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Hexen, Aberglaube und Intrigen - ein erfindungsreicher Mönch auf der Spur eines düsteren Geheimnisses ...
Kloster Schussenried, 1616: Kaspar Mohr ist wenig erfreut, als sein Abt ihm aufträgt, eine entflohene Hexe aufzuspüren. Hexerei - das ist für den aufgeklärten Prior nur ein Hirngespinst. Zudem wünscht er sich nichts sehnlicher, als weiter ungestört an seinen Maschinen und Apparaturen herumwerkeln zu können. Doch dann steht die vermeintliche Hexe auf einmal in seiner Werkstatt und bittet ihn um Hilfe.
Kurze Zeit später verschwindet eine Magd, ein Mönch erhängt sich, und die Inquisition ist Kaspar auf den Fersen. Denn der Prior spielt ein gefährliches Spiel: Er versteckt nicht nur die "Hexe" bei sich im Kloster, sondern hat wie sein Lehrmeister Leonardo da Vinci einen Traum, den Traum vom Fliegen ...
Ein spannender historischer Roman um den schwäbischen Leonardo da Vinci.
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Seitenzahl: 657
Simon X. Rost
Der fliegende Mönch
Historischer Roman
Lübbe Digital
Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG erschienenen Werkes
Lübbe Digital in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Originalausgabe
Copyright © 2010 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Lektorat: Stefanie Heinen
Textredaktion: Monika Hofko
Datenkonvertierung E-Book:
hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-8387-0667-2
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Für Sandra
I. Teil
Die Feder
Dritter bis fünfter Juni 1616
Und da der Drache sah, dass er verworfen war auf die Erde, verfolgte er das Weib, die das Knäblein geboren hatte. Und es wurden dem Weibe gegeben die zwei Flügel des großen Adlers, dass sie in die Wüste flöge an ihren Ort, wo sie ernährt würde eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit fern von dem Angesicht der Schlange.
Offenbarung 12, 13–14
Dritter Juni
»Bleib stehen, Hexe!«
Die Äste schlugen ihr ins Gesicht. Sie spürte, wie das Blut von ihrer Stirn über ihre spitzen Wangenknochen zu ihrem Kinn rann. Schlehdorn, schoss es ihr durch den Kopf, obwohl es der unpassendste Moment schien, so etwas zu denken. Sie rannte, und ihre Verfolger waren dichtauf. Sie hörte sie schreien, konnte den Widerschein der Fackeln durch das Gestrüpp erkennen. Im April sollst du die Zweige des Schlehdorns schneiden und ein paar Tage liegen lassen, dachte sie, sodann die Rinde abklopfen, mit Wasser ansetzen und wiederum drei Tage stehen lassen. Denk nicht an das Rezept, ermahnte sie sich, du musst weg!
Das Herz schlug ihr im Hals. Sie war aus dem Turm entkommen, und sie war bis hierher gerannt, aber ihre Verfolger kamen immer näher. Jemand hatte sie erkannt, als sie an den letzten Häusern vor dem freien Feld vorbeischlich. Die Schreie waren jetzt dichter dran. Im fahlen Mondlicht blitzten die Sensen und die Dreschflegel auf, die ihre Verfolger über dem Kopf schwangen.
Sodann muss das rotbraune Wasser abgegossen, aufgekocht und mit der Rinde versetzt werden, dachte sie und blickte in das Dunkel vor sich. Da war der Wald. Sie roch das Moos und den modrigen Geruch alter Buchenblätter. Die Bluthunde bellten. Sie würden bald da sein, wenn sie nichts unternahm. Der Vorgang muss einige Male wiederholt werden, bis die Rinde völlig ausgelaugt ist, dachte sie. Vorsichtig machte sie einen Schritt in das Dunkel. Ein trockener Ast zerbrach unter ihren nackten Füßen.
»Da! Da ist sie!«
Der Mann war allein, er brach durch das Gebüsch und stand ihr mit einer Handsichel bewaffnet gegenüber. Verschwitzte graue Strähnen hingen ihm über die stumpfen Augen. Ein alter Mann, er wohnte im Dorf, sie kannte ihn vom Markt. Er hatte bei ihr Gemüse gekauft und war freundlich gewesen. Jetzt war sein schrundiges Gesicht von Hass verzerrt, und er atmete keuchend. Seine Kleidung war wenig mehr als schmutzig braune Lumpen, die ihm in Fetzen von den dürren Gliedern hingen.
»Hier ist sie!«
Die anderen Verfolger merkten auf, kamen auf ihn zu. Kamen auf sie zu.
»Bleib stehen!«, zischte er. Er hob die Sichel. Speichel hatte sich in seinen Mundwinkeln gesammelt. Er behielt sie genau im Auge, als wartete er nur darauf, dass sie einen Fluchtversuch machen würde.
»Knie nieder, Hexe, Gott wird dich richten!«
Sie tat, was er sagte, und kniete sich langsam auf den staubtrockenen Boden.
Zum Schluss wird die Brühe mit Wein eingekocht und in einem Säckchen aus Pergament an der Sonne getrocknet, dachte sie und blickte ihrem Scharfrichter direkt in die Augen. Seltsam, dachte sie, im Moment des Todes an ein Rezept für Tinte zu denken. Der Mann hatte die Handsichel hoch über den Kopf erhoben und holte aus. Neben dem Hass sah sie die Angst. Und die Wollust.
Sie selber hatte kaum mehr etwas auf dem Leib, um ihre Blöße zu verdecken. Den schlichten Überwurf aus grobem Leinen hatte man ihr schon bei der Verhaftung zerfetzt. Der Mann starrte heftig atmend auf ihre Brüste. Mehr als diesen Augenblick brauchte sie nicht. Sie griff rasch eine Handvoll trockener Erde vom Boden und schleuderte sie ihm ins Gesicht. Er heulte auf, schlug blindlings mit der Sichel nach ihr. Sie sprang auf, spürte den Schmerz, als die Sichel in ihren Rücken schnitt, aber die Klinge blieb nicht stecken. Sie rannte in das Dunkel und hörte sein zorniges Gebrüll hinter sich.
Äste schlugen ihr wieder ins Gesicht, als sie rannte. Schlehdorn, dachte sie erneut. Man kann Tinte daraus machen. Tinte zum Schreiben. Mönche konnten schreiben. Und sie konnte es auch. Die Dornen ritzten ihre Arme und ihre Beine. Steine schnitten ihr in die nackten Fußsohlen. Die Verfolger aus dem Dorf holten wieder auf. Sie musste ein Versteck finden, dachte sie. Eines, wo die Leute aus dem Dorf sie nicht suchen würden. Tinte, dachte sie. Mit Milch kann man auf Pergament schreiben, und man sieht die Buchstaben nicht.
Erst Hitze bringt die Buchstaben wieder zum Vorschein. Sie musste sein wie die Tinte aus Milch, dachte sie. Sie musste auf dem Pergament verschwinden.
Aber wo war das Pergament?
Vierter Juni
»Bleib stehen! Herrgott, du sollst stehen bleiben, Mathias!«
Martin Dietrich schnappte mühsam nach Luft. Was zur Hölle ging hier vor? Er sah dem bizarren Schauspiel bereits eine ganze Weile lang zu, ohne dass die beiden Männer ihn bemerkt hätten. Dietrich, ein hagerer Mann in den frühen Fünfzigern, seines Zeichens Abt im Kloster Schussenried, stand in der Türe zu der Werkstatt und starrte fassungslos auf den Prior seines Klosters, Kaspar Mohr, und auf Mathias, den jungen, schlaksigen Novizen, der Kaspar zur Hand ging und der nun aussah wie eine Ausgeburt der Hölle.
Mathias stolperte auf Stelzen einher, an denen mit Schnüren und Schrauben spezielle Schuhe befestigt waren. Die rechte Stelze schien nicht fest genug mit seinem Schuh und dem Unterschenkel verbunden zu sein, und er knickte fortwährend ein, was seinen ohnehin wackeligen Gang auf den langen Holzstangen noch grotesker wirken ließ.
Die Hände steckten in grobschlächtigen Holzgestellen, die seine Arme verlängern sollten. Am Ende jedes Armgestells befanden sich Schaufelklappen, die wie die Schnäbel von tollwütigen Störchen wild aufeinanderschlugen, wenn Mathias sie über Schnüre im Inneren der fragilen Konstruktion betätigte, weil er sich irgendwo festhalten wollte. Unterhalb der Schaufelklappen führten Schläuche aus Tuch zu einer Art Rucksack auf dem Rücken des Novizen, und auf dem Kopf trug er einen umgedrehten Weidenkorb mit Sehschlitzen, durch die jedoch kaum etwas zu sehen war. Er sah aus wie eine furchteinflößende Mischung aus satanischem Käfer und wütendem Sarazenen.
»Zum Henker noch mal, Mathias, jetzt bleib endlich stehen!«
»Das würde ich ja gern, aber es geht nicht!«, gab Mathias mit einer Stimme zurück, die ebenso wacklig war wie die Stelzen, auf denen er stand.
»Dann beweg dich einfach nicht mehr, du Schafskopf!«
Der Abt schnappte erneut nach Luft. Sein Prior rannte hinter dem Novizen-Käfer her, fuchtelte mit einer Zange und mit einem Hammer in der Luft herum und versuchte, die taumelnde Gestalt einzufangen und die Schrauben an der rechten Stelze festzuziehen, damit das bedrohlich wackelnde Gebilde stabiler wurde. Der Boden der Werkstatt war übersät mit Baumaterial, Plänen, Rohren, Werkzeug und sonstigem Gelumpe, und an der Decke der Werkstatt waren Holzmodelle aller Art aufgehängt, mit Leinen bespannte Zylinder, kleine Windräder, etwas, das aussah wie Orgelpfeifen sowie eine Reihe von kleinen, künstlichen, mit Federn beklebten Flügeln, sodass Mathias mit den Amen ruderte, um in dem heillosen Durcheinander das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Hiiilfeee!«
»Wirst du wohl stehen bleiben! Mathias! Reiß dich mal zusammen!«
Kaspar bekam den Höllenkäfer zu fassen und packte mit eisernem Griff zu. Er setzte die Zange am Scharnier an, drehte kräftig an einer der schmiedeeisernen Schrauben und nickte dann mit einem leicht irren Grinsen.
»Das Luder sitzt! Probier’s noch mal.«
Mathias machte zögerlich ein paar Schritte, dann ging ein kleines, vorsichtiges Lächeln in seinem Gesicht auf.
»Es geht, es ist besser, wirklich, es …«
»KASPAR!«
Der laute Schrei des Abtes hallte von den groben Sandsteinwänden der Werkstatt zurück. Kaspar verschluckte sich, und Mathias verlor vor Schreck das Gleichgewicht und stürzte – glücklicherweise in einen Haufen alter Leinensäcke, die neben anderem Baumaterial in einer Ecke der Werkstatt lagen.
»Was im Namen des Herrn geht hier vor sich, Kaspar?«
Kaspar setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, hob die Arme in einer beschwichtigenden Geste, wie ein Schankwirt, der erst eine andere Kundschaft bedienen muss, und machte sich dann in dem Haufen Leinensäcke auf die Suche nach Mathias.
»Geht’s dir gut, Mathias? Ist noch alles dran?«
Mathias reckte den Kopf aus dem groben Leinen und spuckte kurz etwas aus, das aussah wie ein Stückchen Spreu aus den alten Säcken. Er strahlte den Prior glücklich an.
»War ich gut? Ich war besser als beim letzten Mal, oder?«
Kaspar grinste. Er strubbelte dem Novizen kurz durch das Haar. Der Junge hatte seine Sache gut gemacht.
»Kaspar!«
Wieder brüllte der Abt, und diesmal war ihm die Aufmerksamkeit des Priors und seines Gehilfen gewiss.
»Willst du mir nun endlich sagen, was hier vor sich geht?«
Kaspar wandte sich seinem Oberen zu. Der Abt überragte den Prior um Haupteslänge, doch Kaspars Kopf machte diesen Unterschied mehr als wett. Ein wilder, unbezähmbarer Kranz aus schwarzen Haaren mit grauen Strähnen darin umrahmte ein scharf geschnittenes Gesicht mit einer spitzen Nase und lebhaften stahlblauen Augen. Er steckte in einer schlichten Tunika aus ehemals weißem Leinen und trug ein ehemals weißes Skapulier und darüber ein Zingulum aus einem schmalen, ebenfalls einst weißen Band.
Eine speckige Lederschürze, die Kaspar stets bei seiner Arbeit in der Werkstatt trug, sollte die Kutte zwar vor den gröbsten Verschmutzungen schützen, aber dennoch war sie mit der Zeit grau und fleckig geworden. Der Prior grinste, seine feinen Hände wirbelten durch die Luft wie aufgeregte Spatzen, als er anhub, seinem Abt die Sachlage zu erklären.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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