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Der junge Edmond Dantès ist glücklich verlobt mit der schönen Mercedes, und ihm wird vom Reeder Morell die Position des Kapitäns eines Segelschiffs in Aussicht gestellt. Alle seine Wünsche scheinen sich zu erfüllen. Doch er wird vom höchsten Glück in den tiefsten Abgrund geschleudert, als es zu einem hinterhältigen Komplott gegen ihn kommt. Jeder der Verschwörer hat einen anderen Grund, Dantès aus dem Weg räumen zu wollen. Durch einen schnellen und willkürlichen Prozess wird er zu Einzelhaft im Inselgefängnis Château d´If veruteilt. Alles scheint verloren. Doch im Kerker lernt er durch Zufall den alten Geistlichen und Mitgefangenen Abbé Faria kennen, der zu seinem Lehrmeister wird und ihm das Versteck eines enormen Schatzes verrät. Schließlich, nach vierzehn Jahren unverschuldeter Kerkerhaft, gelingt es Dantès, durch Glück und eigene Entschlossenheit, von der Gefängnisinsel zu flüchten. Einige Monate später erscheint in der französischen Gesellschaft ein mysteriöser Graf von sagenhaftem Reichtum, der schnell ins Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerät. Hinter seiner undurchsichtigen Fassade verfolgt dieser jedoch nur ein Ziel: Vergeltung zu üben an den Schuldtragenden, die einst Edmond Dantès um sein Glück brachten. Er ist die Hand Gottes, die gekommen ist, um Rechenschaft zu fordern… Der mehrfach verfilmte Abenteuer-Klassiker liegt hier in einer fünfbändigen und reichhaltig illustrierten Neuausgabe in der ungekürzten Übertragung von August Zoller vor. Dieses ist der erste Band.
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Seitenzahl: 525
Alexandre Dumas
Der Graf von Monte Christo
Roman
in fünf Bänden
Überarbeitete und illustrierte Neuausgabe
der ungekürzten Übertragung
aus dem Französischen
von August Zoller
Band 1
DER GRAF VON MONTE CHRISTO wurde im französischen Original Le Comte de Monte-Cristo zuerst veröffentlicht zwischen 1844 und 1846 in der Zeitschrift Le Journal des débats.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von: apebook
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2023
V 1.1
Anmerkungen zur Transkription: Der Text der vorliegenden ungekürzten Ausgabe ist die Übersetzung von August Zoller (1773-1858) der deutschen Ausgabe aus dem Jahr 1846.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band 1
ISBN 978-3-96130-569-8
Buchherstellung & Gestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
Alle Rechte vorbehalten.
© apebook 2023
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Die fünf Bände der Reihe
Der Graf von Monte Christo
im Überblick
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Dumas Le Prince
Die Totenhand
BAND 1 | BAND 2 | BAND 3 | GESAMTAUSGABE
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Inhaltsverzeichnis
Der Graf von Monte Christo. Band 1
Impressum
Der Graf von Monte Christo. Band 1
Erster Band.
I. Marseille. - Die Ankunft.
II. Der Vater und der Sohn.
III. Die Catalonier.
IV. Komplott.
V. Das Verlobungsmahl.
VI. Der Substitut des Staatsanwaltes.
VII. Das Verhör.
VIII. Das Castell If.
IX. Der Verlobungsabend.
X. Das kleine Kabinett der Tuilerien.
XI. Der Werwolf von Corsica.
XII. Vater und Sohn.
XIII. Die hundert Tage.
XIV. Der wütende Gefangene und der verrückte Gefangene.
XV. Die Nummer 34 und die Nummer 27.
XVI. Ein gelehrter Italiener.
XVII. Das Zimmer des Abbé.
XVIII. Der Schatz.
XIX. Der dritte Anfall.
XX. Der Friedhof von Castell If.
XXI. Die Insel Tiboulen.
XXII. Die Schmuggler.
XXIII. Die Insel Monte Christo.
XXIV. Blendung.
XXV. Der Unbekannte.
XXVI. Das Wirtshaus zum Pont du Gard.
XXVII. Die Erzählung.
Anmerkungen
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Zu guter Letzt
Dantes wird ins Meer geworfen
Erster Band.
Mein Name ist Edmont Dantes
Am 25. Februar 1815 signalisierte die Wache von Notre-Dame de la Garde den Dreimaster, die Pharao, von Smyrna, Triest und Neapel kommend.
Wie gewöhnlich lief ein Lotse sogleich aus dem Hafen aus, fuhr rasch an dem Castell If hin und gelangte zwischen dem Cap Morgiou und der Insel Rion zu dem Schiffe.
Ebenfalls wie gewöhnlich war die Plattform des Fort Saint-Jean mit Neugierigen bedeckt; denn die Ankunft eines Schiffes ist in Marseille immer eine große Angelegenheit, besonders wenn dieses Schiff wie die Pharao auf den Wersten der phocäischen Stadt gebaut und aufgerhedet worden ist und einem Reeder der Stadt gehört.
Inzwischen näherte sich das Schiff. Es hatte sich glücklich durch die Meerenge gearbeitet, welche durch irgend eine vulkanische Erschütterung zwischen der Insel Calasareigne und der Insel Jaros ausgehöhlt worden ist. Es hatte Pomègue umfahren und rückte unter seinen drei Marssegeln, seinem großen Focksegel und seiner Brigantine heran, aber so langsam und mit einem so traurigen Gange, daß die Neugierigen mit dem Instinkte, der ein Unglück vorhersieht, sich fragten, was für ein Unfall sich am Bord ereignet haben könnte. Nichtsdestoweniger erkannten die Erfahrenen der Schifffahrt, daß, wenn sich ein Unfall ereignet hätte, dies nicht auf dem Schiffe selbst der Fall sein könnte, denn es nahte mit allen Bedingungen eines vollkommen gesteuerten Schiffes. Sein Anker war zum Grundfassen gerichtet, seine Bogsprietwände waren los gehakt, und neben dem Lotsen, der die Pharao durch den schmalen Eingang des Hafens von Marseille zu lenken sich anschickte, stand ein junger Mann mit rascher Gebärde und lebhaftem Auge, überwachte jede Bewegung des Schiffes und wiederholte jeden Befehl des Lotsen.
Die unbestimmte Unruhe, welche über der Menge schwebte, hatte besonders einen von den Zuschauern der Saint-Jean-Esplanade so stark berührt, daß er die Einfahrt des Schiffes in den Hafen nicht erwarten konnte. Er sprang in eine kleine Barke und befahl der Pharao entgegenzurudern, die er vor der Bucht, Anse de la Reserve genannt, erreichte.
Als der junge Seefahrer diesen kommen sah, verließ er seinen Posten neben dem Lotsen, nahm den Hut in die Hand und legte sich über die Brüstung des Schiffes.
Es war ein junger Mann von achtzehn bis zwanzig Jahren, mit schwarzen Augen und Haaren wie Ebenholz. In seiner ganzen Person war der Charakter der Ruhe und Entschlossenheit sichtbar, der den Menschen eigentümlich ist, welche seit ihrer Kindheit mit der Gefahr zu kämpfen gewohnt sind.
»Ah, Sie sind es, Dantes!« rief der Mann in der Barke, »was ist denn geschehen, und was bedeutet das traurige Wesen, das an Ihrem ganzen Bord verbreitet zu sein scheint?«
»Ein großes Unglück. Herr Morrel.« antwortete der junge Mann. »Auf der Höhe von Civita Becchia haben wir den braven Kapitän Leclère verloren.«
»Und die Ladung?« fragte lebhaft der Reeder.
»Ist glücklich angelangt, Herr Morrel, und ich glaube, Sie werden in dieser Hinsicht zufrieden sein; aber dieser arme Kapitän Leclère . . . «
»Was ist ihm denn geschehen?« fragte der Reeder sichtbar erleichtert, »was ist ihm denn geschehen, diesem braven Kapitän?«
»Er ist tot.«
»In das Meer gefallen?«
»Nein, Herr, er ist unter furchtbaren Qualen an einer Hirnentzündung gestorben.« Dann, sich gegen seine Leute umwendend, rief er:
»Holla, he! Jeder an seinen Posten zum Ankern!«
Die Mannschaft gehorchte. In demselben Augenblicke eilten die acht bis zehn Matrosen, aus denen sie bestand, die Einen zu den Schoten, die Andern zu den Brassen, wieder Andere zu den Hißtauen oder zu den Geitauen.
Der junge Seemann warf einen raschen Blick auf den Anfang dieses Manoeuvre, und da er sah, daß seine Befehle vollführt wurden, kehrte er zu dem Manne in der Barke zurück.
»Und wie ist dieses Unglück gekommen?« fragte der Reeder, das Gespräch wieder aufnehmend, wo es der Seemann verlassen hatte.
»Mein Gott, Herr, ganz unversehens. Nach einer langen Unterredung mit dem Hafencommandanten verließ der Kapitän Leclère Neapel in sehr aufgeregtem Zustande. Nach vierundzwanzig Stunden faßte ihn das Fieber, drei Tage nachher war er tot . . . «
»Wir haben seine Leiche auf die gewöhnliche Weise bestattet, und er ruht anständig eingehüllt in eine Hängematte, mit einer Kugel von sechsunddreißig Pfund an den Füßen und einer eben so schweren an dem Kopf, auf der Höhe der Insel Giglio. Wir werden der Witwe sein Ehrenkreuz und seinen Degen zurückbringen. Es war wohl der Mühe wert«, fuhr der junge Mann mit einem schwermütigen Lächeln fort, »zehn Jahre gegen die Engländer Krieg zu führen, um endlich wie Jedermann in seinem Bette zu sterben.«
Edmont Dantes
»Verdammt! was wollen Sie, Herr Edmond«, versetzte der Reeder, der sich immer mehr zu trösten schien, »wir sind Alle sterblich, und die Alten müssen wohl den Jungen Platz machen; sonst gäbe es kein Vorrücken, und von dem Augenblicke an, wo Sie mich versichern, die Ladung . . . «
»Befindet sich in gutem Zustande, Herr Morrel, dafür stehe ich. Das ist eine Reise, die ich Ihnen nicht für 25.000 Franken Nutzen zu diskontieren rate.«
Dann, als man um den runden Turm fuhr, rief er:
»Die Marssegel, den Fock und die Brigantine aufgegeit.«
Der Befehl wurde mit derselben Geschwindigkeit ausgeführt, wie auf einem Kriegsschiffe.
»Alle Segel gestrichen!«
Bei dem letzten Kommando fielen alle Segel herab, und das Schiff rückte auf eine beinahe unmerkliche Weise, gleichsam nur durch den Anstoß, den man ihm gab, vorwärts.
»Und nun, wenn Sie heraufkommen wollen, Herr Morrel«, sagte Dantes, die Unruhe des Reeders wahrnehmend, »hier ist Ihr Rechnungsführer, Herr Danglars. Er kommt eben aus seiner Kajüte und wird Ihnen jede Auskunft geben, die Sie wünschen mögen. Ich meines Teils muß für die Ankerung sorgen und das Schiff in Trauer versetzen.«
Der Reeder ließ sich das nicht zweimal sagen. Er ergriff ein Kabel, das ihm Dantes zuwarf, und erstieg mit einer Behendigkeit, welche einem Seemann Ehre gemacht hätte, die an die Seite des Schiffes genagelten Stufen, während jener, an seinen Posten zurückkehrend, die Unterredung demjenigen überließ, welchen er unter dem Namen Danglars angekündigt hatte, und der aus seiner Kajüte hervorkommend wirklich dem Reeder entgegenging.
Danglars war ein Mann von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren, unterwürfig gegen seine Obern, barsch gegen die ihm Untergeordneten. Abgesehen von seinem Titel als Rechnungsführer, der immer ein Grund des Widerwillens für die Matrosen ist, war er allgemein von der Mannschaft eben so schlimm angesehen, als Edmond Dantes im Gegenteil von derselben geliebt wurde.
»Nun, Herr Morrel«, sagte Danglars, »Sie wissen bereits das Unglück, nicht wahr?«
»Ja, ja, der arme Kapitän Leclère. Es war ein braver ehrlicher Mensch!«
»Und besonders ein vortrefflicher Seemann, ergraut zwischen Himmel und Wasser, wie es sich geziemt für einen Mann, dem die Interessen eines so wichtigen Hauses, wie das Haus Morrel und Sohn, anvertraut sind.«
»Aber«, versetzte der Reeder, mit den Augen dem jungen Dantes folgend, der seinen Untergrund suchte, »aber es scheint mir, man braucht nicht gerade ein so alter Seemann zu sein, wie Sie sagen, Danglars, um sein Handwerk zu kennen, und unser Freund Edmond hier treibt das seinige, wie mir dünkt, als ein Mensch, der Niemand um Rat zu fragen nötig hat.«
»Ja«, antwortete Danglars, auf Dantes einen schiefen Blick werfend, in welchem ein Blick des Hasses zuckte, »ja, der ist jung und fürchtet nichts. Kaum war der Kapitän tot, so übernahm er das Kommando, ohne Jemand um Rat zu fragen, und ließ uns anderthalb Tage auf der Insel Elba verlieren, statt unmittelbar nach Marseille zurückzukehren.«
»Was das Übernehmen des Kommandos vom Schiffe betrifft«, sprach der Reeder, »so war dies seine Pflicht als Second; was aber das Verlieren von anderthalb Tagen auf der Insel Elba betrifft, so hatte er Unrecht: wenn er nicht das Schiff im Hafen ausbessern mußte.«
Die Pharao
»Das Schiff befand sich, wie ich mich befinde, und wie ich wünsche, daß Sie sich befinden mögen, Herr Morrel; und diese anderthalb Tage gingen in Folge von bloßen Launen, um das Vergnügen zu haben, an das Land zu steigen, verloren.«
»Dantes«, sagte der Reeder, sich gegen den jungen Mann umwendend, »kommen Sie hierher.«
»Ich bitte um Vergebung, mein Herr«, erwiderte Dantes, »ich stehe sogleich zu Dienst;« dann sich an die Mannschaft wendend, sprach er:
»Anker geworfen!«
Sogleich fiel der Anker und die Kette wurde mit Geräusch nachgelassen. Dantes blieb an seinem Posten, trotz der Gegenwart des Lotsen, bis dieses letzte Manoeuvre beendigt war. Dann rief er:
»Laßt den Wimpel halb herab! Hißt die Flagge auf! Kreuzt die Segelstangen!«
»Sie sehen,« sagte Danglars, »auf mein Wort, er hält sich bereits für den Kapitän.«
»Und er ist es wirklich«, versetzte der Reeder.
»Ja, mit Ausnahme Ihrer Unterschrift und der Ihres Associé, Herr Morrel.«
»Gott verdamme mich, warum sollen wir ihn nicht an diesem Posten lassen?« entgegnete der Reeder; »ich weiß wohl, er ist jung, aber er scheint mir ganz bei der Sache und in seinem Stande sehr erfahren zu sein.«
Eine Wolke zog über die Stirne von Danglars hin.
»Um Vergebung, Herr Morrel,« sagte Dantes, sich ihm nähernd, »nun, da das Schiff geankert hat, stehe ich ganz zu Befehl. Sie haben mich, glaube ich, gerufen?«
Danglars machte einen Schritt rückwärts.
»Ich wollte Sie fragen, warum Sie an der Insel Elba angehalten haben.«
»Ich weiß es nicht, mein Herr: es geschah, um einen letzten Befehl des Kapitän Leclère zu vollziehen, der mir sterbend ein Paquet für den Großmarschall Bertrand übergab.«
»Sie haben ihn also gesehen, Edmond?«
»Wen?«
»Den Großmarschall.«
»Ja.«
Morrel schaute um sich her und zog Dantes bei Seite.
»Und wie geht es dem Kaiser?« fragte er lebhaft.
»Gut, so viel ich mit meinen eigenen Augen beurteilen konnte.«
»Sie haben den Kaiser also auch gesehen?«
»Er kam zu dem Marschall, während ich bei ihm war.«
»Und Sie haben mit ihm gesprochen?«
»Das heißt, er hat mit mir gesprochen«, antwortete Dantes lächelnd.
»Und was sagte er zu Ihnen?«
»Er stellte Fragen an mich über das Schiff, über die Zeit seiner Abfahrt nach Marseille, über den Weg, den es genommen hatte, und über die Ladung, die es führte. Ich glaube, wenn es leer und ich der Herr desselben gewesen wäre, so hätte er es zu kaufen beabsichtigt. Aber ich sagte ihm, ich wäre nur einfacher Second, und das Schiff gehörte dem Hause Morrel und Sohn. ›Ah! Ah!‹ erwiderte er, ›ich kenne das Haus. Die Morrel sind Reeder von dem Vater auf den Sohn, und es gab einen Morrel, der in denselben Regimente mit mir diente, als ich in Valence in Garnison lag.‹«
»Das ist bei Gott wahr!« rief der Reeder ganz freudig, »es war Policar Morrel, mein Oheim, der später Kapitän geworden ist. Dantes, Sie werden meinem Oheim sagen, daß der Kaiser sich seiner erinnert hat, und der alte Murrkopf wird weinen. Gut, gut«, fuhr der Reeder, dem jungen Menschen vertraulich auf die Schulter klopfend, fort, »Sie haben wohl daran getan, Dantes, den Auftrag des Kapitän Leclère zu erfüllen und an der Insel Elba anzuhalten. Doch wenn man wüßte, daß Sie dem Marschall ein Paquet übergeben und mit dem Kaiser gesprochen haben, . . . es könnte Sie gefährden.«
»In welcher Hinsicht sollte mich dies gefährden?« entgegnete Dantes. »Ich weiß nicht einmal, was ich überbrachte, und der Kaiser richtete nur Fragen an mich, die er an den Ersten den Besten gemacht haben würde. Doch um Vergebung, hier sind die Sanität und die Douane. Sie erlauben, nicht wahr?«
»Immerhin, immerhin, mein lieber Dantes.«
Der junge Mann entfernte sich und je mehr er sich entfernte, desto näher kam Danglars.
»Nun«, fragte er, »er scheint Ihnen gute Gründe dafür angegeben zu haben, daß er in Porto Ferrajo ankerte?«
»Vortreffliche, mein lieber Herr Danglars.«
»Ah, desto besser«, versetzte dieser, »denn es ist immer peinlich, einen Kameraden zu sehen, der seine Pflicht nicht tut.«
»Dantes hat die seinige getan«, antwortete der Reeder, »und es läßt sich nichts dagegen einwenden. Es war der Kapitän Leclère, der ihm den Befehl erteilte, anzuhalten.«
»Ah! was den Kapitän Leckere betrifft . . . hat er Ihnen nicht einen Brief von ihm zugestellt?«
»Wer?«
»Dantes.«
»Mir? Nein! Hatte er denn einen?«
»Ich glaubte, der Kapitän Leclère hätte ihm außer dem Paquet auch einen Brief anvertraut.«
»Von welchem Paquet sprechen Sie Danglars?«
»Von dem, welches Dantes in Porto Ferrajo abgegeben hat.«
»Woher wissen Sie, daß er ein Paquet in Porto Ferrajo abzugeben hatte?«
Danglars errötete.
»Ich ging an der Türe des Kapitäns vorüber, welche halb geöffnet war, und sah, wie er den Brief und das Paquet Dantes zustellte.«
»Er hat mir nichts davon gesagt«, entgegnete der Reeder; »aber was den Brief betrifft, so wird er ihn mir wohl übergeben.«
Danglars überlegte einen Augenblick und erwiderte:
»Dann bitte ich Sie, Herr Morrel, nicht mit Dantes davon zu sprechen, ich werde mich getäuscht haben.«
In diesem Augenblick kehrte der junge Mann zurück, Danglars entfernte sich.
»Nun, mein lieber Dantes, sind Sie frei?« fragte der Reeder.
»Ja, mein Herr.«
»Die Sache hat nicht lange gedauert.«
»Nein, ich habe den Douaniers die Liste von unsern Waren gegeben, und die Consigne hatte mit dem Lotsen einen Menschen geschickt, dem ich unsere Papiere übergab.«
»Sie haben also nichts mehr hier zu tun?«
Dantes warf einen raschen Blick um sich her.
»Nein, alles ist in Ordnung.«
»Sie können mit mir zu Mittag speisen?«
»Ich bitte, entschuldigen Sie mich, Herr Morrel, mein erster Besuch gehört meinem Vater. Doch ich bin darum nicht minder dankbar für die Ehre, die Sie mir erzeigen.«
»Das ist richtig, Dantes, ganz richtig. Ich weiß, daß Sie ein guter Sohn sind.«
Mercedes
»Und befindet sich mein Vater wohl, so viel Ihnen bekannt ist?« fragte Dantes mit einem gewissen Zögern.
»Ich glaube, mein lieber Edmond, obgleich ich ihn nicht gesehen habe.«
»Ja, er hält sich in seinem kleinen Zimmer eingeschlossen.«
»Das beweist wenigstens, daß es ihm in Ihrer Abwesenheit an nichts gefehlt hat.«
Dantes lächelte.
»Mein Vater ist stolz. mein Herr, und wenn es ihm an Allem gefehlt hätte, so zweifle ich, ob er von irgend Jemand auf der Welt, mit Ausnahme von Gott, etwas gefordert haben würde.«
»Nun wohl, nach diesem ersten Besuche zählen wir auf Sie.«
»Entschuldigen Sie abermals, nach diesem ersten Besuche habe ich einen zweiten zu machen, der mir nicht minder am Herzen liegt.«
»Ah! das ist wahr, Dantes, ich vergaß, daß es unter den Cataloniern Jemand gibt, der mit nicht geringerer Ungeduld auf Sie warten muß, als Ihr Vater. Es ist die schöne Mercedes.«
Dantes errötete.
»Ah, ah«, sprach der Reeder, »ich wundere mich gar nicht mehr, daß sie dreimal zu mir gekommen ist und mich um Nachricht über die Pharao gebeten hat. Edmond, Sie sind nicht zu beklagen, Sie haben eine hübsche Geliebte.«
»Es ist nicht meine Geliebte«, erwiderte der junge Seemann mit ernstem Tone, »es ist meine Braut.«
»Dies ist zuweilen ganz dasselbe«, versetzte der Reeder lachend.
»Nicht für uns, mein Herr«, antwortete Dantes.
»Gut, gut, mein lieber Edmond.« fuhr der Reeder fort, »ich will Sie nicht aufhalten. Sie haben meine Angelegenheiten so betrieben, daß ich Ihnen jede Muße gönne, um die Ihrigen abzumachen. Brauchen Sie Geld?«
»Nein, mein Herr, ich habe mein ganzes Reisegehalt, das heißt, beinahe drei Monate Sold.«
»Sie sind ein geordneter junger Mann, Edmond.«
»Fügen Sie bei, daß ich einen armen Vater habe.«
»Ja, ja, ich weiß, Sie sind ein guter Sohn. Gehen Sie also zu Ihrem Vater: ich habe auch einen Sohn, und ich wäre demjenigen sehr gram, welcher ihn nach einer Reise von drei Monaten fern von mir halten würde.«
»Sie erlauben also?« sprach der junge Mann sich verbeugend.
»Ja, wenn Sie mir nichts mehr zu sagen haben.«
»Nein.«
»Hat Ihnen nicht der Kapitän Leclère sterbend einen Brief für mich gegeben?«
»Es war ihm unmöglich zu schreiben, mein Herr; doch dies erinnert mich, daß ich mir auf einige Tage Urlaub von Ihnen zu erbitten habe.«
»Um zu heiraten?«
»Einmal, und dann um nach Paris zu reisen.«
»Gut, gut. Sie nehmen sich so viel Zeit als Sie wollen. Dantes. Zum Löschen des Schiffes bedarf man wohl sechs Wochen, und vor drei Monaten gehen wir nicht wieder in See. Sie müssen also erst in drei Monaten hier sein. Die Pharao«, fuhr der Reeder, den jungen Menschen auf die Schulter klopfend, fort, »könnte nicht ohne seinen Kapitän abgehen.«
»Ohne seinen Kapitän?« rief Dantes mit funkelnden Augen, »geben Sie wohl auf das Acht, was Sie mir sagen; denn Sie entsprechen den geheimsten Hoffnungen meines Herzens. Es wäre also Ihre Absicht, mich zum Kapitän der Pharao zu ernennen?«
»Wenn ich allein wäre, würde ich Ihnen die Hand reichen, mein lieber Dantes, und sagen: Es ist abgemacht! Aber ich habe einen Associé, und Sie kennen das italienische Sprichwort: Che a compagno a padrone. Doch die Hälfte des Geschäftes ist wenigstens abgeschlossen, denn von zwei Stimmen haben Sie bereits eine. Überlassen Sie es mir, Ihnen die andere zu verschaffen, und ich werde mein Möglichstes tun!«
»O Herr Morrel!« rief der junge Seemann und ergriff, Tränen in den Augen, die Hände des Reeders, »Herr Morrel, ich danke Ihnen im Namen meines Vaters, im Namen von Mercedes.«
»Es ist gut, es ist gut, Edmond, es gibt einen Gott im Himmel für die braven Leute! Besuchen Sie Ihren Vater, besuchen Sie Mercedes und kommen Sie dann zu mir zurück.«
»Soll ich Sie nicht an das Land führen?«
»Nein, ich danke, ich bleibe hier, um meine Rechnung mit Danglars zu ordnen. Sind Sie während der Reise mit ihm zufrieden gewesen?«
»Das kommt auf den Sinn an, in welchem Sie diese Frage an mich richten, mein Herr. In Beziehung auf den guten Kameraden, nein, denn ich glaube, er liebt mich nicht mehr seit dem Tage, wo ich in Folge eines kleinen Streites, den wir mit einander hatten, die Dummheit beging, ihm vorzuschlagen, zehn Minuten an der Insel Monte Christo anzuhalten, um den Streit auszumachen; ein Vorschlag, den ich zu tun Unrecht hatte, und den er mit Recht zurückwies. Richten Sie diese Frage in Beziehung auf den Rechnungsführer an mich, so glaube ich, daß nichts zu sagen ist, und daß Sie mit der Art und Weise, wie er sein Geschäft betrieben hat, zufrieden sein werden.«
»Doch lassen Sie hören«, sagte der Reeder, »wenn Sie Kapitän der Pharao wären, würden Sie Danglars mit Vergnügen behalten?«
»Kapitän oder Second«, antwortete Dantes, »ich werde stets die größte Achtung vor denjenigen haben, welche das Vertrauen meiner Reeder besitzen.«
»Schön, schön, Dantes, ich sehe, daß Sie in jeder Beziehung ein braver Junge sind; ich will Sie nicht länger aufhalten, denn Sie stehen gewiss auf glühenden Kohlen.«
»Ich habe also meinen Urlaub?« fragte Dantes.
»Gehen Sie, sage ich Ihnen.«
»Erlauben Sie mir, daß ich Ihren Kahn nehme?«
»Nehmen Sie ihn immerhin.«,
»Auf Wiedersehen, Herr Morrel, und tausend Dank.«
»Auf Wiedersehen, mein lieber Edmond, und viel Glück.«
Der junge Seemann sprang in den Kahn, setzte sich in das Hinterteil und gab Befehl, an der Cannebière zu landen.
Zwei Matrosen beugten sich sogleich über die Ruder, und der Nachen glitt hing so rasch als es nur möglich ist, dies mitten unter den tausend Barken zu tun, welche den schmalen Weg versperren, der zwischen zwei Reihen von Schiffen durch von dem Eingang des Hafens nach dem Quai d’Orleans führt.
Der Reeder folgte ihm lächelnd mit den Augen bis zum Quai, sah ihn auf die Platten desselben springen und sich unter der buntscheckigen Menge verlieren, welche von neun Uhr Morgens bis neun Uhr Abends die berühmte Rue de la Cannebière durchströmt, auf welche die neuen Phocäer so stolz sind, daß sie mit dem größten Ernste der Welt und mit dem Tone, der ihren Worten so viel Charakter verleiht, sagen: »Wenn Paris die Cannebière hätte, so wäre Paris ein kleines Marseille.«
Sich umwendend, erblickte der Reeder Danglars hinter sich, welcher dem Anscheine nach seine Befehle zu erwarten schien, in Wirklichkeit aber, wie er, dem jungen Seemann mit dem Blicke folgte. Nur war ein großer Unterschied in dem Ausdruck dieses doppelten Blickes, der demselben Menschen folgte.
Lassen wir es Danglars, von dem Geiste des Neides getrieben, versuchen, eine boshafte Mutmaßung gegen seinen Kameraden dem Reeder in das Ohr zu flüstern, und folgen wir Dantes, der, nachdem er die Cannebière in ihrer ganzen Länge durchlaufen hat, den Weg in die Rue de Noailles einschlägt, in ein kleines, auf der rechten Seite der Allée de Meillan gelegenes Haus tritt, rasch die vier Stockwerke einer dunkeln Treppe hinaufsteigt und, sich mit der einen Hand am Geländer haltend, mit der andern die Schläge seines Herzens zurückdrängend, vor einer halb geöffneten Türe, welche bis in den Hintergrund eines Zimmers sehen läßt, stehen bleibt.
Dieses Zimmer war das von dem Vater von Dantes bewohnte.
Die Nachricht von der Ankunft der Pharao war noch nicht bis zu dem Greise gedrungen, der, auf einem Stuhle sitzend, mit zitternder Hand einige Kapuziner vermischt mit Rebwinden, die sich am Gitter seines Fensters hinaufrankten, durch Stäbe zusammenzuhalten suchte. Plötzlich fühlte er sich von Armen umfaßt, und eine wohl bekannte Stimme rief hinter ihm:
»Mein Vater, mein guter Vater!«
Der Greis stieß einen Schrei aus und wandte sich um, dann seinen Sohn erblickend, warf er sich bebend und bleich in seine Arme:
»Was hast Du denn, Vater?« rief der junge Mann unruhig, »solltest Du krank sein?«
»Nein, nein, mein lieber Edmond, mein Sohn mein Kind, nein, ich erwartete Dich nicht, und die Freude, die Erschütterung bei Deinem unvorhergesehenen Anblick . . . ach! mein Gott, ich glaube, ich sterbe.«
»Beruhige Dich doch, mein Vater, ich bin es, ich! Man sagt, die Freude könne nicht schaden, und darum bin ich hier ohne Vorbereitung eingetreten. Sieh mich an, lächle mir zur statt mich, wie Du es tust, mit irren Augen anzuschauen. Ich komme zurück, und wir werden glücklich sein.«
»Ah, desto besser. mein Junge«, versetzte der Greis; »aber wie werden wir glücklich sein? Du verläßt mich also nicht mehr? Erzähle mir von Deinem Glücke.«
»Der Herr verzeihe mir«, erwiderte der junge Mann, »daß ich mich über ein mit der Trauer einer Familie gemachtes Glück freue. Aber Gott weiß, daß ich dieses Gluck nicht gewünscht hätte; es kommt, und ich besitze nicht die Kraft, mich darüber zu bekümmern. Der brave Kapitän Lerlère ist gestorben. mein Vater und durch die Protektion von Herrn Morrel bekomme ich wahrscheinlich seinen Platz. Begreifst Du, mein Vater, Kapitän mit zwanzig Jahren! . . . mit hundert Louisd’or Gehalt und einem Anteil am Nutzen! Ist das nicht mehr, als ein armer Matrose wie ich hoffen durfte?«
»Ja, mein Sohn, ja«, sprach der Greis, »das ist ein großes Gluck.«
»Von dem ersten Gelde, das ich gewinne, sollst Du auch ein Häuschen mit einem Garten bekommen. um Deine Rebwinden, Deine Kapuziner und Deine Geisblätter zu pflanzen. Aber was hast Du denn, Vater? Man sollte glauben. Du wärst unwohl?«
»Geduld, Geduld, es wird nichts sein.«
Und es schwanden dem Greise die Kräfte und er sank rückwärts.
»Rasch, rasch«, sagte der junge Mann. »ein Glas Wein wird Dich wiederbeleben; wo verwahrst Du Deinen Wein?«
»Nein, ich danke, ich brauche nichts«, sagte der Greis und wollte seinen Sohn zurückhalten.
»Doch, doch, Vater, nenne mir den Ort.«
Und er öffnete zwei oder drei Schränke.
»Vergeblich«, sprach der Greis, »es ist kein Wein mehr hier.«
»Wie, kein Wein mehr hier!« rief ebenfalls erbleichend Dantes, indes er abwechselnd die hohlen Wangen des Greises und die leeren Schränke anschaute. »Wie kein Wein mehr hier? sollte es Dir an Geld gefehlt haben?«
»Es fehlt mir an nichts. da Du jetzt hier bist«, versetzte der Greis.
»Ich habe Dir jedoch bei meiner Abreise vor drei Monaten zwei hundert Franken zurückgelassen.« stammelte Dantes, sich den Schweiß abtrocknend, der von seiner Stirne lief.
»Ja, ja Edmond, das ist wahr; aber Du hattest bei Deinem Abgang eine kleine Schuld bei dem Nachbar Caderousse vergessen: er erinnerte mich daran und sagte, wenn ich nicht für Dich bezahlte. so würde er sich von Herrn Morrel bezahlen lassen; Du begreifst, aus Furcht es könnte Dir schaden . . . «
»Nun?«
»Bezahlte ich.«
»Aber ich war Caderousse hundert und vierzig Franken schuldig!« rief Dantes.
»Ja«, stammelte der Greis.
»Und Du hast sie ihm von den zwei hundert Franken gegeben, die ich Dir zurückließ?«
Der Greis machte ein Zeichen mit dem Kopfe.
»Du lebtest also drei Monate lang mit sechzig Franken!« murmelte der junge Mann.
»Du weißt. wie wenig ich bedarf.« sagte der Greis.
»Oh! mein Gott. mein Gott! vergieb mir«, rief Edmond und warf sich vor dem alten Mann auf die Knie.
»Was machst Du denn?«
»Acht Du hast mir das Herz zerrissen.«
»Bah! Du bist hier«, erwiderte lächelnd der Greis. »und nun ist Alles vergessen. denn Alles ist gut.«
»Ja, ich bin hier«, versetzte der junge Mann. »ich bin hier mit einer schönen Zukunft und mit einigem Geld; hier. Vater. nimm. nimm. und lasse sogleich etwas holen.«
Und er leerte auf den Tisch seine Taschen aus, welche ein Dutzend Goldstücke, fünf bis sechs Fünffrankenthaler und etwas Münze enthielten.
Das Antlitz des Greises erheiterte sich.
»Wem dies?« fragte er.
»Mein . . . Dein, Uns! Nimm, kaufe Mundvorräte; sei glücklich, morgen gibt es andere.«
»Sachte, sachte.« sprach der Greis lächelnd. »mit Deiner Erlaubnis werde ich Deine Börse nur bescheiden benützen; wenn man mich zu viele Dinge auf ein Mal kaufen sehen wurde. könnte man glauben. ich wäre genötigt gewesen, zu diesem Behuf Deine Ankunft abzuwarten.«
»Mache es wie Du willst; aber vor Allem nimm eine Magd an. Du sollst nicht länger allein bleiben. Ich habe geschmuggelten Kaffee und vortrefflichen Tabak in einem Kistchen im Raume; morgen erhältst Du Beides; doch stille, hier kommt Jemand.«
»Es ist Caderousse. der Deine Ankunft erfahren haben wird und Dir zu Deiner Rückkehr Glück wünschen will.«
»Gut, abermals Lippen, welche etwas sagen, während das Herz ganz Anderes denkt!« murmelte Edmond. »Doch gleichviel, es ist ein Nachbar, der uns einst Dienste geleistet hat, darum mag er willkommen sein.«
In dem Augenblick. wo Edmond seinen Satz mit leiser Stimme vollendete, sah man wirklich den schwarzen, bärtigen Kopf von Caderousse durch die Türe des Vorplatzes erscheinen; es war ein Mann von fünf und zwanzig bis sechsundzwanzig Jahren: er hielt in der Hand ein Stück Tuch. das er, seinem Stande nach ein Schneider, in einen Umschlag zu verwandeln sich anschickte.
»Ah! Du bist endlich zurückgekehrt, Edmond?« sagte er mit einem sehr scharfen Marseiller Accente und mit einem breiten Lächeln. das seine elfenbeinweißen Zähne entblößte.
»Wie Sie sehen, Meister Caderousse, und bereit, Ihnen angenehm zu sein, in welcher Beziehung Sie auch wünschen mögen«, antwortete Dantes, seine Kälte nur schlecht unter diesem Anerbieten verbergend.
»Ich danke, ich danke, zum Glücke bedarf ich nichts, und es gibt sogar zuweilen Andere, welche meiner bedürfen.«
Dantes machte eine Bewegung.
»Ich sage das nicht Deinetwegen, mein Junge. Ich habe Dir Geld geliehen; Du hast mich bezahlt; das geschieht unter guten Nachbarn, und wir sind quitt.«
»Wir sind nie quitt gegen Diejenigen, welche uns Dienste geleistet haben«, antwortete Dantes, »denn wenn man ihnen nicht mehr Geld schuldig ist, so ist man ihnen doch Dankbarkeit schuldig.«
»Wozu hiervon sprechen? Was geschehen ist, ist geschehen. Sprechen wir von Deiner glücklichen Rückkehr, mein Junge. Ich war so an den Hafen hinaus gegangen, um kastanienbraunes Tuch zu kaufen, als ich dem Freunde Danglars begegnete.«
›Du, in Marseille?‹
›Ja wohl, wie Du siehst,‹ antwortete er mir.
›Ich glaubte, Du wärst in Smyrna.‹
›Ich könnte dort sein, denn ich komme von dieser Stadt zurück.‹
›Und Edmond, wo ist der Kleine?‹
›Bei seinem Vater ohne Zweifel,‹ antwortete mir Danglars; »und dann eilte ich hierher«, fuhr Caderousse fort, »um das Vergnügen zu haben, einem Freunde die Hand zu drücken.«
Caderousse
»Dieser gute Caderousse«, sprach der Greis, »er liebt uns so sehr.«
»Gewiß liebe ich Euch, und ich schätze Euch auch in Betracht, daß die, ehrlichen Leute so selten sind! Aber es scheint, Du kehrst reich zurück, mein Junge?« rief der Schneider, einen schiefen Blick auf die Hand voll Gold und Silber werfend, welche Dantes auf den Tisch gelegt hatte.
Der junge Mann bemerkte den Blitz der Gierde, der aus den schwarzen Augen seines Nachbars leuchtete.
»Ei, mein Gott!« erwiderte er mit gleichgültigem Tone, »dieses Geld gehört nicht mir. Ich gab dem Vater meine Befürchtung kund, es möchte ihm in meiner Abwesenheit an etwas mangeln, und um mich zu beruhigen, leerte er seine Börse auf den Tisch. Stecke dieses Geld wieder in Deine Sparbüchse«, fuhr Dantes fort. »falls nicht der Nachbar Caderousse ebenfalls Geld bedarf, sonst stünde es ihm zu Diensten.«
»Nein, mein Junge«, sagte Caderousse, »ich brauche nichts, und Gott sei Dank, das Handwerk nährt seinen Mann. Behalte Dein Geld, behalte es: man hat nie genug, dessen ungeachtet aber bin ich Dir so dankbar für Dein Anerbieten, als ob ich es benützte.«
»Es kam von gutem Herzen«, versetzte Dantes.
»Ich zweifle nicht daran.« Nun, Du stehst also auf das Beste mit Herrn Morrel, Du Schlaukopf?«
»Herr Morrel hat stets viel Güte für mich gehabt«, antwortete Dantes.
»Dann hattest Du Unrecht, sein Mittagsbrot auszuschlagen.«
»Wie sein Mittagsbrot ausschlagen«, versetzte der Alte, »er hatte Dich also zum Mittagsbrot eingeladen?«
»Ja, mein Vater«, erwiderte Edmond, über das Erstaunen lächelnd, das bei seinem Vater das Übermaß von Ehre veranlaßte, dessen Gegenstand er war.
»Und warum hast Du es ausgeschlagen, mein Sohn?« fragte der Greis.
»Um früher zu Dir zurückzukommen, mein Vater«, antwortete der junge Mann; »denn es drängte mich, Dich zu sehen.«
»Das wird den guten Herrn Morrel verdrossen haben«, versetzte Caderousse, und wenn man Kapitän zu werden beabsichtigt, so hat man Unrecht, seinen Reeder zu ärgern.«
»Ich habe ihm die Ursache meiner Weigerung erklärt«, sprach Dantes, »und er begriff hoffentlich.«
»Ah! um Kapitän zu werden«, muß man seinem Patron ein wenig schmeicheln.«
»Ich hoffe ohne dieses Kapitän zu werden«, antwortete Dantes.
»Desto besser, desto besser! Das wird allen alten Freunden Freude machen, und ich kenne Jemand da unten hinter der Zitadelle Saint-Nicolas, der nicht ärgerlich darüber sein wird.«
»Mercedes?« sprach der Greis.
»Ja, mein Vater«, versetzte Dantes, »und jetzt, da ich Dich gesehen habe, da ich weiß, daß Du Dich wohl befindest und Alles hast, was Du brauchst, bitte ich Dich um Erlaubnis, bei den Cataloniern Besuch zu machen.«
»Geh’, mein Kind, gehe«, sprach der alte Dantes, und Gott segne Deine Frau, wie er mich in meinem Sohne gesegnet hat.«
»Seine Frau!« rief Caderousse, »wie Ihr rasch zu Werke geht, Vater Dantes. Es scheint mir, sie ist es noch nicht.«
»Nein, aber aller Wahrscheinlichkeit nach«, antwortete Edmond, »wird sie es bald werden.«
»Gleichviel, gleichviel«, sprach Caderousse, »Du hast wohl daran getan, Dich zu beeilen, mein Sohn.«
»Warum dies?«
Dantes Vater
»Weil die Mercedes ein hübsches Mädchen ist, und es den hübschen Mädchen nicht an Liebhabern fehlt. Ihr besonders laufen sie zu Dutzenden nach.«
»Wirklich?« sprach Edmond mit einem Lächeln, unter welchem eine leichte Schattierung von Unruhe hervortrat.
»O ja«, antwortete Caderousse, »und sogar schöne Partien; aber Du begreifst, Du sollst Kapitän werden, und man wird sich wohl hüten, Deine Hand auszuschlagen.«
»Was so viel sagen will«, versetzte Dantes mit einem Lächeln, das seine Unruhe nur schlecht verbarg, »wenn ich Kapitän wäre, . . . «
»Eh, eh!« rief Caderousse,
»Stille«, sprach der junge Mann, »ich habe eine bessere Meinung als Ihr von den Frauen im Allgemeinen, und von Mercedes insbesondere, und ich bin überzeugt, daß sie mir, mag ich Kapitän sein oder nicht, treu bleiben wird.«
»Desto besser, desto besser«, versetzte Caderousse, »wenn man sich verheiraten will, ist es immer ein gutes Ding um den Glauben, Doch was liegt daran! folge mir, mein Junge, verliere keine Zeit, melde ihr Deine Ankunft und teile ihr Deine Hoffnungen mit.«
»Ich gehe«, sprach Edmond.
Und er umarmte seinen Vater, grüßte Caderousse mit einem Zeichen des Kopfes und entfernte sich.
Caderousse blieb noch einen Augenblick, nahm dann von dem alten Dantes Abschied, ging ebenfalls die Treppe hinab und suchte Danglars wieder auf, der ihn an der Ecke der Rue Senat erwartete.
»Nun«, sagte Danglars, »hast Du ihn gesehen?«
»Ich komme von ihm her«, antwortete Caderousse.
»Hat er von seiner Hoffnung, Kapitän zu werden, mit Dir gesprochen?«
»Er spricht davon, als ob er es bereits wäre.«
»Geduld! Geduld!« sagte Danglars, »es scheint mir er eilt ein wenig zu sehr.«
»Bei Gott, es kommt mir vor, als hätte er das Versprechen von Herrn Morrel.«
»Er ist also sehr vergnügt?«
»Das heißt: er ist frech, denn er hat mir seine Dienste angeboten, als ob er eine große Person wäre; er hat mir Geld zu leihen angetragen, als ob er Bankier wäre.«
»Und Du hast es ausgeschlagen?«
»Ganz und gar, obwohl ich es hätte annehmen können, in Betracht, daß ich es bin, der ihm die ersten weißen Stücke, die er besaß, in die Hand gegeben. Aber nun wird Herr Dantes Niemand mehr nötig haben, denn er soll Kapitän werden.«
»Bah!« sagte Danglars, »er ist es noch nicht.«
»Meiner Treue, es wäre gute wenn er es nicht würde«, sprach Caderousse, »denn sonst könnte man nicht mehr mit ihm reden.«
»Wenn wir nur wollen«, versetzte Danglars, »wird er das bleiben, was er ist, und vielleicht noch weniger werden.«
»Was sagst Du?«
»Nichts, ich spreche mit mir selbst. Und er ist immer noch in die Catalonierin verliebt?«
»Wie verrückt: so eben ist er zu ihr gegangen. Doch wenn ich mich nicht sehr täusche, wird er Unannehmlichkeiten von dieser Seite haben.«
»Erkläre Dich.«
»Wozu?«
»Es ist wichtiger, als Du glaubst: Du liebst Dantes nicht, wie?«
»Ich liebe die Anmaßenden nie.«
»Nun, so sage mir, was Du in Beziehung auf die Catalonierin weißt.«
»Ich weiß nichts Bestimmtes; nur habe ich Dinge gesehen, welche mich glauben machen, wie ich Dir sagte, daß der zukünftige Kapitän Unannehmlichkeiten in der Gegend des Weges der Vicilles-Infirmèries haben wird.«
»Was hast Du gesehen? Sprich!«
»Nun, ich habe gesehen, daß Mercedes, so oft sie in die Stadt kommt, von einem großen Catalonier mit schwarzem Auge und roter Haut, einem glühenden Burschen, den sie mein Vetter nennt, begleitet wird.«
»Ah, wirklich! Und glaubst Du, dieser Vetter mache ihr den Hof?«
»Ich denke wohl. Was Teufels kann ein großer Bursche von ein und zwanzig Jahren mit einem hübschen Mädchen von siebzehn machen!«
»Und Du sagst, Dantes sei zu den Cataloniern gegangen?«
»Er hat sich vor mir entfernt.«
»Wenn wir in derselben Richtung gingen, so könnten wir bei der Reserve anhalten und bei einem Glase Lamalgue-Wein auf Nachrichten warten.«
»Und wer wird sie uns geben?«
»Wir sind auf dem Wege und werden wohl Dantes an dem Gesichte ansehen, was vorgefallen ist.«
»Vorwärts«, sprach Caderousse, »aber Du bezahlst?«
»Ganz gewiss«, antwortete Danglars.
Und Beide begaben sich mit raschen Schritten nach dem bezeichneten Orte. Hier angelangt, ließen sie sich eine Flasche und zwei Gläser bringen.
Der Vater Pamphile hatte Dantes kaum zehn Minuten vorübergehen sehen.,
Gewiß, daß Dantes bei den Cataloniern war, setzten sie sich unter das frische Laubwerk von Platanen und Sykomoren, in deren Zweigen eine lustige Bande von Vögeln einen der ersten schönen Frühlingstage besang.
Hundert Schritte von dem Orte wo die zwei Freunde, die Blicke nach dem Horizont gerichtet, das Ohr auf der Lauer, den sprudelnden Lamalgue-Wein tranken, erhob sich hinter einem nackten, von der Sonne und dem Mistral zerfressenen Hügel das kleine Dorf der Catalonier.
Eines Tags brach eine geheimnisvolle Kolonie von Spanien auf und landete an der Erdzunge, wo sie sich noch heutigen Tages befindet. Man wußte nicht, woher sie kam, und sie sprach eine unbekannte Sprache. Einer von den Führern, der das Provenzalische verstand, bat die Gemeinde Marseille, ihnen dieses nackte, unfruchtbare Vorgebirge zu geben, auf das sie wie die Matrosen des Altertums, ihre Schiffe gezogen hatten. Die Bitte wurde bewilligt, und drei Monate nachher erhob sich um zwölf bis fünfzehn Fahrzeuge, welche diese Zigeuner des Meeres mitgebracht hatten, ein kleines Dorf.
Dieses Dorf, auf eine bizarre und malerische Weise halb im maurischen, halb im spanischen Style gebaut, ist dasjenige, welches man noch heutzutage von den Abkömmlingen dieser Menschen bewohnt sieht, die auch die Sprache ihrer Väter beibehalten haben. Seit drei bis vier Jahrhunderten sind sie dem kleinen Vorgebirge treu geblieben, auf das sie eingefallen waren, wie ein Schwarm von Seevögeln, ohne sich in irgend einer Beziehung mit der Bevölkerung von Marseille zu vermischen, denn sie heirateten unter sich und behielten die Sitten und die Tracht ihres Mutterlandes bei, wie sie die Sprache bei. behalten hatten.
Die Leser müssen uns durch die einzige Straße dieses Dörfchens folgen und mit uns in eines von den Häusern eintreten, denen die Sonne außen die schön braungelbe, den Denkmälern des Landes eigentümliche, Färbung, und eine Lage von Steinmörtel innen die weiße Tinte gegeben hat, welche die einzige Ausschmückung der spanischen Posadas bildet.
Ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren und Augen samtartig, wie die der Gazelle, stand an eine Wand gelehnt und zerknitterte mit ihren zart zugespitzten Fingern ein unschuldiges Heidekraut, von dem sie die Blumen abriß und dessen Stücke sie auf dem Boden umher streute. Ihre bis an den Ellbogen entblößten Arme, weiche zwar gebrannt waren, aber nach denen der Venus von Arles geformt zu sein schienen, bebten von einer gewissen fieberhaften Ungeduld, und sie schlug mit ihrem geschmeidigen, schön gebogenen Fuße auf die Erde, so daß man halb die reine, stolze kühne Form ihres in einen baumwollenen Strumpf mit grau und roten Zwickeln eingeschlossenen Beines sah.
Drei Schritte von ihr auf einem Stuhle sitzend, den er hin und her wiegte, den Ellbogen auf einen wurmstichigen Schrank gestützt, betrachtete sie ein großer Bursche von zwanzig bis einundzwanzig Jahren mit einer Miene in der sich Unruhe und Trotz bekämpften; Seine Augen fragten, aber der feste, entschiedene Blick des jungen Mädchens beherrschte den Jüngling.
»Laßt hören, Mercedes«, sagte der junge Mann, »Ostern kommt wieder, es ist die Zeit, Hochzeit zu machen, antwortet mir?«
»Ich habe Euch hundert Mal geantwortet, Fernand; und Ihr müßt in der Tat Euer eigener Feind sein, daß Ihr mich noch ein Mal befragt!«
»Nun, wiederholt es, ich bitte Euch, wiederholt es noch ein Malz daß ich es endlich glauben kann. Sagt mir zum hundertsten Male, daß Ihr eine Liebe ausschlagt, die Eure Mutter billigte. Macht mir begreiflich, daß Ihr mit meinem Glücke Euer Spiel treibt, daß mein Leben und mein Tod nichts für Euch und sind. Ach mein Gott, mein Gott! zehn Jahre lang geträumt haben, Euer Gatte zu werden, und diese Hoffnung verlieren, welche der einzige Zweck meines Lebens war!«
»Ich bin es wenigstens nicht gewesen, die Euch in dieser Hoffnung ermutigt hat, Fernand«, antwortete Mercedes. Ihr habt mir keine einzige Koketterie in dieser Hinsicht vorzuwerfen. Stets sagte ich Euch: Ich liebe Euch wie meinen Bruder: fordert aber nie etwas Anderes von mir, als diese brüderliche Liebe; denn mein Herz gehört einem Anderer. Ich habe Euch das immer gesagt. Fernand.«
»Ja, ich weiß es wohl. Mercedes«, antwortete der junge Mann. »Ja, Ihr habt Euch mir gegenüber das grausame Verdienst der Offenherzigkeit gegeben. Aber vergeßt Ihr, daß bei den Cataloniern das heilige Gesetz besteht, sich nur unter einander zu heiraten?«
»Ihr täuscht Euch, Fernand, es ist kein Gesetz, es ist eine Gewohnheit, und nichts weiter. Führt diese Gewohnheit nicht zu Euren Gunsten an. Ihr seid der Conscription verfallen. Die Freiheit, die man Euch läßt, ist eine einfache Duldung. Jeden Augenblick könnt Ihr unter die Fahne gerufen werden. Seid Ihr einmal Soldat, was wird aus mir werden? aus einem armen traurigen, vermögenlosen Mädchen, das als einzige Habe nur eine baufällige Hütte besitzt, in der ein paar abgenutzte Netze hängen, . . . die elende Erbschaft von meinem Vater meiner Mutter, von meiner Mutter mit hinterlassen! Seit einem Jahre, daß sie tot ist, lebe ich beinahe von der öffentlichen Wohltätigkeit. Zuweilen gebt Ihr Euch den Anschein, als ob ich Euch nützlich wäre, um das Recht zu haben, Euren Fischfang mit mir zu teilen. Ich nehme es an. Fernand, weil Ihr der Sohn eines Bruders von meinem Vater seid, weil wir mit einander erzogen worden sind, und mehr noch als alles Dies, weil es Euch zu viel Kummer machen würde, wenn ich es ausschlüge; aber ich fühle wohl, daß der Fisch, den ich verwerte, und wovon ich das Geld beziehe, mit dem ich den Hanf kaufe, welchen ich spinne, ich fühle es wohl, Fernand, daß er ein Almosen ist.«
Fernand und Mercedes
»Und was liegt daran. Mercedes. wenn Ihr, arm und vereinzelt, wie Ihr seid, mir besser zusagt, als die Tochter des stolzesten Reeders und des reichsten Bankier von Marseille! Was brauchen wir Leute? ein ehrliches Weib, eine gute Hauswirtin. Wo sollte ich in diesen beiden Beziehungen etwas Besseres finden, als Ihr seid?«
»Fernand,« antwortete Mercedes den Kopf schüttelnd. »man wird eine schlechte Hauswirtin und kann nicht dafür stehen. daß man eine ehrliche Frau bleibt, wenn man einen andern Mann liebt, als seinen Gatten. Begnügt Euch mit meiner Freundschaft. denn ich wiederhole Euch, das ist Alles, was ich Euch versprechen kann, und ich verspreche nur das, was ich geben zu können sicher bin.«
»Ja, ich begreife,« sagte Fernand. »Ihr ertragt geduldig Eure Armut, aber ihr habt bange vor der meinigen. Nun wohl, Mercedes, von Euch geliebt, werde ich mich aufzuschwingen suchen. Ihr bringt mir Glück, und ich werde reich. Ich kann mein Fischergewerbe ausdehnen. ich kann als Commis in ein Comptoir eintreten, ich kann sogar Kaufmann werden!«
»Ihr könnt von allem Dem nichts versuchen, Fernand. Ihr seid Soldat und wenn Ihr unter den Cataloniern weilt, so ist dies nur der Fall, weil gegenwärtig kein Krieg geführt wird. Bleibt also Fischer, haltet Euch fern von den Träumen, die Euch die Wirklichkeit nur noch furchtbarer erscheinen lassen würden, begnügt Euch mit meiner Freundschaft. da ich Euch nichts Anderes geben kann.«
»Ihr habt Recht, Mercedes, ich werde Seemann. Ich habe dann statt der Tracht unserer Väter, die Ihr verachtet, einen gefirnißten Hut, ein gestreiftes Hemd und ein blaues Wamms mit Ankern auf den Knöpfen. Muß man nicht so gekleidet sein, um Euch zu gefallen?«
»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Mercedes und schleuderte ihm einen gebieterischen Blick zu. »Was wollt Ihr damit sagen, ich verstehe Euch nicht.«
»Ich will damit sagen, Mercedes. daß Ihr nur so grausam und hart gegen mich seid. weil Ihr Einen erwartet, der auf diese Art gekleidet ist. Aber der Mann, den Ihr erwartet. ist vielleicht unbeständig, und wenn er es nicht ist, so ist es das Meer für ihn.«
»Fernand,« rief Mercedes. »ich hielt Euch für gut. aber ich täuschte mich! Ihr habt ein schlechtes Herz, daß Ihr mit Eurer Eifersucht den Zorn des Himmels herabruft. Nun wohl, ja, ich verstelle mich nicht: ich erwarte und liebe denjenigen, welchen Ihr meint, und wenn, er nicht zurückkehrt. so werde ich, statt die Unbeständigkeit anzuklagen, die Ihr bezeichnet, behaupten. er sei mich liebend gestorben.«
Der junge Catalonier machte eine Gebärde der Wut.
»Ich verstehe Euch, Fernand, Ihr werdet Euch dafür rächen, daß ich Euch nicht liebe. Ihr werdet Euer katalanisches Messer mit seinem Dolche kreuzen! Wozu soll Euch das führen? Dazu. daß Ihr meine Freundschaft verliert, wenn Ihr besiegt werdet, daß Ihr meine Freundschaft sich in Haß verwandeln seht, wenn Ihr Sieger seid. Glaubt mir, Streit, mit einem Manne suchen, ist ein schlechtes Mittel, der Frau zu gefallen, die diesen Mann liebt. Nein, Fernand, Ihr werdet Euch nicht so durch Eure, schlimmen Gedanken hinreißen lassen. Da Ihr mich nicht als Frau besitzen könnt, so werdet Ihr Euch begnügen. mich zur Freundin und zur Schwester zu haben, und überdies«, fügte sie mit unruhigen. Tränenfeuchten Augen bei, »wartet, Fernand: Ihr habt so eben gejagt. das Meer sei treulos; und er ist schon vier Monate abgereist, seit vier Monaten habe ich viele Stürme gezählt.«
Fernand blieb unempfindlich. Er suchte nicht die Tränen zu trocknen, welche über die Wangen von Mercedes herabrollten, und dennoch hätte er für jede von ihrer Tränen ein Glas von seinem Blute gegeben: aber diese Tränen flossen nicht für ihn.
Er stand auf, ging in der Hütte umher, kehrte zurück, blieb mit düsterem Auge und geballten Fäusten vor Mercedes stehen und sagte:
»Laßt hören. Mercedes, noch ein Mal, antwortet; steht Euer Entschluß fest?«
»Ich liebe Edmond Dantes«, antwortete kalt das junge Mädchen. »und kein Anderer als Edmond soll mein Gatte werden.«
»Und Ihr werdet ihn immer lieben?«
»So lange ich lebe.«
Fernand ließ das Haupt sinken wie ein entmutigter Mensch und stieß einen Seufzer aus. Dann plötzlich die Stirne wieder erhebend, die Zähne zusammengepreßt und die Nase weit ausgedehnt. rief er:
»Aber wenn er tot ist?«
»Wenn er tot ist. sterbe ich.«
»Aber wenn er Euch vergißt?«
»Mercedes!« rief eine freudige Stimme vor dem Hause. »Mercedes!«
»Ah!« rief das junge Mädchen vor Entzücken errötend und vor Liebe hoch aufspringend. »Ihr seht, daß er mich nicht vergessen hat, denn er ist da!«
Und sie lief nach der Türe, öffnete sie und schrie:
»Herein. Edmond, hier bin ich!«
Fernand wich bleich und bebend zurück, wie dies der Reisende bei dem Anblick einer Schlange tut, stieß an seinen Stuhl und sank auf denselben nieder.
Edmond und Mercedes lagen einander in den Armen. Die glühende Sonne von Marseille drang durch eine Öffnung der Türe und übergoß sie mit einer Woge von Licht. Anfangs sahen sie nichts von dem, was sie umgab. Ein unermeßliches Glück trennte sie von der Welt und sie sprachen nur in den abgebrochenen Worten, welche die Ergüsse einer so lebhaften Freude sind, daß sie der Ausdruck des Schmerzes zu ein scheinen.
Plötzlich erblickte Edmond das finstere Antlitz von Fernand, wie es bleich und drohend aus dem Schatten hervortrat. Durch eine Bewegung, von der er sich vielleicht selbst nicht Rechenschaft gab, hielt der junge Catalonier die Hand an das Messer, das in seinem Gürtel stak
»Ah! um Vergebung«, sagte Dantes, ebenfalls die Stirne faltend, »ich hatte nicht bemerkte daß wir zu Drei sind!«
Sich sodann gegen Mercedes umwendend, fragte er:
»Wer ist dieser Herr?«
»Dieser Herr wird Dein bester Freund sein, Dantes denn es ist auch mein Freund, es ist mein Vetter, es ist mein Bruder, es ist Fernand, der Mann, den ich nach Dir, Edmond, am meisten in der Welt liebe. Erkennst Du ihn nicht mehr?«
»Ah, gewiss!« sprach Edmond, und ohne Mercedes zu verlassen, deren Hand er in einer von den seinigen hielt, reichte er mit einer herzlichen Bewegung seine andere Hand dem Catalonier.
Aber Fernand, weit entfernt, diese freundschaftliche Gebärde zu erwidern, blieb stumm und unbeweglich wie eine Statue.
Da ging Edmond mit seinem forschenden Blicke von der bewegten zitternden Mercedes zu dem düsteren drohenden Fernand über.
Dieser einzige Blick sagte ihm Alles.
Der Zorn stieg ihm zu Kopfe.
»Als ich mit so großer Eile zu Euch lief, Mercedes wußte ich nicht, daß ich einen Feind hier finden würde«, sagte er.
»Einen Feind!« rief Mercedes mit einem zornigen Blicke auf ihren Vetter; »einen Feind bei mir, sagst Du, Edmond! Wenn ich das glaubte so nähme ich Dich beim Arme, ginge nach Marseille, und würde dieses Haus verlassen, um nie mehr dahin zurückzukehren.«
Das Auge von Fernand schleuderte einen Blitz.
»Und wenn Dir Unglück widerführe, mein Edmond«, fügte sie mit einer unversöhnlichen Kälte bei, welche Fernand bewies, daß das Mädchen in der Tiefe seiner finsteren Gedanken gelesen hatte, »wenn Dir Unglück widerführe, so stiege ich auf das Cap Morgiou und stürzte mich kopflings auf die Felsen hinab.«
Fernand wurde furchtbar bleich.
»Aber Du hast Dich getäuscht, Edmond«, fuhr sie fort, »Du hast keinen Feind hier, es ist nur Fernand mein Bruder, hier, der Dir die Hand wie ein ergebener Freund drücken wird.«
Und bei diesen Worten heftete Mercedes ihren gebieterischen Blick auf den Catalonier, der, als würde er von diesem Blicke bezaubert, sich langsam Edmond näherte und ihm die Hand reichte.
Sein Haß, einer ohnmächtigen, obgleich wütenden Welle ähnlich, hatte sich an der Herrschaft gebrochen, welche dieses Mädchen über ihn ausübte.
Aber kaum halte er die Hand von Edmond berührt, als er fühlte, daß er Alles getan, was er tun konnte, und aus dem Hause stürzte.
»Oh!« rief er, wie ein Wahnsinniger fortrennend, und die Hände in seine Haare tauchend, »oh! wer wird mich von diesem Menschen befreien! Wehe mir! wehe mir!«
»He, Catalonier! he, Fernand! wohin läufst Du?« sprach eine Stimme.
Der junge Mann blieb stille stehen, schaute umher und erblickte Caderousse, welcher mit Danglars unter einer Laube an einem Tische saß.
»He!« sagte Caderousse, »warum kommst Du nicht? Hast Du so große Eile, daß es Dir an Zeit gebricht, Deinen Freunden einen guten Morgen zu wünschen?«
»Besonders wenn sie noch eine beinahe volle Flasche vor sich stehen haben?« fügte Danglars bei.
Fernand schaute die zwei Männer mit einer einfältigen Miene an und antwortete nicht.
»Er scheint ganz verblüfft«, sagte Danglars und stieß dabei Caderousse mit dem Knie. »Sollten wir uns getäuscht haben und Dantes gegen unsere Voraussicht siegen!«
»Verdammt, man muß doch sehen!« erwiderte Caderousse. Dann sich gegen den jungen Mann umwendend, sagte er:
»Nun, Catalonier, willst Du Dich entschließen?«
Fernand trocknete den Schweiß ab, der von seiner Stirne floß, und trat langsam unter die Laube, deren Schatten seinen Sinnen etwas Ruhe, deren Frische seinem erschöpften Körper etwas Wohlbehagen zu geben schien.
»Guten Morgen«, sagte er, »Ihr habt mich gerufen nicht wahr?«
Und er fiel mehr als er sich setzte auf einen von den Stühlen, welche um den Tisch standen.
»Ich rief Dich, weil Du liefst wie ein Narr, und weil ich befürchtete Du könntest Dich in das Meer stürzen«, erwiderte lachend Caderousse. »Was Teufels, wenn man Freunde hat, so ist es nicht nur der Fall, um ihnen ein Glas Wein anzubieten, sondern auch um sie zu verhindern, drei bis vier Pinten Wasser zu trinken!«
Fernand stieß einen Seufzer aus, der einem Schluchzen glich, und ließ seinen Kopf auf seine zwei Fäuste sinken, die er kreuzweise auf den Tisch gelegt hatte.
»Willst Du, daß ich es Dir sagen soll, Fernand«, versetzte Caderousse, das Gespräch mit der gemeinen Plumpheit der Leute aus dem Volke anknüpfend, welche die Neugierde jede Diplomatie vergessen läßt; »Du siehst aus, wie ein gänzlich geschlagener Liebhaber.«
Und er begleitete diesen Spaß mit einem schwerfälligen Gelächter.
»Bah«, sagte Danglars. »ein Junge von diesem Schnitte ist nicht gemacht. um in der Liebe unglücklich zu sein. Du scherzest Caderousse.«
»O nein«, erwiderte dieser, »höre nur, wie er seufzt. Ruhig, Fernand.« fügte Caderousse bei, »die Nase hoch gehalten und geantwortet. Es ist nicht liebenswürdig, Freunden nicht zu antworten, welche sich nach unserer Gesundheit. erkundigen.«
»Meine Gesundheit ist gut«, antwortete Fernand, seine Fäuste krampfhaft zusammenziehend. aber ohne den Kopf zu heben.
»Oh. siehst du Danglars.« sagte Caderousse und machte dabei seinem Freunde aus einem Augenwinkel ein Zeichen. »das ist die Sache: Fernand, den Du hier siehst, ein guter. braver Catalonier, einer der besten Fischer von Marseille. ist in ein schönes Mädchen Namens Mercedes verliebt. Doch leider scheint das junge Mädchen seinerseits in den Second der Pharao verliebt zu sein. Und da die Pharao heute in den Hafen eingelaufen ist, so verstehst Du . . . «
»Nein ich verstehe nicht.« erwiderte Danglars.
»Der arme Fernand wird seinen Abschied bekommen haben.« fuhr Caderousse fort.
»Wohl, und dann?« sprach Fernand das Haupt erhebend. und schaute Caderousse wie ein Mensch an, welcher Einen sucht, um seinen Zorn auf ihn fallen zu lassen. Mercedes hängt von Niemand ab. nicht wahr? es sieht ihr frei. zu lieben. wen sie will?«
»Ah! wenn Du es so nimmst«, entgegnete Caderousse. »so ist es etwas Anderes. Ich hielt Dich für einen Catalonier, und man hatte mir gesagt. die Catalonier wären nicht die Männer, um sich durch einen Anderen ausstechen zu lassen, man fügte sogar bei, Fernand besonders wäre furchtbar in feiner Rache.«
Fernand lächelte mitleidig und erwiderte:
»Ein Verliebter ist nie furchtbar.«
»Armer Junge«, versetzte Danglars, der sich den Anschein gab, als beklagte er den jungen Mann aus der Tiefe seines Herzens. »Was willst Du? Er war nicht darauf gefaßt, Dantes so plötzlich zurückkommen zu sehen. Er hielt ihn vielleicht für tot, für ungetreu, wer weiß! man ist bei dergleichen Dingen um so empfindlicher, je mehr sie uns unerwartet begegnen.«
»Ah! meiner Treue, in jedem Fall«, sagte Caderousse, welcher trank, während er sprach, und auf den der sprudelnde Wein von Lamalgue seine Wirkung zu machen anfing, »in jedem Fall ist Fernand nicht der Einzige, den die glückliche Ankunft von Dantes ärgert! Nicht wahr Danglars?«
»Nein, Du sprichst die Wahrheit, und ich glaube beinahe behaupten zu können, daß ihm dies Unglück bringen wird.«
»Doch gleichviel«, versetzte Caderousse, goß Fernand ein Glas Wein ein und füllte zum achten oder zehnten Male sein eigenes Glas, während Danglars nur an dem seinigen genippt hatte; »gleichviel, mittlerweile heiratet er Mercedes, die schöne Mercedes, er kommt wenigstens deshalb zurück.«
Während dieser Zeit betrachtete Danglars mit einem durchdringenden Blick den jungen Mann, auf dessen Herz die Worte von Caderousse wie geschmolzenes Blei fielen.
»Und wann soll die Hochzeit sein?« fragte er.
»Oh! sie ist noch nicht gemacht«, murmelte Fernand.
»Nein, aber sie wird sich machen«, entgegnete Caderousse, »so gewiss, als Dantes Kapitän der Pharao sein wird; nicht wahr, Danglars?«
Danglars bebte bei diesem unerwarteten Stiche und wandte sich gegen Caderousse um, dessen Gesicht er ebenfalls studierte, um zu sehen, ob ihm der Stich mit Vorbedacht versetzt worden wäre. Aber er sah nichts, als den Neid auf dem durch die Trunkenheit bereits albernen Gesichte.
»Nun wohl«, sprach er, die Gläser wieder füllend, »trinken wir also auf die Gesundheit des Kapitän Edmond Dantes, des Gatten der schönen Catalonierin!«
Caderousse setzte mit einer schweren Hand sein Glas an den Mund und leerte es auf einen Zug Fernand, nahm das seinige und schleuderte es auf die Erde.
»He, he, he!« rief Caderousse, »was erblicke ich da oben auf dem Hügel in der Richtung der Catalonier! Sieh doch, Fernand! Du hast ein besseres Gesicht als ich. Ich glaube, ich fange an doppelt zu sehen, und Du weißt, der Wein ist ein Verräter. Man sollte glauben, es wären zwei Liebende, welche Hand in Hand neben einander gingen. Gott vergebe mir! sie vermuten nicht, daß wir sie sehen, und umarmen sich sogar.«
Danglars verlor keine von den schmerzlichen Bewegungen von Fernand, dessen Gesicht sich augenscheinlich entstellte.
»Kennen Sie diese Leute, Herr Fernand?« sagte er.
»Ja«, antwortete dieser mit dumpfer Stimme; »es ist Herr Edmond und Mademoiselle Mercedes.«
»Ah, seht Ihr«, sprach Caderousse, »und ich erkannte sie nicht einmal! Oho, Dantes! oho schönes Mädchen! kommt ein wenig hierher und sagt uns wann die Hochzeit sein wird; denn Herr Fernand weigert sich hartnäckig, es uns zu sagen.«
Danglars
»Willst Du wohl schweigen.« sprach Danglars, der sich den Anschein gab, als wollte er Caderousse zurückhalten, welcher sich mit der Halsstarrigkeit der Trunkenen aus der Laube hervorneigte. »Suche dich aufrecht zu halten und laß die Verliebten sich ruhig lieben. Sieh, schau’ Herr Fernand an und nimm ein Beispiel an ihm: er ist vernünftig.«
Vielleicht war Fernand auf das Äußerste gebracht, von Danglars aufgestachelt wie der Stier durch die Bandilleros, im Begriff hinauszustürzen, denn er hatte sich bereits erhoben und schien sich auf sich selbst zusammenzudrängen, um seinem Nebenbuhler entgegen zu springen; aber lachend und mutig erhob Mercedes ihr schönes Haupt und ließ ihren klaren Blick strahlen. Da erinnerte sich Fernand ihrer Drohung, zu sterben, wenn Edmond sterben würde, und fiel völlig entmutigt auf seinen Stuhl zurück.
Danglars schaute abwechselnd die zwei Männer an: der Eine schien verdumpft durch die Trunkenheit, der Andere bewältigt durch die Liebe.
»Ist werde aus diesen zwei Einfaltspinseln keinen Nutzen ziehen und fürchte sehr, hier zwischen einem Trunkenbold und einem Feigen zu sitzen, Da ist ein Eifersüchtiger, der sich im Weine berauscht, statt daß er sich mit Galle besaufen sollte. Hier ist ein Dummkopf, dem man seine Geliebte unter der Nase weggeschnappt hat, und der sich begnügt zu weinen und zu klagen, wie ein Kind. Und das hat doch flammende Augen, wie die Spanier, wie die Italiener und die Calabresen, die sich so schön rächen; das hat Fäuste, um einem Ochsen den Schädel so sicher zu zerschmettern, als es die Keule eines Schlächters tun wurde. Das Geschick von Edmond trägt entschieden den Sieg davon: er heiratet das schöne Mädchen, er wird Kapitän und spottet unserer, wenn nicht, . . . ein düsteres Lächeln trat auf die Lippen von Danglars . . . wenn ich mich nicht darein mische«, fügte er bei.
»Holla«, schrie Caderousse, halb aufgestanden und mit den Fäusten auf den Tisch gestützt, »holla Edmond! siehst Du die Freunde nicht oder bist Du bereits zu stolz, um mit ihnen zu sprechen?«
»Nein, mein lieber Caderousse«, antwortete Dantes, »ich bin nicht zu stolz, ich bin glücklich, und das Glück blendet, glaube ich, noch mehr als der Stolz.«
»Das lasse ich mir gefallen; das ist eine Erklärung«, sprach Caderousse. »Ei, guten Morgen, Madame Dantes.«
Mercedes grüßte ernst und erwiderte:
»Das ist noch nicht mein Name, und in meinem Lande bringt es wie man sagt, Unglück; die Mädchen mit dem Namen ihres Bräutigams zu nennen, ehe dieser ihr Gatte geworden ist; ich bitte Sie also, nennen Sie mich Mercedes.«
»Man muß ihm verzeihen, diesem guten Caderousse«, sprach Dantes.
»Die Hochzeit soll also ungesäumt stattfinden, Herr Dantes?« fragte Danglars und begrüßte die zwei jungen Leute.
»So bald als möglich, Herr Danglars. Heute die Verträge bei dem Papa Dantes, und morgen, oder spätestens übermorgen das Hochzeitsmahl hier in der Reserve. Die Freunde werden sich hoffentlich dabei einfinden; das heißt, Sie sind eingeladen, Herr Danglars, und Du bist ebenfalls eingeladen, Caderousse.«
»Und Fernand?« versetzte Caderousse mit einem ekelhaften Gelächter; »Fernand auch?«
»Der Bruder meiner Frau ist mein Bruder, und wir könnten es nur mit tiefem Bedauern sehen, . . . Mercedes und ich, . . . wenn er sich in einem solchen Augenblicke von uns entfernen würde.«
Fernand öffnete den Mund, um zu antworten; aber, seine Stimme erlosch in seiner Kehle, und er vermochte nicht ein Wort zu artikulieren.