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DER GRAF VON BRAGELONNE Ludwig XIV. ist weit über das Alter hinaus, in dem er regieren sollte, aber der kränkelnde Kardinal Mazarin weigert sich, die Zügel der Macht abzugeben. In der Zwischenzeit reist Karl II., ein König ohne Land, durch Europa und bittet seine Mitmonarchen um Hilfe. “Der Graf von Bragelonne” umfasst den Zeitraum von 1660 bis 1673. Die Reihe beginnt mit der Ankunft der Prinzessin Henrietta im Jahr 1660, schildert das Drama der eifersüchtigen, lüsternen und skandalträchtigen Mitglieder des französischen Hofes und das Liebesdreieck zwischen Louis, Louise und Raoul, dem Sohn von Athos. D’Artagnan, noch immer Leutnant bei den Musketieren, sieht für sich kein Fortkommen mehr im Dienste des Königs und bittet daher um seinen Abschied. Sein Ziel ist es, in England Karl II. zum Thron zu verhelfen. Auch Athos macht sich auf den Weg nach England, weil er Karl I. kurz vor dessen Tod seine Ergebenheit gegenüber Karl II. geschworen hatte. Währenddessen arbeiten Aramis und Porthos am Sturz Ludwigs XIV. Sie wollen an seiner Statt seinen inhaftierten Zwillingsbruder, den “Mann in der eisernen Maske”, auf den Thron setzen… Dieses ist der siebte von zehn Bänden. Der Umfang des siebten Bandes entspricht ca. 330 Buchseiten. Die Reihe IM ZEICHEN DER MUSKETIERE Die zehnbändige Reihe DER GRAF VON BRAGELONNE ist die dritte eigenständige Sequenz der übergeordneten und insgesamt 18 Teile umfassenden Reihe IM ZEICHEN DER MUSKETIERE, die insgesamt aus drei solchen eigenständigen Sequenzen besteht: DIE DREI MUSKETIERE (4 Teile), ZWANZIG JAHRE NACHHER (4 Teile) und DER GRAF VON BRAGELONNE (10 Teile). Die Geschichte um die drei Musketiere wurde häufig verfilmt. Bekannt ist auch die Verfilmung eines Handlungsstrangs aus dem GRAF VON BRAGELONNE unter dem Titel »Der Mann mit der eisernen Maske«. Die Geschichte rankt um einen möglichen Zwillingsbruder des Königs Ludwig XIV., der in der Bastille gefangen gehalten wurde und eine eiserne Maske tragen musste, um seine wahre Identität zu verbergen. Insgesamt umfasst die komplette Reihe etwa 5.500 Seiten voller Abenteuer, Liebe und Heldenmut. Diese Reihe präsentiert die ungekürzte Übersetzung aus dem Französischen von August Zoller in einer sprachlich überarbeiteten und modernisierten Neuausgabe.
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ALEXANDRE DUMAS
DER GRAF VON BRAGELONNE
HISTORISCHER ROMAN
IN ZEHN BÄNDEN
BAND VII
Ungekürzte, sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe
auf Grundlage der Übertragung aus dem Französischen von August Zoller
DER GRAF VON BRAGELONNE wurde zuerst veröffentlicht in der Zeitung Le Siècle, Paris 1847.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2020
Sprachlich überarbeitete und modernisierte Neuausgabe der ungekürzten Übertragung
aus dem Französischen von August Zoller.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Buch ist Teil der ApeBook Classics (Nr. 76): Klassische Meisterwerke der Literatur als Paperback und eBook.
Weitere Informationen am Ende des Buches und unter:
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ISBN 978-3-96130-312-0
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Alle verwendeten Bilder und Illustrationen sind – sofern nicht anders ausgewiesen – nach bestem Wissen und Gewissen frei von Rechten Dritter, bearbeitet von SKRIPTART.
Alle Rechte vorbehalten.
© apebook 2020
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DIE DREI MUSKETIERE
Band I
Band II
Band III
Band IV
ZWANZIG JAHRE NACHHER
Band I
Band II
Band III
Band IV
DER GRAF VON BRAGELONNE
Band I
Band II
Band III
Band IV
Band V
Band VI
Band VII
Band VIII
Band IX
Band X
KARTE
von
FRANKREICH IM 17. JAHRHUNDERT
Inhaltsverzeichnis
DER GRAF VON BRAGELONNE. Band VII
Frontispiz
Impressum
Karte
Siebter Band
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
XVI.
XVII.
XVIII.
XIX.
XX.
XXI.
XXII.
XXIII.
XXIV.
XXV.
XXVI.
XXVII.
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Zu guter Letzt
Das Abendbrot des Königs.
Der König hatte sich mittlerweile zu Tische gesetzt und das nicht sehr zahlreiche Gefolge der Eingeladenen des Tags hatte an seinerSeite, nach der gewöhnlichen Gebärde, welche sitzen hieß, Platzgenommen.
Schon zu dieser Zeit, obgleich die Etiquette noch nicht geordnet war, wie sie es später wurde, hatte der französische Hof mit den alten Überlieferungen von Gemütlichkeit und patriarchalischer Leutseligkeit gebrochen, wie man sie noch unter Heinrich III. fand, und der argwöhnische Geist von Ludwig XIII. hatte sie allmälig ausgetilgt, um sie durch prunkhafte, großartige Gebräuche zu ersetzen, die er nicht erreichen zu können in Verzweiflung war.
Der König speiste also an einer kleinen, abgesonderten Tafel, welche, wie das Bureau eines Präsidenten, die benachbarten Tafeln beherrschte; eine kleine Tafel haben wir gesagt, wir müssen indessen sogleich bemerken, daß diese kleine Tafel die größte von allen war.
Es war überdies diejenige, auf welcher man eine reichliche Zahl von verschiedenartigen Gerichten, Fische, Wildbret, zahmes Fleisch, Früchte, Gemüse und Conserven aufhäufte.
Jung und kräftig, ein großer Jäger, allen gewaltigen Leibesübungen zugetan, hatte der König überdies jene allen Bourbonen gemeinschaftliche natürliche Wärme des Blutes, welches rasch die Verdauung bewerkstelligt, und den Appetit erneuert.
Ludwig XIV. war ein furchtbarer Tischgenosse; er liebte es, seine Köche zu kritisieren, doch wenn er ihnen Ehre widerfahren ließ, so war diese Ehre riesig.
Der König fing damit an, daß er mehrere Suppen entweder zusammen, in einer Art von Macedoin oder abgesondert aß. Er vermischte oder trennte vielmehr jede von diesen Suppen durch ein Glas alten Wein.
Er aß rasch und ziemlich gierig.
Porthos, der Anfangs aus Respekt auf einen Ellenbogenstoß von d'Artagnan gewartet hatte, wandte sich, als er den König so zugreifen sah, gegen den Musketier um und sagte mit halber Stimme:
»Mir scheint, man kann anfangen. Seine Majestät ermutigt. Seht doch.«
»Der König speist,« erwiderte d'Artagnan, »doch er spricht zu gleicher Zeit; richtet es so ein, daß er Euch, sollte er Euch zufällig anreden, nicht mit vollem Munde trifft, das wäre mißfällig.«
»Dann ist das Beste, nicht zu speisen,« sagte Porthos. »Ich habe jedoch Hunger, das muß ich gestehen, und es riecht hier Alles so köstlich, daß man immer mehr Appetit bekommt.«
»Laßt es Euch nicht einfallen, nicht zu essen, Ihr würdet den König ärgern. Seine Majestät pflegt zu sagen, derjenige arbeite gut, welcher gut speise, und er steht es nicht gern, wenn man an seiner Tafel fastet.«
»Wie soll man es aber vermelden, den Mund voll zu haben, wenn man ißt?«
»Ihr habt nur einfach die Aufgabe, zu verschlingen, wenn Euch der König die Ehre erweist, das Wort an Euch zu richten.«
»Sehr gut.«
Und von diesem Augenblick speiste Porthos mit einem artigen Enthusiasmus.
Der König schlug von Zeit zu Zeit die Augen zu der Gruppe auf, und schätzte als Kenner die Anlagen seines Gastes.
»Herr du Vallon!« sagte er.
Porthos war bei einem Salmis von Hasen und verschluckte ein halbes Rückenstück davon.
So ausgesprochen machte ihn sein Namen beben, und mit einem kräftigen Zug des Schlundes verschlang er Alles, was er im Munde hatte.
»Sire,« erwiderte Porthos mit erstickter, aber doch hinreichend verständlicher Stimme.
»Man gebe Herr du Vallon diese Hammelsfilets,« sagte der König; »liebt Ihr das junge Fleisch, Herr du Vallon?«
»Sire, ich liebe Alles,« antwortete Porthos.
d'Artagnan blies ihm aber ein: »Alles, was mir Euer Majestät schickt.«
Porthos wiederholte: »Alles, was mir Euer Majestät schickt.«
Der König machte mit dem Kopf ein Zeichen der Befriedigung.
»Man ißt gut, wenn man gut arbeitet,« sagte der König ganz entzückt, sich gegenüber von einem Esser von der Stärke von Porthos zu sehen.
Porthos empfing die Platten mit Lammfleisch und ließ einen Teil davon auf seinen Teller gleiten.
»Nun?« fragte der König.
»Vortrefflich!« erwiderte Porthos ruhig.
»Hat man eben so zarte Lämmer in Eurer Provinz, Herr du Vallon?« fuhr der König fort.
»Sire,« erwiderte Porthos, »ich glaube, daß in meiner Provinz, wie überall, das, was es Bestes gibt, dem König zukommt, sodann aber esse ich das Lammfleisch nicht, wie es Euer Majestät ißt.«
»Ah! ah! wie eßt Ihr es denn?«
»Gewöhnlich lasse ich mir ein ganzes Lamm zurichten.«
»Ein ganzes?«
»Ja, Sire.«
»Auf welche Art?«
»Mein Koch, der Bursche, ist ein Deutscher, Sire, mein Koch füllt das Lamm mit Würstchen, die er von Straßburg, mit Kalbfleischklöschen, die er von Troyes, mit Lerchen, die er von Pithiviers kommen läßt; ich weiß nicht, durch welche Mittel er das Lamm ausbeint, wie er es mit einem Stück Geflügel machen würde, wobei er ihm die Haut läßt, was eine braune Kruste um das Tier macht; wenn man es sodann in schöne Schnitten zerschneidet, wie man es bei einer ungeheuren Wurst thäte, läuft ein ganz rosenfarbiger Saft heraus, der zugleich angenehm für das Auge und köstlich für den Gaumen ist.«
Hierbei ließ Porthos die Zunge schnalzen.
Der König riß die Augen vor Entzücken weit auf, und sagte, während er zugleich gedämpfte Fasanen in Angriff nahm:
»Herr du Vallon, das ist eine Speise, nach der es mich gelüsten würde. Wie, das ganze Lamm?«
»Das ganze, ja, Sire.«
»Gebt doch diese Fasanen Herrn du Vallon, ich sehe, daß er ein Liebhaber ist.«
Der Befehl wurde vollzogen.
Dann kam Ludwig XIV. wieder auf das Lamm zurück und fragte:
»Und das ist nicht zu fett?«
»Nein, Sire, das Fett fällt zu gleicher Zeit mit dem Saft und schwimmt oben auf; mein Vorschneider schöpft es sodann mit einem silbernen Löffel ab, den ich eigens dazu habe machen lassen.«
»Und Ihr wohnt?« fragte der König.
»In Pierrefonds.«
»In Pierrefonds; wo ist das, Herr du Vallon, in der Gegend von Belle-Isle?«
»Oh! nein, Sire, Pierrefonds liegt im Soissonnais.«
»Ich glaubte, Ihr sprächet mir von diesen Hammeln wegen der salzigen Wiesen.«
»Nein, Sire, meine Wiesen sind nicht salzig, aber darum nicht weniger wert.«
Der König ging zu den Zwischengerüchten über, jedoch ohne Porthos aus dem Blick zu verlieren, der nach Kräften zu arbeiten fortfuhr.
»Ihr habt einen schönen Appetit, Herr du Vallon,« sagte der König, »und Ihr seid ein guter Tischgenosse.«
»Ah! meiner Treu, Sire, wenn Euer Majestät je nach Pierrefonds käme, wir würden wohl unsern Hammel zu zwei verspeisen, denn es fehlt Euch auch nicht an Appetit.«
d'Artagnan gab Porthos unter dem Tisch einen guten Stoß mit dem Fuß.
Porthos errötete, und fuhr dann, um sich zu verbessern, fort:
»Im glücklichen Alter Eurer Majestät war ich bei den Musketieren, und Keiner konnte mich sättigen. Euer Majestät hat einen schönen Appetit, wie ich zu sehen die Ehre hatte, aber sie wählt mit zu viel Delicatesse, um ein großer Esser genannt zu werden.«
Der König schien entzückt von der Artigkeit seines Gegners.
»Werdet Ihr von diesen Cremes kosten?« sagte er zu Porthos.
»Sire, Euer Majestät behandelt mich zu gut, als daß ich ihr nicht die volle Wahrheit sagen sollte.«
»Sprecht, Herr du Vallon, sprecht.«
»Nun wohl! was das Zuckerwerk betrifft, so kenne ich nur das Gebackene, und dieses muß noch sehr compact sein; all dieser Schaum schwillt mir den Magen auf, und nimmt einen Platz ein, der mir zu kostbar dünkt, um ihn so schlecht auszufüllen.«
»Ah! meine Herren!« sprach der König, auf Porthos deutend, »das ist ein wahres Muster der Gastronomie. So speisten unsere Väter, welche so gut zu speisen wußten, während wir picken.«
Und indem er diese Worte sprach, nahm er einen Teller mit Geflügelbrustfleisch, vermischt mit Schinken.
Porthos griff seinerseits eine Schüssel mit jungen Feldhühnern und Rallen an.
Der Mundschenk füllte freudig das Glas Seiner Majestät.
»Gebt Herrn du Vallon von meinem Wein,« sagte der König.
Dies war eine der größten Ehren der königlichen Tafel.
D'Artagnan preßte seinem Freunde das Knie und flüsterte ihm zu:
»Könnt Ihr nur die Hälfte von dem Wildschweinskopf verschlingen, den ich dort sehe, so seid Ihr meines Erachtens in einem Jahr Herzog und Pair.«
»Ich werde mich sogleich daran machen,« erwiderte Porthos phlegmatisch.
Die Reihe kam wirklich bald an den Wildschweinskopf, denn der König fand ein Vergnügen daran, diesen schönen Gast anzustacheln; er ließ Porthos kein Gericht ankommen, ohne zuvor davon gekostet zuhaben, er kostete also von dem Schweinskopf. Porthos zeigte sich als ein wackerer Kämpe: statt die Hälfte davon zu essen, wie d'Artagnan gesagt hatte, aß er drei Viertel.
Der König sagte mit halber Stimme:
»Ein Kavalier, der alle Tage so gut und mit so kräftigem Appetit ißt, muß notwendig der ehrlichste Mann meines Reiches sein.«
»Höret Ihr?« sagte d'Artagnan seinem Freund ins Ohr.
»Ja, ich glaube, ich stehe ein wenig in Gunst.« erwiderte Porthos, sich auf seinem Stuhle wiegend.
»Und Ihr habt guten Wind.«
»Ja! ja! ja!«
Der König und Porthos fuhren fort, so zu essen, zur großen Zufriedenheit der Gäste, von denen einige, aus Nacheiferung ihnen zu folgen versuchten, aber sie mußten unter Weges verzichten.
Der König errötete, und die Reaction des Blutes in seinem Gesäß verkündigte den Anfang der Fülle.
Statt heiter zu werden, wie alle Trinker, verdüsterte sich Ludwig XlV. nun und wurde schweigsam.
Porthos wurde im Gegenteil munter und gesprächig.
Der Fuß von d'Artagnan mußte ihn wiederholt an diesen besondern Umstand erinnern.
Das Dessert erschien.
Der König dachte nicht mehr an Porthos, er richtete seinen Blick nach der Eingangstüre, und man hörte ihn von Zeit zu fragen, warum Herr von Saint-Aignan so lange ausbleibe.
Endlich in dem Augenblick, wo Seine Majestät einen Topf mit eingemachten Pflaumen unter einem großen Seufzer vollends leerte, erschien Herr von Saint-Aignan.
Die Augen des Königs, welche allmälig erloschen waren, glänzten sogleich.
Der Graf ging auf die Tafel des Königs zu, und als er sich ihm näherte, stand Ludwig XIV. aus.
Alle Gäste erhoben sich, selbst Porthos, der einem Mandelgebäcke, das in zwei Kinnbacken eines Krokodills aneinander zu kleben im Stande gewesen wäre, den Garaus machte. Das Abendmahl war beendigt.
Nach dem Abendbrot.
Der König nahm Saint-Aignan beim Arm und ging in das anstoßende Zimmer.
»Warum habt Ihr gezögert, Graf?« fragte der König.
»Ich holte die Antwort,« erwiderte der Graf.
»Sie brauchte also lange, um das, was ich ihr schrieb, zu beantworten.«
»Sire, Eure Majestät hatte die Gnade, Verse zu machen, Fräulein de la Vallière wollte den König mit derselben Münze, das heißt mit Gold bezahlen.
»Verse, Saint-Aignan! rief der König, »gib, gib.«
Ludwig erbrach das Siegel eines Briefchens, das Verse enthält welche, die Geschichte hat sie uns aufbewahrt, der Absicht nach besser sind, als hinsichtlich der Abfassung.
So wie sie waren, bezauberten sie indessen den König, und er gab Freude durch unzweideutige Entzückungen kund; doch das allgemeine Stillschweigen machte den König, der in Betreff des Wohlanstandes so kitzelig, darauf aufmerksam, seine Freude könnte Stoff zu Auslegungen geben.
Er wandte sich um, steckte das Billet ein, machte dann einen Schritt, der ihn auf die Türschwelle zu seinen Gästen zurückführte und sprach:
»Herr du Vallon, ich habe Euch mit lebhaftem Vergnügen gesehen und werde Euch mit neuem Vergnügen wiedersehen.«
Porthos verbeugte sich wie es der Koloß von Rhodus getan hätte, und ging rückwärts hinaus.
»Herr d'Artagnan,« fuhr der König fort, »Ihr werdet in der Galerie auf meine Befehle warten, ich bin Euch verbunden, daß Ihr mich mit Herrn du Vallon bekannt gemacht habt.
»Meine Herren, ich kehre morgen wegen der Abreise der Botschafter von Spanien und Holland nach Paris zurück.
»Morgen also.«
Der Saal leerte sich alsbald. Der König nahm Saint-Aignan beim Arm und ließ ihn die Verse von la Vallière lesen.
»Wie findest Du sie?« fragte er.
»Sire, reizend.«
»Sie entzücken mich in der Tat, und wenn sie bekannt würden...«
»Ah! die Dichter müßten eifersüchtig werden, doch sie werden sie nicht kennen lernen.«
«Habt Ihr ihr die meinigen gegeben?«
»Oh! sie hat sie verschlungen!«
»Ich befürchte, sie waren schwach.«
»Fräulein de la Vallière hat das nicht gesagt.«
»Ihr glaubt, sie habe sie nach ihrem Geschmacke gefunden?«
»Ich bin fest davon überzeugt.«
»Dann müßte ich antworten.«
»Ah! Sire… sogleich nach dem Abendbrot… Eure Majestät wird das angreifen!«
»Ich glaube, Ihr habt Recht; das Studium nach dem Mahl ist schädlich.«
»Die Arbeit des Dichtens besonders; und dann wird wohl in diesem Augenblick eine Beängstigung bei Fräulein de la Vallière stattfinden.«
»Welche Beängstigung?«
»Ah! Sire, wie bei allen diesen Damen.«
»Weshalb?«
»Wegen des Unfalls, der dem armen Guiche widerfahren.«
»Ah! mein Gott! es ist Guiche ein Unglück widerfahren?«
»Ja, Sire; es ist ihm eine ganze Hand weggerissen, er hat ein Loch in der Brust, er stirbt.«
»Guter Gott! und wer hat Euch das gesagt?«
»Manicamp hat ihn so eben zu einem Arzt in Fontainebleau zurückgebracht, und das Gerücht hat hier sich verbreitet …«
»Zurückgebracht! armer Guiche! Und wie ist ihm dies begegnet?«
»Ah! Sire, das ist es eben, wie ist ihm das begegnet?«
»Ihr sagt mir das mit einer ganz seltsamen Miene, Saint-Aignan, nennt mir die einzelnen Umstände. Was sagt er?«
»Er sagt nichts, Sire, doch die Andern.«
»Welche Andere?«
»Diejenigen, welche ihn gebracht haben, Sire.«
»Wer sind diese?«
»Ich weiß es nicht Sire, doch Herr von Manicamp weiß es, Herr von Manicamp ist einer seiner Freunde.«
»Wie Jedermann.«
»Ah! nein, Ihr täuscht Euch, Sire, es ist nicht gerade Jedermann ein Freund von Herrn von Guiche.«
»Woher wißt Ihr das?«
»Soll ich mich erklären, Sire?«
»Allerdings.«
»Wohl! ich glaube, ich habe von einem Streit zwischen zwei Kavalieren sprechen hören.«
»Wann?«
»Heute Abend, vor den Nachtmahl Eurer Majestät.«
»Das beweist nichts. Ich habe so strenge Verordnungen in Beziehung auf das Duell erlassen, daß ich denke, es wird Keiner dagegen handeln.«
»Gott bewahre mich auch, daß ich Jemand entschuldige,« rief Saint-Aignan. »Eure Majestät hat mir zu sprechen befohlen, und ich spreche.«
«So erzählt mir, wie der Graf verwundet worden ist?«
»Sire, man sagt, auf dem Anstand.«
»Diesen Abend?«
»Diesen Abend.«
»Eine Hand weggerissen, ein Loch in der Brust! Wer war mit Herrn von Guiche auf dem Anstand?«
»Ich weiß es nicht, Sire, doch Herr von Manicamp muß Alles wissen.«
«Ihr verbergt mir etwas, Saint-Aignan.«
»Nichts, Sire, nichts.«
»So erklärt mir den Vorfall; Ist eine Muskete zersprungen?«
»Vielleicht wohl. Doch ich bedenke, nein, Sire, denn man hat bei Guiche seine noch geladene Pistole gefunden.«
»Seine Pistole! mir scheint, man geht nicht mit der Pistole auf den Anstand.«
»Sire, man fügt bei, sein Pferd sei getötet worden, und der Leichnam des Pferdes liege noch in der Lichtung.«
»Sein Pferd! Guiche geht zu Pferde auf den Anstand! Saint-Aignan, ich begreife nichts von dem, was Ihr mir da sagt. Wo ist die Sache vorgefallen?«
»Im Bois-Rochin, auf dem Rondel.«
«Gut. Rufet Herrn d'Artagnan.«
Saint-Aignan gehorchte. Der Musketier trat ein.
»Herr d'Artagnan,« sprach der König, »Ihr geht durch die kleine Tür der Privattreppe hinaus.«
»Ja, Sire.«
»Ihr steigt zu Pferde.«
»Ja, Sire.«
»Ihr reitet nach dem Rondel des Bois-Rochin.
»Kennt Ihr den Ort?«
»Sire, ich habe mich zweimal dort geschlagen.«
»Wie!« rief der König ganz bestürzt über diese Antwort.
»Sire, unter den Edicten des Herrn Kardinal von Richelieu,« erwiderte d'Artagnan mit seinem gewöhnlichen Phlegma.
»Das ist etwas Anderes, mein Herr! Ihr werdet Euch also dahin begeben und die Oertlichkeit genau untersuchen. Es ist ein Mann dort verwundet worden, und Ihr werdet ein totes Pferd finden. Ihr sagt mir sodann, was Ihr von diesem Ereignis denkt.«
»Sehr wohl, Sire.«
»Es versteht sich von selbst, daß ich Eure eigene Meinung und nicht die von Anderen haben will.«
»Ihr werdet sie in einer Stunde haben, Sire.«
»Ich verbiete Euch, mit irgend Jemand, wer es auch sein mag, zu reden.«
»Den ausgenommen, welcher mir eine Laterne geben wird,« sagte d'Artagnan.
»Ja, gewiß,« versetzte der König lachend über diese Freiheit, die er nur bei seinem Kapitän der Musketiere duldete.
D'Artagnan entfernte sich auf der kleinen Treppe.
»Man rufe mir meinen Arzt,« sagte Ludwig.
Nach zehn Minuten kam der Arzt ganz atemlos an.
»Mein Herr,« sprach der König, »Ihr begebt Euch mit Herrn von Saint-Aignan dahin, wohin er Euch führen wird, und erstattet mir Bericht über den Zustand des Kranken, den Ihr in dem Hause, wohin ich Euch zu gehen bitte, sehen werdet.«
Der Arzt gehorchte ohne eine Bemerkung, wie man zu jener Zeit Ludwig XIV. zu gehorchen anfing, und ging, Saint-Aignan voranschreitend, weg.
»Ihr, Saint-Aignan, schickt mir Manicamp, ehe der Arzt mit ihm sprechen konnte.«
Saint-Aignan ging ebenfalls hinaus.
Wie d'Artagnan die Sendung vollzog, mit derihn der König beauftragt hatte.
Während der König diese letzten Anordnungen traf, um zur Wahrheit zu gelangen, lief d'Artagnan, ohne eine Secunde zu verlieren, nach dem Stall, nahm die Laterne vom Haken, sattelte selbst sein Pferd und wandte sich nach dem von Seiner Majestät bezeichneten Orte.
Er hatte seinem Versprechen gemäß weder Jemand gesehen, noch getroffen; er war sogar in der Gewissenhaftigkeit so weit gegangen, daß er, was er zu tun hatte, wie gesagt, ohne die Vermittelung der Stallknechte tat.
D'Artagnan gehörte zu den Menschen, welche eine Ehre darin suchen, in schwierigen Augenblicken ihren eigenen Wert zu verdoppeln.
In einem Galopp von fünf Minuten war er im Gehölze; er band sein Pferd an den ersten, den besten Baum an und drang zu Fuß bis zur Lichtung vor.
Da begann er, seine Laterne in der Hand, die ganze Oberfläche des Rondels zu durchlaufen; er ging hin, er ging her, er maß, untersuchte, und nach einer Forschung von einer halben Stunde nahm er in der Stille wieder sein Pferd und kehrte nachdenkend und im Schritt nach Fontainebleau zurück.
Ludwig erwartete ihn in seinem Kabinett; er war allein und zeichnete mit einem Bleistift auf ein Papier Zeilen, welche d'Artagnan mit dem ersten Blick als ungleich und sehr durchstrichen erkannte.
Er schloß daraus, es müßten Verse sein.
Der König schaute empor und erblickte d'Artagnan.
»Nun, mein Herr,« sagte er, «bringt Ihr mir Nachrichten?«
»Ja, Sire.«
»Was habt Ihr gesehen?«
»Folgendes ist das Wahrscheinliche, Sire.«
»Es war eine Gewißheit, was ich von Euch verlangte.«
»Ich werde ihr so viel als möglich nahe kommen; das Wetter war bequem für Nachforschungen in der Art, wie ich sie gemacht habe; es regnete diesen Abend und die Wege waren durchnäßt.«
»Zur Sache, Herr d'Artagnan.«
»Sire, Eure Majestät sagte mir, es liege ein totes Pferd auf der Lichtung des Bois-Rochin; ich fing also damit an, daß ich die Wege untersuchte.
»Ich sage Wege, insofern man zu dem Mittelpunkt der Lichtung auf vier Wegen gelangt.
»Derjenige, welchem ich gefolgt war, zeigte allein frische Spuren. Zwei Pferde wären neben einander darauf gegangen: ihre acht Füße waren sehr deutlich in der Thonerde bezeichnet.
»Der eine von den Reitern hatte mehr Eile als der andere. Die Tritte des einen Rosses sind stets eine halbe Pferdslänge vor denen des andern.«
»Ihr seid also sicher, daß sie zu zwei gekommen sind?« fragte der König.
»Ja, Sire. Die Pferde sind zwei große Tiere von gleichem Schritt, Pferde, an das Manöver gewöhnt, denn sie haben sich in einer vollkommenen schrägen Linie um die Barriere des Rondels gewendet.«
»Weiter, mein Herr.«
»Hier sind die Reiter einen Augenblick geblieben, ohne Zweifel, um die Bedingungen des Zweikampfes festzustellen; die Pferde wurden ungeduldig. Der eine von den Reitern sprach, der andere hörte und beschränkte sich auf das Antworten. Sein Pferd scharrte mit dem Fuße auf der Erde, was beweist, daß er, ganz in das Hören vertieft, ihm die Zügel überließ.«
»Dann fand ein Kampf statt?«
»Ohne Widerspruch.«
»Fahret fort; Ihr seid ein geschickter Beobachter.«
»Der eine von den Reitern blieb am Platz, der, welcher horchte. Der andere durchritt die Lichtung und stellte sich Anfangs seinem Feinde gegenüber auf. Dann durchritt derjenige, welcher am Platz geblieben war, im Galopp das Rondel bis auf zwei Drittel seiner Länge, im Glauben, er reite auf seinen Gegner zu, doch dieser war dem Umkreis des Waldes gefolgt.«
»Nicht wahr, Ihr wißt die Namen nicht?«
»Durchaus nicht. Nur ritt derjenige, welcher dem Umkreise des Waldes folgte, einen Rappen.«
»Woher wißt Ihr das?«
»Einige Haare vom Schweif sind an den Brombeersträucher, hängen geblieben, mit denen der Rand des Grabens besetzt ist,«
»Fahret fort.«
»Was das andere Pferd betrifft, so hatte ich keine Mühe, sein Signalement zu entwerfen, da es tot auf der Wahlstatt geblieben ist.«
»Und woran ist dieses Pferd gestorben?«
»An einer Kugel, die ihm den Schlaf durchbohrt bat.«
»War es eine Pistolenkugel oder eine Flintenkugel?«
»Eine Pistolenkugel, Sire. Die Wunde des Pferdes hat mir übrigens die Taktik desjenigen, welcher es getötet, bezeichnet. Er war dem Umkreise des Waldes gefolgt, um seinen Gegner in der Flanke zu haben. Ich verfolgte seine Tritte auf dem Rasen.«
»Die Tritte des Rappen?«
»Ja, Sire.«
»Weiter, Herr d'Artagnan.«
»Nun, da Eure Majestät die Stellung der beiden Gegner sieht, muß ich den feststehenden Reiter verlassen, um zu dem galoppierenden Reiter überzugehen.
»Tut das.«
»Das Pferd des Reiters, der chargierte, wurde plötzlich getötet.«
»Woher wißt Ihr das?«
»Der Reiter hatte nicht Zeit, abzusteigen, und stürzte mit dem Pferde. Ich sah die Spur seines Beines, das er mit großer Anstrengung unter dem Pferde vorzog. Von dem Gewichte des Tieres bedrückt, durchwühlte der Sporn die Erde.«
»Gut. Und was tat er, als er aufgestanden war?«
»Er ging gerade auf seinen Gegner los.«
»Der immer noch am Saume des Waldes stille hielt?«
»Ja, Sire. Dann, als er in ein schönes Bereich gekommen war, blieb er fest stehen, — seine Absätze sind der eine neben dem andern eingedrückt, — er schoß und fehlte seinen Gegner.«
»Woher wißt Ihr, daß er gefehlt hat?«
»Ich fand den Hut von einer Kugel durchlöchert.«
»Ah! ein Beweis,« rief der König.
»Ein ungenügender, Sire,« antwortete d'Artagnan kalt; »es ist ein Hut ohne Buchstaben, ohne Wappen; eine rote Feder, wie an allen Hüten; selbst die Treffe hat nichts Besonderes.«
»Hat der Mann mit dem durchlöcherten Hut seinen zweiten Schuß abgefeuert?«
»Oh! Sire, seine zwei Schüsse waren schon abgefeuert.«
»Wie habt Ihr dies erfahren?«
»Ich habe die Pfröpfe der Pistole gefunden.«
»Und was ist aus der Kugel geworden, welche nicht getötet?«
»Sie hat die Hutfeder von dem durchschnitten, auf welchen sie gerichtet war, und eine kleine Birke auf der andern Seite der Lichtung zerschmettert.
»Dann war der Mann mit dem Rappen entwaffnet, während sein Gegner einen Schuß abzufeuern hatte»
»Sire, während der des Pferdes verlustige Reiter wieder aufstand, lud der Andere sein Gewehr abermals. Nur war er sehr unruhig beim Wiederladen, denn seine Hand zitterte.«
»Woher wißt Ihr das?«
»Die Hälfte der Ladung ist zu Boden gefallen, und er warf den Ladstock weg und nahm sich nicht einmal Zeit, ihn wieder an die Pistole zu stecken.«
»Herr d'Artagnan, was Ihr mir da sagt, ist wunderbar.«
»Es ist eine Beobachtung, Sire, und der geringste Recognoscirreiter würde dasselbe tun.«
»Man sieht die Szene, wenn man Euch nur hört.«
»Ich habe sie in der Tat mit wenigen Veränderungen in meinem Geiste wiederaufgebaut.«
»Kommen wir nun zum demontierten Reiter. Ihr sagtet, er sei auf seinen Gegner zugegangen, während dieser seine Pistole wieder geladen habe.«
»Ja, doch in dem Augenblicke, wo er selbst zielte, schoß der Andere.«
»Oh!« machte der König; »und der Schuß?«
»Der Schuß war furchtbar, Sire; der demontierte Reiter fiel auf das Gesicht, nachdem er drei unsichere Schritte gemacht hatte.«
»Wo war er getroffen?«
»An zwei Stellen; einmal an der rechten Hand, sodann an der Brust.«
»Wie könnt Ihr denn das erraten?« fragte der König voll Bewunderung.
»Oh! das ist sehr einfach, der Kolben der Pistole war ganz mit Blut überzogen, und man sah daran die Spur der Kugel mit Stücken eines zerbrochenen Ringes. Dem Verwundeten sind also wahrscheinlich der Ringfinger und der kleine Finger weggerissen worden.«
»So viel, was die Hand betrifft, das gebe ich zu. Doch die Brust?«'
»Sire, es fanden sich da zwei Blutlachen zwei und einen halben Fuß von einander entfernt. Bei einer von diesen Lachen war das Gras mit der zuckenden Hand ausgerauft worden; bei der andern war das Gras nur durch die Schwere des Körpers niedergedrückt.«
»Armer Guiche!« rief der König.
»Ah! es war Herr von Guiche,« sagte ruhig der Musketier; »ich vermutete es, wagte es aber nicht, Eurer Majestät etwas davon zu sagen.«
»Und wie vermutetet Ihr es?«
»Ich erkannte das Wappen von Guiche auf den Holftern des toten Pferdes.«
»Und Ihr glaubt, daß er schwer verwundet ist?«
»Sehr schwer, denn er fiel sogleich und blieb lange auf demselben Platz. Er konnte jedoch gehen und hat sich, während er ging, auf zwei Freunde gestützt.«
»Ihr seid ihm also begegnet?«
»Nein, aber ich habe die Tritte von drei Männern erkannt. Der Mann auf der Rechten und der auf der Linken gingen leicht, doch der in der Mitte hatte einen schwerfälligen Tritt; überdies begleiteten die Blutspuren diesen Tritt.«
»Nun, mein Herr, da Ihr den Kampf so wohl gesehen habt, da Euch kein einziger Umstand entgangen ist, sagt mir ein paar Worte über den Gegner von Herrn von Guiche.«
»Sire, ich kenne ihn nicht.«
»Ihr, der Ihr doch so gut seht?«
»Ja, Sire,« sprach d'Artagnan, »ich sehe Alles, doch ich sage nicht Alles, was ich sehe, und da der arme Teufel entkommen ist, so erlaube mir Eure Majestät, ihr zu bemerken, daß ich ihn nicht anzeigen werde.«
»Derjenige, welcher sich duelliert, ist aber ein Strafbarer, mein Herr.«
»Nicht für mich, Sire,« erwiderte d'Artagnan mit kaltem Tone.
»Mein Herr, wißt Ihr wohl, was Ihr sprecht?« rief der König.
»Vollkommen, Sire; doch in meinen Augen, Sire, ist ein Mann, der sich gut schlägt, ein braver Mann. Das ist meine Ansicht; Ihr könnt eine andere haben; ganz natürlich, Ihr seid der Gebieter.«
»Herr d'Artagnan, ich habe befohlen …«
D'Artagnan unterbrach den König mit einer ehrerbietigen Gebärde und erwiderte:
»Ihr habt mir befohlen, Nachforschungen über einen Zweikampf anzustellen, Sire; ich habe es getan und Euch Bericht erstattet. Befehlt Ihr mir, den Gegner von Herrn von Guiche zu verhaften, so werde ich gehorchen; befehlt mir aber nicht, ihn anzuzeigen, denn diesmal würde ich nicht gehorchen.«
»Nun! so verhaftet ihn.«
»Nennt mir denselben, Sire.«
Ludwig stampfte mit dem Fuß.
Dann, nachdem er einen Augenblick nachgedacht, sprach er:
»Ihr habt zehnmal, zwanzigmal, hundertmal Recht.«
»Das ist meine Ansicht, Sire, und ich bin glücklich, daß es zugleich auch die Eurer Majestät ist.«
»Noch ein Wort … Wer hat Guiche Hilfe geleistet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ihr sprachet aber von zwei Männern. Es war also ein Zeuge dabei?«
»Es war kein Zeuge dabei … Mehr noch … sobald Herr von Guiche gefallen war, entfloh sein Gegner, ohne ihm nur entfernt beizustehen.«
»Der Elende!«
»Oh! Sire, das ist die Folge Eurer Edicte. Man hat sich gut geschlagen, man ist einem ersten Tod entkommen, man will auch einem zweiten entgehen. Teufel! … man erinnert sich des Herrn von Bauteville.«
»Und dann wird man feige.«
»Nein, man wird klug.«
»Er ist also entflohen?«
»Ja, und zwar so geschwinde, als ihn sein Pferd tragen konnte.«
»In welcher Richtung?«
»In der des Schlosses.«
»Hernach?«
»Hernach kamen, wie ich Eurer Majestät zu sagen die Ehre hatte, zwei Männer zu Fuß und nahmen Herrn von Guiche mit.«
»Welchen Beweis habt Ihr, daß diese zwei Männer nach dem Zweikampf gekommen sind?«
»Ah! einen klaren Beweis: in dem Augenblick des Zweikampfs hatte der Regen aufgehört, der Boden hatte aber nicht Zeit gehabt, ihn einzuschlucken, und war feucht geblieben. Die Tritte drückten sich ein, doch nach dem Zweikampf, während der Zeit, wo Herr von Guiche ohnmächtig war, befestigte sich die Erde wieder und die Tritte hinterließen weniger tiefe Spuren.«
Der König schlug zum Zeichen der Bewunderung seine Hände aneinander und rief:
»Herr d'Artagnan, Ihr seid in der Tat der gewandteste Mann meines Königreichs.«
»Das dachte Herr von Richelieu und sagte Herr von Mazarin.«
»Nun haben wir nur noch zu sehen, ob Euer Scharfsinn sich nicht getäuscht hat.«
»Oh, Sire, der Mensch irrt sich, errare humanum est,« sagte philosophisch der Musketier.«
»Ihr gehört also nicht zur Menschheit, Herr d'Artagnan, denn ich glaube, Ihr irrt Euch nie.«
»Euer Majestät sagte, wir würden sehen.«
»Ja.«
»Wie dies, wenn es Euch beliebt?«
«Ich habe nach Herrn von Manicamp geschickt, und Herr von Manicamp wird kommen.«
»Und Manicamp weiß das Geheimnis?«
»Guiche hat keine Geheimnisse für Herrn von Manicamp.«
D'Artagnan schüttelte den Kopf und erwiderte: »Ich wiederhole, es wohnte Niemand dem Zweikampf bei, und wenn Herr von Manicamp nicht einer von den zwei Männern ist, die ihn zurückgebracht haben…«
»Stille,« sagte der König, »er kommt eben; bleibt da und höret zu.«
»Sehr wohl, Sire,« sprach der Musketier.
In derselben Minute erschienen Manicamp und Saint-Aignan auf der Türschwelle.
Der Anstand.
Der König machte dem Musketier, der Andere Saint-Aignan ein Zeichen.
Das Zeichen war gebieterisch und bedeutete: »Bei Eurem Leben, schweigt.«
D'Artagnan zog sich wie ein Soldat in eine Ecke des Kabinetts zurück.
Saint-Aignan als ein Günstling stützte sich auf die Lehne des Fauteuil von Ludwig XIV.
Das rechte Bein vor, ein Lächeln auf den Lippen, die Hände weiß und anmutig, machte Manicamp seine Verbeugung vor dem König.
Der König nickte zur Erwiderung mit dem Kopf und sprach:
»Guten Abend, Herr von Manicamp.«
»Euer Majestät hat mir die Ehre erwiesen, mich zu sich rufen zu lassen,« versetzte Manicamp.
»Ja, um von Euch alle Umstände des Unfalls zu erfahren, der Herrn von Guiche betroffen hat.«
»Oh! Sire, das ist schmerzlich.«
»Ihr waret dabei.«
»Nicht gerade, Sire.«
»Aber Ihr kamet auf den Schauplatz des Unfalls einige Augenblicke, nachdem sich dieser ereignet hatte.«
»So ist es, ja, Sire, ungefähr eine halbe Stunde nachher.«