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Der historische Wildwestroman 'Der erste Amerikaner in Texas' von Charles Sealsfield entführt den Leser in die raue und unerbittliche Welt des 19. Jahrhunderts im amerikanischen Westen. Mit einem eindringlichen Erzählstil und eindrucksvoller Sprache erzählt Sealsfield die Geschichte des Protagonisten, der als erster Amerikaner in das damals unerschlossene Land Texas vordringt. Der Leser wird mit fesselnden Beschreibungen der Landschaft, der Konflikte mit den Ureinwohnern und den Herausforderungen des Siedlerlebens konfrontiert, die Sealsfield meisterhaft in seine Erzählung einwebt. Der Roman bietet einen faszinierenden Einblick in die damalige Zeit und das Leben im Wilden Westen.
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Seitenzahl: 208
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Books
Der in allen Farben des Regenbogens spielende Vollmond goß sein grünes Zauberlicht über die Millionen Palmettoes aus, ließ hier eine Zypresse in mildstrahlende Verklärung aufflammen, warf dort eine zweite, dritte in ein phantastisches Halbdunkel, die ganze Landschaft vor unseren trunkenen Blicken verschwimmend, im Südwest der rosarot aufgehellte Himmel, gegen Nordwest das apfelgrüne Firmament. – Alles so matt verschmelzend, so zauberisch verklärt; und wir auf unseren Schenkeln um das Feuer hockend, auf den Knien Kottonbaumblätter – auf diesen Stücke von Hirschbraten, die einem Nimmersatt genügen konnten und so schnell verschwanden, daß selbst unsere Hinterwäldler ob unseres gräßlichen Appetites staunten und starrten. Oft lachten wir so, daß uns Tränen in die Augen traten, denn die Ansichten der guten Leute über unsere europäischen Zustände waren mitunter so originell, so verkehrt und wieder mit so kühnen Zügen entworfen. Andere wieder, und besonders wenn sie ihr Land und dessen innere Zustände betrafen, waren wieder mit einer Schärfe des Verstandes, einer Klarheit entwickelt, die unseren ersten Staatsmännern Ehre gemacht haben würden. Jetzt merkten wir, daß wir wirklich in einer neuen Welt, unter neuen Menschen uns befanden, deren Kultur, obwohl die Elemente europäisch, durch und durch amerikanische Formen oder vielmehr Natur angenommen hatten, himmelweit verschieden von der der Kreolen und unserer importierten Landsleute, die mir in dem Augenblick, wenn ich es frei gestehen soll, wie zweimal aufgewärmtes Ragout vorkamen.
Doch waren wieder unsere neuen Bekannten nichts weniger als harmloser Natur, wie wir in uns selbst vergessenden Momenten zu wähnen uns versucht fühlten; denn während sie abwechselnd die Unterhaltung führten, wußte der Alte mit einer Feinheit, einem Takt, die einem Polizeikommissar zum Präsidium verholfen haben müßten, alle unsere Schicksale, Pläne und Aussichten herauszulocken, und uns unsern Charakter sprechen zu lassen.
Wir hatten so gegenseitig, wie gesagt unsere Meinungen, und was uns betrifft, auch Pläne und Aussichten ausgetauscht ohne zu bemerken daß der Alte einsilbig und endlich ganz still geworden war. Er hatte seine Rifle zur Hand genommen, an deren Steine er stärker und stärker hämmerte; wie ich später erfuhr, bei Hinterwäldlern ein untrügliches Merkmal erwachenden Mißtrauens.
Die anderen flüsterten und murmelten sich in die Ohren und zogen die Schenkel mehr von uns zurück. Diese Bewegungen fielen uns endlich auf – wir schwiegen gleichfalls. – Eine Pause von mehreren Minuten war eingetreten.
»Also Ihr habt eine Schenkung erhalten?«, fragte der Alte endlich.
»Ja. lieber Mister Nathan.«
»Und die Vollmacht, Euch in irgendeinem Teil Lousianas ein Stück Landes auszuwählen?«
»Eigentlich würden mir es vorziehen am Teich, doch wenn ich es aufrichtig gestehen soll, so ...«
»So würdet Ihr nicht viel darum geben«, fiel der Alte, stärker an dem Stein hämmernd, ein, »just den Strich zu wählen, der Euch am besten gelegen scheint.«
»Vorausgesetzt, wenn er nicht bereits vergeben ist«, schaltete ich ein.
»Wie versteht Ihr das? – Ihr meint, von den spanischen Behörden vergeben?«
»Oder auch von dem vormaligen und eigentlich rechtmäßigen Besitzer dieses Landes, der französischen Krone«, fügte ich hinzu: »denn diese beiden sind, soviel ich weiß, die einzigen, die das Schenkungsrecht völkerrechtlich ausüben können und konnten.« Der Mann schüttelte unwillig den Kopf.
»Also wenn irgendein König in der Alten Welt es sich beifällen läßt, einen seiner Lakaien mit einer schmutzigen Flagge herüberzusenden, und diese aufzupflanzen an irgendeinem vermoderten Baumwollenbaumstumpf, glaubt Ihr allen Ernstes, daß dieser Schnickschnack das Recht verleihe, ein paarmal hunderttausend Quadratmeilen als sein Besitztum anzusprechen und dasselbe zu verschenken, zu verteilen, wie es ihm oder seinen Trabanten beliebt.«
»Wenn der König oder seine Regierung durch einen Akt, den Ihr Schnickschnack nennt, wirklich Besitz von dem Land ergriffen das heißt, zugleich Städte, Niederlassungen und Forts anlegt, dann sollte ich meinen, ja«, versetzte ich bestimmt.
Der Alte schaute mit seinem durchdringendsten Blick wechselweise mich und dann Lassalle an.
»Das bezweifelt niemand«, erwiderte er, um vieles gemäßigter, »daß Städte und Forts das Recht des Besitzes verleihen, – Niemand wird Euch Euer Recht auf New Orleans und auf die beiden Stromufer, hinauf bis Baton Rouge und Point Coupé, streitig machen, aber werdet Ihr auch behaupten, daß Euer König das Recht habe über Ländereien zu schalten, worauf weder er noch einer der Seinigen je ihren Fuß gesetzt?«
»Wenn sie innerhalb der Grenzen seiner Forts und Niederlassungen sind, ja, wenn nicht nein.«
»Ihr seid kurz« sprach der Alte, der sich während des Wortwechsels erhoben und finster den Schaft seiner Rifle zu Boden stieß: »sehr kurz – und kurz und gut könnt Ihr Euch ebensowohl unser Land als Schenkung anweisen lassen. – Habe aber die Notion, es ist ein anderes, sich anweisen lassen und etliche Leute von ihrem Land vertreiben wollen, und sie wirklich forttreiben«
»Was fällt Euch auf einmal ein, Alter! Wem kam es bei, Euer Land als Schenkung sich anweisen zu lassen?«
»Seid ein Franzose, Mann, habt eine geläufige Zunge, und so hatte sie der Baron, der sich Bostropp nannte, laßt es Euch aber vergehen, in seine Fußtapfen zu treten.«
»Was hat Baron Bostropp getan?«
»Was er getan hat? Will Euch sagen, was er getan hat. Ließ sich auch eine Schenkung vom Gouvernement erteilen, die zirka fünfzehntausend Acker betrug, und sich bis an den Arkansas erstreckte, hatte aber nicht genug an seinen Ländereien, die doch die schönsten sind, die es geben kann. War da ein Akadier an seiner Grenze, hieß Jean. Well, der Akadier hatte mit saurem Schweiß sich eine Pflanzung angelegt, und mit seinem Weib und zehn Kindern bewirtschaftet, und gut bewirtschaftet. Kam eines Tages dieser v...te Baron, sieht die Pflanzung, und sofort setzt er seine Maschinen in New Orleans in Bewegung, und der arme Jean muß weg, muß abermals in die Wildnis, seine Pflanzung dem Baron abtreten – der, weiß der Himmel, was für eine geniale Baronsidee mit dieser Pflanzung ausführen will. Zwei Jahre darauf hatte der Abenteurer ausgewirtschaftet, mußte bei Nacht und Nebel aus dem Lande, aber die Pflanzung blieb doch dem armen Jean entrissen. – Jetzt liegen Gebäude in Schutt und Trümmern, und Opossums und Bären hausen darauf. – Wäre ich Jean gewesen, ich hätte dem Baron statt der Pflanzung eine Kugel abgeliefert.«
Und indem der Mann so sprach, hob er die Rifle schußfertig.
»Was den Baron betrifft, so kann ich weder, noch will ich seine Verteidigung übernehmen sprach ich, ohne mich durch die Bewegung irremachen zu lassen. »Ist der Fall, wie Ihr sagt, so hat er leichtsinnig, gewissenlos gehandelt.«
Ich hielt inne, denn der Alte war im Gehen begriffen, wandte sich jedoch und horchte mit zurückgeworfenem Kopf. Wie gesagt, uns verdroß die Anmaßung des Hinterwäldlers um so mehr als wir Louisiana immer noch als eine französische Kolonie, als unser rechtmäßiges Eigentum betrachteten.
Der Alte hatte sinnend gestanden, während seine Söhne Hirschziemer samt ihren Aexten auf die Schultern warfen und Miene machten, ihm zu folgen.
Wir standen still.
»Wollt Ihr nicht mit uns?«, fragte der Alte.
»Wir wissen nicht ob es Euch angenehm ...«
»Worte sind keine Pfeile, Mann. Es gibt in jedem Volk Gute und auch Schlechte. Kommt, denn hier würdet Ihr nicht zum besten fahren.«
Und wir folgten.
Der Weg, oder besser zu sagen, die Richtung, die wir einschlugen – denn von einem Weg oder Pfad war keine Spur vorhanden –, lag über eine Prärie, dann ging es durch einen Wald, darauf kamen wir durch ein Dickicht, das den Fragmenten unserer Garderobe vollends den Rest gab und hierauf über sogenanntes Wellenland oder rollende Anhöhen von welch letzteren herab wir einen Präriebrand deutlich sehen konnten Das Knistern des Rohres, das Krachen der Aeste und Zusammenschmettern der Bäume schlugen uns bei jeder Wendung, die wir gegen den Luftzug taten in die Ohren.
Wir mochten so einige Meilen durch dick und dünn zurücklegt haben, als der Boden weich und die Anzeichen eines nahenden Sumpfes bemerkbar wurden. Wir drangen so weit vor, als der Boden uns trug, und hielten endlich am Rande des Sumpfes. James und Joe warfen, ohne ein Wort zu sagen, ihre Lasten vom Rücken, nahmen die Aexte zur Hand und begannen in eine der nächststehenden Zypressen einzuhauen. Lassalle und ich standen schweigend, der Dinge, die da kommen sollten, harrend, und die außerordentliche Leichtigkeit, mit der die Hinterwäldler die Bäume fällten, bewundernd. Es war mehr Spiel als Arbeit, die Aexte flogen so leicht wie unsere Rapiere auf die Baumstämme nieder, so regel- und taktmäßig – es erinnerte uns an die Harmonie der Dreschflegel in den Dörfern am Rhein, die wir im damaligen Corps Condés durchzogen. Ehe fünf Minuten vorüber, krachte der vier bis fünf Fuß im Durchmesser haltende Stamm zusammen und sank einwärts in den Sumpf. Sowie die Zypresse gefallen, sprangen die beiden jungen Holzschläger auf den Stamm, schritten auf diesem vorwärts und hieben die Aeste bis zur äußersten Krone ab, so daß der Baum zwar in dem Sumpf, aber doch mehr auf der Oberfläche zu liegen kam. Hierauf begannen sie einen zweiten zu fällen, einen dritten und vierten – in der Zeit einer halben Stunde hatten die vier Hinterwäldler in aller Stille eine Arbeit getan, die vier Franzosen zum mindesten einen Tag gekostet haben würde.
Wir hatten, wie gesagt, verwundert zugeschaut und fragten nun, was eigentlich das Ganze zu bedeuten habe.
»Werdet es bald sehen« versetzte der Alte, der, auf seine Rifle gestützt, düster in den Sumpf hineinstarrte, aus seinen Nachtgedanken jedoch erwachte, sowie die Stimme James' sich hören ließ: »Sind fertig.«
»Jetzt kommt, Frenchers« sprach der Alte.
»Aber weshalb denn über den Sumpf, und warum die viele Arbeit?«, fragten wir.
»Weil dieser der nächste Weg ist und Eure Knochen müder werden dürften, wenn sie den Sumpf umgehen sollten.«
»Viel Arbeit« brummte ich, mit einem Blick auf den Zypressenstamm.
»Wenn Ihr das viel Arbeit nennt, dann habt Ihr noch wenig gearbeitet und hättet in Euerm Lande bleiben sollen, wo es, hör' ich, Narren zu Millionen gibt, die für andere arbeiten. Habe die Notion, Ihr seid einer der Aristokraten, die lieber andere Leute für sich schaffen lassen und es vorziehen, sich ins fertige Nest hineinzusetzen. Wollen Euch aber zeigen, daß es bei uns nicht geht, sich ins fertige Nest hineinzusetzen – sind keine Jeans, wir, bei Jingo nicht – sind nicht die Leute, die sich von einem Baron, und käme er mit Hundertundfünfzig angezogen, aus ihrem Eigentum treiben lassen.«
Den Alten verfolgte offenbar die Idee, daß wir, zweite Bostropps, gekommen, sein Land zuerst in Augenschein zu nehmen, und ihn dann mit den Seinigen zu vertreiben. Soviel schien uns klar, und obwohl geneigt, ihm sein Hirngespinst zu verscheuchen, hatte das arrogante, barsche Wesen, das er auf einmal angenommen, das Abenteuer, der Nachtmarsch, die Gefahren, die wir bestanden hatten, uns auch bereits etwas von hinterwäldlerischem Trotz verliehen, nicht zu erwähnen mehrere Züge Whisky und das kräftige Mahl, so wir zu uns genommen.
»Wollen also sehen«, sprachen mir nach einer hinterwäldlerischen Pause.
Und festen Trittes folgten wir dem Alten, der vor uns auf dem Stamm einherschritt. Nachdem wir an der Krone des Stammes, deren Zweige, wie gesagt, nicht alle abgehauen waren, um das Einsinken zu verhüten, angekommen, setzten wir über die quer gelegten Aeste auf den zweiten Stamm, von diesem auf den dritten, und so fort auf den vierten. Ehe wir das Ende dieses erreicht, befanden wir uns wieder auf festem Boden. Der Alte bedeutete uns, im Gänsemarsch zu folgen, und mir tappten, einer nach dem andern, beiläufig eine halbe Meile fort, durch dichtes Gestrüpp.
Endlich hielt Nathan, und seine Rifle auf den Boden setzend, wandte er sich zu uns und fixierte uns mit wahren Eulenaugen.
»Sagt, wo sind wir?«, fragte ich, den Schaft meiner Doppelflinte gleichfalls auf die Erde fallen lassend und so seine Stellung nachahmend.
Der Mann schaute mich an, und sein Gesicht verzog sich in ein eigentümliches Lächeln: »In Louisiana sicherlich, zwischen dem Redriver, dem Golf von Mexiko und dem Mississippi, innerhalb der Grenzen, die sich Euer König gesetzt, und doch an einem Ort, wo sein Arm zu kurz befunden worden, so lange Arme Könige auch haben sollen.«
Der Ton, in dem er dieses sprach, hatte einen so schneidend höhnischen Nachklang, daß mein Blick unwillkürlich auf den Sprecher fiel, um aus seinen Zügen herauszubringen, was er eigentlich mit uns im Schilde führe.
Sie waren apathisch wie immer; meinen Arm ergreifend, führte er mich einige Schritte seitwärts und deutete auf eine dunkle Masse, die mit einem Erdwall Aehnlichkeit hatte.
»Vielleicht eines der indianischen Gräber?«, sprach ich in hingeworfenem Ton.
»Ei, habt es erraten, ein Grabmal ist es, obwohl nicht der Rothäute, sondern das eines Mannes, kein besserer fuhr je den endlosen Strom herab. Könnt aber auch mit den Rothäuten recht haben, habe die Notion, es war einst, was sie eine Indianerschanze nennen. Wollt Ihr nicht näher treten?«
Wir traten näher und sahen Palisaden, und hinter diesen ein Balkendach, das vielleicht zehn Fuß über jene hervorragte.
»Oben finden wir Kienspäne«, sprach der Alte. »Jetzt wartet, bis die Leiter kommt, dann werdet Ihr das weitere sehen.«
Eine Leiter wurde nun herabgelassen, auf der wir den steilen Erdaufwurf hinaufkamen; einer der jungen Männer öffnete eine in den Palisaden angebrachte Pfostentür, und wir traten in den inneren Raum des sonderbaren Bauwerkes.
Es war aus ziemlich starken, unbehauenen Zypressenstämmen aufgeführt, die, ineinandergefügt, wohl Vierundzwanzigpfündern widerstehen konnten. Das Ganze bildete ein Viereck mit einem niedrigen, gleichfalls aus Baumstämmen aufgeführten Dach. Es mochte vierzig Fuß in der Länge und ebensoviele in der Breite haben, im Innern war nichts zu sehen als ein Kamin von ungebrannten Backsteinen, und als wir näher schauten, eine hölzerne Tafel, die in einer Ecke des Blockhauses aufgerichtet war.
»Tretet nicht auf diesen Hügel«, sprach der Mann feierlich, »es ist heiliger Grund.«
»Heiliger Grund?«, fragten wir.
»Heiliger Grund, Mann. Unter dieser Tafel liegt ein so braver Hinterwäldler begraben, als je den Mississippi herabschwamm.«
»Also ein Grabmal«, sprachen wir nicht wenig erschüttert.
»Ein Grabmal, Mann – sein Grabmal – sein Blockhaus, das er gebaut, das er verteidigt, in dem er fiel, das sein Blut benetzte, das er blutig getauft, kaum als es fertig war.
Sollt mehr von diesem blutigen Blockhaus hören – hören, wie sechs Rifles es mit fünfundachtzig spanischen und französischen Musketen aufnahmen.«
Wir schüttelten ungläubig die Köpfe.
Er nahm uns beide am Arm und führte uns aus dem Gebäude; auf einem Vorsprung von etwa sechs Quadratfuß angekommen, hielt er.
»Es war Asa mit dreien seiner Brüder, seinem Schwager und Cousin und ihren Weibern. Ist wie ein Mann, wie ein echter Hinterwäldler gefallen, hat aber zuvor fünfunddreißig Spaniern das Lebenslicht ausgeblasen. Dort« – er deutete bei diesen Worten auf einen Kranz von Kottonbäumen, in deren mondbeleuchteten Kronen sich wirklich die Geister der Gefallenen umherzutreiben schienen; »dort unter diesen Kottonbäumen, unter deren Schatten sie gefochten, sind sie gefallen und begraben.«
Die Stille der Nacht, der Silberschein des Gestirns, der die in die Prärie hinaus öffnende Waldesbucht in seinen verklärenden Strahlen gleichsam badete, die düsteren Wälder zu beiden Seiten des Blockhauses in tiefe Schatten gehüllt, und nur an den Rändern von dem Vollmond aufgehellt; alle diese Umstände, verbunden mit dem feierlich gewordenen Benehmen des Alten, wirkten allmählich auf unsere Lebensgeister. Wir standen, ohne ein Wort zu erwidern.
»Ja«, wiederholte er, auf seine Rifle gelehnt, »hier fielen fünfunddreißig Spanier gegen einen Hinterwäldler.«
»Und dieser Mann hieß?«
»Was fragt Ihr, wie er hieß? Was fragt Ihr nach Namen, als wäret Ihr Pferdedieben auf den Fersen? Fragt überhaupt nicht soviel. Schaut mit Euren Augen, hört mit Euren Ohren, aber haltet Eure Zunge im Zaum, denn die Bäume haben Ohren so gut wie die Wände in Eurem Lande.«
»Vergebung, wir hatten keine Beleidigung im Sinne!«, besänftigte ich den Alten.
»Beleidigung im Sinne«, versetzte der Alte hohnlächelnd. »Kalkuliere, daß Ihr die nicht im Sinne habt – kalkuliere, kalkuliere. Wollte auch den sehen, der den alten Nathan zu beleidigen oder zu beeinträchtigen, oder was immer in den Weg zu legen sich gelüsten sollte. Würde ihm das Gelüste bald vertreiben, der alte Nathan, solange er seine Rifle und seinen Dolch innerhalb Armeslänge hat. – Ist ein Fakt; so, wie ich sage, so ist's. Der Mann, der das Blockhaus da gebaut, und schaut es Euch recht an, denn es ist nur wenig verändert, bis auf das Dach, das eigentlich die Ursache seines Todes war – liegt jetzt in seinen eigenen vier Pfählen und war eine Zierde der Hinterwäldler. Haben aber die Spanier seinen Tod teuer bezahlen müssen, und ist ihnen die Lust vergangen, sich an Asas Niederlassung zu wagen. Ei, werden Asa Nolins nicht so leicht vergessen!«
»Asa Nolins«, fiel ich ein; »mir deucht, ich habe von diesem Manne gehört.«
»Also Ihr habt gehört von Asa, und was habt Ihr gehört?«
»Könnte es Euch wohl nicht genau sagen«, versetzte ich. »Erinnere mich nur, den Namen des Mannes gehört zu haben, haben aber so vieles gehört und anhören müssen, daß wir die Hälfte aller dieser Geschichten wieder vergessen ...«
»Verstehe«, versetzte der Alte. »Habe die Notion, wollt nicht recht mit der Sprache heraus, und mag vielleicht ebenso gut, auf alle Fälle klüger sein. Sag' Euch, wenn Ihr von hier in den Kottonwald hineinseht, so sieht es Euch schwarz vom Rande herüber aus; steigt Ihr aber herab und geht die sechzig Schritte hinüber, wird es Euch dort hell, und hier schwarz vor den Augen. Ist ein Fakt – kommt auf den Gesichtspunkt an, von dem Ihr ein Ding anschaut.«
Und nach dieser Abschweifung hielt der Mann abermals inne, schaute uns prüfend an und fuhr dann gemächlich fort: »Will Euch sagen, was Ihr gehört habt. Ihr habt gehört, daß der Mann, dessen Todeshügel Ihr gesehen, in Eure Niederlassung eingebrochen und da Pferde gestohlen. Habt Ihr nicht? Und daß er ein blutdürstiger Rebelle gewesen?«
»So etwas, die Wahrheit zu gestehen, obwohl ich mich nicht deutlich entsinne«
»Und ich sage Euch«, fuhr der Alte heftig heraus – »möge ich erschossen sein, wenn, es nicht die v...ste Lüge ist. Hat nicht mehr Pferde gestohlen, Asa, als ich, der ich Regläter bin, und beauftragt von meinen Mitbürgern, Ordnung zu handhaben.«
»Regläter?«, fragte ich.
»Regläter«, wiederholte der Mann mit selbstgefälligem Nachdruck. »Wißt wahrscheinlich nicht, was das sagen will – ist ein Amt, das wir in den Hinterwäldern geschaffen, wo wir das Gesetz selbst in die Hand nehmen und es nicht von bezahlten Richtern und Lawyern um so und so viel per Dollar vermessen lassen. Werdet später mehr davon erfahren, aber zuvor sollt Ihr von Asa und seinem Blockhaus hören, das er da getauft das blutige, und welches da geworden ist das blutige.«
»Ware es nicht besser, dies auf einen andern Zeitpunkt zu verschieben?«
»Auf einen andern Zeitpunkt zu verschieben?«, wiederholte der Alte. »Merkt Euch das, Narren verschieben, Gescheite handeln, für alles ist eine Zeit, und jetzt ist die Zeit, von Asa zu reden, denn Ihr betrachtet seine Niederlassung und sollt hören, ehe Ihr seht – morgen ist nicht mehr Zeit dazu.«
Des Mannes Sprache begann sehr unbequem zu werden, seine finstere Gemütsart brach inmitten seiner breiten Weitschweifigkeit wie unheilschwangere Blitze durch, und obwohl wir es noch immer nicht bereuten, uns den einigermaßen gefährlichen Schroffheiten dieser Hinterwäldlercharaktere anvertraut zu, haben, so wollte uns doch allmählich bedünken, daß weniger Entgegenkommen unsererseits gar nicht überflüssig gewesen wäre. Ohne jedoch weiteres Mißvergnügen blicken zu lassen, nahmen wir unsere Position in einer Weise, die unsere Willfährigkeit, die Geschichte Asas anzuhören, zu erkennen geben sollte.
»Habt ihr nie den Mississippisprung gemacht?«, fragte uns der Alte wieder.
»Was versteht Ihr unter dem Mississippisprung?«, versetzten wir.
»So eintausend Meilen von der Mündung des Ohio herab bis zum Redriver, oder ein acht- bis neunhundert.«
»Nein, aber die Fahrt von New Orleans hinauf.«
»Das ist nichts«, meinte Nathan; »der Strom ist da nicht den zehnten Teil so gefährlich wie oberhalb Natchez; ist auch zu tief, um Sandbänke, Snakes, Lawyers und wie die T...l alle heißen. Euch bei jedem Wurf unter die Beine zu bringen. Aber versteht Ihr, oberhalb Natchez, ehe der Atchafalaya und Lafourche und Plaquemine und Bayou Sarah und zwanzig andere Bayous den Mississippi abgezapft, und er sich so etwa fünfundzwanzig Meilen während der Flutzeit zu beiden Seiten ausbreitet, und Ihr keinen Fußbreit Land seht, und bloß Bäume, und nur wo diese nicht zu schauen, kalkuliert, daß der eigentliche Strom laufe – wenn Ihr so auf einem Flachboot der Wochen vier oder sechs auf diesem schmutzigsten süßesten, allmächtigsten aller Gewässer fahrt, und jede Stunde Euch Sawyers, Planters, Snakes, Wooden-Islands, und wie die Satanasse alle heißen, zwischen die Beine rennen und Ihr an ihnen vorbeischießt, wie ein Trotter, der zwanzig Knoten in einer Stunde geht, an einem Meilenstein, und jeder dieser v...ten Meilensteine Euch einhundert Fuß tief in dem allmächtigen Wasserstrudel zu begraben droht; dann, mag ich erschossen sein, wenn Ihr nicht froh seid, einmal in ein ruhiges Fahrwasser, sage den Arkansas oder Redriver, einzulaufen.
Wohl, kamen endlich in ruhiges Fahrwasser, wollten anfangs in den Arkansas, trieb uns aber ab, und mußten noch Gott danken, daß wir ein paar hundert Meilen weiter abwärts zur Mündung des Redriver gelangten.
War hohe Zeit, der Mississippi war Euch so voll, aber begann doch bereits ein weniges zu sinken, und waren in unserer Arche an der Mündung des Redriver angekommen, und war diese Arche so baufällig und leckig geworden, zog Wasser wie ein Schlauch, und war kein trockener Fleck in der ganzen Arche, und standen wir Männer und die Weiber bis an die Knie im Wasser, und schrien die Kinder und ein paar Ferkel, die wir mithatten, war ein jämmerliches Leben, zum Gotterbarmen.
Wohl! War, wie gesagt, hohe Zeit, uns um festes Land umzusehen, war aber meilenweit kein festes Land zu sehen, und mit unserm Boot durften wir uns nicht mehr in die Mitte des Stromes wagen, hätte es zerrissen. So hielten wir uns deshalb dicht oberhalb der Mündung des Redriver in den Mississippi, hatten sich da ein paar hundert Baumstämme zusammengetürmt und geschichtet – da hielten mir.
Hielten also an, obwohl es ein unsicherer Hafen war; denn die Baumstämme, so allmächtig lang und dick sie auch waren, so schaukelten sie doch so widerwärtig wie alte Weiber in ihren Kangaroosesseln.
War aber keine andere Hilfe, und Asa schrie – holla, Nathan! Das ist der Platz, die Flut sinkt, wollen das Fallen des Stromes abwarten und uns trocknen, denn sonst verfault uns alles am Leibe und in den Kisten. Und seid hurtig mit den Kisten und Truhen und Kram, sie müssen heraus, je eher, desto besser.
So schrie Asa, und Ihr hättet nur sehen sollen. Auf Meilen herum alles Wasser, und wir Kisten und Truhen und Balken auf die schaukelnde Inselbank hinauswerfend, denn es waren im Wasser durch die Strömung zusammengeworfene und geflutete und geschichtete Stämme, auf die wir zutrieben. Und wie wir auf einen Stamm traten, rollte er mit uns weg, und ein zweiter trieb es nicht besser, und war unter die tausend Stämme eine wahre Konfusion gekommen.
Und war Asa zuerst ausgesprungen, und über die Stämme hin. Auf einmal schreit er: Holla, gut Glück, Nathan! Sage Euch, gut Glück, sind nicht allein hier, haben auch andere Gäste hier. Bringt die Kisten ans Land, die Weiber werden trocknen, wir wollen auf die Jagd.
Asa, sage ich, du träumst, willst auf die Jagd – doch nicht die Alligatoren-Jagd?
Keine Alligatoren, Nathan, ruft Asa herüber – Eichhörnchen, so gute, als du je auf dem Ohio sahst, die besten, die du je gesehen.
Und wie wir das hören, springen wir, um die Tiere zu sehen, und sahen sie, und fingen ihrer wohl an die fünfhundert in weniger als einer Stunde denn waren so zahm, die armen Tiere, ließen sich wie junge Katzen fangen. Waren aber Eichhörnchen, die sich vor den Fluten auf die Baumstämme gerettet hatten.
Und waren so sehr abgemagert, daß es eine ziemliche Anzahl brauchte, um ein Mittagsmahl für zehn hungrige Magen zu liefern, und Kinder dazu, aber war doch eine wahre Gottesgabe, obwohl wir viel Mühe hatten, unsern Herd da aufzuschlagen.
War überhaupt unser Hafen auf dieser v..ten Holzinsel einer, um den wir, wäre nur ein Quadratschuh trockenen Landes zu haben gewesen, keinen Fiedelbogen gegeben hätten. Konnten nicht liegen, nicht stehen, nicht sitzen, von wegen des ewigen Herumwimmelns der Stämme in der Bucht. Kletterten wir auf einen obenan liegenden Burschen hinauf, so war zwei gegen eins zu wetten, daß sein Untermann nachgab und wir mit ihm ins Wasser kollerten. Das Ersaufen durften wir nun zwar nicht befürchten, denn es gab Alligatoren um uns herum, denen wir es an den Augen ansahen, daß sie uns nicht bis auf den Grund kommen lassen würden. Hatten so mit Achthaben, daß mir nicht ins Wasser plumpten, und Abziehen der Tiere, und Kochen, und unsere Weiber Halten, daß sie nicht über dem Kochen ins Wasser plumpten, und Abwehren der Alligatoren, die wie Katzen um uns herum lagen und schossen, alle Hände voll zu tun, hielten aber doch vier Stunden aus.
Hilft nichts, schrie endlich Asa giftig, müssen von dieser v...ten Holzinsel weg, irgendwohin, wo unsere Schuhsohlen auf festem Land stehen und wäre der Fleck nicht größer als ein Schubkarrenrad. Müssen fort, sonst erwachen wir morgen im Magen irgendeines Alligators, sind gar zu hungrig, diese schäbigen Kerle.