Der Fibromyalgie-Ratgeber - Holger Westermann - E-Book

Der Fibromyalgie-Ratgeber E-Book

Holger Westermann

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  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Auf den Punkt gebracht: Topaktuell: Mit allen neuen Erkenntnisse zur Behandlung der Fibromyalgie gemäß der neuen Leitlinie 2017. Der Ratgeber der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung e.V. Über 3 Mio. Menschen in Deutschland leiden unter Fibromyalgie, das Verhältnis Frauen zu Männern ist 7:3. Das Fibromyalgie Syndrom auf allen Ebenen beleuchtet: somatisch, psychisch, psychosomatisch. Ein Ratgeber, der Betroffenen die Bedeutung von Selbsthilfe und einer optimistischen Lebenseinstellung vermittelt. Die Ursache bleibt ein Rätsel: Selbst die aktuelle medizinische Leitlinie für das Fibromyalgie Syndrom vom März 2017 nennt keine Ursachen für die Erkrankung. Eine seriöse medizinische Therapie versucht also vielmehr, gezielt Symptome zu lindern – insbesondere den Dauerschmerz. Was man weiß: Elemente der multimodalen Schmerztherapie, Entspannungsübungen und gezielter Stressabbau haben einen positiven Einfluss auf die Schmerzintensität. Auch die ganz persönliche Einstellung zum Leben mit Dauerschmerz spielt eine wichtige Rolle. Alles, was dazu wichtig ist, hat Autor Holger Westermann mit der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung e.V. in diesem Ratgeber zusammengetragen. Damit wird ein Leben mit Fibromyalgie zwar kein unbeschwertes, aber ein zunehmend gutes.

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Seitenzahl: 141

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VORWORT

GELEITWORT DER DEUTSCHEN FIBROMYALGIE VEREINIGUNG

FIBROMYALGIE – WAS WIR HEUTE WISSEN

Was genau ist Fibromyalgie eigentlich?

Die aktuelle medizinische Leitlinie

Schmerzen verstehen und besser mit ihnen umgehen

Die Schutzfunktion von Schmerz

Wie der Körper mit Stress umgeht

Wie Stress und Schmerz zusammenhängen

SYMPTOME UND DIAGNOSE – SO INDIVIDUELL WIE DER MENSCH

Die Symptome – bei jedem etwas anders

Krankheit auf drei Ebenen: somatisch, psychisch, psychosomatisch

Symptome im vegetativen Nervensystem: Für uns nicht steuerbar

Funktionelle Symptome: Befindlichkeitsstörungen

Psychische Symptome: Der seelische Einfluss

Die Diagnose – Sie sind der Experte

Die Ausschlussdiagnose

Die sinnvolle Reihenfolge der Arztbesuche

Einen guten Arzt finden

Risikoerkrankungen

Folgeerkrankungen

DIE THERAPIE – UND WAS SIE SELBST TUN KÖNNEN

Schmerzmittel helfen nur begrenzt

Amitriptylin kann helfen

Sinnlose und gefährliche Therapien

Schonung ist der falsche Weg

Exzessiver Sport schadet

Detox und Diäten bringen nichts

Risiko Parallelerkrankungen

Die multimodale Schmerztherapie – Chancen und Grenzen

Psychologische Therapie

Die Kraft der Selbstmotivation

Bewegung und Entspannung

Lebensstil als Therapie

Bewegter Alltag

Gesunde Ernährung

Geselligkeit suchen

Erfolg selber definieren

Optimistisch denken

KOMMUNIKATION – DER SCHLÜSSEL ZU EINEM GUTEN LEBEN TROTZ FIBROMYALGIE

Warum Kommunikation so wichtig ist

Partner, Familie und Freunde

Kollegen und Bekannte

Richtig mit dem Arzt reden

Standardisierte Fragenkataloge

Die Beschreibung von Dauerschmerz

Realistisch, aber beharrlich sein

Arbeitgeber, Krankenkassen und Behörden

Kranksein im Beruf

Sich sein Recht verschaffen

Hilfe von außen und eine optimistische Grundeinstellung

Das Bestmögliche erreichen

Hilfe holen ist erlaubt

Gute Tage und schlechte Tage: ganz normal

LACHEN ERLAUBT: ANLEITUNG ZUM UNGLÜCKLICHSEIN MIT FIBROMYALGIE

ANHANG

Wichtige Adressen

Selbsthilfegruppen und Foren

Register

VORWORT

Liebe Leser,

Grundlage für diesen Ratgeber ist die neue medizinische Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-Syndroms“ vom Juni 2017. Darin haben die Fachgesellschaften und engagierte spezialisierte Ärzte sowie die Patientenorganisationen als Experten aus Betroffenheit zusammengearbeitet. Dieses Gremium sichtete und diskutierte die aktuelle Fachliteratur mit dem Ziel, gesichertes Wissen zusammenzufassen und erkannte Irrtümer klar zu benennen. So steht nun eindeutig und endlich fest: Fibromyalgie ist keine Rheumaerkrankung, auch kein Weichteilrheuma!

Was bedeutet das für die Behandlung von Menschen mit Fibromyalgie? Die Experten empfehlen eine multimodale Schmerztherapie, die auch Entspannungsübungen und Maßnahmen zur Stressbewältigung sowie leichten Sport nutzt. Medikamente allein können die Schmerzen nicht stoppen, aber lindern. Gegen die anderen Symptome wurde eine jeweils spezielle Behandlung als sinnvoll erkannt.

Dieses Buch erklärt Ihnen den aktuellen Wissensstand über das Fibromyalgie-Syndrom. Besonderes Augenmerk habe ich dabei auf die Entstehung von Schmerzen gelegt: Denn wer die Wirkung von akutem und andauerndem Stress auf die Schmerzbelastung versteht, kann die Linderung aktiv unterstützen. Wer die Funktion von Körper und Geist beim Fibromyalgie-Syndrom kennt und an sich selbst nachvollziehen kann, ist auch weniger empfänglich für obskure Heilversprechen: Fundiertes Wissen schützt vor Scharlatanen.

Für ein gutes Leben trotz Fibromyalgie lohnt es sich, dass Sie in ein solides soziales Umfeld investieren. Nicht Geld, sondern gemeinsam verbrachte Freizeit an guten Tagen mit geringem Leidensdruck und gute Laune, auch wenn es manchmal schwerfällt, zahlen sich aus. Dieses Buch gibt Ihnen deshalb Tipps, wie man mit Lebenspartnern, Familienangehörigen, Freunden und Kollegen, aber auch mit Ärzten und Menschen in Behörden oder bei Krankenkassen über Fibromyalgie sprechen kann. Wer die Interessen der Gesprächspartner berücksichtigt, kann die wichtigen Informationen zur Fibromyalgie weitergeben, damit ein rücksichtsvolles Miteinander gelingt.

Die Geselligkeit mit Menschen, denen man die Besonderheiten des Lebens mit Fibromyalgie nicht jedes Mal aufs Neue erklären muss, ist eine wichtige Stütze für ein gutes Leben trotz Dauerschmerz. Das Engagement in der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung schafft Gelegenheit dazu! Hier trifft man Menschen, die sich gegenseitig Optimismus vermitteln, indem sie gemeinsam nach Lösungen für typische Fibromyalgie-Probleme im Alltag suchen.

Ihr

Holger Westermann

GELEITWORT

der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung

Liebe Menschen mit Fibromyalgie,

dieser Ratgeber wendet sich an Sie, die Sie mit Fibromyalgie leben und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch weiterhin leben müssen. Schmerzen und sehr unangenehme, manchmal auch nur lästige Symptome bestimmen unseren Alltag. Dabei gibt es schlechte Tage, aber auch gute Tage mit vergleichsweise geringer Symptombelastung. Diese Tage sind für uns besonders wertvoll. Dann können wir uns wie alle anderen Menschen auch um angenehme und schöne Aspekte kümmern und uns selbst und anderen zeigen, dass wir trotz Fibromyalgie in erster Linie fröhliche, nachdenkliche, gesellige, neugierige und manchmal auch zornige, eben ganz normale Menschen sind.

Es gibt bislang keine medizinische Therapie gegen Fibromyalgie, und auch keine, die den Dauerschmerz stoppt. Das ist keine gute Nachricht, aber eine ehrliche. Wer wundersame Heilung verspricht, spekuliert auf die Verzweiflung leidender Menschen und möchte deren Hoffnung ausnutzen. Möglich ist jedoch eine Linderung der Beschwerden, denn viele Begleitsymptome können erfolgreich behandelt werden. Dadurch verbessert sich die Lebensqualität deutlich. Entspannungsübungen und leichte Gymnastik lindern bei vielen Betroffenen den Schmerz.

Förderlich ist dabei eine stabile und unterstützende Partnerschaft sowie die Geselligkeit mit Menschen, denen man die Besonderheiten des Lebens mit Fibromyalgie nicht jedes Mal aufs Neue erklären muss. Denn wer sein Leid ständig schildern muss, verstärkt es unnötig. Deshalb wollen wir in der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung nicht andauernd die Krankheit besprechen, sondern viel lieber dadurch auftretende Probleme lösen. Denn nur so verbessern wir die Lebensqualität unserer Mitglieder. Es geht uns darum, trotz Dauerschmerz eine optimistische Perspektive auf das Leben zu gewinnen. Damit wird ein Leben mit Fibromyalgie zwar kein unbeschwertes, aber ein zunehmend attraktives.

Herzlich willkommen in der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung!

Mit optimistischen Grüßen

Ihre

Bärbel Wolf

Vorsitzende der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung

FIBROMYALGIE – WAS WIR HEUTE WISSEN

Zwölf verschiedene Ärzte und rund elf Jahre dauernde Schmerzen haben Menschen mit Fibromyalgie im Schnitt hinter sich, bis ein Arzt die richtige Diagnose stellt. Die Ursachen dieser unheilbaren Krankheit sind bis heute nicht bekannt. Die Fibromyalgie gehört leider zu den Krankheiten, über die wir im Vergleich zu anderen wenig wissen. Welche Fortschritte die Medizin macht und welche Erkenntnisse sie über den Zusammenhang von Stress und Schmerz gewonnen hat, erfahren Sie in diesem Kapitel. Auch wenn sich Fibromyalgie nicht heilen lässt, so gibt es doch viele Möglichkeiten, wie Sie einen guten Umgang mit der Erkrankung finden.

Was genau ist Fibromyalgie eigentlich?

Die Diagnose Fibromyalgie oder Fibromyalgie-Syndrom (FMS) bedeutet für viele Betroffene im ersten Moment Genugtuung oder gar Erleichterung. Die andauernden Schmerzen, die mit wechselnder Intensität an mehreren Körperstellen auftreten, die Angst vor schmerzhaften Berührungen, die Schlafprobleme bei Nacht und ständige Müdigkeit am Tag, angeschwollene Gliedmaßen und aufgedunsenes Gesicht, nervöser Magen oder Darm, begleitet von Heißhungerattacken, der ständigen Angst zu versagen und Phasen mit quälender depressiver Stimmung: Für diese Vielzahl und Vielfalt unterschiedlicher Symptome konnten die Ärzte endlich einen gemeinsamen Nenner finden: Fibromyalgie oder Faser-Muskel-Schmerz.

Der Begriff Fibromyalgie bezeichnet erst einmal nur, wo die Schmerzen auftreten.

Der Begriff setzt sich zusammen aus dem lateinischen Wort fibra für Faser und den griechischen Wörtern mys für Muskel und algos für Schmerz. Doch so, wie die Bezeichnung Bauchschmerzen noch nichts über deren Entstehung aussagt, beschreibt auch der Begriff Fibromyalgie lediglich, wo die Schmerzen auftreten: Nicht die Gelenke oder zentrale Bereiche der Skelettmuskulatur schmerzen, sondern vorrangig die gelenknahe Region am Übergang zwischen Muskel und Sehnen. Die genaue Beschreibung des Leitsymptoms ist notwendig, um die Erkrankung zu erkennen.

Weitere Beeinträchtigungen der Gesundheit, die Sie sicherlich kennen und die von Betroffenen und auch von einigen Ärzten nicht immer mit den Schmerzen in Verbindung gebracht werden, sind ebenfalls FMS-Symptome und damit wichtige Hinweise für die Diagnose. Erst seitdem verstanden wurde, dass auch diese Symptome zur Schmerzerkrankung gehören, gelingt eine zuverlässige Diagnose und reift in der Medizin das Verständnis für die psychologisch-physiologischen Zusammenhänge beim FMS.

Die Medizingeschichte der Fibromyalgie ist eine Abfolge von Erklärungsversuchen und Irrtümern, die heute noch nachwirken. Eine erste systematische Beschreibung der Fibromyalgie im Jahr 1816 ging davon aus, dass es sich dabei um eine Entzündung des Bindegewebes handele. 1904 vermutete man dagegen eine Faserentzündung und sprach folgerichtig von „Fibrositis“. In den 1930er- und 1940er-Jahren ergänzte man die Entzündungstheorie durch den drucksensiblen Effekt aufgrund vermehrter Zellteilung im schmerzhaften Gewebe (Hyperlapsie) und sprach nun von einer „Fibromyositis“ (Muskelfaserentzündung) oder einem „myofaszialen Schmerzsyndrom“.

Aus dieser Zeit rührt auch die, wie wir heute wissen, falsche Zuordnung des FMS zu den generalisierten Entzündungserkrankungen, auf die der Titel „Weichteilrheuma“ zurückgeht. Zwar wurde bereits in den 1950er-Jahren erkannt, dass auch psychische Belastungen am FMS beteiligt sind, doch bis in die 70er-Jahre hinein hielten viele Experten an der Zuordnung zu den rheumatischen Erkrankungen fest.

Erst in den späten 1980er-Jahren erkannte man, dass Schlafprobleme und chronische Müdigkeit sowie eine depressive Grundstimmung zum Krankheitsbild gehören. Seither setzte sich immer mehr die heute allgemein anerkannte Charakterisierung des FMS als Störung der Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung durch.

Die aktuelle medizinische Leitlinie

Inzwischen kann man die Erkrankung also beschreiben, den Betroffenen kann der Begriff Fibromyalgie als Ursache für ihr Leiden genannt werden. Doch das bedeutet noch nicht, dass man die Erkrankung tatsächlich verstanden hat. Die Vielzahl und Vielfalt der Symptome ergibt leider noch kein einheitliches Bild, um eine „Theorie der auslösenden Ursachen“ (die sogenannte Ätiologie) zu formulieren und den Krankheitsverlauf vorherzusagen. Das ist auch das Fazit der aktuellen medizinischen Leitlinie „Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgie-Syndroms“ vom Juni 2017. Darin wurde unter Leitung der Deutschen Schmerzgesellschaft und Mitwirkung von zwölf medizinischen und heilberuflichen Fachgesellschaften sowie von Patientenorganisationen wie der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung der aktuelle Wissensstand zum FMS zusammengetragen und kritisch bewertet.

Für Patienten und Interessierte wurde eine allgemeinverständliche Fassung der Leitlinie formuliert.

Die Bewertungen und Empfehlungen erstellte dieses Expertengremium nach intensiver Diskussion dann letztlich im Konsens, weiterhin strittige Punkte werden ausdrücklich benannt. Für Patienten und Interessierte wurde eigens eine allgemeinverständliche Fassung der Leitlinie formuliert, die weitgehend auf medizinische Fachbegriffe verzichtet. So können Sie und auch mittelbar Betroffene wie Ihre Angehörigen und Ihre behandelnden Ärzte sich anhand spezieller Versionen der Leitlinie zum aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über das FMS informieren.

Chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafprobleme sowie geistige und körperliche Erschöpfung charakterisieren das FMS. Zudem belasten depressive Phasen das Leben vieler Menschen, die mit dieser Erkrankung leben müssen. Dabei betonen die Experten in der Leitlinie, dass die Klassifizierung als psychiatrische oder psychosomatische Erkrankung definitiv falsch ist. Sie sprechen dagegen von einer anhaltenden „somatoformen Schmerzstörung“: Das sind Schmerzen in mehreren Körperregionen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität bewirken und zumindest ein halbes Jahr anhalten, für die aber keine körperliche Krankheitsursache gefunden wurde.

Das FMS ist eine Krankheit, die keine sichtbaren Spuren am Körper hinterlässt; dass Sie Fibromyalgie haben, sieht man Ihnen nicht an. Auch eine Betrachtung mit technischen Hilfsmitteln wie Röntgenapparat oder MRT (Magnetresonanztomografie) liefert keine eindeutigen Ergebnisse. Bislang sind keine Laborwerte bekannt, die eine klare Diagnose erlauben. Deshalb kann die Diagnose Fibromyalgie nur als Ausschlussdiagnose gestellt werden. Das heißt, alle anderen Erkrankungen, die vergleichbare Symptome hervorrufen, müssen sich als falsche Diagnose herausgestellt haben. Dieses Vorgehen erfordert viele Untersuchungen und Arztbesuche – wie Sie vielleicht selbst erlebt haben, ist das oftmals ein quälend langwieriges Verfahren. Zudem kann niemand seriös Auskunft darüber geben, wie sich die Beschwerden weiterentwickeln werden. Fibromyalgie ist eine sehr individuelle Erkrankung, mit einer Vielzahl und Vielfalt körperlicher und psychischer Symptome, doch dominant ist der Schmerz.

Auch wenn Fibromyalgie nicht geheilt werden kann, so gibt die Leitlinie Ärzten und Patienten doch eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten an die Hand. Grundsätzlich gilt: Die Entscheidung für eine Therapie sollten Arzt und Patient immer gemeinsam treffen.

Die aktuelle medizinische Leitlinie nennt eine Vielzahl von Therapieansätzen.

Im Mittelpunkt der Empfehlungen stehen die körperbezogenen Therapien wie Ausdauertraining (Walking, Schwimmen oder Fahrradfahren) sowie ein niedrig dosiertes Krafttraining oder Funktionstraining. Ebenfalls hilfreich können Angebote wie Tai Chi, Yoga oder Qi Gong sein.

Empfohlen werden Patientenschulungen, in denen wichtige Themen rund um die Erkrankung behandelt werden. Wer beispielsweise weiß, wie Schmerzen entstehen und wie man damit umgehen kann, hat den ersten großen Schritt hin zu mehr Lebensqualität getan. Patientenschulungen werden im Rahmen von Reha-Maßnahmen, aber auch in Selbsthilfeverbänden durchgeführt.

Über die Gesprächs- und Verhaltenstherapie hinaus können Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung eingesetzt werden.

Eine zeitlich begrenzte Behandlung mit Medikamenten kann ebenfalls sinnvoll sein. Eines wird jedoch offensichtlich: Die FMS-Therapie erfolgt überwiegend ohne Medikamente – weil die meisten bei Fibromyalgie nicht helfen. Ziel ist weniger die Heilung als eine Linderung der einzelnen Symptome.

Wesentliche Therapiesäulen sind, um es nochmal auf den Punkt zu bringen, Aufklärung, Verhaltenstherapie, sportliche Betätigung sowie das Erlernen von Entspannungstechniken. Es sollen vor allem individuelle Strategien entwickelt werden, die dabei helfen, mit der Erkrankung, insbesondere mit den Schmerzen, gut zu leben. Arzneien wie NSAR, Opioide und andere sollen zurückhaltend eingesetzt werden. Mehr zu diesen Therapieoptionen erfahren Sie in späteren Kapiteln.

Ärzte sprechen vom Fibromyalgie-Syndrom, Erkrankte selbst zumeist von Fibromyalgie.

Aus Sicht der Mediziner ist das Krankheitsbild eine Collage spezifischer Symptome, wobei nicht jeder Betroffene alle Symptome zeigt und deren Bedeutung für den individuell empfundenen Leidensdruck variieren kann. So repräsentiert jeder Patient eine eigenständige Komposition von FMS-Symptomen. Aufgabe des Arztes ist es, auf dieser Grundlage eine Diagnose zu stellen. Unter den Anforderungen einer Ausschlussdiagnose ist dazu der Blick auf die Vielfalt möglicher Symptome notwendig. Deshalb sprechen Ärzte vom Fibromyalgie-Syndrom – klassifiziert als M79.7 im ICD-10-Code (International Classification of Diseases) der Weltgesundheitsbehörde WHO.

Allen Fibromyalgie-Betroffenen gemeinsam ist die Belastung durch den Dauerschmerz.

Für die Betroffenen sind dagegen die persönlich erlebten Symptome ausschlaggebend, nicht die beim FMS möglichen. Insofern können Erkrankte genaue Aussagen über ihre Fibromyalgie machen – im Gespräch mit anderen Patienten sollten sie aber genau diesen Umstand berücksichtigen: Fibromyalgie ist eine individuelle Erkrankung, die sich bei anderen Menschen ganz anders darstellen kann als bei einem selbst. Allen Betroffenen gemeinsam ist aber die Belastung durch den Dauerschmerz.

Fibromyalgie beginnt unauffällig. Schlafstörungen, Motivationsschwierigkeiten, Konzentrationsschwankungen und wiederkehrende Magen-Darm-Probleme werden oftmals als Stress-Symptome gedeutet. Die Interpretation scheint auf den ersten Blick auch schlüssig zu sein, denn Menschen mit Fibromyalgie gelten als besonders stresssensibel. Erste Schmerzschübe treten als vorübergehende Episoden auf, bis sie sich zu chronischem Dauerschmerz verdichten. Diese zunehmend quälende Entwicklung kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Die Mehrzahl der Fibromyalgie-Betroffenen empfindet dann den Schmerz als dominantes Symptom. Drängt sich der Schmerz nicht in den Vordergrund, sondern liegen eine Magen-Darm-Reizung, Schlafprobleme, Antriebslosigkeit oder Angst und depressive Stimmung im Fokus, wird die korrekte Diagnose „Fibromyalgie“ oftmals übersehen.

Fibromyalgie kann folgende Beschwerden umfassen:

• anhaltende Schmerzen in mehreren Körperregionen, vorrangig, aber nicht ausschließlich an den sogenannten „Tender Points“

• Schmerzorte und Schmerzintensität können sich von Tag zu Tag verändern

• Schlafprobleme und stark schwankende Schlafqualität

• Müdigkeit am Tag, Antriebslosigkeit, Motivationsprobleme und Konzentrationsschwierigkeiten; Erholungsphasen sind ungewöhnlich lang

• Wassereinlagerungen (Ödeme) in den Händen, Füßen oder dem Gesicht erzeugen ein Spannungsgefühl

• Morgensteifigkeit der Muskulatur und in den Gelenken

• Reizmagen, Reizdarm und Reizblase erzeugen ein ständiges Unwohlsein und schränken die Bewegungsfreiheit stark ein

• Trockenheit und Überempfindlichkeit der Schleimhäute erhöhen die Verletzungsgefahr und bewirken ein sehr lästiges Missempfinden

• allgemeines unbestimmtes Angstgefühl und Neigung zu depressiver Verstimmung

• Stress kann die Symptome verstärken

Schmerzen verstehen und besser mit ihnen umgehen

Schmerzen können Menschen in die Verzweiflung treiben. Bei Schmerzen, deren Ursache man nicht erkennen kann, ist diese Gefahr besonders groß. Man kann den Schmerzauslöser nicht meiden oder sich schmerzlindernd verhalten. Helfen kann dagegen ein rationaler Umgang mit dem Phänomen „Schmerz“. Wenn Sie Funktion, Entstehung und Verarbeitung bis hin zu den psychologischen Folgen verstehen, verändert sich zwar Ihr Schmerzempfinden nicht, es ermöglicht Ihnen aber eine souveräne Beurteilung, mit der die Angst vor dem „Schmerz ohne Ursache“ kleiner wird.

Helfen kann ein rationaler Umgang mit Schmerzen.

Die Schutzfunktion von Schmerz

Es gibt eine Vielzahl sinnvoller Schmerz-Alarmzeichen, beispielsweise rumort und krampft bei Vergiftungen der Darm oder gezerrte Muskeln mahnen zur Schonung. Auch Entzündungen an Zähnen oder intensiver Alkoholgenuss machen sich durch Schmerz bemerkbar.

Schmerzen sind stets eine unangenehme oder quälende Empfindung, doch für die Gesundheit sind sie – wie anhand der Beispiele deutlich wurde – unverzichtbar. Sie informieren über Verletzungen und aktivieren einen abrupten Wegziehreflex oder motivieren nachhaltiges Schonverhalten. Schmerzort und Schmerzintensität bestimmen, wie das Gehirn die Schmerzursache wahrnimmt. Eine geeignete Reaktion verringert den Schmerz und schützt den Körper vor weiterem Schaden.

Akuter Schmerz ist unangenehm, aber biologisch notwendig. Menschen, denen aufgrund eines genetischen Defekts oder einer Stoffwechselerkrankung solche alltäglichen Schmerzerlebnisse fehlen, erfahren keine Warnsignale, wenn der Körper von außen verwundet oder aufgrund einer akuten inneren Reizung alarmiert wird, wenn eine Entzündung das Gewebe reizt oder ein Bewegungsschmerz die Überlastung der Muskulatur anzeigt. Gänzlich schmerzunempfindliche Menschen mit dem sehr seltenen CIPA-Syndrom und manche vermindert schmerzsensible Zuckerkranke mit diabetischem Fuß erleiden deshalb erhebliche Verletzungen, die sie nicht bemerken. Die Folge sind massive Körperschäden, die oft Amputationen notwendig machen.

Körperliche Reaktionen auf Schmerz

Die schnellste Reaktion auf Schmerz ist der Wegziehreflex (sogenannter Spinalreflex oder nozizeptiver Reflex). Er verläuft in drei Schritten:

1. Spezielle Schmerzrezeptoren im Gewebe werden durch einen Reiz, beispielsweise eine mechanische Verletzung wie das Einklemmen eines Fingers oder eine Verbrennung aktiviert.

2. Diese leiten den Reiz über Nervenknoten direkt über die für Bewegung zuständigen Nervenfasern (Motoneuronen) des Beugemuskels an den entsprechenden Körperteil weiter.

3. Dort lösen sie ein Zusammenziehen des Muskels aus, also z. B. das Wegziehen der Hand.

Die schnellste Reaktion auf Schmerz ist der Wegziehreflex.

Das Gehirn ist an dieser unwillkürlichen Reaktion auf einen Schmerzreiz gar nicht beteiligt. Deshalb kann der Reflex auch nicht unterdrückt werden, wenn der Schmerz überraschend auftritt.