre Gemeinschaft mit ihrem Spiel und mit ihren Späßen beleben. Sie schätzen diejenigen sehr, die sie als »Null« oder »Zero« anerkennen. Auch in unserer Kultur hat der Clown oder der Narr einen Stellenwert. Wer uns dennoch »eine Null«, einen »Clown« oder einen »Narren« nennt, meint das oft nicht als Anerkennung oder als lohnenswertes Lebensziel – im Gegenteil. Stattdessen ist es besser, »jemand« zu werden. Dazu werden wir alle angehalten. Was wir aber unter »jemand« oder »Null« verstehen, kann sich so radikal unterscheiden, dass daraus ernsthafte gesellschaftliche Konflikte entstehen können.

Der Narr und der Clown – eine genauere Unterscheidung zwischen beiden Formen erfolgt später im Kapitel »Wo das Lachen aufhört oder: Die Aggression hinter dem Lächeln« (Seite 98 ff.) – erinnern uns an das Leben, das uns eint. Sie erinnern uns daran, dass das Leben an sich das Wichtigste ist, nicht unsere besondere Auffassung davon und nicht die eigene Wichtigkeit. Sie erinnern uns an die Lebenslust und an die Lebensfreude, an das Spiel und an das Lachen. Sie erinnern uns durch ihr Spiel daran, dass wir das Wesentliche vergessen, wenn wir uns und unsere Auffassungen vom Leben zu ernst nehmen. Im Spiegel unseres Lachens und eines gemeinsamen Spiels können wir das Verbindende entdecken und uns von der »Welt der Prägung« (siehe unten) lösen.

Die Null ist also das Leben, das Lebendige in uns – und das Leben »lacht«. Was für eine Freude überkommt uns, ein Neugeborenes zu erleben! Es muss nicht ein-mal unser eigenes Kind sein.

Wer aus seinem ungeprägten Selbst lebt, gilt als »natürlich«, »echt«, »lebendig«, »spontan« und »in Kontakt«. Wer sich auch noch für das Unbekannte interessiert, gilt als »neugierig«, »abenteuerlustig« und »mutig«. Wer sich direkt äußert ohne Rückhalt oder Hintergedanken und die Gefühle direkt zeigt, gilt als »ehrlich« und »aufrichtig«. Wer andere Menschen direkt anspricht, sich in sie hineinversetzen kann, sie wertschätzt, wird als »einfühlsam«, »offen« und »gefühlvoll« bezeichnet. Und sollte diese Person noch dazu energievoll und freundlich, voller Hoffnung und Vertrauen sein, selbst wenn sie traurig ist, dann ist sie »glücklich«. Es liegt nahe, dass ein solcher Mensch auch »humorvoll« sein müsste. Das Strahlen seiner Augen drückt sich ebenfalls in seinem Körper aus, er lacht gerne und jedes Lachen lässt ihn noch lebendiger werden. Seine Gefühle »fließen«. Er hat »Humor«, denn er lacht einfach so, weil er lebt. Er erlebt sich in diesem Augenblick als »Null«.

Das freie Lachen, der Humor und die Lebenslust werden von den meisten Menschen wertgeschätzt, nur werden diese Eigenschaften oft als Folgen des materiellen Erfolgs oder des Glücks angesehen und nicht als Grundeigenschaft des Menschen, die jedem offensteht. Bilder von »glücklichen« Frauen und Männern sehen wir jeden Tag in Zeitschriften und in der Werbung. Wir lernen dabei die Geschichten von Filmstars, Leistungssportlern, von Berühmtheiten aller Art kennen, die in unserer Gesellschaft gefeiert werden. Ob diese Bilder aber wirklich stimmen? Wir haben sicher recht, misstrauisch zu sein, ob die Realität hinter diesen Bildern genauso glücklich und strahlend ist. Genauso gut lassen sich die Geschichten der Schattenseiten und der Misserfolge solcher Persönlichkeiten verkaufen.

Doch zurück zur Null. »Null« heißt auch: nicht vorherbestimmt. Somit verbindet uns die Null mit der Welt des Kindes, das wir einmal waren. Was wir als Kind selbstverständlich taten, die Welt durch die Sinne und durch Spiel kennenzulernen, bleibt in uns wach, solange wir leben. Wir spielen bis ins hohe Alter hinein. Als Erwachsene sind unsere Spiele meistens Sportarten, Wettbewerbe, Kartenspiele und Gesellschaftsspiele. Die meisten Menschen lieben auch Witze, erzählen sie oder hören sie gerne, sie lachen mit Freunden oder über die Situationskomik im Alltag. Als Kind wollen wir die Welt jedoch mit allen Sinnen entdecken. Wir kennen die Welt noch nicht und können sie nur direkt erleben, vielleicht sogar mit Sinnen, die so fein sind, dass wir sie später als Erwachsene nicht mehr wahrnehmen. Als Kind spüren wir unsere Bedürfnisse unmittelbar und drücken sie sofort aus. Unsere Gefühle »fließen«. Damals haben wir uns körperlich durch Bewegung erfahren. Wir haben uns von uns aus gefreut und brauchten menschlichen Kontakt, Halt und Wärme sowie körperliche und seelische Nahrung, um zu gedeihen und uns zu freuen. Diese kindliche Energie wandelt sich zwar mit der Zeit und mit dem Wachsen, aber die Lebendigkeit und Freude, die wir mit auf die Welt bringen, bleibt, und unsere Bedürfnisse bleiben auch, egal, wie alt wir sind.

Wenn wir die eigene Lebendigkeit spüren, wenn wir echten Kontakt und Halt erleben, bei dem wir uns nicht verstellen müssen, lächeln wir sofort – es sei denn, wir haben gelernt, Angst vor unserer eigenen Lebendigkeit zu bekommen. Diese Sicht der Welt muss voller Energie und Hoffnung sein. Die Freiheit des Ausdrucks und des Handelns wird in unserer Kultur als Grundrecht anerkannt – es sei denn, wir haben uns daran gewöhnt, unfrei zu sein, und überlassen Entscheidungen und Verantwortung lieber anderen.

Eine humorvolle Lebenshaltung ist daher ein Zeichen wahrer innerer Freiheit, bei der wir ehrlich, mutig, freudig und frei sind, indem wir offen sein und in Beziehung leben können, in dem unsere Gefühle und Wünsche anerkannt sind und wir sie äußern und leben können. Eine humorvolle Haltung erkennt an, dass es verschiedenste Wege und verschiedenste Menschen gibt, auch wenn uns die Eigenarten dieser Verschiedenheiten merkwürdig oder gar abstoßend vorkommen. Sie geht davon aus, dass mich mehr mit dem (mir fremden) anderen als Mensch verbindet als mich von ihm trennt. Humor zeigt sich unter anderem darin, mit anderen über sich selbst frei zu lachen. Humor in meinem Sinne drückt unsere Verbundenheit und unsere Teilhabe am Leben aus, ohne dass wir uns dafür verstellen müssen und schafft auch den Raum und die Stimmung dafür. Nur so ist unser Lachen authentisch – nur so sind wir echte Nullen.

Die Welt der Null und die Welt der Prägung

Stellen Sie sich zwei grundverschiedene Erfahrungswelten in uns vor: eine »Welt der Null« (A), in der unsere Grundbedürfnisse befriedigt werden, Lebendigkeit spüren, in der wir für Kontakt, Begegnung und Beziehung offen sind, in der wir uns den Freiraum nehmen, authentisch zu sein, und den Moment wertschätzen. Stellen Sie sich daneben eine zweite Welt vor (B), die als durch einen Filter erlebt wird, durch den ich mich und die Welt sehe, durch den ich reagiere, denke und fühle, durch den ich meine Meinungen und meine Begründungen bilde.

Stellen Sie sich eine Welt A vor, in der die Menschen sich direkt begegnen, in der wir uns anlächeln, wenn unsere Blicke sich begegnen. Sie ist die Welt des freien, unbeschwerten, spielerischen Raumes, in dem die Dinge ohne Wertung gesehen werden können. Das ist der Raum, aus dem die Fähigkeit zum Humor entsteht. Wenn Humor ein freies Lachen auslöst, sind wir sofort wie selbstverständlich in dieser Welt und sind befähigt und bereit – wenn auch nur für einen Moment –, die Welt aus dieser natürlichen, ungetrübten Lebenshaltung zu sehen. Dies ist wie ein innerer Narrensprung, der sich durch das Lachen äußert. Das setzt Menschen voraus, die Lebendigkeit, Begegnung und Freiheit an die erste Stelle setzen und die Lebendigkeit, Begegnung und Freiheit bei anderen wertschätzen, die durchlässig sind und sich mit sich und der Welt verbunden fühlen, die spontan und neugierig sind und sich freuen, am Leben zu sein.

Die Welt B braucht man sich gar nicht vorzustellen. Die kennen wir gut genug. Sie ist die Welt unserer täglichen Routinen und Gewohnheiten, unserer geprägten Reaktionen, die Welt unseres Denkens und unserer Erfahrung. Ich finde es wichtig, diese beiden Welten A und B voneinander zu unterscheiden. Welt A ist wie ein unbeschriebenes Blatt, das wir immer sind, wenn wir spontan und direkt sind. Welt B ist wie ein beschriebenes Blatt, das anscheinend keinen Platz für Neues hat.

Wie die beiden Welten A und B aus meiner Sicht zusammenspielen, will ich gerne anhand eines Bildes beschreiben. Stellen Sie sich vor, ein großer Kreis stellt den ganzen Menschen dar: mit Körper, Denken, Fühlen – der emotionale Haushalt unserer Reaktionen und Stimmungslage – Wille, Begeisterung und Lebenslust. Wenn der Kreis durchlässig ist, stehen uns unsere Möglichkeiten ganz zur Verfügung. Wir stehen in einem ständigen Austausch mit unserem Inneren und mit der Außenwelt. Eine Wirkung findet ständig auf je-der Ebene statt. Wenn diese Aspekte in einer guten Beziehung zueinander stehen, fühlen wir uns »in unserer Mitte« und spüren auch die Lebenskraft, die Lebensgeister, die wir mitbekommen haben. In der »Null-Welt« (A) sind wir zu 100 Prozent körperlich und fühlend. Wir sind »im Fluss«, erleben im Moment. Wir schöpfen aus dem Vollen, freuen uns und sind zum Spielen und Lachen aufgelegt. Wir genießen es, am Leben zu sein.

Wenn wir offen lachen, ist der Filter aus der Welt B weg, viel leicht nur für einen Moment, vielleicht für länger – wie die Blende einer Kamera, die aufgeht und sich wieder schließt. Je mehr wir die gelernten Muster wahrnehmen, umso mehr können wir mit ihnen spielen. Das Lachen wirkt dabei oft wie eine Art »Kurzschluss« zwischen Denken, Fühlen und Sinn. Wenn wir vom »Herzen« oder vom »Bauch« aus lachen, wird die ganzkörperliche Erfahrung des Lachens spürbar.

Wichtig ist beim Lachen, ob es das Herz ist, das lacht (die Welt A), oder die Prägung (die Welt B). Im letzteren Fall ist das Lachen ein Weg- oder Auslachen, das eher Schmerz verlängert, als dass es ihn aufhebt.

Ich bin sicher, diese beiden Welten sind Ihnen nicht fremd. Im Alltag wechseln sie sich immer wieder ab, aber manchmal werden sie einander sehr radikal gegenübergestellt.

Zum Beispiel kennen Sie Momente der Zufriedenheit, für die Sie »nichts« getan haben, Momente der Freude, der Liebe oder der Lust. Vielleicht sind Sie jemandem begegnet, mit dem Sie sich sofort verstanden haben und zu dem oder zu der Sie sich hingezogen gefühlt haben. Alles bei der Begegnung »stimmte« – Sie handelten und sprachen, ohne nachzudenken. Dann dachten Sie daran, dass diese Person vielleicht doch nicht in Ihr Leben passt. Sie fanden die Begegnung zwar schön, aber nicht von Dauer – oder unpassend. Sie erinnerten sich, wer Sie sind, und bedauerten womöglich, sich »vergessen« zu haben. Später dachten Sie sehnsüchtig an solche Momente der Zufriedenheit zurück, sind aber bereits längst zur »Realität« zurückgekehrt.

Wenn Sie schon einmal ein Seminar besucht haben, bei dem die Teilnehmer Zeit hatten, sich zu begegnen und einem gemeinsamen Interesse nachzugehen und sonstige Urteile ruhen zu lassen, kennen Sie die Gefühle von Nähe und Wohlsein, die sich wie automatisch einstellen, wenn man etwas gemeinsam erlebt und dies Freude bereitet. Begegnen Sie sich in der alltäglichen Welt und müssen Sie etwas zusammen tun, kann es gut sein, dass dann die Unterschiede im Denken, Verhalten und in den Interessen eher auffallen. Eine der häufigsten Fragen in einem Seminar über die Lebensfreude ist deshalb: »Wie rette ich dieses Gefühl in den Alltag?«

Gefühle können wir aber nicht festhalten und schon geht es Montag früh wieder zur Arbeit und Sie kommen in eine ganz andere Welt. Eine Weile dauert die Freude und die Erinnerung noch an, bald aber verlieren sich die Gefühle vom Wochenende im Getümmel des Alltags.

Sie waren bestimmt auch schon in einem Land mit einer anderen Kultur, Sprache und mit anderem Verhalten. Wie erfrischend ist es, woanders zu sein und bedient zu werden! Dann kommen Sie wieder nach Hause ... Der Schnitt muss nicht so gravierend sein. Vor allem, wenn zwischen Ihrem Urlaub und Ihrem Alltag kein so großer Unterschied besteht, werden Sie den Übergang vielleicht gar nicht so stark merken oder sich sogar auf eine geregelte Routine freuen. Wenn Ihnen aber die unbezahlten Rechnungen, unerfreuliche Begegnungen und Beziehungen, die Arbeit und auch die Sorgen wieder einfallen, stellt sich sogar der bekannte körperliche oder seelische Zustand wieder ein, dem Sie eine Weile entrinnen wollten. Alles ist wieder wie vorher. Die Welt B hat uns endgültig wieder.

Ich möchte einige weitere Beispiele für die Welt der Prägung (der Welt B) und deren Auswirkungen auf uns skizzieren.

Wie jedes Kind braucht jeder von uns – auch als Erwachsener – andere Menschen. Schon durch unsere Entstehung sind wir ein Ausdruck von Liebe. Wenn uns mit Liebe begegnet wird, blühen wir auf, wenn nicht, ist unsere Lebenslust geschmälert – wir können sogar die Lust am Leben ganz verlieren. Wir verlieren das Lachen und die Motivation, etwas zu tun. Wir können zwar das Fehlen von menschlicher Wärme, Nähe und Anerkennung durch unseren Verstand notdürftig ausgleichen, dennoch bleibt stets ein Gefühl des Mangels spürbar. Dieser Mangel beeinflusst maßgeblich unsere Entwicklung als Erwachsener und unsere Haltung zum Leben. Wie wir über uns denken, zeigt sich in unserem Verhalten und in unserer Körperhaltung, in unserer Stimme wie in unserer Grundstimmung, in unserem Atem, in unserer Gefühlswelt und in unseren Beziehungen zu anderen Menschen und zu der Welt um uns.

Wie unsere »Null« geschmälert, verdeckt oder ganz zugedeckt werden kann, können Sie erkennen, wenn Sie alte Fotos von sich anschauen. Wenn Sie noch über Babyfotos verfügen und dann die Fotos von sich aus verschiedenen Zeiten anschauen, können Sie selbst sehen, wie viel von der ursprünglichen Lebenskraft in Ihnen heute noch zum Ausdruck kommt und wie sie sich ausdrückt.

Wir brauchen mehr als Nahrung, wir brauchen menschliche Nahrung, Nähe und Halt, Anerkennung und Unterstützung. Wie oft haben wir als Erwachsene den abwertenden Satz gehört: »Er will nur Aufmerksamkeit!« Wie viele Menschen vermeiden es, »im Mittelpunkt« zu stehen, weil sie nicht als »Angeber« dastehen wollen! Wie viele von uns kennen es, sich keine Späßchen erlauben zu dürfen, um nicht als »Störenfried« dazustehen! Die Meinung anderer bleibt uns wichtig, aber wann ist sie nur Ausdruck gegenseitiger Kontrolle?

Wenn unsere Grundbedürfnisse erfüllt werden, sind wir zufrieden. Die »Null« braucht aber zusätzlich zum Essen und Trinken Erfüllung in drei wesentlichen Lebensbereichen:

Wir brauchen es, unsere Lebendigkeit zu spüren, indem wir einfach da sind und uns in den verschiedensten Formen ausdrücken. Wir brauchen Anerkennung, Halt, Nähe und menschliche Wärme. Wir brauchen die grundsätzliche Freiheit, den Raum und die Erlaubnis, so zu sein, wie wir sind, ohne uns ändern zu müssen.

Das ist kein gesellschaftlich-politisches Programm, sondern das, was wir zunächst für uns aus meiner Sicht brauchen. Davon hängt unser Selbstwertgefühl ab und wie wir uns, den anderen und der Welt begegnen.

Wir sind durch viele Einflüsse »beschrieben« worden. Unser Selbstbild, Selbstwert und unser Verhalten werden gebildet und geprägt durch unsere Familie, die uns einen Bezugsrahmen gibt, wie wir die Welt verstehen. Was unsere Eltern oder die Menschen, die uns am nächsten sind, tun, fühlen und denken, vor allem, wie sie sich uns gegenüber verhalten, wie sie für uns sorgen, wie sie mit uns reden, welche Gefühle sie uns entgegenbringen, wie sie uns ansehen: All das ist für unser Überleben maßgebend und sagt uns, wer und wie wir sind, was etwas wert ist und was nicht. Als Baby und als Kind leben wir lange in einer Welt, in der wir alles auf uns beziehen und Rückschlüsse darüber machen, ob wir so in Ordnung sind, wie wir sind. Als Eltern haben wir keine andere Möglichkeit, als unsere Kinder mit unserer Lebensart und mit unserer Art der Liebe zu prägen.

Unsere Freude wird heute oft durch Regeln und Pflicht, durch Forderungen, Über- und Unterforderung, durch die Notwendigkeit, Ordnung zu schaffen, durch Chaos und Missverständnisse, Zeitmangel und Routine, durch Urteile und Meinungen, durch Ängste und Anstrengung und durch Misserfolge infrage gestellt. Es spielt für uns eine entscheidende Rolle, ob unsere Familie komplett ist oder ob jemand fehlt. Die eigene Familiengeschichte ist uns wichtig, egal, ob wir arm oder reich sind und welche gesellschaftliche Position, welche Religion, welche Tradition, welche Nationalität, welche Sprache wir haben. Egal, ob wir Junge oder Mädchen sind und welche Haltung unsere Eltern zu all dem, zu sich selbst und zueinander haben. Die Kultur und die Familie prägt auch, wie wir lachen und welche Rolle das Lachen spielt. Als Kinder hören wir Sätze und Bezeichnungen, die uns prägen und beschreiben: »Meine kleine Prinzessin«, »Müllers Sohn«, »Mein Ein und Alles«, »Nichtsnutz!«, »Mein Bester!«, »Das kannst du!«, »Das lass sein!«, »Wage es bloß nicht!«. Und schon als Kinder reagieren wir auch darauf mit unseren eigenen Sätzen: »Mach ich nicht!«, »Gerne!«, »Mein Papa kann das!«, »Ich kann das schon allein!«, »Geht nicht!«, »Ich kann es!«, »Ich werde es nie können!«. Solche Sätze können zu Leitbildern für uns als Erwachsene werden.

Unsere Erfahrungswelt der täglichen Realität hängt zu einem sehr großen Teil davon ab, wie wir geprägt worden sind. Wir wollen gerne glauben, dass wir in allem frei sind, aber unsere Herkunft, auch unsere Gene und unsere persönliche Lebensgeschichte bewirken, dass wir Position beziehen, eine bestimmte Identität entwickeln und eine bestimmte Person werden. Als diese Person betrachten und beurteilen wir die Welt und handeln aus unserem Standpunkt heraus. Dies ist für uns wichtig – gleichzeitig ist unser Standpunkt nicht der einzige. Dies zu erkennen, ist für uns auch wichtig.

Wir lernen, dass Gegensätze sich ausschließen und dass wir nicht gleichzeitig für etwas und auch dagegen sein können. Stellung beziehen heißt entscheiden. Wir lernen, dass wir entweder hier sind oder dort. Wir lernen, dass die Dinge bleiben, wie sie sind, es sei denn, man verändert sie. Sie ändern sich nicht dadurch, dass man sie wahrnimmt und wertschätzt. Wir lernen, dass wir für das kämpfen müssen, was man will – und wir nicht warten und gewähren lassen können.

In der Regel bestätigt sich unsere Prägung durch unsere Erfahrung. Die Welt ist so, wie ich lerne, dass sie ist. Und wenn sie doch nicht so ist, könnte mich das stören. Was uns prägt und was wir von anderen lernen, finden wir auch in der Welt bestätigt. Die Prägung umschreibt die ernsthafte Welt. Unsere persönliche Sicht der Welt, geprägt durch unsere persönliche Geschichte und Erfahrung oder durch das, was man uns erzählt hat, prägt wiederum, wie wir die Welt wahrnehmen.

Diese Sicht der Welt ist wie der bereits erwähnte Filter, durch den wir alles sehen und bewerten. Während unserer Entwicklung als Person passen wir uns in unserer Bewegung, in unserem Fühlen und Denken an. Man gibt uns einen Bezugsrahmen, Normen, die uns zunächst den Sinn und die Orientierung geben. Wir können uns in vielem anpassen. Die Denk-, Fühl- und Bewegungsmuster, die wir lernen, wirken wie eine Art Mantel, Schleier oder Blende und sind wie eine enge Haut oder Ganzkörpermaske, die uns durchdringt und unsere Wahrnehmung bestimmt. Wir verlieren die Orientierung, geraten aus unserer Mitte, verlieren das seelische Gleichgewicht. Wir versuchen dann durch die Betonung eines bestimmten Aspekts, zum Beispiel das Denken, uns ins Lot zu bringen. Wir zweifeln uns an, grübeln nach und kommen zu keinem Ergebnis. Dann verzweifeln wir.

Der Alltag der geprägten Sicht ist voller Grenzen und Wertungen: »Es gibt Bedingungen und man hat sich daran zu halten!« »Das Leben ist kein Spiel.« »Das macht keinen Sinn und das ist Unsinn!« »Das ist von Nutzen – das dagegen nützt nichts, also schlage es dir aus dem Kopf!« »Das Leben ist ernst.«