Der Fisch stinkt vom Kopf - Hein Hansen - E-Book

Der Fisch stinkt vom Kopf E-Book

Hein Hansen

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Beschreibung

Laut einer aktuellen Gallup-Erhebung hat jeder vierte Mitarbeiter in Deutschland bereits innerlich gekündigt. Dass diese Situation für die Mitarbeiter, für die Unternehmen und für die Volkswirtschaft als Ganze un¬trag¬bar ist, dürfte einleuchten. Doch wo liegen die Wurzeln des Problems? Für Motivationsexperte Hein Hansen steht fest: "Der Fisch stinkt vom Kopf"! Unmotivierte Mitarbeiter gehen häufig aufs Konto ungeschickter - oder unmotivierter - Vorgesetzter. Hein Hansen untersucht, was in vielen Unternehmen schlecht läuft, und gibt Führungskräften einen Leitfaden an die Hand, wie sie die innere Kündigung in ihren Unternehmen wieder rückgängig machen können. Betroffene Mitarbeiter erhalten konkrete Tipps, wie sie trotz mangelhafter Führungskultur ihre eigene Motivation hochhalten und ihren Chef zur motivierten und motivierenden Führungskraft erziehen können.

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Hein Hansen

Der Fisch stinkt vom Kopf

Neue Motivationstatt innererKündigung –Der Ratgeber fürMitarbeiter undFührungskräfte

Copyright 2014:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Gestaltung und Herstellung: Johanna Wack, Börsenmedien AG

Buchsatz: Jürgen Hetz, denksportler Grafikmanufaktur

Lektorat: Egbert Neumüller

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

ISBN 978-3-86470-134-4

eISBN 978-3-86470-150-4

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

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FürLiv Freya Ehlers*2006

Deine leuchtenden Augen sind steter Antrieb,das Beste aus unserem Leben zu machen.Für mich. Für uns.

Inhalt

Vorwort

1.Kennen Sie den Hamburger Fischmarkt?

2.Was ist denn diese Motivation?

3.Die Motivationsstruktur in deutschen Unternehmen

4.Wir sind alle die Größten

5.Die Mitarbeiter-Typologie

6.Über die Wirksamkeit von Managementstrategien

7.Die fünf Motivationstypen

8.Die Tricks von Fischverkäufern

9.Die nächsten Stress-Verursacher: Über- und Unterforderung

10.Ziele

11.Die kognitive Dissonanz

12.Wir drehen alle durch: Der Weg in die somatische Gesellschaft

13.Lösung KDR?

14.Stress-Stabilität

15.Die Tschakka-Methode und der marketingorientierte Charakter

16.Der Pike Place Fish Market

17.Die Bergquist-Methode

18.Rituale: John Yokoyamas Morgenroutine

19.LoyaliTät dir gut

20.Verantwortung abgeben können

21.Fisch und Firmenkultur

22.Es gibt noch viel mehr zu tun

23.Exkurs: Spielend verkaufen

24.Ich hab Sie was gefragt – Wege zur Ideenfindung

25.Die beste Marketingstrategie der Welt

Hinweis

Dank

Vorwort oder „Was soll der Quatsch mit diesem Fischverkäufer?“

Hein Hansen ist das Alter Ego des langjährigen Motivationstrainers, Social-Media-Experten und gern gebuchten Referenten Michael Ehlers. Ich kenne ihn gut. Und ich kann Ihnen sagen: Wirklich ein toller Typ, dieser Ehlers. Das bin nämlich ich.

Hein Hansen ist tatsächlich eine Kunstfigur, die ich über die Jahre in meinen Vorträgen für zahlreiche große Unternehmen entwickelt und verfeinert habe. Die Figur des Hein Hansen ist inspiriert von der großartigen Motivationsphilosophie, die Jim Bergquist 1986 zusammen mit dem Chef und den Angestellten des Pike-Place-Fischmarkts in Seattle erarbeitet hat. Und sie ist inspiriert von Hamburg, meiner Perle. Dies hier ist Hein Hansens erstes Buch.

Die Figur des Fischverkäufers in der Rolle des Motivationstrainers ist aber nicht willkürlich gewählt. Es ist in der Tat sehr beeindruckend, wie viel wir als Motivationstrainer oder als am Thema Interessierter vom Besuch auf einem Fischmarkt lernen können. Alle Prinzipien, die ich Ihnen in diesem Buch zu den Themen Mitarbeitermotivation und Eigenmotivation beschreibe, sind dort zu finden. Sie müssen mir das jetzt nicht glauben. Nachdem Sie das Buch gelesen haben, sind Sie sicher überzeugt. Davon bin jedenfalls ich überzeugt.

Hein Hansen ist auf dem Fischmarkt groß geworden. Und da herrscht ein anderer Ton als in den Teppichetagen eines Unternehmens. Da wird Klartext gesprochen. Und mit diesem Klartext sollten Sie besser zurechtkommen. Denn er wird auch in diesem Buch gesprochen. Inhaltlich und formal. Die klare Sprache von Hein Hansen bringt manche Sachen einfach direkter auf den Punkt, als Sie es vielleicht von anderen Büchern zum Thema Motivation gewohnt sind. Aber die brauchen Sie ja nun eh nicht mehr. Jetzt haben Sie ja dieses hier.

Genau betrachtet ist Hein Hansen aber mehr als „nur“ ein Fischverkäufer. Sie dürfen also erwarten, dass die Dinge, die in diesem Buch stehen, auch mit motivationspsychologischen Theorien unterfüttert sind. Ich weiß ja, dass das manchen Lesern wichtiger ist als die Tatsache, dass ein Prinzip funktioniert.

Es ist mir wichtig, Ihnen an dieser Stelle zu sagen, dass es in diesem Buch zwar um Motivation geht, aber dass ich Motivation ein bisschen anders verstehe als viele meiner Trainerkollegen vor mir. Um nämlich andere motivieren zu können – und das ist tatsächlich bitter nötig –, müssen Sie zunächst selbst motiviert sein. Motivation, wie ich sie verstehe und Ihnen in diesem Buch nahebringen möchte, dient immer auch dem Glück des Betreffenden. Gelungene Führung durch Motivation liegt immer dann vor, wenn sie dem Glück und dem Wohlbefinden des zu Motivierenden und gleichzeitig der Durchsetzung einer sinnvollen Maßnahme dient. Sogenannte extrinsische Motivationsstrategien, wie sie noch vor wenigen Jahren an der Tagesordnung waren, plakativ „Tschakka-Methoden“ genannt, setzen ein negatives Bild der Mitarbeiter voraus. Und sie führen deshalb mittelfristig zu Demotivation. Ich lehne sie ab.

Wenn Sie bereit sind, sich auf dieses Spiel einzulassen, wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen, beim Nachdenken über sich selbst und beim erfolgreichen Umsetzen der Prinzipien dieses Buches in Ihrem Arbeits- und Privatleben. Eine Sache noch: Wenn ich in diesem Buch von Kunden, Chefs und Mitarbeitern schreibe, sind natürlich immer Männer und Frauen gemeint.

Jetzt wünsche ich Ihnen ganz viel Spaß mit Hein Hansen. Ich habe mich inzwischen ein bisschen in den Kerl und seine klare Art verliebt. Und zum Schluss darf ich Ihnen noch ein Geheimnis verraten: Manchmal ist Hein Hansen sogar mehr Michael Ehlers als Michael Ehlers selbst. Denn aus so einer clownesken Figur heraus darf man sehr, sehr ehrlich sein.

Ich freue mich sehr auf Ihr Feedback zum Buch. Hein würde schreiben: „Wenn Ihnen datt Buch hier gefällt, sagen Sie es unbedingt meinem Ego und all Ihren Freunden. Ansonsten kannst Du den Sabbel halten …“

Michael Ehlers, November 2013.

1

Kennen Sie den Hamburger Fischmarkt?

„Nu glotz mal nich so blöde, sondern komm lieber ran und lies mal das Buch hier. Du siehst aus, als hättest du es nötig. Und deine Mitarbeiter auch!“ Finden Sie nicht so gelungen als Einstieg für ein Verkaufsgespräch? Das ist seltsam, denn es gibt Orte, wo diese Art der Ansprache funktioniert. Sogar sehr gut funktioniert. Einen dieser Orte stelle ich Ihnen zum Einstieg kurz vor: den Hamburger Fischmarkt. Erstens weil ich mich da als Fischverkäufer sehr gut auskenne. Und zweitens weil wir, Sie und ich, dort so einiges über Motivation lernen können. Und weil Sie genau das wollen, haben Sie ja auch dieses Buch gekauft.

Auf dem Hamburger Fischmarkt stehen teilweise kettenrauchende Typen, die aussehen, als hätten sie ihre besten Tage hinter sich, vor Waren, die ihre beste Zeit noch vor sich haben – wenn sie nämlich bei Ihnen in der Küche landen und zu einem ausgezeichneten Mahl zubereitet werden. Bereits am späteren Morgen wird es für den einen oder anderen Fisch jedoch höchste Zeit, dass er endlich verkauft wird. Moment, sagen Sie jetzt: Die Waren da sind doch top-frisch. Das ist doch das Besondere am Fischmarkt. Deshalb geht man ja auch schon im Morgengrauen da hin. Frischen Fisch kaufen, von nach Salzluft riechenden Seeleuten gerade angelandet und so … Das stimmt zum Glück in den allermeisten Fällen. Aber genau hinsehen sollten Sie dennoch: Von Montag bis Samstag haben natürlich auch in Hamburg die Delikatessenläden geöffnet. Und natürlich geht die frisch angelandete Ware zuerst dorthin. Warum glauben trotzdem so viele Menschen, dass auf dem Fischmarkt die Ware frischer wäre? Wir sehen den Fischstand, wir sehen die Elbe. Wir denken: Wasser, Fisch, Verkaufsstand, frisch. Das ist, nicht immer, aber leider oft … falsch! Ein genauer Blick auf beziehungsweise in die Elbe würde uns unmissverständlich klarmachen, dass wir das, was da aus der Brühe frisch rauskommt, gar nicht essen wollen. Wirklich nicht. Die alten rumänischen Rostdampfer kommen da an und laden alles ab, was an Bord gerade irgendwie überflüssig ist. So ein bisschen Fäkalien, ein bisschen Diesel wird mal abgelassen, ab und zu mal eine Leiche der osteuropäischen Mafia, mit Betonschuhen und so. Das landet da, das wollen Sie doch nicht essen, bei aller Liebe nicht!

Die frischen Sachen – und die kommen nicht aus der Elbe – gehen also in die von Montag bis Freitag geöffneten Delikatessenläden. Dort herrscht ein ganz anderer Anspruch an die Ware als auf dem Fischmarkt. Frisch, schön, makellos muss das sein, was in die Auslage kommt. Denn sonst ist der anspruchsvolle Kunde zu Recht irritiert. Und alles, was am Montag nicht mehr schön und makellos wäre, kommt aus genau diesem Grund oft am Sonntag auf den Fischmarkt. Und dort ist es natürlich ein bisschen günstiger. Der Preis der Ware könnte also ein Erfolgsgrund sein. Warum gehen dann aber so viele Menschen, die finanziell nicht darauf angewiesen sind, dorthin und kaufen bei bester Laune in aller Herrgottsfrühe am heiligen Sonntag von Aale-Dieter und seinen Kollegen Fisch, den sie woanders zumindest in gleicher Qualität und zu einem ähnlichen Preis bekommen würden? Weil sie von Aale-Dieter und seinen Kollegen mehr bekommen als nur den Fisch. Sie bekommen Entertainment. Sie gehen dorthin, weil da was los ist, weil da gelacht wird. Weil die Stimmung so gut ist und sie ein bisschen was von dieser Stimmung abhaben wollen.

Entertainment von Aale-Dieter geht – mit rauer Marlborostimme gebrüllt – ungefähr so: „Ich hab hier den feinsten Aal und der ist ganz frisch. Und ich habe Graved Lachs, der ist auch super, und passt mal auf, guckt euch mal alleine diesen Lachs an hier, ich schneide den mal für euch auf!“ Und er schneidet den Lachs auf, er klappt ihn auseinander und prahlt und preist: „Das ist Lachs, Freunde hier, das ist nicht so billiges Zeug, was du beim Lidl oder beim Aldi kaufst. Das sind Fische, die waren glücklich in ihrem Fjord. Normalerweise ist das Zeug unbezahlbar! Aber ihr seid meine Freunde, deswegen ist mir das heute scheißegal, ehrlich. Holt eure Kohle raus und passt auf, ich haue euch hier jetzt ’ne Tüte voll. Da kommen zwei Aale rein. Ich hau euch eins vor den Latz. Scheiß drauf, ’nen zweiten rein und dann noch extra eine Packung Graved Lachs obendrauf, das ganze Zeug muss raus. Für jeden 20 Euro und los, raus gehen die Tüten.“ Sein Kollege Hans stopft hinten die Tüten voll und die Marktbesucher halten jetzt ihre Scheine hoch. Dass hier nicht gewechselt wird, muss eine ältere Dame erfahren. Unbedarft hält sie einen 50-Euro-Schein in die Höhe. Aale-Dieter sieht den Fünfziger, hechtet nahezu aus seinem Verkaufsstand und schnappt ihn sich. „Guck mal, Hans, 50 Euro, super, da können wir morgen wieder zu Aldi. Pass auf, Omma, für 50 Euro …“ „Nee, ich wollt’ nur für 20 …“ „Halt den Sabbel. Für 50 Euro kriegst du noch ’nen Lachs und noch ’nen Lachs und noch ’nen Lachs und noch drei Aale und jetzt hau ab hier, Silberlocke“, wird der Dame beschieden. Die anderen Touristen stehen wie hypnotisiert daneben. Müsste man jetzt nicht einschreiten, müsste man nicht Zivilcourage zeigen? Muss man nicht, denn was macht die Dame? Sie bedankt sich, dreht sich um und geht mit ihrem Beutel mit viel zu viel Fisch und einer unbezahlbaren Erinnerung an Aale-Dieter ihrer Wege. Zu Hause kann sie was erzählen. Aber sie wird nicht erzählen, dass sie eigentlich 30 Euro zu viel bezahlt hat. Sie wird erzählen, wie toll doch der Besuch auf dem Fischmarkt war; und was da für verrückte Typen rumlaufen.

Das ist Fischmarkt, das ist Hamburgs beste Show. So funktioniert das da. Stellen Sie sich die Situation an der Frischtheke bei REWE oder Edeka vor. Sie wollen für 20 Euro einkaufen, bekommen von einem dahergelaufenen Typen ungefragt Ware für 50 Euro, die Sie gar nicht haben wollen, in Ihren Beutel eingepackt und werden obendrein noch derb beschimpft. Ein Gespräch in nicht wirklich entspannter Atmosphäre mit dem Filialleiter wäre Ihre mindeste Reaktion. Warum, wollen Sie wissen, geht das dann auf dem Hamburger Fischmarkt mit den gleichen Menschen, die im klassischen Lebensmittelhandel schon bei geringeren Anlässen mit dem Anwalt gedroht hätten? Was ist hier so anders?

Es funktioniert in dieser besonderen Atmosphäre und es funktioniert wegen der Show. Und dass Aale-Dieter und seine Kollegen so eine Show abziehen können, ist umso erstaunlicher, je genauer man hinsieht. Denn wenn die ersten Besucher um fünf in der Früh langsam auf den Markt kommen, haben die Kollegen schon einen halben Arbeitstag hinter sich. Da waren die schon auf dem Großmarkt, haben ihren Hänger schon in einen Marktstand verwandelt, Eis aufgeschüttet und den kalten Fisch drapiert. Habe ich schon erwähnt, dass Fischmarkt nicht nur im Sommer ist? Das geht jede Woche so. Auch im November und im Februar. Auch bei Regen, auch wenn die Kälte die Hände aufreißt und man spätestens um 5:30 Uhr in die olle Thermounterwäsche gekrochen ist. Fische verkaufen ist nicht nur ein harter Job, sondern es ist manchmal und zumindest auf den ersten Blick ein richtiger Scheißjob! Was uns ehrlich gesagt wohl alle von Zeit zu Zeit zu Fischverkäufern macht. Und um unter diesen Umständen erfolgreich sein zu können, brauchen diese Jungs etwas, was vielen anderen Menschen fehlt: Spaß an der Arbeit und Motivation. Sie haben so viel davon, dass sie allen Besuchern reichlich davon abgeben können. Und Motivation ist häufig das, was einem selbst und auch den Mitarbeitern fehlt.

Spaß an der Arbeit und Motivation. Das hätte doch was: Motiviert an einen Scheißjob zu gehen. Oder noch besser: So motiviert zu sein, dass wir den Job gar nicht als Scheißjob empfinden. Und das, was in der Idee drinsteckt, ist eine ganz alte Sehnsucht des Menschen. Das gibt’s nicht erst seit Internet, ständiger Erreichbarkeit und Wirtschaftskrise: „Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, es war Pflicht. Ich handelte, und siehe, die Pflicht war Freude.“ Das stammt vom bengalischen Dichter Rabindranath Thakur. 1913 bekam er den Literatur-Nobelpreis. Ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass ich nicht nur Fischverkäufer bin.

Zusammenfassung

Auf dem Fischmarkt herrschen ein rauer Ton und raue Arbeitsbedingungen. Und trotzdem herrschen ebenso hohe Zufriedenheit bei Kunden und Verkäufern. Die große Besonderheit des Fischmarkts sind Spaß an der Arbeit und eine hohe Motivation. Das sorgt für eine besondere Atmosphäre, die die Kunden mögen. Wenn sich Fischverkäufer in diesem Umfeld motivieren können, sollten wir das auch können. Wir werden lernen, wie das geht.

2

Was ist denn diese Motivation?

Motivation ist inzwischen ein beliebtes Schlagwort geworden, mit dem sich – praktischerweise auch ohne genaue Kenntnis der Bedeutung des Begriffs und besonders in der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter – viel erklären lässt. Besonders natürlich schlechtes Arbeitsklima und Misserfolge. Dem Mitarbeiter fehlt es dann an Motivation. Die Führungskraft hingegen versteht es einfach nicht, die Mitarbeiter entsprechend zu motivieren. Von denen sollen einige gar übermotiviert sein. Wenn was schiefgeht und man nicht genau weiß, woran das liegt, muss jedenfalls gerne die Motivation herhalten.

Der Wortstamm „movere“ bedeutet „bewegen“, „antreiben“. Professor Dr. Werner Correll beschreibt Motivation in seinem Standardwerk „Motivation und Überzeugung“ als „Zustand des Angetriebenseins und der Zuwendung, in welchem sich einzelne Motive manifestieren, die zu einer bestimmten Aktion führen.“1 So! Das reicht eigentlich schon. Aber es geht noch weiter: Er unterscheidet zwischen Aktionen zum Selbstzweck und Aktionen, die einem anderen Zweck dienen. Das führt zu der für uns sehr wichtigen Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Dieser Wortgebrauch ist aus dem Amerikanischen übernommen. Und die Amis kennen sich damit aus.

Wenn Sie auf einem bestimmten Feld der Beste sein wollen, einfach um der Beste zu sein, sprechen wir von intrinsischer Motivation. Der Begriff bezeichnet das Bestreben, etwas um seiner selbst willen zu tun, sprich, weil es einfach Spaß macht, Interessen befriedigt oder eine Herausforderung darstellt. Wollen Sie der Beste sein, weil Sie dafür bestens bezahlt werden, sprechen wir von extrinsischer Motivation. Aber zur extrinsischen Motivation zählt nicht nur, dass man bestimmte Leistungen erbringt, weil man sich davon einen Vorteil verspricht, sondern auch, dass man Nachteile – im Extremfall auch Bestrafung – vermeiden möchte. Gemecker vom Chef beispielsweise. Raten Sie mal, in welchem Motivationszustand ein Mensch am intensivsten engagiert ist – also in der Verfassung ist, die sich Führungskräfte von ihren Mitarbeitern und Kollegen wünschen? Kleiner Tipp von Hein: Die intrinsische Motivation wird auch als „primär“ bezeichnet, die extrinsische als „sekundär“. Na? Ich verrate Ihnen das: Bei der primären Motivation ist der Mensch am engagiertesten. Und vor allem: In diesem Zustand ist er auch am zufriedensten. Das liegt daran, dass bei der primären Motivation keine zusätzlichen Erfolgserlebnisse – beispielsweise Bezahlung – nötig sind. Die Befriedigung wird aus dem Tun selbst erfahren. Stellen Sie sich einen Angler vor. Frühmorgens macht er sich auf den Weg, hat vielleicht sogar Streit mit der Frau riskiert, weil er „schon wieder“ lieber einen Haken an einem Faden ins Wasser hängt, als mal gemütlich mit ihr und den Kindern zu frühstücken. Er hat viel Geld in seine Ausrüstung investiert, er fährt weit, er läuft noch ein Stück und schleppt dabei 30 Kilo Ausrüstung. Irgendwann sitzt er am Fluss oder am See und lässt sich von Mücken zerstechen. Später fährt er, mit oder ohne Fisch, zufrieden nach Hause. Dem könnten Sie kiloweise frischen Fisch von Aale-Dieter anbieten. Und sogar noch gebraten servieren. Der würde trotzdem nicht zu Hause bleiben: weil es ihm nicht auf den Fisch, sondern auf die Tätigkeit des Fischens ankommt. Weil die ihn glücklich macht. Jemand, der das tun darf, wozu er motiviert ist, ist nicht nur glücklich, sondern er ist auch maximal einsatzbereit. So weit ist also alles gut. Schade ist nur, dass für die meisten Menschen ihre Berufstätigkeit sekundär motiviert, also Mittel zum Zweck ist: sprich, um Geld oder Anerkennung zu verdienen. Schließlich müssen Wohnung, Auto, Urlaub, Fischmarktbesuch und so weiter bezahlt werden. In ganz schlimmen Fällen empfindet der Betroffene die Entlohnung nur noch als Schmerzensgeld. Und dieses Schmerzensgeld beziehen – wie wir gleich sehen werden – ziemlich viele Menschen in deutschen Unternehmen.

Bevor wir uns aber anschauen, wie es genau um die Motivation in deutschen Unternehmen bestellt ist, merken wir uns kurz: Sekundäre Motivation ist dennoch nicht gleichbedeutend mit Bezahlung. Es gibt verschiedene Dinge, die Mitarbeiter motivieren. Für uns ist das nicht ganz unwichtig. Wir werden uns nämlich später die verschiedenen Typen und das, was sie motiviert, genauer ansehen.

Zusammenfassung

Motivation beschreibt die Dinge, die uns antreiben. Wir unterscheiden zwischen

•intrinsischer Motivation

und

•extrinsischer Motivation.

Intrinsisch – von innen heraus – motiviert ist der Mensch am leistungsbereitesten. Wir müssen wissen, dass die Dinge, die ihn antreiben, individuell verschieden sind.

1) Werner Correll: Motivation und Überzeugung in Führung und Verkauf, Heidelberg 2006.

3

Die Motivationsstruktur in deutschen Unternehmen

Die Gallup-Studie oder warum dieses Buch nötig ist

Dass es vielen Menschen an Spaß an der Arbeit und an entsprechender Motivation fehlt, ist natürlich nicht Ihr Problem. Aber nur, solange diese Menschen nicht für Sie oder mit Ihnen arbeiten. Es ist jedoch höchst wahrscheinlich, dass sie es tun, und es ist ebenfalls höchst wahrscheinlich, dass Sie als Führungskraft oder als Kollege genau wissen, wer in Ihrem Unternehmen oder in Ihrer Abteilung am Montag um kurz nach 12:00 Uhr bereits wieder auf das nächste Wochenende wartet. Um je nach persönlicher Disposition Hechte, dem anderen Geschlecht hinterher oder neue Laufstreckenrekorde zu jagen. Wenn das der Fall ist, haben Sie jedenfalls ein richtiges Problem. Aktuell sprechen Modellrechnungen des US-Beratungsunternehmens Gallup von 124 Milliarden Euro Schaden, der deutschen Unternehmen durch demotivierte Mitarbeiter entsteht.1 Sie können sich fragen, wie viel davon Ihr Geld ist – jedenfalls müssten Sie dafür eine Menge Fisch verkaufen. Sie können sich aber auch fragen, warum der Anteil der demotivierten Mitarbeiter, die ja – und das dürfen Führungskräfte nie vergessen – eigentlich alle grundsätzlich leistungsbereit sind, so hoch ist.

Nahezu jeder vierte Mitarbeiter hat innerlich bereits gekündigt. Genauer gesagt: Der Anteil der hochmotivierten Angestellten ist im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2012 bei 15 Prozent nahezu unverändert geblieben. Um acht Punkte auf 61 Prozent geschrumpft ist die Gruppe derjenigen Menschen, die Dienst nach Vorschrift machen, weil sie nur eine geringe emotionale Bindung an das Unternehmen haben. Etwa im gleichen Umfang, plus neun Punkte auf 24 Prozent, ist seit 2001 die Gruppe derjenigen gewachsen, die innerlich bereits gekündigt haben. Das wären immerhin 8,4 Millionen Menschen.2 „Ja arbeiten denn hier nur Idioten?“ ist der beliebte Ausruf all derjenigen, die noch versuchen, etwas zu bewegen. Da Sie dieses Buch lesen, gehe ich davon aus, dass Sie zu dieser Gruppe gehören. Ich will es mal in hanseatischer Klarheit und Offenheit sagen: Der größte Döspaddel hier sind Sie! Dann nämlich, wenn Sie diese Situation einfach hinnehmen. Der wichtigste Grund für das fehlende Engagement der Mitarbeiter sind ihre Chefs! Das ist ganz einfach schlechtes Management. Und tatsächlich gibt es als Führungskraft ja auch jenseits totaler Inkompetenz einiges falsch zu machen. Schauen wir mal:

Vater-Chef/Chef-Vater

Die Führungskraft, die wir uns anschauen, ist vielleicht nicht nur verantwortlich für den größten europäischen Hersteller von Plastikkarten-Rohlingen oder leitet die Vertriebsabteilung des zweitgrößten Abfüllers von natürlichem Mineralwasser, sondern ist auch Vater. Vater eines süßen kleinen Würmchens. Ein richtiger Fratz, der da heranwächst. Der sich eines schönen Sonntags zum ersten Mal auf seinen Wackelbeinchen am Sofa oder an der Wand hochstemmt. Süüüß! Und jetzt passiert es: Der Kleine macht einen ersten zaghaften Schritt. Ganz ohne sich festzuhalten! Und noch einen und … nee, jetzt ist er hingefallen. Vati ist trotzdem ganz aus dem Häuschen. „Schnell Schatzi, die Videokamera“, ruft er. „Er geht, quatsch, er läuft. Beinahe wie Usain Bolt.“ Vati ist stolz. Aber das geht doch bestimmt noch besser. „Komm, Schnuckel. Einfach wieder versuchen. Wir schaffen das.“ Und Vati hält die Hände seines Kleinen, lässt los. Redet beruhigend. Hebt den Burschen zum fünften, zum sechsten, zum zehnten Mal auf. Und platzt fast vor Glück und Stolz. So ein schöner Nachmittag! Sie kennen das vermutlich. Wir behalten die Szenerie bei und wechseln nur einen Teil des Personals aus. Wir tauschen Vati gegen die typische deutsche Führungskraft. Sie wissen, was passiert? Der Kleine macht einen ersten zaghaften Schritt. Ganz ohne sich an Papi festzuhalten! Er macht einen eigenen Schritt. Und noch einen und … nee, jetzt ist er hingefallen. Die Führungskraft ist ganz aus dem Häuschen: „Mein Gott. Stellst du dich wieder blöd an. Sechs Milliarden Menschen auf diesem Planeten sind in der Lage, unfallfrei einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nur der feine Herr stellt sich mal wieder zu doof an.“ Und so weiter und so fort. Natürlich ist diese Darstellung überspitzt. Aber wenn Sie genau überlegen, merken Sie: nur ein bisschen. Wir motivieren das Kind, Neues zu lernen. Wir halten es an, sich auszuprobieren. Aber irgendwann hört das auf. Spätestens im Arbeitsverhältnis ist das alles vergessen. Dann ist der Junge ja auch langsam alt genug, um die Realitäten zu erkennen. Und das heißt, zu erkennen, welche Wertschätzung und vor allem welches Vertrauen ihm als Mitarbeiter entgegengebracht wird. Und er merkt höchstwahrscheinlich, so viel ist das alles nicht. Und das ist schlimm. Denn es gilt: Je geringer die dem Mitarbeiter entgegengebrachte Wertschätzung ist, umso geringer ist seine emotionale Bindung an das Unternehmen.

Nicht nur die erwähnte Gallup-Studie erkennt diesen direkten Zusammenhang zwischen der emotionalen Bindung des Mitarbeiters und seiner Motivation, seinem Produktivitätswillen. Professor Felix von Cube, geschätzter Autor mehrerer Standardwerke der Manager-Literatur, hat das, was die Gallup-Studie empirisch nachweist, sogar von einem verhaltensbiologischen Ansatz aus untersucht und kommt zu den Kernaussagen: Der Mensch ist grundsätzlich leistungsbereit. Und: Ein guter Vorgesetzter vermittelt seinen Mitarbeitern Lust an Leistung. Er erzeugt Identifikation – also emotionale Bindung – und führt zum gemeinsamen Handeln. Zwischen emotionaler Bindung und Motivation besteht eine echte Analogie, ein kausaler Zusammenhang. Tue dies und du erreichst das.

Übrigens: Wenn Sie Führungskraft sind und nicht wissen, was genau Sie tun müssen, ist das kein Grund, freiwillig den Posten abzugeben. Denn wie die allermeisten Führungskräfte in Deutschland sind Sie vermutlich – und hoffentlich zu Recht – aufgrund Ihrer guten fachlichen Leistung nach oben gekommen und haben für Führungsanforderungen einfach oft keine oder nicht die richtige Ausbildung genossen. Denn die „geborene Führungspersönlichkeit“ gibt es wirklich nur ganz selten. Jemanden, der Menschen von Natur aus gewinnen kann. Genau das ist es, was Sie tun müssen. Es ist so, wie der sehr erfolgreiche Industriemanager Hans Christoph von Rohr, der unter anderem zehn Jahre bei einem Hamburger Schifffahrtsunternehmen tätig war und sich deshalb eventuell auch auf dem Fischmarkt sehr gut auskennt, gesagt hat: „Sie können sich Kapital beschaffen, Sie können damit Fabriken bauen. Aber Ihre Mitarbeiter müssen Sie gewinnen.“ So gewinnen, wie Aale-Dieter seine Kunden für sich gewinnt.

Zusammenfassung

Die Gallup-Studie stellt zwar den deutschen Angestellten ein schlechtes Zeugnis bezüglich ihrer Motivation aus. Der wichtigste Grund für das fehlende Engagement der Mitarbeiter sind jedoch die Führungskräfte. Ein guter Vorgesetzter vermittelt seinen Mitarbeitern Lust an Leistung. Er erzeugt Identifikation – also emotionale Bindung –, und das führt zum gemeinsamen Handeln.

1,2) Gallup Engagement Index, www.gallup.de.

4

Wir sind alle die Größten

Sie sind Führungskraft? Jetzt mal ehrlich. Eigentlich waren Sie doch bisher der Meinung, dass zumindest bei Ihnen in der Abteilung, in Ihrem Team, alles in Ordnung ist. Wenn ich Sie gefragt hätte, auf dem letzten Kongress oder sonstwo: „Sag mal, wie ist es denn so um die Motivation in deiner Abteilung bestellt?“ Dann hätten Sie mir als Führungskraft geantwortet: „Och du, eigentlich super. Und wenn ich einen erwische, der nicht dauerhaft motiviert ist, der nicht mitzieht, den schmeiß’ ich raus. Hochkant. Ich meine, einen schlechten Tag kann sicher jeder mal haben. Aber grundsätzlich würde ich sagen, dass in meiner Welt alles in Ordnung ist.“ Ich bin sicher, Sie hätten vielleicht eine andere Wortwahl bevorzugt. Aber Sie hätten auf jeden Fall mit einer positiven Grundstimmung geantwortet.

Nun ist aber nicht alles in Ordnung. Und angesichts der eklatanten Ergebnisse der Gallup-Studie dürfte Ihnen kaum entgangen sein, dass auch bei Ihnen in der Abteilung nicht alles nach Rosen duften kann. Jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum Sie nicht wahrheitsgemäß etwas in der Art von „Na ja, so richtig toll ist es nicht und ich hab sogar ein paar richtig faule Äpfel dabei“ geantwortet haben. Die erste Möglichkeit wäre, dass Sie zumindest wissen, was Sache ist, und einfach eiskalt gelogen haben. Das wäre die beste Variante. Die zweite Möglichkeit wäre, dass Sie tatsächlich keine Ahnung haben, wie es Ihren Mitarbeitern so geht. Das wäre richtig schlecht. Die dritte Möglichkeit ist, dass Sie schon irgendwie eine dunkle Ahnung hatten, dass es nicht so richtig toll ist, Sie diese dunkle Ahnung aber lieber verdrängt haben. Das wäre noch o.k. Zumindest verständlich. Warum, das erkläre ich Ihnen jetzt.

Verdrängung

Werfen wir mal einen Blick darauf, warum die mangelnde Motivation und die Gründe, die dahinterstecken, von Ihnen entweder nicht wahrgenommen oder verdrängt werden. Und da ist auch schon unser Schlüsselwort: Verdrängen. Verdrängen ist an sich – wenn es nicht um tief gehende Traumata geht – eine sehr hilfreiche Sache. Ein psychologischer Schutzmechanismus. Der hilft übrigens auch den demotivierten Mitarbeitern, ihren Job zu machen, soweit es eben geht. Und er hilft auch, manche speziellen Arbeitssituationen zu bewältigen. Nämlich diejenigen, die derart frustrierend sind, dass eigentlich nur die Kündigung bleibt. Trotzdem: Würde man einem Angestellten eine ähnliche Frage stellen, nämlich wie es mit seiner eigenen Motivation aussieht, dann bekäme man höchstwahrscheinlich, wenn man die Frage nicht um 0:30 Uhr am Tresen stellen würde, eine ähnlich positive Antwort: „Klar, ich bin eigentlich immer motiviert.“ Nur stimmt das eben nicht. Und auch diese Antwort ist in Verdrängung begründet.

Verdrängung ist nicht immer schlecht. Tatsächlich hilft sie uns, uns auf etwas zu konzentrieren, was eigentlich im Moment nicht höchste Priorität für uns hätte. Ich erkläre das mal an einem Beispiel. Auf dem Fischmarkt, aber auch an allen anderen Ständen, an denen etwas verkauft wird, ist das wunderbar zu sehen. So! Der Stand sieht gut aus, das Eis ist aufgeschüttet, der Fisch schön präsentiert, die Ware ist komplett ausgezeichnet und dann kommt der erste Kunde. Und spätestens ab diesem Moment spielen die Sorgen, die die Verkäufer wie alle anderen Menschen auch im Alltag betreffen, überhaupt keine Rolle mehr. Nicht das schlechte Zeugnis der Tochter, nicht die Frage, ob ich die Kosten für die Inspektion des Autos zahlen kann, wo die Karre doch schon auf der Fahrt zur Werkstatt so komische Geräusche gemacht hat. Und auch nicht, was nun aus Vatter wird, mit seiner schlimmen Hüfte. Nein. In diesem Moment existiert nur der Kunde. Das Verkaufsgespräch ist alles, was noch eine Rolle spielt. Das ist ein Mitnahme-Geschäft hier. Anhauen, umhauen und abkassieren. So sieht das aus. Rambazamba muss da jetzt am Stand sein. Ansprechen. Komm mal ran hier. Zur Ware bringen … die hohe Kunst des Verkaufens. Die steht jetzt im Mittelpunkt. Verkaufen ist jetzt die priorisierte Aufgabe im Kopf. Und zum Glück haben wir diesen Verdrängungsmechanismus im Kopf. Der sorgt nämlich dafür, dass ich das kann: mich ganz auf die Aufgabe konzentrieren. Der sorgt dafür, dass alle anderen Themen, die mich sonst gerade so interessieren oder belasten, in den Hintergrund rücken. Das schlechte Zeugnis oder dieser seltsame Schmerz in der Brust, wegen dem ich eigentlich schon vor vier Wochen zum Arzt wollte. Denn wenn ich über diesen Schmerz nachdenken würde, könnte ich mich nicht auf den Kunden konzentrieren. Und das wäre nicht gut. Das Kundengespräch – der Job, das Einkommen – ist in diesem Fall die absolute Grundlage von allem. Denn dieser Job sorgt dafür, dass ich mich zumindest materiell um meine Tochter kümmern und die Werkstattrechnung für das Auto bezahlen kann. Tatsächlich schaffe ich mir dadurch auch ein positives Selbstbild: Ich bin ein guter Fischverkäufer. Ich will und werde heute erfolgreich Fisch verkaufen, ich werde viele Kunden glücklich machen.

Allerdings hat die Sache einen Haken. Verdrängung funktioniert nur bis zu einem gewissen Maße. Und dieses „gewisse Maß“ ist von Individuum zu Individuum verschieden. Wenn Verdrängung perfekt funktionieren würde, gäbe es keine Traumata und keine posttraumatischen Störungen. Die sind aber für viele Menschen – Missbrauchsopfer, heimgekehrte Soldaten, Unfall-Überlebende – bittere Realität. Verdrängung funktioniert bei manchen Sorgen leichter als bei anderen. Ein plötzlicher Trauerfall in der Familie ist natürlich schwerer zu verdrängen als eine drohende Stilllegung des eigenen Autos durch den TÜV. Und wenn so etwas passiert, ein Trauerfall, dann nimmt, wer kann, einen Tag frei oder Urlaub. Und das ist völlig o.k. und akzeptiert.