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Wo und wie hat der Ingenieur wohl seinen Daumen verloren? Als Sherlock Holmes und Dr. Watson von dem jungen Mann erfahren, dass er sich aus Geldnöten auf einen mysteriösen nächtlichen Auftrag einließ, um eine hydraulische Presse zu prüfen, und dabei nur knapp dem Tode entronnen ist, werden sie vor einige Rätsel gestellt. Doch dann erinnert sich der Detektiv an eine frühere Vermisstenanzeige eines Ingenieurs, die Parallelen aufzeigt und sie auf eine heiße Spur führt...-
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Seitenzahl: 36
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Arthur Conan Doyle
Saga
Der Daumen des IngenieursCopyright © 1892, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726372441
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Von all den schwierigen Kriminalfällen, die meinem Freunde Sherlock Holmes zur Lösung übertragen wurden, erhielt er nur zwei durch meine Vermittlung. Einer davon betraf Hatherleys Daumen. Wenn sich auch das grossartige Kombinationstalent meines Freundes, dem er so wunderbare Erfolge zu verdanken hatte, hier weniger dabei entfalten konnte, so fing diese Aufgabe doch so toll an und verlief so dramatisch, dass sie mir wohl der Aufzeichnung wert erscheint. Jedenfalls hat sich der tiefe Eindruck, den ich damals erhielt, noch heute, nach zwei Jahren, kaum abgeschwächt.
*
Es war an einem Sommertag. Ein Bahnbeamter, den ich bei einem Unfall behandelt hatte, verkündete mein Lob in allen Tonarten und hätte mir am liebsten jeden Patienten geschickt, dessen er nur habhaft werden konnte.
Eines Morgens, kurz vor sieben, wurde mir gemeldet, dass eben jener Bahnbeamte mit einem andern, offenbar verletzten Herrn gekommen wäre, um mich zu sprechen. Ich eilte die Treppe hinunter, da ich vermutete, es könne sich wieder um einen Eisenbahnunfall handeln, bei dem rasche Hilfe notwendig sei. Mein alter Freund kam mir vor dem Zimmer schon entgegen.
„Ich hab’ ihn hergebracht“, flüsterte er, mit dem Daumen über die Schulter deutend, „den hätten wir sicher.“
„Was fehlt ihm denn?“ fragte ich, denn das sonderbare Benehmen des Bahnbeamten verriet mir, dass es eine ganz besondere Bewandtnis mit dem Verletzten haben musste, den er so sorglich in mein Zimmer gesperrt hatte.
„Es ist ’n neuer Patient“, raunte er mir in seiner treuherzigen Art leise zu. „Ich hielt es für schlauer, ihn gleich selbst herzubringen, so konnte er mir nicht mehr entwischen. Nun kann er nicht mehr weg. Aber jetzt muss ich gehen, Doktor, die Pflicht ruft.“ Und fort war er, ehe ich noch Zeit gefunden hatte, ihm für diese gutgemeinte Belebung meiner garnicht beabsichtigten Praxis zu danken.
Im Empfangszimmer fand ich einen Herrn am Tische sitzen, der einen schlichten, bräunlichen Anzug trug, seine einfache Tuchmütze hatte er auf die dort aufgelegten Bücher gelegt. Eine seiner Hände war in ein völlig mit Blut durchtränktes Taschentuch gewickelt. Er war vielleicht 25 Jahre alt; sein Gesicht war ernst und männlich, aber so bleich, dass es mir den Eindruck machte, als wenn er eben eine schwere Nervenerschütterung durchgemacht hätte, die er trotz aller Anstrengung noch nicht überwinden konnte.
„Verzeihen Sie die frühe Störung, Herr Doktor“, sagte er, „ich habe in dieser Nacht einen ernsten Unfall gehabt. Ich kam heute morgen mit dem Zuge hier an und erkundigte mich bei einem Bahnbeamten, wo ich einen Arzt finden könnte. Dieser Herr hatte die Güte, mich hierher zu begleiten. Ich übergab dem Mädchen meine Karte, doch wie ich sehe, liegt sie noch dort auf dem Tischchen.“
Ich nahm sie auf und las: Victor Hatherley, Ingenieur, Victoriastrasse 16a III. Das war also Namen, Beruf und Wohnung meines Morgenbesuches. Dann setzte ich mich zu ihm. ,,Sie sind also die Nacht durchgefahren?“ fragte ich. „Das ist gewöhnlich recht ermüdend und langweilig.“
„Oh, in diesem Falle trifft das nicht zu“, sagte er und dann lachte er, so laut und gellend, dass er sich im Stuhl zurückwarf und sich die Seiten halten musste. Es lag etwas Krankhaftes in dieser übertriebenen Heiterkeit, das erkannte ich sofort. „Hören Sie auf“, rief ich, „nehmen Sie sich doch zusammen!“ Er hatte einen regelrechten hysterischen Anfall, wie er zuweilen bei sehr starken Naturen vorkommt, die eine grosse Aufregung hinter sich haben.
Erst allmählich beruhigte er sich und nun wurde er dunkelrot vor Verlegenheit.
„Ich habe mich schön lächerlich gemacht vor Ihnen“, keuchte er.
„Durchaus nicht. Bitte, nehmen Sie.“ Ich gab ihm etwas Kognak mit Wasser zu trinken.
„Das tut wohl“, sagte er. „Und nun haben Sie vielleicht die Güte, Herr Doktor, und sehen sich einmal meinen Daumen an oder vielmehr die Stelle, wo er gesessen hat.“ Er band das Tuch ab und hielt mir die Hand entgegen, deren Anblick selbst mich erschütterte. Neben den vier ausgestreckten Fingern war statt des Daumens nur eine fürchterlich rote, schwammige Fläche. Er musste bis zur Wurzel abgehackt oder abgerissen worden sein.