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Dieses eBook: "Seufzer aus Österreich und seinen Provinzen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Charles Sealsfield, eigentlich Carl Anton Postl, (1793-1864) war ein österreichischer und US-amerikanischer Schriftsteller. Dieser Bericht von Sealsfield erschien 1828 anonym in London: "Austria as it is, or sketches of continental courts, by an eye-witness" - eine kritische Abrechnung mit dem Regime Metternich. Aus dem Buch: "In Europa giebt es keine unpopuläreren Beamten, und Volk und Beamte sind sich nirgends fremder, wie hier. In keinem Staate wird man einen Stand in so beschränkten Umstanden finden, wie den der öffentlichen Beamten in Wien. Im Mittelpunkte des Vergnügens und der Fröhlichkeit sitzen sie beständig in ihren Büreaux, und stehen unter fortwährend strenger Aufsicht. Wien ist der Sitz der Ministerien und höchsten kaiserlichen Behörden, bei denen sich Hunderte von Räthen und Tausende unterer Beamten angestellt befinden. Ein Hofrath ist schon ein wichtiges Thier; wie man's nennt, besitzt er das Referat einiger Provinzen und den Rang eines Generalmajors; er bezieht fünf bis sechs Tausend Gulden Gehalt, in Oestreich ein ansehnliches Geld. Dafür muß er aber auf den Besuch von Gesellschaften Verzicht leisten, ist er nicht zufällig aus einer vornehmen adeligen Familie, oder liegt ihm nichts an seiner höhern Beförderung. Nicht Mangel an Vermögen verdammt ihn dazu, sondern die Prinzipien der Regierung..."
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Seitenzahl: 187
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Politische Kritik am Metternich-Regime
Wir verließen Alt-England, und gingen über Paris und die Straßburger Brücke auf deutschen Grund und Boden. Das erste deutsche Reich, welches wir jenseit des Rheins fanden, war das Großherzogthum Baden. Die Landeshauptstadt Karlsruhe ist groß und regelmäßig, und besitzt ein prachtvolles Palais und einen schönen Park. Der Menschenschlag ist herrlich, das Land fruchtbar; es besitzt auch, was man in Deutschland eine Konstitutionelle Verfassung nennt. Was soll man weiter davon sagen? Etwa daß das arme Volk dort wie anderswo von Kartoffeln und schwarzem Brode lebt, das an Farbe den alten abgetragenen Hüten auf seinen Köpfen gleicht?
Aufhalten in diesem Ländchen war unser Vorsatz nicht; noch desselbigen Tages kamen wir in das Königreich Würtemberg. Das Königliche Residenz-Schloß in Stuttgart ist vielleicht das Schönste in Deutschland, und übertrifft die Tuilerien bei Weitem. Bis nach Heidelberg gab es keinen erfreulichen Anblick. Dort herum gewann das Land ein besseres und romantischeres Ansehn; die Bewohner schienen sich in besseren Verhältnissen zu befinden.
Einige Stunden genügten, um uns in die dritte Hauptstadt auf deutschem Gebiete, nach Darmstadt zu versetzen. Hier fanden wir ein schönes Theater, eine Ständeversammlung à la Würtemberg, und ein Heer von zehntausend Soldaten, die mit Freuden wieder einen Kreuzzug gegen die Yankee's machen möchten, wie uns gesagt wurde.
Eine halbe Tagereise, und wir waren in Frankfurt, dem Sitze des deutschen Bundestages. Mit einem gutem Pferde kann man von hier aus in Zeit von einer Stunde durch das Gebiet von drei Souverainen reiten, nämlich durch das der Churfürsten von Hessen, des Herzogs von Nassau und des Landgrafen von Hessen-Homburg.
Der Churfürst von Hessen-Cassel ist der reichste aller deutschen Fürsten. Sein Land und seine Unterthanen sind Zeugen. Seine Schätze verdankt er seinem Großvater und seinem Vater, zweien Fürsten, welche besser wußten wie die andern deutschen Prinzen, was Souverainetät zu bedeuten habe. Der Erste verkaufte seine getreuen Landeskinder nach Amerika, der Andere brachte die Privilegien der vorigen Fürsten und Edelherren wieder in Schwung.
Da sich seine Schätze hauptsächlich von den Soldaten seines Ahnherrn herschrieben, so widmete er auch den seinigen alle mögliche Aufmerksamkeit. Nach der Restauration fiel ihm nichts Geringeres ein, als daß sie wieder Zöpfe tragen sollten, wie zu den Tagen Friedrich des Großen. Da man aber durchaus kein Verfahren ausfindig machen konnte, wie die befohlenen Zöpfe am Kopfe festgemacht werden sollten, die Ungeduld aber nicht erwarten konnte, bis den Leuten die Haare gewachsen sein würden, so ward entschieden, daß der Zopf am Kragen befestigt werden möchte. Die Göttinger Studenten machten sich darüber weislich lustig; sie banden sich Schweinsschwänze an, und zogen so durch's Land. Es kam auch vor, daß alte Kriegsleute, welche dem Churfürsten in's Exil gefolgt waren und ihre eigenen Zöpfe behalten hatten, um dem Befehle zu genügen, sich noch den falschen Zopf an den Kragen hängen mußten, und nun mit zweien herumgingen.
Frankfurt am Main ist eine berühmte und alte Stadt, wo sich ziemlich durch alle Klassen ein ansehnlicher Wohlstand verbreitet findet. Nebst Wien ist es der einzige wirklich reiche Platz im südlichen Deutschland. Sind auch die größten Reichthümer in den Händen einiger Juden, so kommt doch den Bewohnern genug von dem zu Gute, was jene an russischen und andern Papierchen profitiren.
Schmerzlich ist es, daß der edle Charakter der Deutschen und seine Tugenden im Ganzen so wenig gekannt ist, und so gering geachtet wird. Sie besitzen eine Innigkeit des Gefühls, welche aus dem Gemüthe kommt und zum Herzen spricht. Als ich durch Heidelberg kam, trat der unglückliche Exkönig Gustavsohn von Schweden in demselben Hotel ab, wo ich wohnte. Er hatte so eben den Postwagen verlassen, und erschien im Speisesaal des sogenannten Posthofes, den Mantelsack unter dem Arme, in einfacher, selbst nachlässiger Bekleidung und ohne alle Bedienung.
Der Saal war voll Reisende und Studenten, und es herrschte eine zwar nicht sehr geräuschvolle, doch sehr belebte Unterhaltung, die sich aber beim Eintritte des Exmonarchen in ehrfurchtsvolles Schweigen verwandelte. Die Studenten hörten auf zu rauchen, und der Gast, welcher den obersten Platz an der Tafel inne hatte, stand auf, um ihn dem ausgezeichneten Reisenden abzutreten. Der Wirth, näherte sich ihm und fragte, ob ihm nicht unangenehm sei, die Musik einer so eben eingetretenen Musikbande anzuhören und nachdem er seine Zufriedenheit damit zu erkennen gegeben halte, duldete man nicht, daß er wegen seines persönlichen Beitrages von den Musikanten angesprochen werde; man wußte, daß er in Basel seinen Mantelsack hatte verpfänden müssen. Kein Anwesender erlaubte sich zu lachen, ja nur ein spöttisches Gesicht gegen die herabgekommene Majestät zu schneiden. Eine allgemeine Achtung, gleichweit entfernt von serviler Unterthänigkeit wie von Geringschätzung, sprach sich in der ganzen Gesellschaft gegen den Unglücklichen aus.
Der Deutsche verbindet mit einer unglaublichen Bildung und Erfahrung gewöhnlich große Bescheidenheit und eine Einfachheit des Betragens, die einen Maaßstab seines Geistes abgiebt.
Unter den bessern Klassen der Gesellschaft haben sich in Frankfurt am Main allerliebste Vereine gebildet, welche aus jungen Leuten von beiderlei Geschlechtern bestehn. Unter funfzehn davon würde man nicht fünf ausfindig machen, die mit der englischen Literatur nicht vertraut wären. Walter Scott, Moore, Cooper sind ihre Favorit-Schriftsteller. In ihren Zusammenkünften werden ihre Romane und Gedichte vorgelesen, man unterhält sich mit Musik und übt andere gesellige Unterhaltungskünste. Nach dem Thee begiebt man sich in den Cäcilienverein, eine für Frankfurt höchst ehrenvolle Gesellschaft. Hundert junge Leute beider Geschlechter und aus den ersten Familien, kommen hier regelmäßig zweimal in der Woche zusammen, um unter Leitung eines geschickten Musikers die klassischen Werke eines Haydn, Händel, Graun und andrer berühmter Meister aufzuführen. Die Kosten werden von den Mitgliedern durch Subscription gedeckt.
Die Räume, welche zur ehemaligen Kaiserkrönung benutzt wurden, würden ein kostbares Denkmal abgeben, sollten sie nichts weiter thun, als der Zukunft die Herrlichkeit der Vorzeit verkünden. Der Saal, in, welchem die Ceremonie vor sich ging, ist ein Oblongum, oder gleicht vielmehr einer Schloßkapelle der mittleren Art, in England. Die Kaiserbilder, davon die ältesten mehrmals restaurirt worden, von Alter ganz vergraut, die Oede im ganzen Gebäude, kann als ein treffendes Bild der gegenwärtigen Lage des heiligen römischen Reiches gelten.
Bis Leipzig bietet die Tour, Gebirge und einige kleine Residenzen der sächsischen Herzöge abgerechnet, nichts sonderlich Merkwürdiges. Ich besuchte bei Leipzig den Punkt, wo der tapfere Poniatowski, das Idol und die Hoffnung seiner Landsleute, seine ruhmvolle Laufbahn beschloß. Romantisch und enthusiastisch gesinnt, wie die Polen bekanntlich sind, darf man sich nicht wundern, wenn sie mit so vielem Feuer an der Idee hingen, jenen Prinzen auf dem Throne der Sobiesky und Casimire zu sehn. Als ich später in Töplitz war, machte ich eines Tages eine Partie in Gesellschaft von polnischen Familien. Zufällig kam das Gespräch auf den Prinzen Poniatowski, und die schöne S— äußerte unter andern: „Wenn Sie jenen Prinzen gesehen hätten, wie er allein und stehend, seinen mit acht wilden Rossen bespannten Phaeton durch die Straßen von Warschau lenkte, so würden Sie den Eindruck kennen, welchen seine Erscheinung auf alle Welt hervorbrachte.“
In Bezug auf des Fürsten tragisches Ende wird eine merkwürdige Anekdote erzählt, deren Authenticität übrigens von mehreren Augenzeugen bestätigt worden ist. Etwa sechs Jahr vor seinem Tode, besuchte nämlich Poniatowski Verwandte in Schlesien. Es war eine kleine Gesellschaft in einem Pavillon versammelt, als man vor demselben plötzlich eine klagende aber wohlklingende Stimme vernahm. Es fand sich, daß sie von einer Zigeunerin herrührte; man ließ das Weib sofort eintreten und forderte sie zum Wahrsagen auf: Poniatowski kam zuerst an die Reihe. Nachdem das Weib seine Hand lange und aufmerksam besehen hatte, murmelte sie bedeutungsvoll: „Prinz, eine Elster wird Ihr Tod sein.“
Der Doppelsinnigkeit wegen fiel diese Prophezeihung der Gesellschaft vorzugsweise auf, und wurde zu Papier gebracht und von den Anwesenden beglaubigt. Dieses Aktenstück soll noch vorhanden sein.
Sachsens Wohlstand scheint trotz seiner Zerstückelung und den Verheerungen eines Krieges, welcher zu verschiedenen Malen eine Million Soldaten auf seinem Gebiete vereinigte, wenig gelitten zu haben. Ueberall sieht man das väterliche Walten der Regierung. Mochte man dem greisen Fürsten, der nur treu an seinem geleisteten Eide und der damit besiegelten Alliance hielt, was andere nicht für nöthig hielten, vorwerfen was man will, er hat mehr wie dafür gebüßt. Seine edelmüthige Redlichkeit hat unerschütterlich fest gestanden im Sturme der Zeit, und er that was er konnte, die blutenden Wunden seines Landes zu heilen.
Dresdens Schätze, denen es den Namen des deutschen Florenz verdankt, sind bekannt genug. Prächtige Bauten sieht man in Dresden nicht; das Königliche Schloß, die katholische Kirche, das Marcolinische Palais, haben nichts Imposantes. Der Gesammtanblick der Stadt ist aber prächtig. Ohne gerade romantisch zu sein, ist ihre Lage schön. Eine Brücke in einem edlen Style gebaut, vereinigt die beiden Stadttheile.
Wir verließen Dresden mit Bedauern auf der Straße nach Böhmen, dieselbe, auf welcher vor vierzehn Jahren die östreichischen, russischen und preußischen Adler vor dem Korsischen Helden zurückwichen. Hier war der letzte Schauplatz seines Ruhmes. Nach zweien Tagen unaufhörlichen Kampfes und Regens kehrte er, von den Anstrengungen ganz erschöpft, in die Stadt zurück. Seine Kleider trieften, der Rand seines Hutes hing herab, da grüßte ihn der Ruf des seinen Muth bewundernden Volkes mit dem lauten: „es lebe der Kaiser!“
Mit nassen Augen wendete der Held sich zu Berthier, und sprach: „das klingt aufrichtig.“ Dann rasch nach den Tausenden gefangener Oestreicher blickend, die ihm folgten, umdüsterten sich seine Blicke und nahmen einen Ausdruck an, den sie nicht mehr verloren.
Zwischen Peterswalde und Nollendorf schlug das Wort Halt! an unsere Ohren. Ein großer Schlagbaum, gelb und schwarz bemalt, versperrte die Straße, und erinnerte uns daran, wo wir waren. Aus einem dabeistehenden Hause, über dessen Thür ein Doppeladler thronte, trat ein Zollbeamter in Begleitung eines Unterofficiers und zweier Soldaten. Mein Reisegefährte hatte es für angemessen gefunden, meine Bücher und Papiere unter seine unmittelbare Obhut zu nehmen; diese Vorsicht war indessen überflüssig. Nach respektvollen Begrüßungen fragte ihn der Zollbeamte, wer ich sei. Nachdem er davon unterrichtet worden, wollte er wissen, ob ich keine fremden Bücher bei mir habe, und machte sich an mein Gepäck, als ihm mein Begleiter mit gleichzeitig arrogantem und boshaftem Lächeln zurief: „ich nehm' es auf mich und will seinen Paß selbst ausfertigen; es ist ein Freund von mir. Schicken Sie nur zu E., und lassen Sie sich in meinem Namen eine Hirschkeule und ein Faß Bier geben.“
Der Beamte gab seine Dankbarkeit durch einen ehrfurchtsvollen Handkuß zu erkennen, und die Soldaten zogen ein abscheuliches Gesicht.
Jetzt ging es in die Defileen von Nollendorf hinab, berühmt durch den Widerstand, weichen hier dem Heere Vandamme's drei Tausend Preußen unter dem General Kleist (später von Nollendorf genannt) entgegen setzten. Aus dieser Defilee kommt man in ein tiefes, von allen Seiten mit hohen Bergen eingeschlossenes Thal, dessen bewaldete Abhänge vor vierzehn Jahren Zeugen der blutigen Schlacht von Maria Culm waren. Zwei Monumente erinnern den Wanderer an diese Waffenthat; das eine hat der König von Preußen, das andere der böhmische Adel errichten lassen.
St. Maria Culm, Residenz des edlen Grafen von Thun, in geringer Entfernung von dem Flecken gleiches Namens gelegen, ist die erste schone Wohnstätte, welche auf dieser Seite der Straße in's Auge fällt. Das Hauptgebäude, von Gärten, Parks und von dem Gute abhängigen Wohnungen umgeben, ist im eleganten und modernen Styl gebaut. Von hieraus kamen wir in Zeit von anderthalber Stunde nach Töplitz, dem berühmten Tempel Hygiea's, heilsam für alle Uebel, welche der unmäßige Genuß der Geschenke von Ceres, Bacchus und Venus nach sich zieht.
Der Reisende kann sich hier nach seinem Beutel einrichten, und täglich fünf Guineen oder nur einen Schilling verzehren. Die gefällige Polizei weiß ihr Verfahren seinem Aeußeren, oder dem Stande und Namen anzupassen, den sein Paß angiebt, den er entweder selbst vorzeigt, oder auch nur hinschickt. Ein Fremder, welcher sich in Oestreich gleich bei der Ankunft hinreichend ausweisen kann, hat weit weniger Grund über die Polizei zu klagen, wie in Frankreich und Preußen. Sie lastet vorzüglich auf dem Volke. Die vornehmen Klassen und Fremde von Distinction werden wenig von ihr beunruhigt. Brandmarkt sie nicht der Titel „Revolutionäre,“ so haben sie mehr Freiheit wie irgendwo. Zwei Dinge sind es, die ich jedem Engländer besonders anempfehlen möchte, der um seine Vermögensumstände herzustellen, oder aus einem anderen Grunde, sein Vaterland mit dem Kontinente vertauscht. Nämlich, er muß weder Verachtung noch Unzufriedenheit mit den Institutionen des Landes an den Tag legen, wo er seinen Wohnsitz aufschlägt, und seine Zunge im Zaume zu halten wissen. Freiheit ist ein Diamant, der in England glänzt, und seiner Seltenheit wegen um so höher geschätzt werden muß. Man zeige ihn Dieben oder Armen, so werden sie ihn rauben, oder als etwas für sie Werthloses verachten. Wer seine Freiheit den Sklaven oder Aufpassern sehen läßt, giebt sich dadurch den unangenehmsten Folgen Preiß.
Töplitz ist ein recht hübscher Ort. Seine Häuser sind zahlreich, nett, solid, mitunter sogar ausgezeichnet. Das Fürstlich Clary'sche Palais (dem Fürsten Clary gehört Töplitz) macht einen imposanten Eindruck, ungeachtet es gerade in keinem erhabenen Style gebaut ist. Außer mehrern Privat-Badehäusern giebt es hier die Stadtbäder, die Bader des Fürsten Clary und des Königs von Preußen. Alle sind von Marmor oder weißen Steinen, und sehr reinlich gehalten. Bevor man sich des Wassers bedient, bleibt es zehn Stunden der frischen Luft ausgesetzt, dessen ungeachtet ist es aber noch so warm, daß man es kaum im Bade aushalten kann. Zwei abgesonderte große Behältnisse sind zu Bädern für Arme beiderlei Geschlechts bestimmt, denen auch täglich kleine Almosen gereicht werdet Das gewöhnliche Regime, dem man in Töplitz folgen muß, ist nach dem Bade eine Stunde Siesta, hierauf wird gefrühstückt, dann promenirt. Um drei beginnt im Salon des großen Gartens das Diner. Zu Nachbarn hat man vielleicht einen böhmischen, russischen oder polnischen Edelmann, und ihres militairischen Kostüme's so wie ihrer martialischen Haltung wegen, sieht man sie vielleicht für russische oder preußische Generale an, wenn ihre Gewohnheit zu lachen nicht das Gegentheil verrieth.
Die Gesellschaft ist durchaus adlig. Man sieht sogleich wo man ist, ohne in die unangenehmen Verlegenheiten zu kommen, welche man in andern deutschen Bädern so häufig findet, wo einem zur Rechten vielleicht ein Prinz sitzt, der nur fünfhundert Louisd'ors Renten hat, und zur Linken ein Königlich preußischer Leutnant, was uns nöthigt, der Kordialität des ersten kaltes Schweigen entgegen zu setzen, und zu den arroganten Windmaulereien des zweiten höflich zu lächeln.
Wahrend der Tafel macht ein kleines Orchester vortreffliche Musik, und läßt einem die nach bestimmten Diätregeln arrangirten Gerichte übersehen. Rhein- und Ungar-Wein und Champagner fließen in Strömen, denn in einer Beziehung wenigstens, muß man der Liberalität der östreichischen Regierung Gerechtigkeit widerfahren lassen. Beschränkt sie die intellektuelle Entwicklung ihrer Unterthanen, so begünstigt sie auf der andern Seite die physische aus allen Kräften, und erlaubt, was alle andere Regierungen verpönen, die Einfuhr aller Weine. Es ist hier das alte Sprichwort zur Staatsmaxime geworden: „ein voller Bauch studirt nicht gern.“
Bei Tische berührt die Konversation niemals politische Gegenstände. Der Russe schwatzt von der letzten ungarischen Weinlese, der dickwanstige östreichische General, von dem lieblichen Geruch des Fasan's; die Polen plaudern nur mit ihren schönen Landsmänninnen am obern Ende der Tafel.
Einer der Anwesenden verdient jedoch einer besondern Aufmerksamkeit; er hat ein heiteres Ansehn, spricht französisch, englisch und deutsch wie Wasser, und ist eine Art Wetterfahne, aus deren Charakter man nicht klug werden kann. Jeder Neuangelangte kann gewiß sein, daß er diesen Mann des Mittags gegenüber haben wird. Der russische Graf behandelt ihn sehr zuvorkommend, die Polen sehen ihn wüthend an, demüthig benimmt sich gegen ihn der östreichische General, dessen Adjutant aber, der junge und reiche Graf N... wenig aus ihm macht. Der Betheiligte scheint indessen wenig Notiz davon zu nehmen, er ist ein tiefer Beobachter, und der Unbekannte wird immer sorgfältig von ihm bewacht. Wer aber ist dieser Mann?
„Der **, ein Polizeispion, welcher auf Regimentsunkosten die Saison in Töplitz zubringt, auf großem Fuße lebt, von Jedermann gekannt ist, mit Jedermann vertraut umgeht, und nur dem Unvorsichtigen gefährlich ist. Man begegnet ihm überall, sogar in den adligen Zirkeln, denn die Edelleute halten es für nöthig, um ihre Loyalität und Ergebenheit gegen den Thron zu zeigen, mit Leuten seiner Art in gutem Vernehmen zu stehn.“
Gegen fünf Uhr, nach aufgehobener Tafel, wird man zu einer Partie in die Umgegend aufgefordert, wenn das Wetter schön ist, außerdem geht man in den Park des Prinzen Clary, der unter andern zwei herrliche Bassins mit Wasser unterhält, auf denen sich Schwäne majestätisch wiegen, und um welche herum prächtige Linden, schöne Waldbäume und schattiges Buschwerk steht. Zwei Personen, wenn sie überhaupt in Töplitz anwesend sind, machen hier ihre tägliche Promenade, das Wetter mag sein, wie es will. Die eine ist eine stattliche Gestalt, ihr Angesicht aber hat einen etwas düstern Ausdruck, die andere ist klein, und hat alle mögliche Mühe, mit der andern gleichen Schritt zu halten. Es ist der König von Preußen und sein Kammerherr von Wittgenstein.
Das preußische Kurpublikum, welches Sr. Majestät folgt, hält sich apart, und dabei verliert die Gesellschaft in der That Nichts. Ueber die Arroganz so manches dieser Prahlhänse giebt es nur eine Stimme. Zwischen ihnen und den Oestreichern, insbesondre den Militairpersonen, besteht eine Eifersucht, die von den erstern dadurch immer mehr angefacht wird, daß sie sich ein überlegenes Ansehen geben. Worauf könnten sich indessen beide groß was einbilden?
Töplitz hat seine Annehmlichkeiten, wie man sieht; es ist hier Alles auf guten Fuß geordnet, und man ist hier weniger den Prellereien ausgesetzt, welche in andern deutschen Badeorten so häufig sind. Auch jene wandernden Musiker belästigen einen nicht, die an andern Orten es nöthig machen, daß man eine Münzsammlung von Kreuzern, Groschen und wie der Bettel sonst heißt, mit sich herum schleppen muß. Bei der Abreise zahlt man seinen Beitrag für die herrliche Musik, welche man bei Tafel genossen hat. Gute Seiten hat die östreichische Polizei, das muß wahr sein. Ich rechne dahin die Sorge, welche sie nicht bloß für das Wohlbefinden des Reisenden hat, sondern auch, daß sie ihn vor Schnellerei und dergleichen schützen hilft. Gastwirthe, Kutscher und das ganze dienende Personal, welches vorhanden ist, muß aus Furcht rechtlich mit den Fremden umgehn. Der Gastwirth würde unerbittlich bestraft, der Bediente zum Teufel gejagt, der sich unterstände, einen Kurgast gar zu sehr zu schröpfen.
Rußland, Sachsen und Polen liefert gemeiniglich die schöne Hälfte der guten Gesellschaft in Töplitz. Nichts Verführerischeres und Gefährlicheres kann es übrigens geben, wie eine Polin.
Wer gern trinkt und raucht und zum hundert und einten Male dieselbe Kriegsthat erzählen hört, findet seine Leute an den Preußen, welche sich in den Hotels zum Adler und Eber zusammen finden. Dort kann man hören, welche Großthaten sie an der Katzbach, bei Bar-sür-Aube, auf dem Montmartre vollbrachten, und wie sie verhinderten, daß Wellington mit seiner Armee bei Waterloo nicht in Kochstücke gehauen wurde. Um ihre Worte zu beweisen, ziehen sie auch wohl ein zu Olims Zeiten roth gewesenes Portefeuille aus der Tasche, welches die Pläne jener Schlachten enthält.
Die Umgegend von Töplitz, das böhmische Paradies genannt, sind der Versammlungsort der großen Welt während der schönen Jahreszeit. Mehrere Herzöge, Fürsten und Grafen bringen den Sommer dort auf ihren Schlössern und Landsitzen zu; einige derselben gleichen den besten der Art in England, wenn sie dieselben nicht noch übertreffen sollten. Eines der ausgezeichnetsten Schlösser ist Raudnitz, desgleichen Eisenberg, wohin unsre Exkursion gemacht wurde.
Eisenberg gehört sammt der Herrschaft gleiches Namens dem Prinzen von Lobkowicz. Das Schloß zeigt sich, nachdem man ungefähr eine Stunde weit durch Waldung gefahren ist. Drei Alleen führen auf den höchsten Berg der Umgegend. Ein Rudel Dammhirsche, zeigte sich einen Augenblick, indem wir herumkutschirten, und verschwand dann im Dickicht. Stolz erhebt sich das schöne, sechseckige Gebäude aus der Mitte der Forsten; es hat drei Etagen, welche von Kuppeln überragt werden. Zwei von ionischen Säulen getragene Balkone zieren die ebenfalls mit Säulen derselben Ordnung versehene Hauptfaçade. Man steigt eine Doppeltreppe hinauf, welche in die erste Etage bringt, die der fürstlichen Familie vorbehalten ist, und eine prachtvolle Einrichtung enthält. Die zweite Etage ist für Gäste und Fremde bestimmt, welche mit edler Gastfreundschaft, sogar in Abwesenheit der Herrschaft aufgenommen und bewirthet werden.
Der Kastellan richtete auch an uns die Einladung einen Tag zu verweilen, ja er trug uns sogar an, die Hirschjagd abzuwarten, welche in acht Tagen aufgehen und womit des Prinzen Ankunft gefeiert werden solle. Diese Jagd ist hier nicht sehr anstrengend. Man beschränkt sich darauf eine Mandel Hirsche nach dem Waldrande zu treiben, wo die Jäger im Hinterhalte liegen, und ihnen das Garaus machen, sobald sie sich sehen lassen. Ein Diner und ein Ball beschließen das Fest.
Die Aussicht vom Schlosse ist wahrhaft imposant. Gegen Nordost erheben sich bis in die Wolken eine Menge Berggipfel, die noch unter König Rübezahl's magischem Scepter zu stehen scheinen, gegen Westen zeigt sich das sächsische Erzgebirge, gegen Mittag breitet sich wie ein Teppich das schöne Böhmen aus, bedeckt mit alterthümlichen Ruinen, mit Schlössern, Städten und Dorfschaften.
Nur einmal des Jahres kommt der Fürst mit seiner Familie hierher, und verweilt dann während der Jagdzeit einen oder zwei Monat. Hundert Tausend Acker Waldung gehören zu seiner Herrschaft. Ein Theil davon ist abgesperrt, und wird von ein drittehalb Hundert Rehe und Hirsche, und funfzig wilde Schweine bevölkert. Allel drei Jahre wird große Hirschjagd gehalten, und der benachbarte Adel dazu eingeladen. In England würden diese Anlagen einen jährlichen Aufwand von mindestens zwei Tausend Louisd'or verursachen, hier zu Lande kosten sie verhältnißmäßig wenig. Die zur Besitzung gehörenden zehn Vorwerke erndten Gerste genug, um das Wild damit zu füttern; zu jedem gehören fünf und zwanzig Tausend Acker urbares Land. Sie sind so angelegt, daß sechszig zur Herrschaft gehörende Dorfschaften sich um sie gruppiren. Die Bauern derselben müssen Frohndienste aller Art thun, die Straßen bauen, und bei den Jagden die Treiber stellen. Die Verwaltung der ganzen Domaine beaufsichtigt ein Direktor, die der Forsten speziell ein Inspektor. Beide sind der Landesregierung verantwortlich, ersterer nämlich für Ausführung der ihm zukommenden Befehle, letzterer für Konservirung der Forsten.