Der ewige Krieg 2 - Preisaktion - Joseph R. Lallo - E-Book

Der ewige Krieg 2 - Preisaktion E-Book

Joseph R. Lallo

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Beschreibung

Nachdem sie Entwell verlassen hat, begibt sich Myranda auf die Suche nach Lain. Nur er kann den Krieg beenden und die Welt von ihrem Leid erlösen. Doch Lain hat wie immer seine eigenen Pläne, und die Generäle des Nordbunds offenbaren nun ihre wahre Macht. Die Welt verdunkelt sich, und bald gibt es nur noch eine einzige Hoffnung für den Frieden: Die Vereinigung aller fünf Erwählter - die Große Zusammenkunft.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3

Die große Zusammenkunft (Buch II)

Eine Geschichte nur zur Hälfte zu erzählen, ist ein schweres Verbrechen.

Kapitel 1

„Ich habe den Verstand verloren”, murmelte Myranda. „Hinter mir liegt ein Paradies. Jede Nacht ein warmes Bett und jeden Tag etwas Warmes zu essen. Und ich lasse das zurück, um in eine finstere Höhle zu klettern, die in Kürze überflutet sein wird, und um einen reuelosen Mörder davon zu überzeugen, dass er einen Krieg beenden und die Welt retten muss.”

Das Paradies hieß Entwell. Es war ein Ort des Lernens, an dem die weisesten Magier und die begabtesten Kämpfer des Landes lebten. Jeder von ihnen hatte in der Höhle nach einer legendären Bestie gesucht, die unzählige Abenteurer verschlungen hatte. Doch sie alle hatte herausgefunden, dass die Höhle selbst diese Bestie war. Es gab nur zwei kurze Zeitabschnitte im Jahr, an denen man sie überhaupt durchqueren konnte, und einer dieser beiden Zeitabschnitte würde in wenigen Momenten beendet sein.

Der Mörder war ein Wesen, das offenbar keinen richtigen Namen besaß. Myranda hatte ihn zunächst als Leo, dann als Lain kennengelernt. Der Name, unter dem ihn die meisten Leute kannten, war „der Rote Schatten”. Er war ein auf dem gesamten Kontinent gefürchteter Assassine. Und er war ein Malthrop, eine verhasste und aussterbende Art von Wesen, die wie eine Mischung aus Mensch und Fuchs aussahen. Aber er war nicht nur ein Mörder und ein Malthrop, sondern auch noch etwas anderes, viel Wichtigeres, und dies war erst vor wenigen Tagen bei einer Beschwörungszeremonie in Entwell entdeckt worden.

Bei dieser Zeremonie hatten die Bewohner von Entwell versucht, einen göttlichen Krieger zu beschwören und einen zweiten zu identifizieren, und Lain war tatsächlich einer der Erwählten, ein von den Göttern gesandtes Werkzeug, um den seit anderthalb Jahrhunderten wütenden Krieg zwischen dem Nordbund und Tressor zu beenden. Aber statt sich seinem Schicksal zu stellen, hatte er es zurückgewiesen und Entwell verlassen. Jetzt war er irgendwo in dieser Höhle auf dem Weg zurück in die vom Krieg zerrissene Welt und hatte nicht die geringste Absicht seine ihm von den Göttern zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Und so war Myranda ihm gefolgt.

„Ich werde ihn finden”, murmelte sie zu sich selbst. „Ich werde ihn überzeugen. Ich muss!”

Myn warf ihr nur einen zustimmenden Blick zu und tappte weiter. Das kleine Drachenweibchen war noch kein Jahr alt. In ihrem kurzen Leben war sie noch keinen Tag von Myranda getrennt gewesen und hatte das auch in Zukunft nicht vor, ganz gleich was kommen mochte. Ihre scharfen Krallen waren besser für gewöhnliche Höhlenwände geeignet als für die glatten, glasartigen Wände hier, aber mit dieser Herausforderung wurde sie fertig. Was vor ihnen lag, war viel schwieriger zu bewältigen. Hinter ihnen war der Höhleneingang kaum mehr zu erkennen, und vor ihnen wurde es finster. Jetzt konnten sie nicht mehr zurück.

Myranda zog ihren Stab aus der Tasche. Er war länger und dicker als derjenige, den sie früher besessen hatte, und passte viel besser zu seinem eigentlichen Besitzer Deacon, ihrem Freund und Lehrmeister, der ihn ihr geschenkt hatte. Dennoch gelang es ihr mühelos, ihm einen Lichtschein zu entlocken. Erst jetzt in der Höhle wurde ihr klar, wie neu all diese magischen Fertigkeiten für sie waren. Bei ihrer ersten Wanderung durch diese Höhle war sie vollständig von Fackeln abhängig gewesen. Jetzt konnte sie dank Deacons Lehren einfach durch ihren Willen ein Licht herbeirufen. Von so etwas hatte sie vor wenigen Monaten nicht einmal zu träumen gewagt.

Sie waren erst wenige Minuten unterwegs, als der Berg ein ohrenbetäubendes Grollen ausstieß, an das Myranda sich nur zu gut erinnerte. Ein Schwall eisiger Luft fegte über sie hinweg, als die Wasserflut über den Eingang herabstürzte und ihn versperrte. Myn zuckte heftig zusammen und Myranda lief schneller über den gefährlich glatten Boden. Beim letzten Mal war das Wasser mit jeder Minute ein paar Schritte vorwärts gekrochen. Mit ein wenig Glück konnten sie vor ihm davonlaufen.

Aber schon kurze Zeit später war klar, dass das Glück nicht auf ihrer Seite war. Bei ihrer Ankunft in Entwell waren sie rechtzeitig aus dem Becken gezogen worden, bevor der Wasserfall mit seiner ganzen Gewalt auf sie herabstürzen konnte. Jetzt wurde das Brüllen des Berges immer lauter und schon bald hörte sie das Wasser hinter sich. Die Flut kroch nicht, wie Myranda gehofft hatte - sie raste heran. Myranda lief los, rutschte aber ständig auf dem glitschigen Boden aus. Sie entschied, dass wenn sie dem Wasser nicht entkommen konnte, sie sich besser auf die Flut vorbereitete. Sie blieb stehen und band ihre Tasche fest an sich. Myn, die ganz und gar nicht hier herumstehen wollte, bis ihr Schicksal sie einholte, warf ihr einen verängstigen Blick zu, und dann war die erste Welle auch schon über ihnen.

Die Wand aus eisigem Wasser traf sie mit der Gewalt eines heranstürmenden Stieres und riss Myranda mit sich, schneller als sie je hätte laufen können. Ja selbst schneller als ein Pferd hätte laufen können. Einen Moment später stieß sie mit ihrem Drachen zusammen, zog das verängstigte Tier mit einem Arm dicht an sich und hielt den Stab fest in der anderen Hand. In diesem Chaos aus wirbelndem Wasser konnte sie sich nicht auf den Lichtzauber konzentrieren. Stattdessen richtete sie ihre ganze Kraft auf ein Netz von Sprüchen, die sie und Myn davor bewahrten, gegen die Felswände zu krachen. Währenddessen wurden sie immer weiter fortgeschwemmt; längst wusste sie nicht mehr, wo sie war, und auch die vagen Erinnerungen an den Hinweg würden ihr nichts mehr nützen, selbst wenn sie diese Flut überlebte.

Jetzt ging die unfreiwillige Fahrt nicht mehr nach oben, sondern immer schneller in einem zunehmend steilen Bogen nach unten. Einen Augenblick lang fragte Myranda sich, ob das ein glücklicher oder eher unerfreulicher Umstand war, und wie üblich erfolgte die Antwort prompt. Der Boden verschwand und sie stürzte im freien Fall nach unten. Sie ließ Myn los und versuchte zu levitieren, aber es gab einen Grund, warum diese Höhle so vielen Kriegern und Magiern zum Verhängnis geworden war. Der kristalldurchsetzte Fels unterbrach und verformte alle außer den einfachsten Zaubern und der Levitationszauber schien zu komplex zu sein. Myranda verlor ihre Konzentration und die magischen Energien brachen auseinander.

Ein scharfer Schmerz durchschoss ihren Bauch, als sie gegen eine Felswand prallte. Blindlings packte sie zu, krallte sich an allem fest, was Halt versprach. Irgendwie schaffte sie es, ihren Sturz zu bremsen und sich festzuklammern. Einen Moment lang hing sie nur da, krallte sich fest und schnappte nach Luft. Um sich herum hörte sie das Tosen des fallenden Wassers. Sie öffnete die Augen, was nichts nützte, da der Stab erst dann wieder Licht verströmen würde, wenn sie es ihm befahl. Und dafür musste sie ihn erst einmal finden. Sie hatte ihn beim Aufprall gegen die Höhlenwand fallen gelassen. Während Myranda über ihre eingeschränkten Möglichkeiten nachdachte, spürte sie eine Berührung an der Schulter und fiel vor Schreck fast um.

„Myn!”, rief sie. „Myn, dir geht es gut!”

Das kleine Drachenweibchen war hier natürlich in seinem Element. An diesen rauen Wänden konnte sie ebensoleicht herumklettern wie auf dem Boden. Sie ließ ihre Zunge herausschnellen und leckte über Myrandas Ohr, dankbar dafür, dass ihr Mensch sie einigermaßen heil durch die Sturzflut gebracht hatte. „Ist gut”, sagte Myranda, „gern geschehen. Aber jetzt bist du an der Reihe. Ich kann nicht ewig hier hängenbleiben. Du musst einen Tunnel für mich finden - oder wenigstens einen Felsvorsprung, auf dem ich mich ausruhen kann.”

Myn flatterte von der Felswand weg und während Myranda sich noch fragte, wie das Tier sich in dieser Finsternis zurechtfinden würde, stieß es schon einen Feuerschwall aus, der die grauen Felswände und das schäumende Wasser in gelbes Licht tauchte. In dem kurzen Lichtblitz fand Myn, was sie suchte. Sie landete neben Myranda an der Mauer und versetzte ihr ein paar Schläge mit dem Schwanz. Dank dieser richtungsweisenden Hilfe schaffte Myranda es, sich zu einem Vorsprung hinzuhangeln und sich hinaufzuziehen.

„Meinen Stab kannst du wohl nicht finden, oder?”, fragte sie in die Dunkelheit, wo sie ihre Freundin vermutete. Sie streckte die Hand aus, um Myn zu streicheln, aber dort war nichts. Offenbar war Myn sehr darauf bedacht, sich für die Rettung zu bedanken. Tief unten waren ein paar weitere Feuerstöße zu sehen, und dann landete ein sehr zufriedener Drache neben Myranda auf dem Vorsprung und mit Myrandas Stab zwischen den Zähnen.

„Großartig, Myn!”, rief Myranda. „Das war sehr, sehr gut!”, Sie tastete nach dem Drachenkopf und kraulte ihn. Myn wand sich voller Wohlbehagen und ließ sich schwer auf Myrandas Schoß fallen. Dabei stieß sie gegen die große Tasche, mit der Deacon Myranda ausgestattet hatte. Es gab ein metallisches Klirren und Myranda fragte sich zum ersten Mal, was Deacon ihr eigentlich mitgegeben hatte. Aber Myn war erst nach ausführlichem Streicheln und Kraulen bereit, Myranda nachsehen zu lassen.

Sie lehnte den Stab aufrecht gegen die Wand und bekam endlich ihr ersehntes Licht. Das erste, was sie aus der Tasche zog, war eine Seite aus einem von Deacons Zauberbüchern. Myranda betrachtete die abgerissene Kante. Gewöhnlich war Deacon das Wohlergehen seiner Bücher wichtiger als sein eigenes, doch als er erfahren hatte, dass Myranda Lain folgen wollte, hatte er diese Seite ohne zu zögern herausgerissen.

Wozu die Seite gut war, wusste sie nicht. Sie konnte nur erkennen, dass sie schon sehr alt war. Das Material hatte sich mit den Jahren zu einem mahagonibraunen Farbton verdunkelt, auf dem die schwarzen Schriftzeichen in diesem Licht kaum zu entziffern waren. Myranda packte sie sorgfältig wieder ein.

Das metallische Klirren stammte von einem kurzen Dolch, den Deacon ihr mitgegeben hatte und den sie zweifellos gut gebrauchen konnte. Außerdem fand sie ein Päckchen mit Verbandszeug und Heiltränken. Klug von ihm, ihr das einzupacken. Schließlich fand sie einen Stift, den sie sofort erkannte. Deacon hatte ihn ständig bei sich getragen. Sie strich mit dem Finger über den Stift und verstaute dann auch ihn wieder.

Rasch überprüfte sie ihre triefende Kleidung und stellte erleichtert fest, dass Lains Zahn noch in ihrer durchweichten Tasche steckte. Diesen Zahn hatte sie ihm während einer Kampfübung ausgeschlagen, als sie blind vor Wut auf ihn losgegangen war. Er hatte ihn ihr geschenkt, damit sie diese Wut nie vergaß. Sie nahm den Zahn heraus, wickelte ein Stück Verband als kleinen Beutel darum und hängte ihn sich mit einer Schnur um den Hals. Dann schloss sie ihre Tasche wieder. Es wurde Zeit, einen Weg hier heraus zu finden.

Auf ihrem unsicheren Vorsprung stehend, untersuchte sie die Felswand und fand viele kleine Löcher und Öffnungen. Die meisten waren viel zu klein, um einen Ausweg zu bieten, und alle waren hoch über ihr. Das Geräusch des Wassers tief unter ihr klang jetzt so, als ob es in ein Wasserbecken fiel und nicht mehr auf Stein. Die Schlucht war dabei, sich zu füllen, und obwohl sie das Wasser nicht sehen konnte, würde es vermutlich recht schnell steigen. Sie musste jetzt beim ersten Mal die richtige Entscheidung treffen, sonst steckte sie bald in einer Sackgasse mit einer rasenden Flut hinter sich.

„Myn, du musst noch einmal los. Versuche, Lains Witterung zu finden! Er hatte einen guten Vorsprung, aber ich bin sicher, dass uns das Wasser näher an ihn herangebracht hat.”

Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, kletterte Myn schon an der Felswand entlang, schnupperte überall herum und ließ ihre Zunge in die vielen Löcher schnellen. Bald kam sie zurück und schnupperte an dem kleinen Beutel mit dem Zahn.

„Ja, das hatte ich befürchtet. Wahrscheinlich sind wir weit von jedem schnellen oder sicheren Weg entfernt und haben den halben Berg zwischen uns und Lain.” Sie streichelte Myn zur Belohnung. „Also, der nächste Plan …”

Sie überlegte. Wenn Myns Geruchssinn hier nichts nützte, wusste sie nicht so recht, wonach sie ihre Gefährtin suchen lassen sollte. Schließlich traf sie ihre Entscheidung. „Du musst frische Luft finden. Wenn es keine gibt, dann irgendwelche Tiere, die manchmal auch außerhalb von Höhlen unterwegs sind. Wenn sie einen Weg nach draußen kennen, können wir ihnen einfach folgen.”

Myn flitzte sofort wieder davon. Zufällig hatte sie bei ihrer Suche nach Lain genau einen solchen Geruch gefunden. Sie flatterte zu einer breiten, niedrigen Öffnung direkt über Myranda und schlüpfte hinein. Dann streckte sie den Kopf wieder heraus und schaute neugierig nach unten, als sei sie überrascht, dass Myranda noch immer nicht bei ihr oben war.

Eigentlich war die Felswand mit ihren zahllosen Rissen, Löchern und Vorsprüngen zum Klettern bestens geeignet, Myranda nach der abrupten Wasserreise und deren schmerzhaftem Ende jedoch leider nicht. Über eine Stunde verbrachte sie mit langsamem Herumtasten, Vorwärtsschieben und Herumhängen, bis sie endlich auf dem Vorsprung ankam. Und ihre Stimmung besserte sich nicht, als sie entdeckte, dass dieser neue Tunnel so niedrig war, dass sie auf dem Bauch vorwärtsrobben musste. Mit einem tiefen Seufzer machte sie sich auf den unerfreulichen Weg.

Myn, die begeistert war, sich nützlich machen zu können, kroch ihr voraus. Der Tunnel gabelte sich ein paarmal, weitete sich schließlich und erlaubte eine etwas bequemere Haltung. Ebenso erfreulich war, dass er stetig nach oben führte. Wenn das Wasser ihnen irgendwann folgte, würde es wenigstens langsamer steigen.

In der Finsternis der Höhle verging die Zeit quälend langsam. Nachdem sie eine so lange Strecke gekrochen war, dass ihre Beine nachzugeben drohten, bemerkte Myranda endlich ebenfalls den stechenden Geruch, dem Myn gefolgt war. Dieser Geruch verriet ihr, dass sie sich einem Ort näherte, an den sie sich erinnerte - allerdings nicht gern. Und nach einigen weiteren Minuten erreichten sie auch wirklich einen weiten Raum voller zwitschernder Tierstimmen und dem schrecklichsten Gestank, den man sich vorstellen konnte. Diese Höhle war das Heim von tausenden von Fledermäusen.

Zu ihrem Schrecken merkte Myranda, dass der Gestank ihren Magen knurren ließ. Kein Wunder - bei ihrem letzten Besuch hier war sie völlig ausgehungert gewesen. Damals war Lain bei ihr gewesen, und sie hatten sich aus den geflügelten Kreaturen ein ziemlich unappetitliches Mahl bereitet. Da sie so dumm gewesen war, auch diesmal nichts zu essen mitzunehmen, graute es Myranda jetzt schon vor dem nächsten oder übernächsten Tag ihrer Reise. Trotzdem war sie fest entschlossen, erst wieder etwas zu essen, wenn sie sich wieder unter freiem Himmel befand. Myn war weniger wählerisch, schoss in die Höhle und weckte einen Sturm aus Fledermäusen, der Myranda schleunigst wieder in den Tunnel trieb. Immerhin wusste sie jetzt, wo sie war, und konnte ihren Weg aus der Höhle finden.

Sie marschierten weiter, bis Myranda keinen Schritt mehr gehen konnte und sich an die Felswand gelehnt ausruhen musste. Mit dem Morgen kamen zwei Empfindungen, die jede Wanderung im Nordland begleiteten, die sie jedoch während ihrer Zeit in Entwell beinahe vergessen hatte: beißende Kälte und nagender Hunger. Dass sie sich in Entwell an echtes Frühstück gewöhnt hatte, war vermutlich einer der Gründe, warum sie die einzige in dieser Höhle vorhandene Nahrung nicht angerührt hatte. Doch jetzt war sie so hungrig, dass sie mit den Zähnen nach jeder vorbeiflatternden Fledermaus geschnappt hätte.

Immerhin war ihr Kopf während der Ruhepause nicht untätig geblieben. Im Schlaf hatte ihre weiße Magie wahre Wunder gewirkt und die vielen blauen Flecken und Abschürfungen vom ersten Teil der Reise geheilt. Zwar fühlte sie sich noch immer ein wenig steif, doch sie machte sich trotzdem auf den Weg. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie bis zum Ausgang der Höhle höchstens noch eine Tagesreise vor sich.

Jetzt, nachdem sie so weit gekommen war, gab es zwei bemerkenswerte Änderungen. Erstens floss jetzt das Wasser wieder, das den Boden glattgeschliffen hatte, und sie hatten genug zu trinken. Zweitens wirkte Myn viel lebhafter als am vergangenen Tag. Vielleicht hatte sie endlich Lains Witterung gefunden. Sie hing fast genauso an ihm wie an Myranda und wollte ihn wirklich gerne wiedersehen.

Je näher sie dem Ausgang kamen, desto kälter wurde es. Myranda verfluchte sich selbst, weil sie nicht nur keinerlei Vorräte, sondern auch keine warme Kleidung mitgenommen hatte. Wenn sie nicht bald etwas fand, das dem eisigen Nordlandwetter angepasst war, hatte sie eine sehr unangenehme Zeit vor sich. Fast noch schlimmer war die blaue Farbe ihres Kleides. Zwischen all den graugekleideten Nordlandbewohnern würde sie wie eine Kornblume leuchten, und das war das Letzte, was sie derzeit wollte.

Eine Stunde nach der anderen verging quälend langsam. Myranda hörte ihrem Magenknurren zu, das von den Felswänden widerhallte. Myn wirkte jetzt unruhiger als vorher; irgendetwas schien ihr nicht zu gefallen. Myranda staunte immer wieder darüber, wie leicht sie Myns Stimmungen erkennen konnte - nicht nur ohne Worte, sondern ganz ohne Geräusch. Solomon, der einzige Drache, den sie außer Myn kannte, beherrschte sowohl ihre als auch eine eigene Sprache und zweifellos noch einige andere, aber Myn gab fast nie einen Laut von sich. Myranda hoffte, dass Myn nicht ihrer eigenen Drachensprache beraubt wurde, weil sie nur mit Menschen aufwuchs.

Darüber dachte sie noch nach, als in der Ferne der erste schwache Schimmer von Tageslicht aufglomm. Ihr Herz machte einen Sprung, und wenn sie sich stärker gefühlt hätte, wäre sie sofort losgerannt. Stattdessen ging sie genauso langsam weiter wie vorher, beunruhigt durch Myns zunehmende Anspannung. Dann blieb Myn plötzlich stehen und weigerte sich, auch nur noch einen Schritt zu tun.

„Was ist?”, flüsterte Myranda.

Myn stand stocksteif, hatte den Schwanz ausgestreckt und die Zähne gefletscht. Irgendwo dort vorne war ein Feind. Diese Haltung nahm sie zwar grundsätzlich Fremden gegenüber ein, aber auf dieser Seite der Berge war jeder Fremde tatsächlich ein Feind. Myranda löschte ihr Licht und ging leise an der Felswand entlang weiter. Myn tappte still und wachsam neben ihr her. Als sie sich dem Höhlenausgang näherten, sah Myranda, was Myn gewittert hatte. Dort in der Höhlenöffnung stand nicht nur ein Elitesoldat, sondern gleich zwei. Zwei Eliten? Nach all dieser Zeit? Es war doch Monate her, dass ihr ein Trupp dieser legendären Soldaten gefolgt war - inzwischen hätten sie die Suche längst aufgeben müssen. Verzweifelt blickte Myranda sich nach einem Ausweg um. Ihr Blick fiel auf Myn, die sich zum Angriff duckte.

„Nein!”, flüsterte Myranda hastig. „Myn, nein! Nicht angreifen! Wenn wir sie töten und sie sich nicht zurückmelden, weiß ihr Anführer, dass jemand in der Höhle war. Deshalb hat Lain sie am Leben gelassen. Wir müssen irgendwie an ihnen vorbeikommen!”

Sie wünschte, sie könnte auch nur ein Zehntel so gut schleichen wie Lain. Wahrscheinlich war er ohne die geringsten Schwierigkeiten an ihnen vorbeigekommen. Da sie das nicht konnte, überlegte sie, welche Zauber ihr hier helfen mochten. Eine Verkleidung war nutzlos und sie zweifelte auch an ihrer Fähigkeit, eine wirklich überzeugende Illusion zu erschaffen. Unsichtbarkeit würde helfen, aber das beherrschte selbst Deacon noch nicht, und Myranda war trotz seiner Hilfe an weit einfacheren Zaubern gescheitert. Einen Schlafzauber beherrschte sie, aber wenn die beiden hier einfach umkippten, würde jeder wissen, dass jemand vorbeigekommen war. Wenn sie es versuchte, musste sie sehr vorsichtig vorgehen.

Beinahe unmerklich begann sie die beiden Männer zu beeinflussen. Sie machte ihre Augenlider ein ganz bisschen schwerer, die Augen etwas müder. Mit äußerster Sorgfalt und Zurückhaltung verstärkte sie den Zauber - langsam, ganz langsam. Einer von ihnen schwankte, fing sich wieder, und der andere gähnte. Langsam … Der eine lehnte sich gegen die Felswand. Ein paar Minuten später glitt er daran herunter und setzte sich bequem hin. Der andere tat es ihm gleich. Noch ein wenig später schnarchten die beiden friedlich an der Felswand der Höhle. Keiner von ihnen würde später auf den Gedanken kommen, dieser Schlaf sei keine Folge einer ganz gewöhnlichen Müdigkeit gewesen.

Nachdem sie Myn noch einmal ermahnt hatte, die Soldaten in Ruhe zu lassen, schlich Myranda an ihnen vorbei. Zum Glück waren keine weiteren in der Nähe. Es gab allerdings ein Zweimannzelt, zwei Pferde und ein weiteres Zelt. Myranda spähte hinein und entdeckte eine größere Menge Vorräte und Ausrüstung. Die Männer waren seit einem halben Jahr hier postiert und waren für viele weitere Monate versorgt.

Rasch nahm sie sich eine grobgewebte braune Decke von einem Stapel hinten im Zelt und je eine Vorratspackung, ohne genau hinzusehen, was sie eigentlich mitnahm. Viel wichtiger war es, dass niemandem auffiel, dass überhaupt etwas verschwunden war. Sie warf die Decke um die Schultern, stopfte die Vorräte in ihre Tasche und hastete in den Wald.

Ein Blick in die Landschaft reichte, um sie schmerzhaft an das Leben zu erinnern, das sie hinter sich gelassen hatte. Das Land war überwältigend weiß. Der Frost hatte jede Farbe von Himmel, Moos oder Nadelbäumen in ein trostloses Grau verwandelt. Myrandas feuchte Kleider und die grobe Decke waren kein guter Schutz gegen die beißende Kälte. Sie zwang sich nicht darüber nachzudenken, und beschleunigte ihre Schritte. Als sie das Gefühl hatte, weit genug von der Höhle entfernt zu sein, räumte sie ein Fleckchen Erde frei, warf ein paar gefrorene Äste aufeinander und beschwor ein rauchloses Feuer. Sie setzte sich im Schneidersitz davor und erlaubte Myn, auf ihren Schoß zu krabbeln, bevor sie die braune Decke über sie beide zog.

Als ihre gemeinsame Körperwärme es ihnen wenigstens ein bisschen behaglicher gemacht hatte, zog Myranda die Seite mit dem Zauberspruch aus der Tasche. Während sie sie in der einen Hand hielt, streichelte sie Myn mit der anderen. Die Schuppenhaut des kleinen Drachen fühlte sich ledriger an als sonst und Myn sah auch ein wenig farbloser aus, aber darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern. Sie musste sich auf den Zauber konzentrieren.

Im Feuerschein waren die schwarzen Schriftzeichen auf dem mahagonibraunen Pergament kaum zu erkennen, aber allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Abenddämmerung und sie konnte versuchen, sie zu entschlüsseln. Leider musste sie dazu auf ihre eigenen Fähigkeiten zurückgreifen, da Deacon die Seite nicht mit einem Übersetzungszauber versehen hatte. Myranda kannte zwar einige der in Entwell gesprochenen Sprachen, aber niemand hatte ihr die Schriftsprachen beigebracht. Zum Glück hatte wohl jemand anderes als Deacon diesen Spruch aufgeschrieben, denn er war nur in einer einzigen Sprache verfasst. Deacon neigte dazu, seine Texte in einem Mischmasch aus Sprachen aufzuschreiben, so dass nur ein Experte sie entziffern konnte.

Dieser Zauberspruch verwendete wenigstens dieselben Schriftzeichen wie Myrandas eigene Sprache, das Nordische. Also konnte sie zumindest die Worte aussprechen. Vielleicht verstand sie sie dann auch.

Sie verbrachte die ganze Nacht damit, an den niedergeschriebenen Erklärungen herumzuraten, bis ihr Magen plötzlich so laut knurrte, dass Myn davon aufwachte. „Also gut”, sagte Myranda, „dann esse ich jetzt etwas und mache weiter, wenn es hell wird.”

Myn regte sich und war offenbar bereit, für ihre Freundin auf die Jagd zu gehen, aber kaum hatte sie eine Pfote in die klirrende Kälte gestreckt, zog sie sich schleunigst wieder unter die Decke zurück.

Myranda untersuchte ihre Vorräte und fand sie überraschend vielfältig. Steinhartes Gebäck. Gesalzenes Fleisch. Getrocknetes Obst!? Sie hatte schon davon gehört, dass die Truppen immer das beste Essen bekamen, aber von dem Apfel abgesehen, den sie für ihre Prüfung selbst herangezogen hatte, war der scheußliche Tavernenwein der vergangenen Jahre ihre weiteste Annäherung an Obst gewesen. Dieses Obst würde sie für eine besondere Gelegenheit aufheben. Sie aß ein wenig Gebäck, lehnte sich an einen Baum und schlief rasch ein.

Sie wachte früh auf und machte sich sofort wieder an die Arbeit. Myn kroch unter der Decke hervor, streckte sich und trottete davon, um sich ihr eigenes Frühstück zu suchen, während Myranda weiter an dem Gebäck nagte. Myn kehrte mit einem Kaninchen zurück und ließ es Myranda vor die Füße fallen. Sie bereitete es so gut zu, wie sie konnte. Nachdem sie ihren Anteil gegessen hatte, schnappte Myn sich den Rest.

Myranda entzifferte ein paar weitere Worte der Erklärung. Offenbar würde der Gegenstand, den sie für die Suche nach einer Person benutzte, in deren Richtung schwingen. Die Stärke der Schwingung verriet, wie nah oder weit entfernt die gesuchte Person sich aufhielt. Und die Dauer hing von dem Willen des Ziels ab. Myranda stand auf und nahm den Zahnanhänger ab. Sie ließ ihn an seinem Band von der Hand herabhängen und hielt ihren Stab in der anderen. Der Spruch war kurz, aber schwierig, und sie brauchte mehrere Versuche, bis der Zahn endlich ganz leicht nach Südwesten pendelte. Das war nicht viel, aber immerhin ein Anfang. Sie verstaute den Zahn und die Seite mit dem Zauberspruch, warf sich die Decke um die Schultern und machte sich auf den Weg.

Als ihre gestohlenen Vorräte nach ein paar Tagen dem Ende zugingen, begann sie sich zu fragen, was sie hier eigentlich tat. Sie konnte mit Myn keine Stadt betreten, und der Drache würde sie nicht allein lassen. Mit Myns Jagdbeute konnte sie eine Weile durchhalten, aber früher oder später brauchte sie wenigstens wärmere Kleidung. Aber selbst wenn sie Myn überreden konnte, außerhalb einer Stadt auf sie zu warten, hatte sie doch kein Geld und auch keine Möglichkeit, welches zu bekommen.

Sie erinnerte sich an das, was Lain über sie gesagt hatte. Er hatte sie ein Geschöpf der Städte und Straßen genannt, während er selber in die Berge, Wälder und Ebenen gehörte. Aber jetzt hatte sie ebenfalls keinen Platz mehr in der Menschenwelt. Also gut. Wenn Lain hier draußen zu finden war, musste sie es eben auch sein.

Nachdem sie eine Woche lang nach Süden gewandert war, fühlte sie sie sich jetzt nachts in den Wäldern recht wohl, aber wenn es schneite, wünschte sie sich doch, sie hätte ihre Kapuze mitgenommen. Jeden Morgen überprüfte sie Lains Aufenthaltsort mithilfe des Zaubers. Da sie tagsüber unterwegs war und er nachts, bewegte er sich wenigstens nicht, wenn sie den Zauber sprach. Allmählich wurde es leichter ihn aufzuspüren. Er war nicht mehr so weit entfernt. In den letzten Tagen war Myranda geradewegs nach Süden gewandert, Lain war vermutlich am Waldrand entlanggelaufen, um nicht gesehen zu werden. Als sie den Spruch diesmal sprach, war er jedoch westlich von ihr und reiste über offenes Land.

Myranda blickte nach Westen. Jenseits der Ebene befand sich ein dünn bewaldeter Streifen Land ungefähr auf halbem Weg zwischen ihr und dem riesigen Rabenwald, dessen äußerste Ausläufer noch an den Bergen in weiter Ferne zu erkennen waren. Der Zahn zog in Richtung dieses dünnen Waldstreifens. Also machte sie sich auf den Weg dorthin und sah sich immer wieder nach möglichen Beobachtern um. Dieses eine Mal war sie froh, dass die Ebenen des Nordens fast völlig entvölkert waren. So schnell sie konnte, eilte sie über das Feld. Warum gab es hier eigentlich keine Straßen? In der Nähe gab es mindestens fünf kleine Städte, aber die nächste erreichbare Straße führte weit westlich an der Ebenen vorbei und schlug einen großen Bogen, um die am weitesten entfernte Stadt zu erreichen. Quer über die Ebene wäre der Weg nur halb so weit gewesen.

Myn wirkte abgelenkt. Der Wind wurde stärker und trug entweder die Witterung von Lain oder etwas anderem mit sich, und sie war unruhig. Als sie das Waldstück erreichten, bemerkte Myranda ein paar kleine braune Tiere, die dort herumhuschten. Plötzlich erstarrte Myn. Myranda wollte gerade fragen, was los war, als sie es selbst entdeckte.

Es war nicht nur eine Handvoll dieser Kreaturen. Hinter Myranda und Myn waren Dutzende mehr, vielleicht hundert. Sie hatten die Größe und Gestalt kleiner Wiesel, aber nur Buckel dort, wo die Augen sein sollten. Sie hatten sechs Beine, jedes davon mit drei scharfen, gefährlich aussehenden Krallen. Ganze Gruppen von ihnen waren plötzlich hinter ihr und schnupperten wie verrückt auf dem Boden rings um ihre Fußspuren herum. Sie waren überall, und mit jedem Augenblick huschten mehr von diesen Wesen aus dem Schatten der Bäume. Sie witterten und schnüffelten und bleckten nadelscharfe Zähne. Die fremde Witterung schien ihnen nicht zu gefallen. Einzeln wagten sie sich vorwärts. Myn sprang auf sie zu, aber sie flitzten auseinander und blieben ganz knapp außerhalb ihrer Reichweite. In kürzester Zeit waren Myn und Myranda umzingelt.

Ein Angstschauder lief Myranda über den Rücken, als sie ihren Stab zog. Ein Feuerspruch würde diese Wesen fernhalten, aber sie brauchte mindestens ein oder zwei Minuten, um ihn stark genug zu machen, und die Angst verlängerte diese Zeitspanne noch. „Myn, Feuer!”, rief sie.

Myn gehorchte, aber irgendwie schafften diese augenlosen Kreaturen es, den Flammen zu entgehen, ganz wenige wurden auch nur angesengt. Sie huschten jetzt um Myrandas Beine und da sie keinen sofort wirksamen oder sicheren Abwehrzauber bereit hatte, schlug sie ein paar von ihnen mit dem Stab weg. Gerade als das erste der Wesen seine Zähne in ihr Bein schlug, ertönte dicht hinter ihr ein durchdringender Pfiff. Die Wesen stoben auseinander. Gleich darauf riss jemand Myrandas Umhang von ihrem Rücken. Sie fuhr herum und sah Lain, noch immer in seiner schwarzen Tunika aus Entwell. Er stand hinter ihr und hielt seinen weißen Umhang in der einen Hand und Myrandas braune Decke in der anderen.

„Du!”, schrie sie wütend.

Myn galoppierte freudig auf ihn zu.

„Nimm sie hoch”, befahl er.

Bevor Myranda widersprechen konnte, sprang Myn ihr schon in die Arme. Lain warf ihr seinen Umhang über die Schultern und schleuderte ihre Decke in die Masse der Kreaturen, die schon wieder näherkamen. Sofort fielen sie über die Decke her und rissen sie in Stücke.

„Hier lang, schnell”, sagte Lain und lief los, solange die Wesen abgelenkt waren. „Und sprich nicht, bis ich es dir erlaube.”

Kapitel 2

Rasch gingen sie auf ein kleines Dickicht zu. Immer wieder blickte Lain sich nach den Kreaturen um, die wie im Blutrausch die Decke zerfetzten. Als ein paar der pelzigen Wesen sich auf ihre hintersten Beine stellten, schnupperten und dann wieder dahin verschwanden, woher sie gekommen waren, brach er das Schweigen. „Du hättest in Entwell bleiben sollen. Dort warst du in Sicherheit.“

„Dort war ich sicher weggesperrt, meinst du. Damit du dich um deine Morde kümmern kannst, ohne dass jemand anders für mich das Lösegeld einfordert.“

„Ja“, sagte er.

Dieses unverfrorene Eingeständnis verschlug ihr die Sprache. Endlich fragte sie: „Und welche noblen Pläne hast du, die wichtiger sind, als den Krieg zu beenden?“

„Ich muss meinen Geschäftspartner treffen und mich neu ausrüsten. Die Eliten werden nicht untätig gewesen sein. Es wird Zeit kosten, alles wieder aufzubauen.“

„Das tut mir kein bisschen leid. Du verdienst jedes Elend und Unglück, das diese Welt dir bieten kann, bis du dich an deine eigentliche Aufgabe machst!“

Lain schwieg. Irgendwie konnte Myranda sich nicht dazu bringen, ihn weiter auszuschimpfen, obwohl er es eigentlich verdient hatte. „Danke, übrigens“, sagte sie, so unfreundlich sie konnte.

Er grunzte nur.

„Was waren das für Wesen?“, fragte sie.

„Olos. Jedes Wesen, dessen Geruch oder Geräusch ihnen fremd ist, greifen sie an, töten und fressen es“, antwortete er.

„Warum hat dann kein einziger Olo auf dich reagiert?“

„Meinen Geruch kennen sie“, sagte er.

Sie gingen weiter, bis sie vor einer hohen, stämmigen Kiefer standen. Lain betrachtete die Wurzeln. An manchen Stellen bogen sie sich über den Boden. Nachdem er eine der Wurzeln gründlich untersucht hatte, umfasste er sie, stemmte einen Fuß gegen den Baumstamm und zog mit aller Kraft. Langsam hob sich nicht nur die Wurzel, sondern auch ein viereckiges Stück des Bodens. Er zog und zerrte, bis das Viereck - eine hölzerne Falltür, die unter einer dünnen Erdschicht versteckt war - aufrecht stand. Dann beugte er sich nieder, steckte vorsichtig seine Hand in die Öffnung und tastete an den Wänden herum. Myranda spähte hinein. Das schwache Licht, das durch die dunklen Wolken drang, reichte nicht aus, um das Loch zu beleuchten. Als Lain gefunden hatte, was er suchte, hörte sie ein leisen Klicken aus dem Loch und Lain zog schnell seinen Arm zurück. Eine Klinge wischte quer durch den Schacht, und die schwirrenden Geräusche und der Windstoß, der ihnen entgegenschlug, ließen auf weitere Klingen schließen, die sich dort unten verbargen.

„Setz sie ab”, sagte er. „Wir sind da.”

„Du gehst da rein? Nachdem diese Klinge dir fast den Arm abgehackt hat?“

„Ja. Wenn die Olos erst das Blut an deinem Bein riechen, werden wir mehr als einen lauten Pfiff brauchen, um sie abzuschrecken.“

Myranda hatte den Biss ganz vergessen. Sie war nicht erpicht darauf, diesen Wesen noch einmal zu begegnen. Widerwillig schaute sie in das Loch. Myn hüpfte auf den Boden und spähte ebenfalls neugierig hinein. Myranda suchte nach so etwas wie einer Leiter an den Wänden, fand aber keine. Sie hielt ihren Beutel tief in das Loch und ließ ihn fallen. Fast sofort schlug er unten auf. Also setzte sie sich auf den Rand, drehte sich um und ließ sich selbst hinab, hing für einen Moment an ihren Fingerspitzen, ließ los und landete einen halben Meter tief auf hartem Boden in der Schwärze. Ihre Augen begannen gerade, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, als ein Licht vor ihr aufleuchtete und wieder ausging. Sie griff nach ihrem Beutel, zog ihren Stab heraus, drehte sich um und sah das Licht wieder. Diesmal blieb es an, eine Lampe, die flackernd heller wurde und einen Raum erhellte.

Es war ein kleiner Raum. Die Wände waren aus Steinblöcken erbaut, die niedrige Decke bestand aus dicken Holzbohlen. Die Decke wurde von mehreren stabilen Trägerbalken gestützt. Auf drei Seiten befanden sich schwere Holztüren. Die Lampe befand sich in den Händen eines Mannes, der in einem offenen Korridor auf der gegenüberliegenden Seite des Raums stand. Das flackernde, gelbliche Licht beleuchtete ein Gesicht, das verwundertes Erkennen verriet - ein Ausdruck, den Myranda zweifellos teilte, denn dies war nicht wirklich ein Unbekannter. Sie suchte für einen Moment in ihrem Gedächtnis, und dann sprachen sie beide gleichzeitig.

„Desmeres?“, sagte sie.

„Myranda?“, fragte der Mann.

Es war tatsächlich der seltsame Fremde, den sie zu Beginn ihres Abenteuers in einer Taverne getroffen hatte. Sein jugendliches Gesicht, das ungebändigte weiße Haar und seine teuer aussehenden Gewänder waren unverwechselbar.

„Dich habe ich nun wirklich nicht hier erwartet“, sagte er.

Myn, die die Stimmen hörte, stürmte herein und setzte sich zwischen Myranda und die mögliche Bedrohung. Desmeres trat einen Schritt zurück. „Also wirklich! Der gehört dir, nehme ich an?“ Er betrachtete den kleinen Drachen belustigt.

„Ja, ja. Das ist Myn“, antwortete Myranda schnell, in der Hoffnung, nun Antworten auf ihre eigenen Fragen zu bekommen. „Was machst du hier?“

„Nun, zur Zeit ist dies mein Heim. Die eigentliche Frage ist, was machst du hier?“

Bevor sie antworten konnte, sprang Lain herunter. Desmeres sah ihn an und jetzt zeigte sich zwar Erkennen, aber keine Verwunderung in seinem Gesicht. „Leo? Guter Gott, es ist ewig her! Bist du mit Sasha zufrieden?“, fragte er, als ob er mit einem alten Freund spreche.

„Wurde mir abgenommen“, sagte Lain.

„Nein! Von wem?“, fragte Desmeres betroffen.

„Eliten“, antwortete Lain.

„Oh”, sagte Desmeres. „Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Ich hoffe, sie hat dir gut gedient? Sie ist ein Meisterstück. Sie war leise, wenn sie es sein sollte, aber wenn sie wollte, konnte sie singen. Du solltest dich schämen, dass du sie verloren hast. Überlege dir, wie du sie zurückbekommen kannst, bevor sie ihr ihre Geheimnisse entreißen, denn wenn ich -”

„Wartet!”, sagte Myranda. „Was geht hier vor?”

„Mein Freund Leo bringt mich auf den neuesten Stand der Dinge”, sagte Desmeres. „Du kennst ihn?”, fragte sie.

„Natürlich! Ich sammle und baue Waffen, und er benutzt sie. Also, wie geht das Geschäft? Gibt es irgendwelche Vorhaben, von denen du mir erzählen willst?”

„Schon gut”, sagte Lain. „Sie weiß Bescheid.”

„Tut sie das? Wie viel?”, fragte Desmeres überrascht, aber immer noch in amüsiertem Ton.

„Genug.”

„Hm, das ist wirklich mal etwas anderes”, sagte Desmeres. „Ich nehme an, es war kein Zufall, dass ich dich damals in der Taverne getroffen habe”, sagte Myranda.

„Nein, nein. Natürlich nicht. Du kannst davon ausgehen, dass ich niemals etwas tue, ohne vorher genau zu überlegen, ob es mir nützen kann”, sagte Desmeres in einem Ton, der nicht verriet, ob es ein Scherz war oder nicht.

Lain öffnete eine der anderen Türen und verließ den Raum. Desmeres versuchte an Myranda vorbeizugehen, aber Myn hinderte ihn daran. „Also gut, also gut”, sagte er. „Myranda, würdest du mir einen Gefallen tun? Dort drüben bei der Falltür hängt ein Seil. Zieh einmal kräftig daran. Wir müssen die Falltür schließen und die Klingen zurücksetzen.” Während Myranda zu dem Seil ging, sprach er weiter mit ihr, als seien sie die besten Freunde. „Übrigens erkenne ich die gute alte Kleidung aus Entwell. Da bist du also hingeraten?”

„Ja. Woher weißt du von Entwell?”

„Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Hängt mein Vater da noch herum? Er schmiedet die Waffen für die Meister.”

„Das weiß ich nicht”, sagte sie. „Ich habe keine Waffenbauer getroffen, außer… Warte, was geht hier vor?” Desmeres hatte eine solche Begabung, Dinge alltäglich erscheinen zu lassen, dass sie fast die Quälereien vergessen hätte, die sie auf dem Weg hierher erlitten hatte.

„Du ziehst einfach an dem Seil dort und -”

„Nicht das! Wo bin ich? Warum arbeitest du mit Lain? Was tust du wirklich?“

„Nennen wir ihn jetzt Lain? Ach, wie auch immer. Schließ die Tür, wir gehen zu ihm, und alles wird erklärt werden. Nun ja, einiges wird erklärt werden. Ich möchte keine Versprechungen machen, die ich nicht halten kann.”

Myranda seufzte und zog hart an dem Seil. Die schwere Tür fiel zu, und sie nahm an, dass ihr Gewicht die Maschinerie bewegte, die die Klingen zurücksetzte. „Gut gemacht. Hier entlang, bitte. Es ist so etwas wie eine Wiedervereinigung, also habe ich endlich einen Anlass, den besseren Wein anzubrechen. Das alleine ist schon Grund zum Feiern!”

Sie gingen durch die Tür in einen größeren Raum, an dessen einer Wand verschiedene getrocknete und geräucherte Lebensmittel hingen. An einer anderen Wand standen gut gefüllte Weinregale. Überall standen Kisten verschiedener Größen herum. In der Mitte stand ein Tisch mit zwei Stühlen. Desmeres entzündete mehrere Kerzen auf dem Tisch und einige Lampen an den Wänden. „Wie du siehst, sind wir nicht auf Gäste vorbereitet. Normalerweise sind nur wir beide hier, oder gar keiner. Zieh dir eine Kiste heran, dann kannst du darauf sitzen.” Er warf einen Blick auf die Weinflaschen. „Ich gebe zu, ich habe ein paar von ihnen geleert, während ich auf diesen Herrn gewartet habe.”

Myranda setzte sich. Es war recht klar, dass sie keine Antworten bekommen würde, bis Desmeres bereit war sie zu geben. Der weißhaarige Mann öffnete eine Flasche und stellte sie auf den Tisch, dann machte er sich daran, genügend Gläser für alle zu finden. Er verließ den Raum und kam kurz darauf mit zwei Bechern aus Ton und einem aus Metall wieder.

„Der Ehrengast bekommt das besondere Glas”, sagte er und stellte den Metallbecher vor ihr auf den Tisch. Erst als sie ihm zusah, wie er den Wein einschenkte, merkte sie, dass der Kelch aus solidem Gold gefertigt war. „Woher hast du den?”, fragte sie, während sie das schöne Stück bewunderte.

„Das weiß ich nicht mehr. Manche Leute können nicht in barer Münze bezahlen. Ich akzeptiere alles, solange es aus Gold besteht”, sagte er und füllte die anderen Becher.

Lain, der etwas Trockenfleisch geholt hatte, setzte sich auf seinen Stuhl. Desmeres legte Käse auf einen Teller und hob sein Glas. „Auf alte und neue Freunde.” Myranda erwiderte den Spruch, aber Lain stürzte sich nur auf das Essen.

Myranda kostete von dem Wein, der zu den besten gehörte, die sie je getrunken hatte, und stellte den Becher ab. „Kann ich jetzt bitte ein paar Antworten haben?”

„Aber natürlich”, sagte Desmeres. „Einen Moment noch. Lain, behalten wir irgendetwas für uns?”

„Halte das, wie du es willst”, antwortete Lain.

„Oh, so machen wir das jetzt? Nach deinen letzten paar Entscheidungen dachte ich, die neue Strategie wäre, alles zu versuchen, um uns umbringen zu lassen und alles zu verlieren, was wir uns erarbeitet haben. Wie dumm von mir. Aber wenn jetzt wieder gutes Urteilsvermögen gefragt ist, passiert ja vielleicht auch mal etwas Gutes.” Seine Worte trieften vor Sarkasmus und schienen gut gezielt, aber sie prallten an Lain ab, als sei der solche Dinge gewöhnt. „Also: Frag.”

„Wer bist du wirklich? Was tust du?”, fragte Myranda.

„Ich bin der Geschäftspartner dieses Herrn.”

„Aber er ist ein Auftragsmörder. Was könntest du denn für ihn tun?”

„Oh, nicht viel”, sagte er. „Ich schmiede all seine Waffen. Ich erschaffe und kümmere mich um ein Netzwerk von Kontakten und Informanten. Ich finde und kontaktiere mögliche Kunden, erfinde Deckgeschichten, handhabe die Finanzen und die Buchhaltung und treibe das Geld ein. Also alles, außer mir die Hände schmutzig zu machen. Und dafür bekomme ich die Hälfte seiner Bezahlung.”

Myranda runzelte die Stirn. „Dann bist du genauso ein Mörder wie er.”

„Um Himmels willen, nein! Das Blutvergießen geht allein auf sein Konto. Ich zeige ihm nur, wo es die besten Aufträge gibt.”

„Und du bewaffnest ihn”, sagte sie.

„Bah. Wieder diese Diskussion. Eine Waffe ist lediglich ein Werkzeug, und ich stelle es lediglich her. Er ist derjenige, der beschließt, was er damit macht.”

„Aber -”, begann Myranda.

„Aber, aber, aber. Ich habe jahrzehntelang an meiner Rechtfertigung gefeilt, und sie ist ziemlich solide. Frag mich lieber etwas anderes, statt mir einen Vortrag zu halten”, sagte er ohne den geringsten Ärger in der Stimme. Es schien, als hätte er all dies schon hundertmal gesagt. So, wie er redete und sich verhielt, schien es fast, als sei sein Leben kein bisschen ungewöhnlich.

„Nun gut”, sagte Myranda. „Was ist das hier für ein Ort?”

„Eine Abstellkammer, eine von vielen. Ein Lagerraum für überzählige Gelder, eine Bücherei voller alter Berichte. Ich lagere die meisten meiner besseren Waffen hier. Natürlich ist es in Notzeiten auch ein Unterschlupf, und seit dieser Kerl sich entschied, dich nicht auszuliefern, sind wir ganz sicher in einer Notzeit. Die Kunden sind nicht sonderlich begeistert, wenn ihr angeheuerter Jäger seine Beute wieder laufen lässt. Und wenn diese Kunden dann auch noch über eine ganze Armee verfügen, wird es schwierig.”

„Wie sieht der Schaden aus?”, fragte Lain.

„Sie haben sich die Taverne und das Gasthaus geschnappt. Ich komme noch in zwei Waffenkammern hinein, aber der Rest ist dicht. Unser kleines Geschäft ist so ziemlich von der Landkarte gewischt”, sagte er mit einem knappen Grinsen. „Wir werden es ganz neu aufbauen müssen.”

„Wovon redet ihr da?”, fragte Myranda.

„Wir haben eine Handvoll legaler Läden, die wir als Treffpunkte nutzen”, antwortete Desmeres. „Außerdem werben wir dort Kundschaft an. Trigorah und ihre Eliten haben einen nach dem anderen zerstört, seit sich ihr Lieblingsopfer aus dem Staub gemacht hat. Sie kann schon ein ziemliches Miststück sein.”

Lain stand auf und ging zur Tür.

„Wo gehst du hin?”, fragte Desmeres.

Lain ignorierte ihn.

„Na dann, viel Spaß”, sagte Desmeres, der Lain offensichtlich gut kannte. „Ich hatte noch mehr zu sagen, aber das kann warten.”

„Komm zurück!”, schrie Myranda. „Ich bin noch nicht fertig mit dir! Ich bin dir nicht ohne Grund gefolgt! Du hast eine Aufgabe zu erledigen und ich auch!”

Lain schlüpfte durch die Tür und schloss sie hinter sich. Myranda rannte ihm nach, doch als sie die Tür zu der Eingangshalle erreicht hatte, hörte sie, wie die Falltür mit einem Klicken einrastete.

„Oh, lass ihn nur”, sagte Desmeres. „Er wird zurückkommen. Es gibt zur Zeit keinen Ort auf der Welt, wo er willkommen ist. Er ist wahrscheinlich losgezogen, um zu jagen. Nur dass du es weißt: Er mag kein gekochtes Essen. Wie auch immer, du hast sicher noch mehr Fragen, und wenn nicht, dann habe ich welche an dich.”

Myranda konnte Lain nicht folgen, selbst wenn sie es wollte. Sie hatte keine Ahnung, wie man die Klingen im Eingang aktivierte und wieder ausschaltete. Kurz fragte sie sich, wie sie jemals auf den Gedanken gekommen war, sie könnte Lain zu irgendetwas zwingen, wenn er sich auf der ganzen Welt verstecken konnte. Indem sie ihm gefolgt war, hatte sie ein Paradies gegen ein Loch in der Erde getauscht, und vielleicht war das alles, was sie je bekommen würde. Also kehrte sie in die Kammer zurück und setzte sich auf Lains Stuhl.

„Noch Fragen?”, fragte Desmeres.

„Und selbst wenn?”, sagte sie bitter. „Du wirst mir ja doch nur Lügen erzählen.”

„Oh nein, keineswegs. Im Gegenteil. Ich glaube, du wirst mich schon bald für den unerträglich ehrlichsten Menschen der Welt halten. Also, falls du noch Fragen hast, frag.”

Myranda schüttelte nur stumm den Kopf.

„Gut, dann bin ich dran. Du sagtest, er hätte einen Job zu erledigen. Damit meinst du vermutlich nicht seinen bisher unerfüllten Auftrag, dich der Armee auszuliefern. Was ist es also?”

„Er ist einer der Erwählten”, sagte sie.

„Der was?”, sagte er. „Oh, ach ja. Ich erinnere mich. In Entwell haben sie mindestens ein dutzend Mal davon gefaselt.”

„Aber es ist wahr. Es ist bewiesen!”

„So? Wie denn?”

Myranda berichtete ihm von der Zeremonie, die in Entwell stattgefunden hatte, bevor sie es verließ. Sie erzählte, wie das Elementarwesen, eine der Erwählten, gerufen worden war und dass Lain standgehalten hatte, bis die Kreatur sich formte. Das mystische Wesen hatte sich sogar zu ihm hinbewegt. Laut den Weisen von Entwell war dies nur möglich, wenn Lain selbst ein Erwählter war. Desmeres nickte immer wieder nachdenklich und trank seinen Wein, während er zuhörte.

„Hmmm”, sagte er, als die Erzählung zu Ende war. „Ich habe den Leeren schon immer gehasst.” Er sprach von dem Propheten, der die Zeremonie und ihre Bedeutung vorausgesagt hatte. „Um ehrlich zu sein, habe ich dem Konzept der Prophezeiung an sich nie getraut. Aber wenn nun alles sich genau so entwickelt hat, wie er es vorausgesagt hat ... Und du sagst, dass dieses andere auserwählte Wesen, das ihr gerufen habt, einfach weggeflogen ist?”

„Ja.”

„Das ist ein bisschen seltsam. Wenn jemand für einen bestimmten Zweck beschworen wurde, sollte man doch erwarten, dass er diesen Zweck nun auch erfüllt. Aber ich habe bisher nichts über ein Elementarwesen gehört, das herumfliegt und überall Frieden verbreitet.”

„Ich glaube, dass die Erwählten ihre Aufgabe erst beginnen werden, wenn alle fünf erscheinen und sich zusammenschließen.”

„Ach ja. Die berühmte Große Zusammenkunft’. Könnte ein bisschen schwierig durchzuführen sein, wenn Lain lieber andere Aufgaben erledigt, der mysteriöse Elementar herumfliegt und auf irgendetwas wartet und die anderen nicht ausfindig zu machen sind.”.

„Einen der anderen habe ich gesehen”, sagte Myranda. „Auf dem Feld. Er war tot.”

„Ja - man könnte sich vorstellen, dass das die Sache ein wenig kompliziert macht”, sagte Desmeres. „Aber wenn er tot war, woher weißt du dann, dass er ein Erwählter war?”

„Er hatte das Zeichen. Das hier.” Myranda zeigte ihm ihre Narbe.

„Na sowas. Das kommt mir bekannt vor.”

„Lain hat das gleiche Zeichen auf der Brust, das Elementarwesen hat es auf der Stirn, und es war überall auf der Rüstung und den Waffen des Kriegers. Es ist das Merkmal der Erwählten.”

„Also bist du auch eine Erwählte?”

„Nein. Ein Erwählter muss von göttlicher Geburt sein und mit dem Zeichen geboren. Ich bin nur ein Mensch und mein Zeichen ist eine Narbe.”

„Trotzdem fühlst du dich verpflichtet, die anderen zu finden. Aber dir ist doch sicher klar, dass die Prophezeiung sich auch ohne deine Hilfe erfüllt, wenn sie es so weit geschafft hat.”

„Das ist es ja gerade. Ich glaube, ich bin ein Teil der Prophezeiung. Es könnte sein, dass der Leere mich erwähnt hat.”

„Ich verstehe”, sagte er. „Du leidest nicht zufällig unter Größenwahn, oder? Wie dem auch sei, das ist alles sehr interessant, aber ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich das Thema wechsle. Ich rede lieber über Dinge, die schon geschehen sind, als über Dinge, die noch passieren werden. So verdirbt man die Überraschung nicht. Ich nehme an, dass du dich in Entwell mit Magie beschäftigt hast. Wie weit bist du gekommen?”

„Großmeisterin”, antwortete sie.

Desmeres legte den Kopf schief. „In einem halben Jahr?”, fragte er ungläubig.

„Ein bisschen weniger”, sagte sie.

„Und trotzdem hast du dich von einem Olo beißen lassen? Sind noch nicht ganz so schnell deine Zaubersprüche oder?”, sagte er mit einem Nicken zu dem Blut, das aus ihrem Bein tropfte.

„Ich komme zurecht”, antwortete sie und verschloss die Wunde mit einem kurzen Gedanken.

„Hmmm… ich glaube, ich muss neu verhandeln”, sagte er.

„Was neu verhandeln?”, fragte sie.

„Dein Kopfgeld. Es ist jetzt schon das höchste, das uns je angeboten wurde, aber nun, da du eine vollständige Magierin bist, könnte ich vielleicht noch ein bisschen mehr aus herausholen.”

„Du denkst immer noch daran, mich auszuliefern?”, knurrte sie.

„Myranda, ich denke an nichts anderes”, sagte er ohne den geringsten Hauch einer Entschuldigung.

„Aber jetzt da du mich kennst?”, fragte sie entsetzt. „Und weißt, was ich tun muss? Wie könntest du?”

„Hat Lain dir je gesagt, was du wert bist?”, fragte Desmeres.

„Nein! Das ist auch unwichtig.”

„Eine so hohe Summe? Die ist durchaus wichtig.” Er stand auf und ging zur Tür hinaus. Myranda stand auf, um ihm zu folgen. „Nein, nein”, sagte Desmeres. „Bleib sitzen.” Sie hörte Türen knarren und Kistendeckel zufallen. „Der goldene Kelch hat dich beeindruckt, richtig?”, Er kam wieder herein, ging zum Tisch und legte etwas Schweres darauf ab. Es war ein enorm großer Klotz, so dick wie ihr Arm und fast genauso lang.

„Ein Goldbarren”, sagte Desmeres. „Oder vierhundert goldene Münzen zusammengeschmolzen. Wir haben zur Zeit knapp dreißig von diesen, dazu genügend andere Goldmünzen und Kleinigkeiten im Wert von etwa einhundert Goldbarren. Die Armee ist bereit, nein, drängt darauf - wir wissen nicht, warum -, für deine Leiche und das Schwert, das du bei dir hattest, einhundertfünfundzwanzig dieser Klumpen zu zahlen.”

Myranda starrte auf den Goldbarren und ihre Augen weiteten sich.

„Allerdings ist das nur der Grundpreis. Falls du noch lebst, wenn wir dich ausliefern, erhöht sich der Preis um das Zehnfache. Eintausendzweihundertfünfzig goldige Ziegelsteine. Das sind fünfhunderttausend Goldmünzen. Fünf Millionen Silbermünzen. Zweihundertfünzig Millionen Kupfermünzen. Ich würde ja sagen, du bist dein Gewicht in Gold wert, aber das wäre eine massive Untertreibung. Du bist ungefähr das Dreihundertfache deines Gewichts in Gold wert. Du bist das wertvollste Ding, das ich je gesehen habe.”

„Aber… warum?”, fragte sie fassungslos.

„Wie gesagt, ihr Beweggrund ist mir unbekannt. Am meisten interessiert mich, dass sie nicht einmal speziell nach dir gefragt haben. Zumindest nicht am Anfang. Ihr Auftrag lautete, dein Schwert zu liefern - das wir übrigens haben – und außerdem jeden, der es berührt und die Berührung überlebt. Wir wurden auch angewiesen, es nicht anzurühren, falls uns unser Leben lieb sei. Nun, meins ist mir lieb, und ich habe es nicht berührt.”

Ein Gedanke regte sich in ihr. „Das Schwert… es gehörte dem Schwertkämpfer. Dieses Schwert gab mir das Zeichen. Es hat etwas mit den Erwählten zu tun. Und sie wollen mich lebend…”

Tief in ihr prallten Gedanken und Instinkte aufeinander. Gedanken, die sich geformt hatten, seit Lain ihr die Wahrheit darüber verraten hatte, warum er sie gefangen hatte. Sehnsucht und Hoffnung vereinten sich, als sie versuchte, eine Erklärung für diese Dinge zu finden. Praktisch von Geburt an war ihr eingetrichtert worden, dass die Armee des Nordbundes nur das Beste für die Menschen und die Welt wollte. Dieser Gedanke brachte sie auf eine Idee. Sie wollten denjenigen, der das Schwert berühren konnte - möglichst lebend. Die Idee wuchs, bis sie ihr endlich eine Stimme geben konnte. „Sie wissen es! Sie wissen von der Prophezeiung! Sie sind zu dem gleichen Schluss gekommen wie ich… dass derjenige, der das Zeichen des Schwertes trägt, die Erwählten zusammenbringen wird. Sie müssen meine Hilfe wollen!” Mit jedem Augenblick wuchs diese Überzeugung.

„Möglich”, sagte Desmeres nachdenklich. „Ich habe schon wildere Theorien gehört, die sich als wahr herausstellten.” Dann runzelte er die Stirn. „Nein - unwahrscheinlich. In der Tat, jetzt, da ich darüber nachd-”

„Desmeres, ich muss sofort die Anführer der Nordarmee treffen!”, sagte sie.

„Nicht so rasch, fürchte ich”, sagte er. „Sieh mal, als Lain sich entschied, dich freizulassen und sie von dir fernzuhalten, glaubten sie, dass wir nicht länger bereit seien, dich auszuliefern. Das hat ihn und mich auf eine sehr erlesene Liste von Rebellen gesetzt, die bei Sichtkontakt sofort von den Eliten getötet werden. Und zwar von denselben Eliten, die auf der Suche nach dir sind. Bis wir ihnen begreiflich machen können, dass Lains kleine Alleingänge harmlos sind und wir dich und das Schwert auf jeden Fall noch immer ausliefern wollen, müssen wir warten.”

„Ich gehe einfach selbst zu ihnen”, sagte sie.

„Das wäre nicht sehr weise. Hast du schon vergessen, dass ihre Versuche, dich einzufangen, bisher wenig angenehm für dich verlaufen sind? Außerdem sind deine sonstigen Jäger nicht so diszipliniert wie die Eliten und haben wahrscheinlich nicht das gleiche hohe Kopfgeld angeboten bekommen wie wir. Wenn du ihnen zuerst begegnest, was ich für wahrscheinlich halte, liefern sie dich möglicherweise lieber tot als lebendig ab.”

„Das Risiko gehe ich ein”, sagte Myranda. „Ich kann mich um mich selbst kümmern.”

„Hm - diese kleine Wunde an deinem Bein und dein äußerst knappes Entkommen in der Vergangenheit lassen mich ein wenig daran zweifeln. Außerdem - was am wichtigsten ist - wir werden nicht bezahlt, wenn du jetzt losgehst und dich ihnen einfach so ergibst - und das wäre eine schreckliche Tragödie.”

„Hmm. Und Lain müsste ich danach wieder von Neuem suchen …”

„Genau. Also, was hältst du davon: Du bleibst als unser Gast, bis ich die Beziehungen wieder soweit beruhigt habe, dass sie einen Austausch erlauben. Es sei denn, du möchtest das nicht - dann bleibst du eben als unsere Gefangene hier. Ich würde vorschlagen, dass du dich für die erste Möglichkeit entscheidest. Die Unterbringung ist schöner und die Unterhaltung weniger einseitig. Es wird dir genug Zeit geben, Lain von seinem Platz in der kosmischen Ordnung aller Dinge zu überzeugen, und uns erlaubt es, unsere Investitionen zu beschützen. Dann könnt ihr beide losgehen und all diese Elementare und andere mystische Erwählte finden und eine Geschichte spinnen, die wir noch unseren Kindern erzählen können.” Er nahm den Goldbarren vom Tisch, um ihn in den Lagerraum zurückzubringen.

Myranda verzog das Gesicht, als sie den spöttischen Ton am Ende seiner Rede hörte. Als er das Gold aufhob, wurde ihr etwas klar. „Wartet. Der Krieg ist gut für dich oder? Warum würdest du mir erlauben, Frieden zu bringen?”, fragte sie.

„Glaubst du wirklich, dass du Lain überzeugen kannst, sich mit der Armee zusammenzuschließen und sein Leben zu riskieren, um diesen Krieg zu beenden? Sie haben ihn jahrzehntelang gejagt, und als sie ihn ergriffen, folterten sie ihn für einen ganzen Monat, wenn ich meinen Quellen glauben darf. Er wird niemals für sie arbeiten.”

„Er wird das Licht sehen”, sagte Myranda zuversichtlich.

„Ja, nun, ich bezweifle das aufrichtig. Leute wie Lain haben solange in der Dunkelheit gelebt, dass sie die Augen zukneifen, wenn sie Licht sehen. Sag mal … warum glaubst du, dass der Krieg gut für mich ist?”

„Lain sagte mir, dass der Hass, den der Krieg aufrührt, dafür sorgt, dass euer Geschäft läuft.”

„Mhm. Generell ist das nicht falsch. Aber generell dauert ein Krieg nur ein paar Jahre und ist wesentlich begrenzter. In einem normalen Krieg gibt es ein verrücktes Tauziehen um die Macht, Leute stechen einander hinterrücks ab, um die größte Scheibe der Beute einzukassieren. Aber dieser Krieg dauert schon viel zu lange. Alles hat sich stabilisiert. Wer die Macht will und die Möglichkeit hat sie zu bekommen, hat das schon getan, oftmals mit unserer Hilfe. Der Rest ist zu schwach, um auf Besseres zu hoffen, oder zu arm, um es zu erreichen.

Wenn der Krieg nun plötzlich enden würde, gäbe es ein Chaos. Der Gesellschaft würde der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Die alte Wache würde in Panik jedem Geld in den Rachen werfen, der ihnen helfen würde, die Macht zu behalten, und die Neuen würden in die Löcher in der Hierarchie springen. Wir würden mit der Kundschaft kaum noch nachkommen.”

Myranda schüttelte den Kopf. „Du würdest den Krieg beenden, weil du davon profitierst? Du würdest das Richtige aus den falschen Gründen tun?”

„Ich habe nie gesagt, dass ich den Krieg beenden würde. Und außerdem, wen kümmert schon der Grund, solange das Richtige getan wird?”, fragte er und es klang sehr vernünftig. „Aber genug der Weltanschauungen. Möchtest du dich ein wenig umsehen? Es gibt hier nicht viel zu sehen, aber ich bin recht stolz darauf.”

Myranda stimmte ihm widerstrebend zu, und sie und der Drache folgten Desmeres durch die gegenüberliegende Tür.

Kapitel 3

Der nächste Raum in Lains geheimnisvollem Versteck war genauso groß. Drei gutgefüllte große Bücherregale standen an der gegenüberliegenden Seite. Überall lagen Wertgegenstände herum. Einige Schatzkisten standen offen, manche waren halbgefüllt mit Silbermünzen, die meisten jedoch mit Gold. Es gab Statuen, Kelche, verzierte Dolche, Schwerter und Helme. Hier und da lag ein Täschchen voller Papiere.

„Unser Vermögen erklärt sich von selbst”, sagte Desmeres. „Diese Papiere sind Urkunden. Wir besitzen eine Reihe sehr großer Grundstücke als Teil von Lains Lieblingsunternehmen. Das dort hinten an der Wand ist unsere Buchhaltung. Die ersten beiden Regale sind voll mit unseren - ein wenig unorganisierten - Aufzeichnungen und Verträgen. Darin stehen die Einzelheiten unserer Abmachungen sowie alles, was bei der Art der Ausführung zu beachten war. Das letzte Regal gehört zu Lains kleinem Hobby. Das hat er schon gemacht, bevor ich mit ihm gearbeitet habe.”

Myn schnüffelte neugierig an dem dritten Regal. Was auch immer in diesen Büchern enthalten war, schien einen interessanten Geruch zu verströmen. Myranda ging zu dem Regal hinüber und betrachtete die Buchrücken. Sie waren nicht beschriftet. Manche der Bücher schienen alt und abgenutzt, andere waren neu. Sie griff nach einem der Bücher.

„Das würde ich nicht tun. Du wirst dir Lains Zorn zuziehen”, warnte Desmeres.

„Ich habe eine Vereinbarung mit ihm, dass er jede meiner Fragen an ihn beantworten muss”, sagte sie.

„Wie hast du das in weniger als einem Jahr geschafft, wenn ich das noch nicht einmal in siebzig konnte?”

„Ich habe ihm mit einem Übungsschwert einen Zahn ausgeschlagen”, antwortete sie und zog eins der Bücher aus der Mitte des Regals.

Desmeres nickte nachdenklich. „Das hatte ich nicht versucht”, gab er zu.

„Er hat gewettet, dass ich niemals willens sein würde Blut zu vergießen, und wenn ich es täte, würde ich es verdienen, dass meine Fragen beantwortet werden”, erklärte sie.

„Ah.” Desmeres nickte.

Myranda öffnete das Buch. Es enthielt keine Wörter, nur Dutzende rotbraune Flecken auf jeder Seite. Sie blätterte durch das Buch, doch sie fand nichts anderes. Sie stellte das Buch zurück und öffnete eines der älteren. Wieder Flecken. Auch dieses stellte sie zurück und griff nach einem neueren. In diesem stand unter jedem kleinen Fleck ein Name, jeder in einer anderen Handschrift geschrieben.

„Was ist das?”, fragte sie.

„Das wirst du Lain fragen müssen. Das ist sein Geheimnis, nicht meins. Außerdem habe ich dir noch mehr zu zeigen. Du hast meinen Lieblingsraum noch nicht gesehen.”

Myranda schüttelte den Kopf, stellte das Buch zurück und folgte ihm. Sie betraten den Raum, in dessen Türrahmen Desmeres gestanden hatte, als sie hereingekommen waren. Das Licht seiner Lampe spiegelte sich in Dutzenden polierten Oberflächen. Desmeres zündete eine Wandlampe nach der anderen an, und jedes neue Licht enthüllte mehr von dem Raum.

Waffen jeder Art hingen an den Wänden - Schwerter mit verzierten Klingen, Bögen, Pfeile, Äxte und zahllose andere Waffen standen in Gestellen und auf Ständern. Einige hingen von der Decke. In anderen Regalen sah sie Flaschen, Phiolen, Werkzeuge und Bücher. „Meine Galerie”, sagte Desmeres stolz. „Fast die Hälfte aller Waffen, die ich gemacht habe, seit ich mit Lain arbeite. Ich habe versucht, eine von jeder Art zu bauen, und er kann mit jeder von ihnen umgehen, aber in der letzten Zeit hat er nur Dolche und ab und zu ein leichtes Schwert benutzt. Ich garantiere dir, dass er mich bald wieder nach einem neuen fragt, jetzt, da Sasha verschwunden ist. Nun, ich habe zwei in Arbeit. Ich glaube, ich kann eins ungefähr in einer Woche fertig haben.”

„All diese Dinge… du hast so viel Zeit darauf verwendet, Werkzeuge zum Töten herzustellen”, sagte sie angewidert.

„Werkzeuge, ja. Töten - nur manchmal. Außerdem habe ich Werkzeuge für alle möglichen Zwecke hier. Heiltränke, Schlaftränke - ehrlich gesagt, habe ich Tränke für alles. Ich habe kein Talent für die Zauberei, also mache ich stattdessen Tränke. Es ist nicht mein größtes Talent, aber ich komme klar. Dies hier ist mein Lieblingstrank.” Er hob eine kleine, unschuldig aussehende Phiole hoch, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. „Es ist ein Gift, das jeden außer Lain umbringt.”

Myranda schüttelte den Kopf. „Warum?”

„Warum das Gift? Nun, sicherlich kannst du verstehen, wie nützlich…”, begann Desmeres.

„Nein. Warum all das?”, fragte sie. „Ich kann verstehen, weshalb du dich in Entwell mit solchen Dingen beschäftigen würdest, aber warum hier? Du scheinst eine anständige Person zu sein. Warum das Geschäft mit dem Tod?”

„Oh, jetzt ist es also nur noch ‚Tod’? Ich mochte ‚Werkzeuge fürs Töten’ lieber. Aber ungeachtet deiner Ausdrucksweise: Ich brauche einfach etwas zur Beschäftigung.”

„Das ist dein Grund? Du brauchst etwas zu tun?”

„Ich kann sehen, dass du verwirrt bist. Erstens einmal, was glaubst du, wie alt ich bin?”, fragte er.