Der entfesselte Tod - Anton Maly - E-Book

Der entfesselte Tod E-Book

Anton Maly

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Beschreibung

Die historischen Tatsachen dieses Romans umfassen die Pionierarbeit deutscher Siedler in den englischen Kolonien Nordamerikas, den Indianeraufstand unter Häuptling Pontiac im Jahr 1763 und mehrere Briefe des britischen Generals Amherst an Oberst Bouquet, einen Schweizer. In einem dieser Briefe fragt Amherst: -Könnte es nicht so eingerichtet werden, dass man unter diesen widerhaarigen Indianerstämmen die Pocken verbreitet? Wir müssen bei dieser Gelegenheit jedes Mittel benutzen, um sie zu reduzieren. In einem weiteren Schreiben schlägt er vor, die Seuche durch alte Decken, in denen Pockenkranke gestorben waren, bei den Indianern einzuführen. Die Paxton Boys, eine Horde raubender Grenzer, die wehrlose Indianer niedermetzelte, sind ebenfalls historische Figuren. Der Tod des Indianerhäuptlings Pontiac wurde im Roman vorverlegt, obwohl er tatsächlich erst 1767 von einem Händler ermordet wurde. Alle übrigen Begebenheiten des Romans sind frei gestaltet. Die historischen Daten dieses Romans basieren auf dem amerikanischen Geschichtswerk F. Parkmann, The Conspiracy of Pontiac. München, im November 1939 Der Verfasser

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Inhalt

Vorwort

1. Der Mord als Beruf; Paxton Bande

2. Der Angriff auf die Siedlung

3. Pontiac entkommt der Paxton Bande

4. Weggefährten Pontiacs ermordet

5. General Amherst plädiert für die Vernichtung

6. Die Rache der Paxton Bande

7. General Amherst und Oberst Bouquet planen

8. Die Paxton Bande greift erneut an

9. Hartmann wird von Klare Wolke gerettet

10. Nächtlicher Feuerangriff und die Entführung

11. Hartmanns Rückkehr

12. Reginas Flucht

13. General Amherst lehnt Friedensangebot ab

14. Hartmann wird zum Tode verurteilt

15. Pontiac belagert Fort Detroit

16. Der teuflische Plan entfaltet seine Wirkung

17. Der Tod war entfesselt

18. Die Ermordung Pontiacs

Mein Großvater, der Siebenbürgische Karl May

Anton Maly - Ein literarisches Leben voller Abenteuer und Schaffenskraft

Vorwort

Die historischen Tatsachen dieses Romans sind: Die Pionierarbeit, die deutsche Siedler in den englischen Kolonien Nordamerikas geleistet haben, der Indianeraufstand unter dem berühmten Häuptling Pontiac im Jahre 1763 und mehrere Briefe, die der Oberkommandierende der britischen Truppen, General Amherst, an Oberst Bouquet, einem Schweizer, richtete. In einem schreibt er: „Könnte es nicht so eingerichtet werden, dass man unter diesen widerhaarigen Indianerstämmen die Pocken verbreitet? Wir müssen bei dieser Gelegenheit jedes Mittel benutzen, um sie zu reduzieren.“

In einem anderen Schreiben schlägt er vor, die Seuche durch alte Decken, in denen Pockenkranke gestorben waren, bei den Roten einzuführen.

Auch die Paxton Boys sind keine erfundenen Gestalten. Eine Horde englischer Grenzer, die wehrlose Indianer niedermetzelte, wo sie sie fand, nannte sich so.

Der Tod des Indianerhäuptlings Pontiac wurde in diesem Roman vorverlegt. Tatsächlich wurde er erst im Jahre 1767 von einem englischen Händler ermordet.

Alle übrigen Begebenheiten des Romans sind frei gestaltet.

Schließlich sei noch bemerkt, dass sich die historischen Daten auf das amerikanische Geschichtswerk „F. Parkmann, The Conspiracy of Pontiac“ stützen.

München, im November 1939

Der Verfasser

1. Der Mord als Beruf; Paxton Bande

Ein leiser Wind fächelte durch die Kronen der Urwaldriesen, die sich in knorrigem Wuchs zum Himmel reckten. Seit ewigen Zeiten behaupteten sie ihren Platz, dehnten sich durch Täler und über Berge und boten Sturm und Wetter wurzelschweren Daseinstrotz. In unberührter Jungfräulichkeit standen die Wälder jenseits der Alleghany Berge, vergingen und wurden, schöpften aus sich heraus die Kraft zu sich stets erneuerndem Leben.

Selten glitten menschliche Füße über das weiche Moos, das zwischen den mächtigen Stämmen wucherte, der Wald gehörte sich selbst und seinen Tieren.

Elch und Hirsch zogen ihre Fährten, Rehe ästen in scheuer Wachsamkeit, Bären wuchteten durch dichtes Unterholz, der Fuchs gängelte wie ein Geck durchs Revier und half dem Wolf und dem Luchs nach Kräften, lebensschwache Tiere von der Fortpflanzung auszuschalten.

Der Wald duldete nichts Unvollkommenes, stark und ungebeugt, wie seine Bäume mussten auch die blutwarmen Wesen sein, die ihn bewohnten.

Das bezog sich aber nicht nur auf Tiere, auch die Menschen, die sich hierher verloren, mussten Kraftnaturen sein, wenn sie sich in dieser Wildnis behaupten wollten.

So ungefähr mussten sie beschaffen sein wie der Mann, der, an einen Baum gelehnt, auf das Warnungsgekreisch eines Eichelhähers horchte, das die Stille des Waldmorgens zerriss.

Der Mann maß gute sechs Schuh. Auf breiten Schultern saß ihm ein flachsblond behaarter Kopf mit kantigem, energischem Gesicht, aus dem blanke, furchtlose Augen blitzten. Seine Gliedmaßen verrieten ungewöhnliche Kraft und Behändigkeit. Er trug –--- man schrieb das Jahr 1763 –--- die damalige Kleidung des Grenzers: Jagd Rock und Hose aus Wildleder, hohe Gamaschen aus demselben Zeug und als Kopfbedeckung eine Mütze aus Biberfell. Seine rechte Faust umklammerte den blanken Lauf einer langen, schweren Büchse, die außer einem breiten Messer, das im Leib Gurt stak, seine Bewaffnung bildete. Kugelbeutel und Pulverhorn vervollständigten seine wehrhafte Ausrüstung. Was er sonst noch auf seinem Marsch durch die Wälder benötigte, enthielt das in eine Hirschdecke gehüllte, eng auf den Rücken geschnallte Bündel.

Das war der Deutsche Josef Hartmann, zwanzig und etliche Jahre erst alt, aber körperlich und geistig schon völlig ausgereift.

Als zwölfjähriger Knabe hatte er die Eltern verloren. Sein Vater, einer jener wackeren Pioniere, die die Zivilisation nach dem Westen vortrugen, war von einem Jagdzug in die Wälder nicht wieder heimgekommen, und seine Mutter erlag zur selben Zeit dem Bajonett eines englischen Sergeanten, dessen Wünschen sie sich nicht gefügig zeigte.

Seither musste sich Josef Hartmann mit dem Leben allein abfinden. Und er hatte sich auch abgefunden. Zähneknirschend und mit dem Hass im Herzen gegen den Mörder seiner Mutter.

Er erinnerte sich ganz genau an den Mann und wusste auch, wie er hieß. Bob Cleyborn nannte sich der seelenlose Schuft, der in dem der elterlichen Farm nahen Fort Pittston stationiert gewesen war, und sich schon bei Anwesenheit des Vaters öfter im Hause gezeigt hatte. Um seine antienglische Einstellung nicht zu offensichtlich zu betonen, duldete der Vater die Besuche des Sergeanten, obwohl ihm dessen aufdringliches Benehmen widerlich war. Die Mutter hasste den Engländer, aber gewohnt, ihrem Gatten in allem zu folgen, fand auch sie sich mit den Besuchen ab. Und in der schweren Zeit, da die Rückkehr des Vaters von einem Jagdzug seit Wochen überfällig gewesen war, geschah es. Josef war nicht im Hause. Der Zwölfjährige arbeitete auf dem Feld, das sein Vater in mühsamer Arbeit dem Walde abgerungen. Wohl lag das Farmhaus in Hörweite, aber als er die Hilferufe seiner Mutter und den Hall eines Schusses vernahm, kam er dennoch zu spät, so rasch seine jungen Beine ihn auch heimtrugen.

Die Mutter lag, die ausgeschossene Büchse, mit der sie sich zur Wehr gesetzt, neben sich, blutüberströmt am Boden. „Cleyborn war es“, entrang es sich noch ihren verblassenden Lippen, dann floh das Leben aus ihrem gemordeten Leib.

Ein mitleidiger Nachbar half dem Knaben, die Tote in die Erde betten, und Klage wider den Mörder zu führen. Der Kommandant des Forts, der das Gesetz vertrat, befragte den beschuldigten Sergeanten, der aber alles in Abrede stellte. Das genügte dem interesselos dreinblickenden Offizier, um die bestialische Tat mit einem Achselzucken abzutun. Die Ermordete war eine Deutsche, was lag schon an ihr! Deutsches Blut wog nicht viel in der englischen Kolonialpolitik; der Brite war gewohnt, fremdes Leben zu zertreten.

Der Zwölfjährige begehrte auf und ging mit den Fäusten auf den Mörder in Schutz nehmenden Kommandanten los. Die Folge war, dass er fünfzig Rutenstreiche zudiktiert bekam, und danach als Trommlerjunge in die Truppe eingereiht wurde. Am zweiten Tag seines Soldatentums schoss er auf den Sergeanten. Die jugendliche Hast, mit der er die ihm wenig vertraute Soldatenflinte an die Wange riss, ließ ihn das Ziel verfehlen. Glücklicherweise gelang es ihm zu entkommen und sich in den Wäldern zu verbergen. Er verschaffte sich eine gute Büchse und Munition und wartete auf den Augenblick, der ihn nochmals mit dem Mörder seiner Mutter zusammenführen würde. Er wartete vergebens. Der Sergeant, ein erbärmlicher Feigling, fürchtete sich vor der Rache des deutschen Jungen und ließ sich in eine Garnison im Osten versetzen.

Josef Hartmann aber blieb bei dem Leben, in das er durch das Schicksal hineingedrängt worden war. Mit zwölf Jahren ergriff er den Beruf eines Jägers und Fallenstellers und schuf sich bei den Hinterwäldlern einen Namen, der weithin bekannt und mit Achtung genannt wurde.

Das Gekreisch der Eichelhäher wurde vielstimmig.

Allenthalben, wo ein Vogel dieser Gattung auf einem Baum saß, scholl es auf und verdichtete sich zu einem wüsten Gegacker. Der ganze Wald schien in Aufruhr geraten zu sein.

Der Jäger wusste, was dieser Lärm zu bedeuten hatte. Menschen streiften durch den Wald.

Fest umkrampfte die Faust des Lauschenden den Lauf der Büchse. Die Anwesenheit von Menschen in dieser Wildnis mahnte zur Vorsicht. Und dass solchen das warnende Gekreisch der Häher galt, bewies das Knistern und Knacken im Unterholz ringsum, das der vorsichtige Rückzug aufgescheuchter Tiere verursachte.

Regungslos verharrte der Deutsche in seiner Stellung, um abzuwarten, was weiter geschehen würde. Als sich die aufgeregten Häher allmählich beruhigten, wusste er Bescheid, denn ihre warnenden Stimmen gelten bloß der Annäherung fremder Wesen. Sobald sich diese ruhig verhalten, schweigen sie.

Die eintretende Ruhe ließ also den Jäger darauf schließen, dass die Störer des Waldfriedens haltgemacht hatten.

Lautlos setzte er sich in Bewegung und drang in der Richtung vor, aus der das Gekreisch der Vögel erklungen war.

Wie ein Panther, der seine Beute beschleicht, schnellte er mit federnden Beinen von Baum zu Baum und hielt nur zeitweilig an, um zu horchen.

Nachdem er etliche hundert Schritte hinter sich gebracht, schlugen menschliche Stimmen an sein Ohr.

Noch vorsichtiger und geschmeidiger als bisher wurden seine Bewegungen. Seine Gesichtszüge nahmen den Ausdruck höchster Spannung an, seine Augen funkelten vor angespannter Willenskraft.

Lauter und deutlicher wurden die Stimmen. Die Stämme lichteten sich. Eine Waldblöße von ungefähr hundert Schritten im Geviert tat sich auf.

In einen dichten Haselnussstrauch hineingeschmiegt, musterte Josef Hartmann die Männer, die sich auf der Lichtung gelagert hatten. Etwa zwanzig mochten es sein, die laut durcheinanderschwatzend in dem üppigen Gras lümmelten. Die rüde sich gebärdenden, wüst aussehenden Gesellen waren Jäger, nach Kleidung und Bewaffnung zu urteilen. Und das waren sie auch, aber sie befriedigten ihre Jagdlust nicht an den Tieren des Waldes, sondern an Menschen.

Der Deutsche kannte bloß einen von ihnen, einen auffallend langbeinigen Kerl, der, im Gegensatz zu den anderen, bartlos war. An dem mangelnden Haarwuchs mochten die Pocken schuld sein, die sein Gesicht verwüstet und zerkerbt hatten.

Die Anwesenheit dieses Menschen sagte dem Beobachtenden, dass er die Paxton Boys vor sich hatte, die, wie man sagte, im Einverständnis mit dem Oberkommando der britischen Kolonialarmee den Westen durchzogen und den Rothäuten hart zusetzten.

Der Langbeinige mit dem pockennarbigen Gesicht war George Paxton, der Anführer dieser gefürchteten Bande. Nach ihm nannten sich auch die Männer, denen der Mord zum Beruf geworden war. Man munkelte, dass das englische Armeekommando den Paxton Boys für jede indianische Kopfhaut eine Geldprämie auszahlen ließ, denn wie hätte man die unersättliche Mordgier dieser Burschen anders erklären sollen?

Der Deutsche war selbst einmal Augenzeuge einer von dieser entmenschten Bande begangenen Scheußlichkeit geworden.

In Conestoga, im mittleren Pennsylvanien, war es gewesen. Die Paxton Boys hatten sich die Grenzbezirke zum Schauplatz ihres blutigen Handwerks erwählt und mit unbeschreiblicher Grausamkeit unter den inmitten der weißen Siedler lebenden friedfertigen Indianern gewütet. Über zweihundert Skalpe soll, wie die Chronik wissen will, die mordgierige Bande dabei erbeutet haben. Bloß wenigen Rothäuten war es gelungen, zu entrinnen. Quäker nahmen sich der Versprengten an und brachten sie zu ihrer Sicherheit im Gefängnis zu Conestoga, einem steinernen Gebäude, unter. Vier Männer, sieben Frauen und drei Kinder waren es, die man auf diese Art vor den Paxton Boys zu retten glaubte. Aber die Bande, die irgendwie Wind davon bekommen hatte, drang in die Stadt ein, stürmte das Gefängnis und ermordete und skalpierte auch noch diese vierzehn armseligen, wehrlosen Menschen.

Josef Hartmann, der damals zufällig in Conestoga weilte, gehörte zu den wenigen Männern, die sich den Mördern entgegenwarfen und die scheußliche Tat zu verhindern suchten. Die Bande war aber zahlenmäßig so überlegen, dass sie trotz mehrfacher Verluste ihren blutigen Vorsatz zur Ausführung bringen konnte.

Von den Männern, die mit verzerrten Gesichtern und rot unterlaufenen Augen gegen das Gefängnis anstürmten, war dem Deutschen nur einer in Erinnerung geblieben: George Paxton, der Anführer. Und nun hatte er ihn wieder vor sich. Eben schimpfte er: „Verdammte Schweinerei! Nun weiß ich wirklich nicht mehr, was ich von diesem Will Cofler zu halten habe. Vor zwei Tagen schon wollte er uns am Clarmont River erwarten, aber bis heute hat er sich noch nicht blicken lassen.“

„Vielleicht hat der Teufel ihn geholt“, bemerkte einer der verlotterten Männer mit zynischem Lächeln.

„Das glaube ich nicht, denn der Kerl ist selbst dem Teufel zu schlecht“, erwiderte Paxton und ergänzte: „Nehme eher an, dass er großmäulig war und keine Ahnung hat, wo das Dorf der Odschibwäs, das er auskundschaften wollte, eigentlich liegt.

„Dreihundert Skalpe hat er uns in Aussicht gestellt“, brummte ein Bursche mit einem Bulldoggen Gesicht, das Grauen einflößen konnte, und ein anderer meinte: „Hundert Pfund Vorschuss hat General Amherst uns für die Expedition bewilligt, schätze, dass er den Betrag in den Schornstein schreiben kann.“

„Da kennst du den General schlecht“, belehrte ihn der Anführer, „der schenkt uns nichts. Gehen uns die Odschibwäs durch die Lappen, müssen wir uns die Skalpe anderswoher holen.“

„Wer sagt, dass Cofler uns aufsitzen lässt?“ brüllte in diesem Augenblick ein Mann, der sich etwas abseits von der Gruppe hingelegt hatte.

Seine Kameraden fuhren hoch. Tatsächlich löste sich aus dem Gestrüpp des Waldrandes ein Mann und näherte sich mit schleppenden Schritten dem Lager. Sein Gesicht trug den Ausdruck der Erschöpfung und seine Knie bogen sich vor Müdigkeit. Man sah ihm an, dass er einen weiten Marsch hinter sich hatte und völlig fertig war. Sein Erstes, als er die Männer erreichte, war auch, dass er, ohne ein Wort zu sagen, sich der Länge nach ins Graß warf und die Augen schloss.

Erst als ihn der Anführer fragte, was mit ihm los sei, krächzte er mit heiserer Stimme: „Was soll los sein? Schätze, dass wir uns am Clarmont River treffen sollen, nicht hier. Zwei Tage bin ich in dieser gottverdammten Wildnis euren Stapfen nachgelaufen, dass mir die Zunge zum Halse heraushängt und die Galle geplatzt ist.“

„Wir wollten dir doch bloß ein Stück entgegenziehen, um dir den Weg zum Fluss zu ersparen“, entschuldigte sich sein Chef.

„Schöne Wegersparnis!“ maulte Cofler. „Im Kreis seid ihr herumgelaufen, immer brav rundum habt ihr euch gedreht, wie ein Karussell. Keine zehn Meilen weit seid ihr gekommen!“

„Wenn schon!“ erwiderte Paxton achselzuckend. „Es war die ganze Zeit bewölkt. Da ist es kein Wunder, wenn man in einem solchen Höllenwald die Orientierung verliert.“

Und als der Angekommene schwieg, fuhr er nach einer Weile fort: „Aber das ist auch nicht so wichtig, berichte lieber, was du ausgekundschaftet hast.“

„Muss euch leider enttäuschen“, gab der Aufgeforderte bekannt. „Die roten Stinktiere haben sich verkrümelt. Bloß Dreck und ein paar verreckte Hunde haben sie auf dem Platz zurückgelassen, wo ihre Zelte standen.“

Mit wüstem Geschimpfe nahmen die Menschenjäger die Botschaft zur Kenntnis. Die Enttäuschung über die ihnen entgangene Gelegenheit zu Mord und Totschlag ließ sie ihren ganzen Vorrat an unflätigen Worten und Redensarten auspacken.

„Haltet das Maul!“ wehrte Will Cofler den Entrüstungssturm seiner aufgeregten Kameraden ab. „Lasst mich ausreden!“

Es dauerte aber noch ziemlich lange, ehe sie sich soweit beruhigt hatten, dass er verärgert fortfahren konnte:

„Meine Schuld ist es nicht, dass uns die Rothäute entwischt sind. Offenbar haben ihre Kundschafter unseren Anmarsch entdeckt und ihn gemeldet. Braucht aber deshalb nicht gleich zu toben wie Verrückte, es gibt noch Indianer genug in dieser Gegend. Und schließlich kommt es unseren Auftraggebern auch gar nicht darauf an, ob die Haarschöpfe, die wir ihnen abliefern, schwarz oder blond sind.“

„Was willst du damit sagen?“ forschte der Anführer der entmenschten Bande.

„Nichts weiter, als dass wir uns in der Nähe einer deutschen Siedlung befinden. Acht bis zehn Farmen mögen es sein, ein bisschen verstreut zwar, aber wenn wir sie der Reihe nach abklappern, können wir immerhin mit siebzig bis achtzig Skalpen rechnen, und sonst wird sich in den Häusern ja so manches vorfinden, was den Abstecher zu den Deutschen lohnt.“

„Teufel noch mal“, entfuhr es George Paxton, „das wäre allerdings eine Sache, die überlegt zu werden verdient.“

„Was heißt überlegen?“ platzte einer heraus, und ein anderer grölte: „Esel wären wir, wenn wir uns diese schöne Gelegenheit entgehen lassen wollten.“

Bloß ein Einziger gab in der aufgeregten Debatte, die nun einsetzte, zu bedenken: „Boys, vergesst aber nicht, dass es sich um Weiße handelt. Die Affäre, die wir vorhaben, wird also ziemlich Aufsehen erregen. Und ob General Amherst damit einverstanden ist, wäre auch noch zu erwägen.“

George Paxton übernahm die Antwort.

„Schätze, mein Junge“, begann er, „dass du dir überflüssige Sorge machst. General Amherst hat wiederholt erklärt, dass jeder als Feind der britischen Krone zu betrachten und demgemäß zu behandeln ist, der die englische Oberhoheit in Amerika nicht anerkennt. Dass aber alle deutschen Siedler von England nichts wissen wollen, sondern mit den Amerikanern liebäugeln, ist hinlänglich bekannt. Sie sind also unsere Gegner und verdienen nichts anderes, als ausgerottet zu werden. Außerdem müssen es ja nicht wir gewesen sein, wir bezeugen, dass Rothäute dieses Geschäft besorgt haben. Das klingt glaubhaft und trägt außerdem noch dazu bei, unsere Jagdzüge gegen die Roten zu rechtfertigen. Wenn ich nicht gleich zugestimmt habe, geschah es bloß, weil ich mir nicht ganz sicher bin, ob uns der Überfall auch glückt. Die Siedler sind bewaffnet, und schießen können diese Deutschen auch.“

„Keine Angst, Paxton!“ ließ sich Cofler wieder vernehmen. „Wenn wir es geschickt anstellen, erledigen wir die Leute, ehe sie zur Besinnung kommen.“

„Meinst du?“ fragte der blatternarbige Anführer mit einem grausamen Lächeln um die verzogenen Mundwinkel, aus denen die Eckzähne wie die Hauer eines angriffslustigen Ebers hervorstanden.

„Sicher, George, wir müssen uns bloß beeilen und losschlagen, ohne lange herumzufackeln. Gebt mir was zu essen und einen tüchtigen Schluck Brandy, und dann können wir meinetwegen aufbrechen.“

„Und was sagt ihr, Boys?“ wandte sich Paxton an seine Leute.

„Klar, dass wir einverstanden sind mit dem Fischzug!“ brüllte einer, und die anderen stimmten begeistert zu.

Josef Hartmann, dem in seinem Versteck kein Wort der Unterhaltung entgangen war, hatte genug gehört.

Vorsichtig zog er sich zurück und setzte sich, als er die Gefahrenzone hinter sich hatte, in Trab.

„Verwünschtes Pack!“ knurrte er grimmig. „Na, wartet nur! Euch soll ein Empfang werden, auf den ihr nicht gefasst seid.“

2. Der Angriff auf die Siedlung

In die westlichen Ausläufer der Alleghany Berge eingebettet, lag ein friedliches Tal. Ein Flüsschen, das sich dem Eriesee zuschlängelte, gab dem Wiesenboden an seinen Ufern nie versiegende Nahrung, und an den sanft ansteigenden Hängen dehnten sich schwarzerdige, bis zum Wald hinaufreichende Felder.

Mit bedächtigen Schritten stapfte Karl Eickhoff über die fettig glänzenden, von den Zacken der Egge geglätteten Ackerschollen, und ließ aus weit ausholender Hand keimreife Saat niederregnen.

Otto, sein zwanzigjähriger Sohn, lenkte hinter ihm den vor die Ackerwalze gespannten Gaul.

Vor zehn Jahren war Karl Eickhoff mit seiner Familie aus Deutschland herübergekommen, das ihm das Ackerland, das sein Bauernblut ersehnte, nicht geben konnte.

Die Enttäuschungen, die New York, wo er landete, den Auswanderern schon damals bereitete, blieben auch ihm nicht erspart.

Die Spekulation hatte sich des Bodens im besiedelten Osten bereits bemächtigt und forderte Preise, die für den landhungrigen Deutschen unerschwinglich waren.

Eickhoff feilschte mit den amerikanischen Maklern nicht lange herum. Kurz entschlossen, kaufte er zwei Wagen mit Pferdebespannung, belud den einen mit Frau und Kindern, den anderen mit Ackergeräten, Saatgut, Proviant und was er sonst noch für nötig hielt, und zog nach dem Westen, wo Landerwerb noch an keine Kaufbriefe gebunden war. An warnenden Stimmen, die den Unternehmungslustigen zurückhalten wollten, und als er auf seiner Absicht bestand, ihm ein Scheitern seiner Pläne prophezeiten, hatte es bei seinem Aufbruch nicht gefehlt. Der Deutsche ließ sich aber weder durch die angeblich drohenden Gefahren der Wildnis, auf die er aufmerksam gemacht wurde, noch durch die Warnung vor den Indianern einschüchtern, von deren Raub- und Mordgier man ihm Schauermärchen erzählte.

In gläubiger Zuversicht, mit dem ehrlichen Willen und der festen Abicht im Herzen, ganze Arbeit zu leisten und sich und den Seinen eine neue Heimat zu gewinnen, brach er von New York auf und lenkte seine Wagen westwärts.

Es war eine lange, beschwerliche Fahrt, bis er endlich das Tal erreichte, in welchem er zu bleiben beschloss.

Von Indianern hatte er keine Belästigungen erfahren. Wohl waren ihre Begegnungen mit den Söhnen der Wildnis nicht erspart geblieben, aber es war ihm stets gelungen, sich friedlich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Dagegen hatte er einen ziemlich ernsten Zusammenstoß mit einigen verkommenen Weißen gehabt, die es auf die Pferde und auf den Proviant, vor allem auf das Fässchen Rum, das er mitführte, abgesehen hatten.

Bloß seiner schussfertigen Büchse und seinem furchtlosen, mannhaften Auftreten hatte er zu danken, dass er ungeschoren davonkam.

Härteste Pionierarbeit gab es alsbald nach seiner Ankunft in „Mariental“, wie er den zur Siedlung erwählten Platz zu Ehren seiner Frau nannte, vom Bau des Blockhauses an bis zur Rodung des Waldes. Alles hatte er mit eigenen Fäusten geschaffen.

Die Frau betreute Haus und Hof sowie die Kinder, zwei Knaben und ein Mädchen, denen sie nicht nur Mutter, sondern auch Lehrerin sein musste.

Später, als die Kinder heranwuchsen, halfen sie ja tüchtig mit, aber im Anfang ruhte die ganze Last der unvorstellbar schweren Bodenarbeit auf den Schultern des Mannes.

Die Indianer vom Stamm der Odschibwäs, zu deren Jagdgebiet das Tal gehörte, duldeten die Siedlung, weil Eickhoff ihnen das Land in aller Form abkaufte, und zwar für ein Dutzend Decken, ein paar Äxte und Messer, Lunten Feuerzeuge und sonstige Artikel.

Im Laufe der Jahre siedelten sich noch acht deutsche Familien in Mariental an ---- Leute aus der niedersächsischen Heimat Eickhoffs, die von einem Brief, den er seinem Bruder geschrieben, so begeistert waren, dass sie ebenfalls über das Große Wasser zu fahren beschlossen.

Nicht auf einmal kamen sie, bewahre, denn eine solche Reise musste überlegt werden.

Erst tauchte ein Schulfreund Eickhoffs auf, ohne Familie, die er vorsichtshalber daheim gelassen hatte. Erst als er sich von den verlockenden Möglichkeiten, sich in Mariental eine neue Heimat zu gründen, persönlich überzeugt hatte, ließ er sie nachkommen, und nach und nach folgten die anderen.

Eickhoff hatte niemanden aus der Heimat zu sich gerufen, das lag seinem Wesen fern, aber er hatte auch gegen die Mitbesiedlung des Tales nichts einzuwenden. Land war genug da, es harrte bloß der Urbarmachung.

Jedenfalls war im Laufe von zehn Jahren eine blühende Siedlung um seinen Besitz her entstanden. Zwar musste jeder Zoll des fruchtbaren Bodens mit Bächen von Schweiß erkauft werden, aber gerade darum war er allen, die da wohnten, lieb und teuer geworden.

Die Häuser standen in großen Abständen voneinander, es war nicht nötig, sich aneinanderzudrängen. Jeder Siedler konnte die Grenzsteine des von ihm beanspruchten Landes setzen, wie er wollte. Nahe blieben sich die Landsleute dennoch.

Der Geist der Heimat und die Sprache schlangen um die Insassen der Farmen ein Band, das immer fester wurde und alle in treuester, selbstlosester Gemeinschaft umfing.

Und wenn sie am Sonntag in dem kleinen Bethaus zusammenkamen, das sie in gemeinsamer Arbeit gezimmert hatten, dann schienen sie eine einzige große Familie zu bilden.

Das Saatgut war aus den Säcken ausgestreut.

Tief aufatmend blieb Karl Eickhoff in der obersten Furche stehen, die den Ackerboden vom Waldrand trennte, und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.

Das Urbild eines deutschen Bauern, groß und kräftig gebaut, mit hellen Augen, das breite Gesicht von Sonne und Wetter gebräunt, schaute der Fünfundvierzigjährige ins freundliche Tal hinab.

Hinter ihm rauschte der Wald. Vor ihm lag das fruchtbare Ackerland, von der Frühlingssonne mit warmem Licht übergossen. Wie eine silberne Schlange wand sich der Fluss, dem das Tal seine Entstehung verdankte, durch üppiges Wiesengelände, auf dem kurzhornige Rinder und langmähnige Pferde grasten.

Aus dem Schornstein eines stattlichen dreiteiligen Holzhauses, dessen Hof von starken Palisaden umfasst war, kräuselte eine dünne Rauchsäule hoch und zerflatterte zu einem blassgrauen Schleier. Trutzhaft und stolz erhob sich Eickhoffs Heimstätte aus dem Landschaftsbild.

Hundert Schritte flussab grüßte das kleine Bethaus mit dem winzigen Glockenturm herauf, wo sich allsonntäglich die weit verstreut wohnenden Siedler zur Andacht und zu ernstem Meinungsabtausch versammelten.

Ein Ausdruck tiefinnerer Zufriedenheit verklärte das Gesicht des Kolonisten, und stolz hob sich seine Brust. Dies alles war sein Werk; in zehnjähriger harter Arbeit hatte er amerikanische Wildnis in kultiviertes Land verwandelt.

Karl, sein Ältester, ihm ähnlich an Gestalt und Haltung, bloß jugendglatter im Gesicht und biegsamer in den Bewegungen, ließ die Walze über den Ackerrand rollen und hielt das Pferd an.

„Fertig, Vater“, meldete er kurz.

Der nickte bloß und ließ seine Augen weiterhin, sich an dem schönen Anblick sättigen.

Plötzlich schien er etwas Ungewöhnliches entdeckt zu haben, denn er beugte seinen Oberkörper vor und überschattete mit der flachen Hand seine Augen.

Seines Sohnes schärferer Blick kam ihm zuvor. „Es ist Josef Hartmann“, sagte er, und als sein Vater zustimmte, fügte er hinzu: „Er scheint es sehr eilig zu haben.“

Tatsächlich stürmte Hartmann, der am Waldrand des jenseitigen Hanges aufgetaucht war, in langen Sätzen talwärts.

„Hm“, fragte Eickhoff, „was mag da vorgefallen sein?“ Und sich nach seinem Sohn umwendend, befahl er: „Sammle die leeren Säcke und komm mit dem Gaul nach!“

Er stieg mit raumgreifenden Schritten den Hang hinab.

Josef Hartmann mäßigte, als er den Kolonisten erblickte, seine Eile, und kam ihm entgegen.

An dem schmalen Holzsteg, der über den Fluss führte, trafen sich die beiden Männer.

Der Jäger sah etwas mitgenommen aus. Sein blonder Haarschopf, der unter der Mütze hervorquoll, hing ihm in wirren Strähnen in das mit Schweißperlen bedeckte Gesicht, und seine Brust arbeitete wie ein Blasbalg.

„Hallo, Hartmann!“ rief Eickhoff. „Was ist los? Ihr seht ja aus, als wäret Ihr von einem Rudel Wölfe gehetzt worden.“

„Fast erraten, Landsmann“, keuchte der junge Deutsche, „bloß handelt es sich nicht um vierbeinige, sondern um zweibeinige Wölfe. Außerdem gilt die Jagd nicht mir, sondern vielmehr Euch und allen anderen in Mariental.“

„Was? Uns? Habt Ihr etwa feindliche Indianer in der Nähe gesichtet? Man erzählte neulich davon, die Senecas hätten das Kriegsbeil ausgegraben, aber uns werden sie doch hoffentlich in Ruhe lassen.“

„Die Paxton Boys werden Euch einen Besuch abstatten!“ stieß der junge Mann erregt hervor.

„Was? Die Paxton Boys, diese Schandkerle? Keine erfreuliche Nachricht zwar, aber die schlimmste auch noch nicht, denn soviel ich weiß, gilt ihre Mordgier nur den Rothäuten.“

„Habe ich auch gedacht, Landsmann, muss Euch aber eines anderen belehren.“

In gedrängter Hast erzählte der Jäger von seiner Begegnung mit der Bande und was er in seinem Versteck erlauscht hatte.

Mit unbewegter Miene hörte Eickhoff den Bericht an. Erst als Hartmann schwieg, verzog sich sein Gesicht in grimmigem Zorn, und er polterte: „Dieses verruchte Gesindel will also meuchlings über uns herfallen und mit unseren Skalpen Geld verdienen. Aber sie mögen nur kommen, sie werden uns kennenlernen.“ Und indem er dem Überbringer der schlimmen Botschaft die Hand reichte, sagte er: „Habt Dank, Hartmann, für den Dienst, den Ihr uns erwiesen habt. Mir will scheinen, als hätte der Herrgott selbst Euch zu der Bande geleitet, um Euch das Amt eines Schutzengels zu übertragen. Wann, nach Eurer Schätzung, haben wir mit dem Eintreffen der Mordgesellen zu rechnen?“

„Es war am frühen Vormittag, als ich meinen Lauf begann. Jetzt geht es auf Mittag zu. Denke also, ich habe mindestens zwei Stunden Vorsprung herausgearbeitet.“

„Und glaubt Ihr, Hartmann, dass sie uns bei Tage angreifen werden?“

„Nein, das glaube ich nicht, Landsmann, sie werden vielmehr in einem sicheren Versteck irgendwo in der Nähe die Nacht abwarten, um im Schutz der Dunkelheit über die Farmen herzufallen. Voraussichtlich werden sie an mehreren Stellen gleichzeitig angreifen.“

„Demnach hätten wir für unsere Vorbereitungen zu ihrem Empfang Zeit genug.“

Josef Hartmann schüttelte den Kopf. „Ich möchte raten, Landsmann, nicht erst auf den Angriff zu warten, sondern ihm zuvorzukommen. Ihr trommelt die Bewohner der Kolonie zusammen, während ich der Bande entgegengehe, um ihre Bewegungen zu überwachen. Unsere Leute mögen sich aber, um nicht das Misstrauen des Spähers zu wecken, den die Burschen jedenfalls vorschicken werden, unauffällig im Bethaus versammeln. Alles andere überlasst mir. Habe ich das Versteck der Schurken festgestellt, kehre ich zurück und erstatte Euch Meldung. Einige Männer mögen bei den Frauen und Kindern zurückbleiben, die anderen führe ich zum Tanz. Ich hoffe, wir werden die Burschen ohne Schwierigkeiten erledigen.“

„Und ohne Blutvergießen!“ warf Eickhoff ein.

„Oho! Wollt Ihr die Kerle schonen?“

„Allerdings! Weil ich einen Konflikt mit der englischen Kolonialverwaltung vermeiden möchte. Gewiss verdienten diese Meuchelmörder nicht anders, als niedergeschossen zu werden, aber unsere Kugeln sind für sie zu gut. Ich denke, wir entwaffnen sie und verprügeln sie derart, dass ihnen die Lust auf blonde Skalpe ein für alle Mal vergeht.

Aber kommt jetzt! Ihr seid müde und hungrig. Stärkt Euch zunächst, indes ich meine Jungen ausschicke, die Nachbarn herbeizuholen.

Am Hoftor wurden die beiden von der Familie des Kolonisten schon erwartet.

Otto, der vor dem Vater angelangt war, hatte die Ankunft des Jägers gemeldet.

Frau Maria Eickhoff, eine stattliche Vierzigerin, bot dem jungen Deutschen, der ihr schon seit langem bekannt war, einen herzlichen Willkomm.

Die Brüder Otto und Ludwig, die Hartmann ihren Freund nannten, drängten sich an ihn heran und begrüßten ihn stürmisch.

Ihre Schwester Regina aber, ein auffallend hübsches Mädchen von achtzehn Jahren, wartete, bis Hartmann auf sie zutrat und ihr eine Hand hinstreckte.

Es bedurfte keiner besonderen Beobachtungsgabe, um wahrzunehmen, dass diese zwei jungen Menschen einander innig zugetan waren, auch wenn bisher keins es mit Worten dem anderen verraten hatte.

Die Augen des Jägers leuchteten in heller Freude über die Begegnung, und in Reginas Wangen stieg verdächtiges Rot, als er ihre Hand länger als üblich festhielt.

Josef Hartmann war, wie erwähnt, oft in Mariental. Wenn seine Jagdzüge ihn in die Nähe der Kolonie führten, weilte er im Hause Eickhoffs als gern gesehener Gast. Alle schätzten den ruhigen, bescheiden auftretenden jungen Mann, von dessen Kühnheit und Mut man sich im Westen Wunderdinge erzählte. Sein trauriges Jugendschicksal, das allen bekannt war, machte ihn besonders den Frauen interessant. Dabei blieb weder dem alten Eickhoff noch seiner Frau verborgen, dass der blonde Riese Gefallen an ihrer Tochter gefunden hatte, und wie es um Regina stand, wussten sie ebenfalls.