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Er sucht seine Opfer im World Wide Web, folgt ihren Spuren durch die sozialen Netzwerke, keine noch so kleine Online-Aktivität bleibt ihm verborgen. Sein Jagdrevier ist der Chat, er täuscht, lullt ein und straft mit tödlicher Grausamkeit. Der Facebook-Killer kennt keine Gnade. Seine Gegenspielerin ist die forensische Psychologin Geza Wolf, genannt die Wölfin, die aus Mannheim nach Paris gerufen wird, um das Profil des Serienmörders zu erstellen. An der Seite des psychisch schwer angeschlagenen Pariser Kriminalkommissars Maxime Fronzac versucht sie, den Facebook-Killer dingfest zu machen. Als der Killer eine Freundin Gezas in seine Gewalt bringt, wird die Angelegenheit persönlich. Dann meldet sich der Mann, der sich im Internet Vince Vega nennt, per Chat bei Geza. Die Wölfin nimmt Witterung auf, die erbarmungslose Jagd beginnt. Ein Thriller um Rache, Schuld und Vergeltung, die Untiefen der sozialen Netze, die Gefahren falscher Identitäten und naiver Vertraulichkeit. Hochspannend, dramatisch, drastisch. Von Oliver Hoffmann und Thommy Mardo.
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Seitenzahl: 398
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Oliver Hoffmann Thommy Mardo
Der Facebook-Killer
Gesamtherstellung:
WAP Waldkirch Produktion GmbH, Mannheim
Text: Oliver Hoffmann nach einer Idee von Thommy Mardo
Titelfoto und Bildserien: Thommy Mardo
Satz & Gestaltung: Verena Kessel
ISBN Taschenbuch
978-3-86476-003-7
ISBN E-Book EPUB
978-3-86476-600-8
ISBN E-Book PDF
978-3-86476-601-5
Verlag Waldkirch KG
Schützenstraße 18
68259 Mannheim
Telefon 0621-79 70 65
Fax 0621-79 50 25
E-Mail: [email protected]
www.verlag-waldkirch.de
© Verlag Waldkirch Mannheim, 2012
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags.
Oliver Hoffmann Thommy Mardo
Verlag Waldkirch
Für Julia
Ich bin nicht, was ich bin.
– William Shakespeare, Othello
Jeder ist der, dem er nicht entrinnen kann.
– Hans Kudszus
21.03.2011
Keller
Sie erlangt langsam das Bewusstsein wieder. Ihr Kopf dröhnt, die Hände schmerzen, und auch sonst fühlt sich kein Körperteil normal an. Sie durchbricht die Ebene zwischen Leben und Tod, zwischen Geisterwelt und Realität. Verschwommene Gestalten in ihrem Bewusstsein verziehen sich widerwillig und grimmig vor ihrem inneren Auge und weichen einem reinen weißen Nebel, der sie umgibt. Vergeblich versucht sie, die Augen zu öffnen. Es ist einfach zu hell dort, wo sie jetzt ist, und ihre Lider sind dick geschwollen. Die Vierzigwattbirne über ihrem Kopf verstrahlt düsteres Halblicht, aber selbst dieses erscheint in ihrer Wahrnehmung wie eine gleißende Miniatursonne. Nach und nach kommen ihre Sinne zurück ... aber nicht die Erinnerung. Sie versucht, sich zusammenzureißen und sich ein Bild zu machen. Dass etwas nicht stimmt, ist ihr sofort klar, aber was? Wer ist sie, was ist geschehen, wo ist sie, warum ist sie an diesem Ort? Zuerst bemerkt sie den muffigen Geruch – feuchter Keller. Das immer wiederkehrende Tropfgeräusch, das aus einer Ecke an ihr linkes Ohr dringt, verstärkt diesen Eindruck noch. Ihre Augen sind kaum zu gebrauchen, und in ihrem Mund bemerkt sie den vage bekannten Geschmack nach Metall, süßlich und trotzdem bitter – Blut. Sie muss stark geblutet haben, ihre Gesichtsmuskeln reagieren nur zögerlich und spannen sich unter einem leichten Ziehen, wenn sie ihren Mund zu öffnen versucht. In was war sie da nur hineingeraten, und wo zur Hölle befindet sie sich? Ist sie nur wenige Meter von zu Hause entfernt oder an einem weit entlegenen Ort? Nichts in dem Raum gibt ihr einen Anhaltspunkt zur Beantwortung dieser Fragen. Kein Geräusch eines Flughafens oder vorbeifahrender Autos, kein Geruch bis auf den modrigen Gestank feuchter Wände, die es überall geben könnte. Sie will sich das klebrige Blut mit der Hand fortwischen, doch sie kann ihre Hände nicht bewegen. Sie tun höllisch weh, und sie begreift, dass sie mit ausgestreckten Armen daliegt und ihre Hände gefesselt sind. Die Füße sind zusammengebunden und ebenfalls unbeweglich. Sie friert. Jetzt, da ihr Bewusstsein langsam zurückkehrt, kommt auch die Kälte, und sie zittert. Zuerst nur wegen der Eiseskälte, doch je länger sie wach ist, desto mehr kommt auch die Angst und verstärkt ihr Zittern. Sie ist nackt – sie kann es nicht sehen, aber sie spürt es. Bruchstücke von Erinnerungen blitzen in ihrem Bewusstsein auf. Sie ist ein intelligentes Mädchen, mehr als attraktiv, jung, blond, mit einer üppigen Oberweite, meist etwas zu knappen Röcken und immer zu einem Flirt aufgelegt – zum Leidwesen ihres Freundes, doch das war ihr egal. Sie konnte ja später schließlich immer noch Nonne werden. Sie begreift jetzt, dass sie gefesselt irgendwo in einem düsteren, nassen Raum liegt, aber wie sie hierhergekommen und wie lange sie schon hier ist, kann sie beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ihr Freund und ihre Eltern werden sie sicher bereits vermissen. Die Schläfen pochen, und sie versucht weiter, ihre Gedanken zu ordnen, als sie plötzlich einen lautlosen Schatten zwischen sich und der Glühbirne wahrnimmt. Sie öffnet mühsam die geschundenen Augen, doch sie kommt nicht mehr zu einem Schrei – der Faustschlag trifft sie wie ein Hammer ins Gesicht. Ihr schwinden die Sinne. Erst als der große Nagel brutal in ihre rechte Handfläche dringt, wacht sie schmerzerfüllt und schreiend wieder auf. Und sie hört die hasserfüllte Stimme flüstern.
Die beiden immer gleichen Worte, voller Abscheu, die ihre ständigen Begleiter sein werden in diesen nächsten, letzten Stunden.
„Hure.“
„Dreckfotze.“
21.03.2011
Keller
Qual.
Höllenqual.
Sie hat unerträgliche Schmerzen.
Blut rinnt aus ihrer Handfläche, tropft in stetem Rhythmus auf den Boden. Der Nagel hat Teile ihrer Handknochen zertrümmert, die Nagelspitze hat Gewebe und Haut in das Holz getrieben. Ihr Kopf scheint zu bersten. Sie will schreien, immer nur schreien, den Schmerz hinaus brüllen in dieses muffig-nasse Loch, aber der Schock lähmt bereits ihre Muskeln, und das Adrenalin betäubt sie wie eine Droge. Sie nimmt den Mann kaum wahr, sieht nur Schatten und Konturen einer riesenhaft scheinenden Person. Ihr wird schlecht, alles um sie herum beginnt, sich zu drehen. Ihr Herz flattert und will ihr aus der Brust springen, die Lider zittern, und sie verliert erneut das Bewusstsein. Blitze durchströmen ihren Körper wie ein Stroboskoplicht, während sie durch eine andere Welt wandelt. Sie träumt:
Sie träumt alles Schlechte, alles Böse, und begegnet ihren Ängsten – albtraumhafte Szenen von Kriegen und Katastrophen, von Gewalt und Zerstörung, von Unfällen und Wahnsinn, von verhungernden Kindern, von Spinnen und dem bösen Nachbarn, dem Schwarzen Mann ihrer Kindheit. Irgendwann überkommt sie tiefe Ruhe, alles ist dunkel, ihr Körper und ihre Träume scheinen stillzustehen. Sie liegt in ihrer Ohnmacht einfach da, und hätte sie die Wahl, sie würde nicht mehr zurückkommen wollen, aber ihr Körper ist noch zu stark, wehrt sich gegen das Leiden und stößt sie zurück in die Realität.
Als sie langsam aufwacht, kann sie keinen klaren Gedanken fassen. Der Schmerz ist unerträglich, dennoch beginnt sie von Neuem, mühsam zu rekonstruieren, wo sie sich befindet und was mit ihr geschehen sein mag. Unter großer Anstrengung dreht sie den Kopf. Ihre Hand ist unbeweglich und mit einem dicken weißen Verband umwickelt, der sich stellenweise rot gefärbt hat. Ihr Blick wandert auf den Boden, wo sie im Halblicht eine große Blutlache erahnt, rot und geronnen. Ihr wird schlecht, sie stöhnt und jammert leise, und diesmal kommt die Erinnerung schneller zurück, als ihr lieb ist. Was sie nicht begreifen kann, ist, warum man ihr dies alles zufügt, warum man sie gefangen hält, wer zu einem solchen Verhalten fähig ist. Sie versucht, den Schmerz zu ignorieren und sich weiter zu erinnern, und die Erinnerung kommt stückweise und grausam.
Bilder. Träume oder Erinnerungen? Sie kann es nicht trennen. Aber sie sieht:
Sich selbst in einem Café in der Nähe des Louvre. Sie ist hier verabredet mit einem Mann, den sie im Internet kennengelernt hat, auf Facebook. Sie haben gechattet, einander Nachrichten gesandt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie auf diese Art und Weise Männerbekanntschaften macht; meist bleibt alles virtuell, doch ab und an sucht sie den Kick und trifft sich mit einem dieser Männer. Das bedeutet nicht, dass sie gleich mit jedem ins Bett geht, dazu liebt sie ihren Freund viel zu sehr, aber ein bisschen Spaß muss sein, und was Théo nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Sie sieht keinen Grund, sich mit „Vincent Vega“ nicht real zu treffen, nachdem sie einander im Internet so sympathisch sind und seit fast drei Wochen fast täglich in Kontakt stehen. Sie weiß, dass Vincent nicht wirklich so heißt, aber er hat ihr seinen echten Namen nicht verraten wollen. Egal – was macht es schon, ob er Vincent, Didier oder Michel heißt? Sein Humor und seine Schlagfertigkeit im Chat sind unübertrefflich, und ihr ganzer Körper prickelt, wenn das Fenster mit dem John-Travolta-Profilbild aufpoppt. Sie selbst verwendet im Netz ihren wahren Namen, denn wie sollen ihre Freunde und Bekannten sie sonst finden und adden? Auch sonst hält sie nichts davon, ihre Identität zu verschleiern, und so stimmen alle Angaben ihres Profils wie Geburtstag, Geburtsort, Hobbies sowie ihr schulischer und beruflicher Werdegang mit der Wahrheit überein. Bis auf eine Kleinigkeit – bei ihrem Beziehungsstatus hat sie ein wenig gemogelt und sich als „Single“ ausgegeben. Warum auch nicht? Der Status „In einer Beziehung“ hätte die Chancen auf einen aussichtsreichen und anregenden Flirt stark gemindert.
Sie erinnert sich: Seine erste Nachricht in ihrem Posteingang. Nicht gerade vielversprechend, das Übliche „Hi, wie geht’s?“, und einige nichtssagende Worte. Gezeichnet: Vince Vega. Aber die Schreibe des Mannes im Chat fesselt sie, und so antwortet sie, und hinter den Floskeln kommt ein intelligenter, sensibler, gefühlvoller Mann zum Vorschein, der sie stärker in seinen Bann zieht, als ihr lieb ist. Schon bald ist es soweit: die Frage nach einem realen Treffen. Das lehnt sie zunächst ab. Doch nach einiger Zeit hat er ihr Vertrauen und sie seinem Drängen nichts mehr entgegenzusetzen. Mit Théo ist sie seit fast sechs Jahren liiert, sie ist Krankenschwester im Hôtel-Dieu am Parvis Notre Dame, hat eine beste Freundin und seit sie denken kann die immer gleichen Hobbies – Shoppen und Seifenopern im Nachmittagsprogramm, wenn sie gerade keinen Dienst hat. Ein bisschen Abwechslung zwischendurch kann da nicht schaden.
Dann die Erinnerung an die Enttäuschung: Dasselbe Café. Sie wartet seit zwanzig Minuten, aber Vincent kommt nicht. Sie ist verwirrt ... er hatte doch auf das Treffen bestanden! Entweder ist er ein Fake, oder sie muss sich Sorgen machen, dass ihre weiblichen Reize mit einunddreißig Jahren nachlassen. Nach einer Dreiviertelstunde und einigen Martini beschließt sie zu gehen, doch als sie die Bedienung um die Rechnung bittet, setzt sich ein Mann zu ihr. Sie hat nicht vor, sich mit ihm zu unterhalten. Man hat sie versetzt, das erste Mal in ihrem Leben, sie ist schwer gekränkt. Außerdem ist der Typ lange nicht so ansprechend wie Vincent. Nicht hässlich, aber auch keine Schönheit, mit seinem etwas zu langen Haar und der zu großen Nase, aber sie muss zugeben, dass er ein ziemlich freches Lächeln hat, als er ihr offenbart, dass er sie bereits eine Weile beobachte und es ihm leid tut, dass ihre Verabredung nicht erschienen ist. Anfänglich will sie sich darüber empören, aber die Worte des Mannes schmeicheln ihr, trösten sie über Vincents Verrat hinweg. Er stellt sich als Gabriel vor und verwickelt sie in ein Gespräch, sagt ihr irgendwann, wie schön er sie findet. Was soll’s, sie hat nichts zu verlieren, Vincent hat sie versetzt, und Komplimente haben dem Selbstbewusstsein noch nie geschadet. Es wird ein lustiger Abend, sie lachen viel und reden über Gott und die Welt.
Szenenwechsel: Auf der Straße, bei Nacht. Als das Café schließt, begleitet Gabriel sie zum Auto. Er öffnet es mit ihrem Schlüssel und hält galant die Tür auf, so dass sie bequem einsteigen kann. Das seltsame Schwindelgefühl hat sie bereits, als sie das Café verlässt, aber sie schiebt es auf den Alkohol und die frische Luft. Doch als sie sich setzt, beginnt sich die Welt um sie zu drehen. Als die Autotür zufällt, ist sie nicht mehr Herrin ihrer Sinne, und dass Gabriel plötzlich neben ihr sitzt, registriert sie mit Entsetzen. Ihre Gedanken schlagen Purzelbäume, gleiten wirr ab. In Panik greift sie in ihre Tasche, nach dem Handy, da trifft sie ein harter Schlag ... schon wieder ein harter Schlag? ... war da nicht gerade eben .... ins Gesicht, und alles um sie herum wird schwarz ...
Nun liegt sie hier. Hilflos, gefesselt, voller Schmerz und Blut, in aussichtloser Lage, aber sie will leben. Sie darf nicht aufgeben, muss versuchen, strategisch zu denken, eine ihrer Stärken, die ihr oft zum Vorteil gereicht hat. Sie muss ihre Lage richtig einschätzen, sich bewusst machen, in welchem Zustand sie ist, wo sie sich befindet und wie sie auch nur die geringste Chance gegenüber ihrem Peiniger ausnutzen kann.
Mühsam hebt sie den Kopf und beginnt, mit verquollenen Augen ihren Kerker zu erkunden. Es ist noch immer derselbe Raum, eine dicke Holztür mit Metallscharnieren, ein zugemauertes Fenster in halber Höhe, einen Stuhl, der schon bessere Zeiten gesehen haben muss. Ihre Blicke wandern weiter, erforschen jeden Zentimeter, den sie in Ihrer unbequemen, starren Lage sehen kann. Unter Schmerzen dreht sie den Kopf nach links und erkennt vage Flecken an der Wand. Ihr Blick ist wie ein falsch kalibriertes Fernglas, sie kneift die Augen zusammen und versucht ihn scharf zu stellen. Langsam nehmen die hellen Flecken Form an - ein Anblick des Grauens, der ihr das Blut in den Adern gefrieren und den Herzschlag aussetzen lässt.
Sie erkennt Fotos und Scans an der Wand. Zuerst sind es nur schemenhaft Gesichter, Gesichter von Frauen. Irgendwelche Friedhofsaufnahmen, von Grabsteinen oder so. Profilbilder wie in Facebook und anderen Communities, passbildähnlich. Ehemals lächelnde Gesichter, teilweise zerkratzt, teilweise mit einer roten Flüssigkeit bis zur Unkenntlichkeit beschmiert ... durchgestrichen ... Sie erkennt andere, grausame Bilder von Frauenleichen, abgetrennten Gliedmaßen, aufgeschnittenen Leibern und blutigen Organen. Detailaufnahmen von zerschmetterten Köpfen … und Ganzkörperfotos strangulierter Frauen. Ihr stockt der Atem. Sie erkennt einige der Gesichter, die sie in den Zeitungen gesehen hat. Alle Pariser Tageszeitungen waren voll von Frauenmorden in den letzten Jahren ... Panik ergreift sie, es gibt nichts mehr schönzudenken, die Unsicherheit wird zur Gewissheit. Sie ist schockiert, hat Todesangst, ihr ganzer Körper zittert, und Tränen der Verzweiflung rinnen aus ihren verquollenen Augen. Der größte Schock steht ihr allerdings noch bevor, während der Blick ihrer verletzten Augen langsam die Bilderwand entlangwandert.
Ganz am Ende der Schreckensgalerie entdeckt sie ihr eigenes Bild, das ihr Freund von ihr aufgenommen und das sie in ihr Facebook-Profil eingestellt hatte. Es grinst sie an, fast höhnisch lächelt ihr eigenes Gesicht zu ihr herüber, scheint sich über sie lustig zu machen. Es ist das einzige unbeschadete Bild, nur einige Tropfen der roten Flüssigkeit verunzieren es, aber es ist weder zerkratzt noch durchgestrichen. Der Schock durchzieht jeden Nerv ihres Körpers, lässt sie sich verkrampfen. Wie hat sie nur so naiv sein können? Sie hat ein Date mit dem Serienmörder vereinbart. „Vincent“ gibt es gar nicht – der ach so nette Mann aus dem Café, ihr neuer, ihr letzter Schwarzer Mann, hat sich hinter seinem Profil versteckt. Alles war geplant. Die Wahrheit steht glasklar vor ihr: Vincent ist Gabriel und Gabriel ist Vincent, und wahrscheinlich ist auch Gabriel nicht sein echter Name. Er hat den gesamten Abend genau geplant. Die Worte, die er an sie gerichtet hat, die Schmeicheleien und Komplimente. Wahrscheinlich hat er ihr in einem unbemerkten Augenblick KO-Tropfen ins Glas getan. Wie sonst hätte sie so schnell den Überblick und ihre Sinne verlieren können? Wie hätte er sie so leicht erwischen können?
Sie schämt sich. Nie im Leben hätte sie sich solche Naivität und Dummheit zugetraut, doch jetzt ist es zu spät …
Definitiv.
Sie hört ihn hereinkommen.
22.12.2010
Préfecture de Police
Rue de la Cité, Paris
Commandant de Police René Bavarois, stellvertretender Leiter der Pariser Police Judiciaire, hatte Geza Wolf zu Ehren einen kleinen Empfang organisiert: im zweiten Obergeschoss des im Neorenaissancestil errichteten Gebäudes in der Rue de la Cité, in der sogenannten Großen Lage, deren altertümliche dunkle Stühle an der Wand hochgestapelt waren, um Platz für die Anwesenden zu schaffen. Das lag nicht nur daran, dass er seit vielen Jahren ein Fan ihrer wissenschaftlichen Publikationen und unsagbar stolz auf den Besuch der „Wölfin“, wie Geza unter ihren ehemaligen Polizeikollegen genannt wurde, war, sondern auch an der Tatsache, dass Geza mit ihrer Ausbildung in Quantico tatsächlich ein Maß an Internationalität nach Paris brachte, wie es selbst die Metropole an der Seine selten erlebte.
Die derart Geehrte war ihrerseits froh, aus dem ungemütlichen, grauweißen Mannheim herauszukommen, obwohl es zwei Tage vor Weihnachten war und Paris im Schnee versank. In Mannheim waren Weihnachtsferien, und die kleine Laura, deren Kinderzimmer Wand an Wand mit Gezas Schlafzimmer in der anderen Hälfte der Doppelvilla in der Werderstraße lag, begrüßte den Tag schon mal um halb acht mit Etüden auf dem Saxophon, das sie zwar nur sehr ansatzweise beherrschte, aber dafür umso inbrünstiger übte.
Nun war sie hier und betrachtete die Menschenmenge um sich mit gemischten Gefühlen.
Pariser Impressionen
http://www.verlag-waldkirch.de/facebook-killer1.pdf
In der Großen Lage wimmelte es nur so von Polizisten, manche in Uniform, die meisten in Zivil, die neugierig auf den deutschen Gast waren oder einfach nur das Büffet mitnehmen wollten. Geza hatte nach 10 Minuten voller Vorstellungen aufgegeben und versuchte nun nicht einmal mehr, sich Namen zu merken.
Nicht erschienen war der Mann, der sie am meisten interessierte, der, dessen Geschichte Bavarois als Köder ausgeworfen hatte, um sie mitten im Winter nach Paris zu locken: Maxime Fronzac.
Aber sie würde ihn finden, keine Frage.
Außer Bavarois’ Kollegen hatten sich an diesem Mittwochvormittag auch ein paar Kommunalpolitiker in den großen Besprechungsraum verirrt: einer von der Union pour une Majorité de Progrès à Paris, dessen Namen Geza schon wieder vergessen hatte, dessen Schnurrbart sie aber stark an den Lenker eines Motorrads erinnerte, und sein Kollege mit dem unaussprechlichen Nachnamen, bei dem offenbar akuter Vokalmangel geherrscht hatte und über den Madame Urain, Bavarois’ Sekretärin und gute Seele der Präfektur, gesagt hatte, er lebe nach dem Motto „Ein Sozialist ist nicht rot, er wird es nur, wenn das jemand behauptet“. Beide demonstrierten durch ihr ganzes Auftreten inklusive ständiger Blicke auf die Uhr und – im Falle des Sozialisten – hektischen Smartphone-Checkens, große Geschäftigkeit und enormen Termindruck.
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