Der Geisterseher - Friedrich Schiller - E-Book

Der Geisterseher E-Book

Friedrich Schiller

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Beschreibung

In 'Der Geisterseher', einem späten Werk Friedrich Schillers, entfaltet sich eine fesselnde Handlung, die sich zwischen Realität und Aberglauben bewegt. Schiller, der Meister des deutschen Sturm und Drang, integriert in diese Erzählung Elemente des Historienromans und des Psychodramas. Das Werk thematisiert die Suche nach der Wahrheit in einer von Illusionen durchzogenen Welt, während es den Leser mit einer dichten, poetischen Sprache und scharfsinnigen Dialogen in seinen Bann zieht. Der Protagonist, ein mysteriöser Visionär, steht im Zentrum einer Auseinandersetzung über die Grenzen menschlichen Wissens und Glaubens. Friedrich Schiller, ein zeitgenössischer Denker der Aufklärung und einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Literatur, verwendete in seinen Werken häufig philosophische Fragestellungen, um gesellschaftliche Normen zu hinterfragen. Sein Studium von Geschichte und Literatur sowie seine eigenes Engagement im Theater ließ ihn die Abgründe und Höhen des menschlichen Geistes tiefgreifend verstehen, was sich in 'Der Geisterseher' eindrucksvoll widerspiegelt. Dieses Werk eignet sich besonders für Leser, die sich für die psychologischen und philosophischen Dimensionen menschlichen Handelns interessieren. Die geschickte Verknüpfung von Spannung und tiefgründiger Analyse lädt dazu ein, die eigene Sichtweise über Realität und Aberglauben zu reflektieren. Ein Muss für jeden, der die Entwicklung der deutschen Literatur und Denkweise schätzt.

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Friedrich Schiller

Der Geisterseher

Ein Meisterwerk des Übersinnlichen und der menschlichen Psyche im Schatten der Aufklärung
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2024
EAN 8596547846918

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text

Fortsetzung.

(S. das vierte Heft der Thalia.)

Jetzt sahen wir alle auf einmal den vermeintlichen Russen an. Der Prinz erkannte in ihm ohne Mühe die Züge seines Armeniers wieder, und das Wort, das er eben hervorstottern wollte, erstarb aus seinem Munde. Schrecken und Ueberraschung hatten uns wie versteinert. Lautlos und unbeweglich starrten wir dieses geheimnißvolle Wesen an, das uns mit einem Blicke stiller Gewalt und Größe durchschaute. Eine Minute dauerte dieß Schweigen - und wieder eine. Kein Odem war in der ganzen Versammlung.

Einige kräftige Schläge an die Thüre brachten uns endlich wieder zu uns selbst. Die Thüre fiel zertrümmert in den Saal und herein drangen Gerichtsdiener mit Wache. „Hier finden wir sie ja beisammen! rief der Anführer und wandte sich zu seinen Begleitern. Im Nahmen der Regierung! rief er uns zu. Ich verhafte euch.“ Wir hatten nicht so viel Zeit uns zu besinnen; in wenigen Augenblicken waren wir umringt. Der russische Offizier, den ich jetzt wieder den Armenier nenne, zog den Anführer der Häscher auf die Seite und, so viel mir die Verwirrung zuließ, bemerkte ich, daß er ihm einige Worte heimlich in’s Ohr sagte, und etwas schriftliches vorzeigte. Sogleich verließ ihn der Häscher mit einer stummen und ehrerbietigen Verbeugen, wandte sich darauf zu uns und nahm seinen Hut ab. „Vergeben Sie meine Herrn, sagte er, daß ich Sie mit diesem Betrüger vermengen konnte. Ich will nicht fragen, wer Sie sind - aber dieser Herr versichert mir, daß ich Männer von Ehre vor mir habe.“ Zugleich winkte er seinen Begleitern, von uns abzulassen. Den Sicilianer befahl er wohl zu bewachen und zubinden. „Der Bursche da ist überreif, setzte er hinzu. Wir haben schon sieben Monate auf ihn gelauert.“

Dieser elende Mensch war wirklich ein Gegenstand des Jammers. Das doppelte Schrecken der zwoten Geistererscheinung und dieses unerwarteten Ueberfalls hatte seine Besinnungskraft überwältigt. Er ließ sich binden wie ein Kind; die Augen lagen weit aufgesperrt und stier in einem todtenähnlichen Gesichte, und seine Lippen bebten in stillen Zuckungen, ohne einen Laut auszustoßen. Jeden Augenblick erwarteten wir einen Ausbruch von Convulsionen. Der Prinz fühlte Mitleid mit seinem Zustand und unternahm es, seine Loslassung bei dem Gerichtsdiener auszuwirken, dem er sich zu erkennen gab. „Gnädigster Herr, sagte dieser, wissen Sie auch, wer der Mensch ist, für welchen Sie sich so großmütig verwenden? Der Betrug, den er Ihnen zu spielen gedachte, ist sein geringstes Verbrechen. Wir haben seine Helfershelfer. Sie sagen abscheuliche Dinge von ihm aus. Er mag sich noch glücklich preisen, wenn er mit der Galeere davon kommt.“

Unterdessen sahen wir auch den Wirth nebst seinen Hausgenossen mit Stricken gebunden über den Hof führen. - „Auch dieser? rief der Prinz. Was hat denn dieser verschuldet?“ – „Er war sein Mitschuldiger und Hehler, antwortete der Anführer der Häscher, der ihm zu seinen Taschenspielerstückchen und Diebereien behülflich gewesen und seinen Raub mit ihm geteilt hat. Gleich sollen Sie überzeugt sein, gnädigster Herr (indem er sich zu seinen Begleitern kehrte.) Man durchsuche das ganze Haus und bringe mir sogleich Nachricht, was man gefunden hat.“

Jetzt sahe sich der Prinz nach dem Armenier um - aber er war nicht mehr vorhanden. In der allgemeinen Verwirrung, welche die Ueberfall anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt zu entkommen. Der Prinz war untröstlich; gleich wollte er ihm alle seine Leute nachschicken, er selbst wollte ihn aufsuchen und mich mit sich fortreißen. Ich eilte an’s Fenster; das ganze Haus war von Neugierigen umringt, die das Gerücht dieser Begebenheit herbei geführt hatte. Unmöglich war’s durch das Gedränge zu kommen. Ich stellte dem Prinzen dieses vor. „Wenn es diesem Armenier ein Ernst ist, sich vor uns zu verbergen, so weiß er ohnfehlbar die Schliche besser als wir, und alle unsre Nachforschungen werden vergebens sein. Lieber lassen Sie uns noch hier bleiben, gnädigster Prinz. Vielleicht kann uns dieser Gerichtsdiener etwas näheres von ihm sagen, dem er sich, wenn ich anders recht gesehen, entdeckt hat.“

Jetzt erinnerten wir uns, daß wir noch ausgekleidet waren. Wir eilten nach unserm Zimmer, uns in der Geschwindigkeit in unsre Kleider zu werfen. Als wir zurückkamen, war die Haussuchung geschehen.

Nachdem man den Altar weggeräumt und die Dielen des Saals aufgebrochen, entdeckte man ein geräumiges Gewölbe, worinn ein Mensch gemächlich aufrecht sitzen konnte, mit einer Thüre versehen, die durch eine schmale Treppe nach dem Keller führte. In diesem Gewölbe fand man eine Elektrisiermaschine, eine Uhr und eine kleine silberne Glocke, welche letztere so wie die Elektrisiermaschine mit dem Altar und dem darauf bevestigten Crucifixe Communication hatte. Ein Fensterladen, der dem Kamine gegenüber stand, war durchbrochen und mit einem Schieber versehen, um, wie wir nachher erfuhren, eine magische Laterne in seine Oeffnung einzupassen, aus welcher die verlangte Gestalt auf die Wand über dem Kamine gefallen war. Vom Dachboden und aus dem Keller brachte man verschiedne Trommeln, woran große bleierne Kugeln an Schnuren bevestigt hingen, wahrscheinlich um das Geräusche des Donners hervorzubringen, das wir gehört hatten.

Als man die Kleider des Sicilianers durchsuchte, fand man in einem Etui verschiedene Pulver, wie auch lebendigen Merkur, in Phiolen und Büchsen, Phosphorus in einer gläsernen Flasche, einen Ring, den wir gleich für einen magnetischen erkannten, weil er an einem stählernen Knopfe hängen blieb, dem er von ohngefähr nahe gebracht worden, in den Rocktaschen ein Paternoster, einen Judenbart, Terzerolen und einen Dolch. „Laß doch sehen, ob sie geladen sind,“ sagte einer von den Häschern, indem er eines von den Trezerolen nahm und in’s Kamin abschoß. „Jesus Maria!“ rief eine hohle menschliche Stimme, eben die, welche wir vor der ersten Erscheinung gehört hatten - und in demselben Augenblick sahen wir einen blutenden Körper aus dem Schlot herunter stürzen. - „Noch nicht zur Ruhe, armer Geist?“ rief der Engländer, während daß wir andern mit Schrecken zurückfuhren. „Gehe heim zu deinem Grabe. Du hast geschienen, was du nicht warst; jetzt wirst du sein, was du schienest.“

„Jesus Maria! Ich bin verwundet,“ wiederholte der Mensch im Kamine. Die Kugel hatte ihm das rechte Bein zerschmettert. Sogleich besorgte man, daß die Wunde verbunden wurde.

„Aber wer bist du denn, und was für ein böser Dämon muß dich hieher führen?“

„Ein armer Barfüßer, antwortete der Verwundete, ein fremder Herr hier hat mir eine Zechine geboten, daß ich -“

„Eine Formel hersagen sollte. Und warum hast du dich denn nicht gleich wieder davon gemacht?“

„Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich fortfahren sollte; aber das Zeichen blieb aus, und wie ich hinaussteigen wollte, war die Leiter weggezogen.“

„Und wie heißt denn die Formel, die er dir eingelernt hat?“

Der Mensch bekam hier eine Ohnmacht, daß nichts weiter aus ihm herauszubringen war. Unterdessen hatte sich der Prinz zu dem Anführer der Häscher gewendet.

„Sie haben uns, sagte er ihm, indem er ihm zugleich einige Goldstücke in die Hand drückte, Sie haben uns aus den Händen eines Betrügers gerettet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wollen Sie nun unsre Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur ein paar Worte kostete, uns in Freiheit zu setzen?“

„Wen meinen Sie?“ fragte der Anführer der Häscher mit einer Miene, die deutlich zeigte, wie unnöthig diese Frage war.

„Den Herrn in russischer Uniform meine ich, der Sie vorhin beiseite zog, Ihnen etwas schriftliches vorwies und einige Worte in’s Ohr sagte, worauf Sie uns sogleich wieder losgaben.“

„Sie kennen diesen Herrn also nicht? fragte der Häscher wieder. Er war nicht von Ihrer Gesellschaft?“

„Nein, sagte der Prinz – und aus sehr wichtigen Ursachen wünschte ich, näher mit ihm bekannt zu werden.“

„Näher, antwortete der Häscher, kenn’ ich ihn auch nicht. Sein Name selbst ist mir unbekannt, und heute hab ich ihn zum erstenmal in meinem Leben gesehen.“

„Wie? und in so kurzer Zeit, durch ein paar Worte konnte er so viel über Sie vermögen, daß Sie Ihn selbst und uns alle für unschuldig erklärten?“

„Allerdings durch ein einziges Wort.“

„Und dieses war? – Ich gestehe, daß ich es wissen möchte.“

„Dieser Unbekannte, gnädigster Herr – indem er die Zechinen in seiner Hand wog – Sie sind zu großmüthig gegen mich gewesen, um Ihnen länger ein Geheimniß daraus zu machen – dieser Unbekannte war – ein Offizier der Staatsinquisition.“

„Der Staatsinquisition! – Dieser! –“

„Nicht anders, gnädigster Herr – und davon überzeugte mich das Papier, welches er mir vorzeigte.“

„Dieser Mensch, sagten Sie? Es ist nicht möglich.“

„Ich will Ihnen noch mehr sagen, gnädigster Herr. Eben dieser war es, auf dessen Denunciation ich hieher geschickt worden bin, den Geisterbeschwörer zu verhaften.“

Wir sahen uns mit noch größerm Erstaunen an.

„Da hätten wir es ja heraus, rief endlich der Engländer, warum der arme Teufel von Beschwörer so erschrocken zusammenfuhr, als er ihm näher in’s Gesicht sah. Er erkannte ihn für einen Spion und nur darum –“

„Nimmermehr, rief der Prinz. Dieser Mensch ist alles, was er sein will, und alles, was der Augenblick will, daß er sein soll. Was er wirklich ist, hat keines Menschen Sohn erfahren. Sahen Sie den Sicilianer zusammensinken, als er ihm die Worte ins Ohr schrie: Du wirst keinen Geist mehr rufen! Dahinter ist mehr. Daß man vor etwas menschlichen so zu erschrecken pflegt, soll mir niemand überreden.“

„Darüber wird uns der Magier selbst wohl am besten zurechtweisen können, sagte der Lord, wenn uns dieser Herr (sich zu dem Anführer der Gerichtsdiener wendend) Gelegenheit verschaffen will, seinen Gefangenen zu sprechen.“

Der Anführer der Häscher versprach es uns, und wir redeten mit dem Engländer ab, daß wir ihn gleich den andern Morgen aufsuchen wollten. Jetzt begaben wir uns nach Venedig zurück. [1]