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Magisterarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Orientalistik / Sinologie - Japanologie, Note: 1,3, Ludwig-Maximilians-Universität München (Japan Zentrum), Sprache: Deutsch, Abstract: Japanische Geschichtsschreibung verleitet angesichts der zahlreichen einschneidenden Ereignisse dazu, in mehr oder weniger klar definierbaren Perioden verstanden zu werden. Zwischen diesen Perioden können Wendepunkte stehen, wie zum Beispiel der 17. Januar 1995 einer ist. In nur wenigen Minuten am frühen Morgen dieses Tages wurde Kōbe, eine der bedeutendsten Städte Japans, so stark von einem Erdbeben erschüttert, dass fast die gesamte Stadt mitsamt dem weltberühmten Seehafen zerstört wurden. Die Auswirkungen des Erdbebens betrafen die gesamte umliegende Kansai-Region, so dass bis heute in vielen Zeitschriften und Berichten klar in eine Zeit vor und nach dem 17. Januar 1995 unterschieden wird. Auch wenn wir schon das Jahr 2004 schreiben und im Jahr 2002 der Wiederaufbau der Stadt offiziell gefeiert wurde, möchte ich angesichts einer praktisch am Boden liegenden Stadt inne halten und diesen, sowie alle weiteren bedeutenden Wendepunkte rekapitulieren, die diese Stadt, und insbesondere ihr Hafen in der Vergangenheit zu bewältigen hatten. Der Blickwinkel dieser geschichtlichen Spurensuche geht von kulturellen, sozialen, technologischen und letztlich auch politischen Umwälzungen aus, also der Modernisierung Japans und deren Wirkung auf die Entwicklung des Hafens. Aber auch umgekehrt lassen sich Rückschlüsse auf die Rolle des Hafens während der Modernisierung Japans machen, die ebenfalls angesprochen werden wird. Letztlich soll auch in Anbetracht der Entwicklungsgeschichte des Hafens die Frage gestellt werden, ob Besonderheiten herauszustellen sind, die vom Hafen Kōbe ausgehend, Rückschlüsse auf die Funktionsmechanismen des Modernisierungsprozesses in ganz Japan erlauben. Die Modernisierung Japans stellt sicherlich einen im Rahmen dieser Arbeit noch näher zu definierenden Begriff dar, zumal sie das entscheidende Kriterium dieser Spurensuche sein wird. Auf der Suche nach den entscheidenden Wendepunkten in der Entwicklung des Hafens von Kōbe folgt diese Untersuchung der Modernisierung Japans seit ihren ersten Tagen bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts.
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Danksagung
Diese Arbeit wurde im Rahmen einer Magisterprüfung im Fach Japanologie an der Ludwig-Maximilians Universität München verfasst. Mein besonderer Dank gilt den Betreuern dieser Arbeit Frau Prof. Dr. Schulz und Herrn Prof. Dr. Waldenberger. Weiterhin möchte ich mich bei den Mitarbeitern der NPO Japanisch-Deutschen Gesellschaft KÀbe, namentlich Herrn Prof. Dr. Kurosaki, Herrn Dr. Yanagihara, Herrn Kitazawa, Herrn Nishijima, Herrn Okamoto vom KÀbe Maritime Museum, dem Port&Urban Planning Bureau der Stadtverwaltung KÀbe sowie allen Freunden und nicht zuletzt meiner Familie für die Unterstützung beim Verfassen dieser Arbeit bedanken.
München 2004
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Vorwort
Japanische Geschichtsschreibung verleitet angesichts der zahlreichen einschneidenden Ereignisse dazu, in mehr oder weniger klar definierbaren Perioden verstanden zu werden. Zwischen diesen Perioden können Wendepunkte stehen, wie zum Beispiel der 17. Januar 1995 einer ist. In nur wenigen Minuten am frühen Morgen dieses Tages wurde KÀbe, eine der bedeutendsten Städte Japans, so stark von einem Erdbeben erschüttert, dass fast die gesamte Stadt mitsamt dem weltberühmten Seehafen zerstört wurden. Die Auswirkungen des Erdbebens betrafen die gesamte umliegende Kansai-Region, so dass bis heute in vielen Zeitschriften und Berichten klar in eine Zeit vor und nach dem 17. Januar 1995 unterschieden wird.
Auch wenn wir schon das Jahr 2004 schreiben und im Jahr 2002 der Wiederaufbau der Stadt offiziell gefeiert wurde, möchte ich angesichts einer praktisch am Boden liegenden Stadt inne halten und diesen, sowie alle weiteren bedeutenden Wendepunkte rekapitulieren, die diese Stadt, und insbesondere ihr Hafen in der Vergangenheit zu bewältigen hatten. Der Blickwinkel dieser geschichtlichen Spurensuche geht von kulturellen, sozialen, technologischen und letztlich auch politischen Umwälzungen aus, also der Modernisierung Japans und deren Wirkung auf die Entwicklung des Hafens. Aber auch umgekehrt lassen sich Rückschlüsse auf die Rolle des Hafens während der Modernisierung Japans machen, die ebenfalls angesprochen werden wird. Letztlich soll auch in Anbetracht der Entwicklungsgeschichte des Hafens die Frage gestellt werden, ob Besonderheiten herauszustellen sind, die vom Hafen KÀbe ausgehend, Rückschlüsse auf die Funktionsmechanismen des Modernisierungsprozesses in ganz Japan erlauben. Die Modernisierung Japans stellt sicherlich einen im Rahmen dieser Arbeit noch näher zu definierenden Begriff dar, zumal sie das entscheidende Kriterium dieser Spurensuche sein wird. Auf der Suche nach den entscheidenden Wendepunkten in der Entwicklung des Hafens von KÀbe folgt diese Untersuchung der Modernisierung Japans seit ihren ersten Tagen bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts.
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In Anlehnung an die japanische Moderne1scheint sich der Begriff "Modernisierung Japans" trotz der frühen kritischen Einwände von Marius B. Jansen2zu einem Topos japanischer Geschichtsschreibung entwickelt zu haben. Im Rahmen eines Kongresses aus dem Jahre 19603zur Beantwortung der Frage: „was bedeutet die Modernisierung Japans?“ wurde klar die in der japanischen Geschichtsschreibung tradierte starre historische Schematisierung bezüglich der Moderne aufgeweicht, und die bis damals üblichen typologisierenden Engführungen als vermutliche Geschichtskonstruktionen in Frage gestellt. John W. Hall, Referent auf diesem Kongress, machte gegen die epochale Lesart mit Recht geltend, dass Modernisierung ein grundlegendes Phänomen sei, das die japanische Kultur schon von Anfang an begleitet habe4.
Den Wandel des Hafens KÀbe in Funktion zur Modernisierung Japans zu betrachten, muss also zwangsläufig von einer Modellannahme bezüglich des Verständnisses von Modernisierung ausgehen, die ich im Folgenden näher definieren will. Die Moderne wird in Japan mit der Meiji-Restauration im Jahr 1868 angesetzt, so dass bei einer Darstellung unter einem epochalen Verständnis von Modernisierung nur die Untersuchung der neueren und neuesten Geschichte des Hafens in Frage käme. Diese Herangehensweise stünde jedoch der Kritik Halls entsprechend im Widerspruch zum Titel dieser Arbeit und erscheint auch aus anderen Gründen für eine umfassende Beschreibung des Wandels des Hafens unpassend. Sicherlich hat KÀbe als Hafenstadt
1Anm.: Japanische Historiographien setzen allgemein den Beginn der Moderne Japans mit dem ersten Jahr der Meiji-Zeit (1868-1911) gleich. So z.B.: Reischauer, Hall, Samson usw.
2Anm.: Den Begriff japanische Moderne, siehe Modernisierung, theoretisch klar zu definieren ist bis in die heutigen Tage ein Problem geblieben, das es noch zu lösen gilt. Von diesen Schwierigkeiten zeugt eine ganze Reihe von Beiträgen mit der Motivation einer näheren Bestimmung. Das prominenteste Unterfangen in diesem Zusammenhang ist wohl die in den 70iger Jahren erschienene Reihe „Studiesin the Modernization of Japan“der Princeton Universität. Ein Resümee dieser Bemühungen, das die Schwierigkeiten einer näheren Bestimmung gut veranschaulicht, lautete: „AtHakone we came to no new consensus of the meaning of modernization.“[Vgl. Hall (1970):Changing Conceptions of the Modernization of Japan.-In: Jansen (1971):Changing Japanese Attitudes toward Modernization.Princeton. S.31]
Mit diesem Hintergrund ist sicherlich verständlich, dass hier einer näheren Bestimmung des Begriffs nicht nachgegangen werden kann, wobei in der Literaturliste Werke aufgenommen sind, die in diesem Zusammenhang zu einer vertieften Lektüre einladen.
3Genaueres über diesen Kongress, vor allem Titel und genaue Teilnehmerlisten waren leider der Quelle, Hall (1970) -In: Jansen (1971), nicht zu entnehmen. Hirai schreibt lediglich:„In 1960, scholars from Japan, U.S.A. and other countries gathered at Hakone in Kanagawa Prefecture, and held a conference dealing with various aspects of modern Japan. At the
conference one of the topics was how to define modernization as such.”[Vgl. Hirai (21999):Traditonal Cultures and Modernization.-In: www.kokugakuin.ac.jp/ijcc/wp/cimac/hirai.html]
4Vgl. Hall (1970) -In: Jansen (1971): S.34.
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während der über zwei Jahrhunderte andauernden isolationistischen Außenpolitik des Tokugawa-Regimes im Vergleich zu Nagasaki5nur eine unbedeutende Rolle gespielt. Dennoch wird oft übersehen, dass KÀbe vor der Herrschaft der Tokugawa über Jahrhunderte eine Stadt von derart bedeutender Rangordnung hatte, dass sie für kurze Zeit sogar als Sitz des Hofstaats diente.
Im Unterschied zu einer epochalen Lesart von Modernisierung soll also der im Titel gewählte Wortlaut dazu ermuntern, Modernisierung als ein Konzept zu verstehen, das es ermöglicht, Abschnitte in der Entwicklung des Hafens zu betrachten, die in Zusammenhang mit einem Japan zu sehen sind, das sich laufend „erneuert […] oder neuzeitlich herrichtet.“6Unter dem Gesichtspunkt eines derartig pragmatischen Verständnisses von Modernisierung, welches von den Zwängen einer in engen zeitlichen Rahmen gefassten Beschreibung entbindet, zielt die Herangehensweise der vorliegenden Arbeit auf die Darstellung diverser Aspekte der Entwicklungsgeschichte des Hafens von KÀbe. Die pragmatische Interpretation des Begriffs „Modernisierung Japans“ bedarf jedoch bezüglich seiner Grenzen und Inkonsistenzen auch einer näheren Problematisierung: Einerseits unterliegt der Modernisierungs-Prozess Japans regionalen Disparitäten, andererseits treten auch einige strukturelle Inkongruenzen auf, welche zum einen die Wahl des „Sammelbegriffs“ Japan absurd erscheinen lassen, weil die Gründung einer modernen japanischen Kulturnation das Ergebnis politischer Entwicklungen im 19. Jahrhunderts ist. Nichtsdestotrotz soll unter der Annahme einespars pro totoeinzelne Modernisierungsphänomene durchaus als Konstituenten einer umfassenden Modernisierung Japans gedacht werden, auch wenn sie regional beschränkt oder nur in bestimmten Bereichen der japanischen Gesellschaft stattfinden, wie zum Beispiel der Schifffahrt, der urbanen Planung oder der Katastrophenbewältigung. Vor diesem Hintergrund ist diese Arbeit ein Fallbeispiel, das die Absicht verfolgt, die Natur der Modernisierung Japans aus dem Blickwinkel des Hafens von KÀbe zu illustrieren, wobei in der beabsichtigten selbst dieser nicht von den Inkongruenzen wiederholter Namensänderungen verschont bleibt.
Den Wandel des Hafens in seiner Gesamtheit darzustellen ist von vorneherein ein zu weites Feld. Daher muss sich die Darstellung auf Aspekte beschränken, die aussagekräftig genug sind, um die fortschreitende Entwicklung des Hafens verstehen zu können. Gegenüber einem alltäglich stattfindenden ‚schleichenden’ Wandel wurden im Rahmen dieser Darstellung Aspekte des Wandels gewählt, die als Wendepunkte in
5Anm.: Die Hafenstadt Nagasaki war während der Edo-Zeit als einziges Fenster zur Außenwelt für einen sehr beschränkten Außenhandel mit Holländern offen geblieben. Alle weiteren Häfen waren ausschließlich für die japanische Binnenschifffahrt bestimmt gewesen.
6Vgl. Meyers Lexikonredaktion (Hg.)(2001):Der kleine Duden.Mannheim.
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der Geschichte des Hafens von KÀbe begriffen werden können. Fünf derartiger Wendepunkte sollen in fünf Kapiteln die 1500 Jahre lange Geschichte des Hafens vorstellen:
1.2.1. Die Fragestellung dieser Arbeit
Jeder einzelner Wendepunkt stellt eine entscheidende Entwicklungsphase in der Geschichte des Hafens von KÀbe dar und gründet auf dem oben beschriebenen pragmatischen Verständnis der Modernisierung Japans. Auf den konkreten Modernisierungskontext wird im entsprechenden Kapitel eingegangen. Die beherrschende Frage lautet, welchen Wandel diese in Wendepunkten verstandene Modernisierung für den Hafen von KÀbe bedeutete. Die gewählten Aspekte der verschiedenen Modernisierungsphasen hatten weitreichende Konsequenzen, die im Rahmen der verschiedenen Kapitel beschreiben werden sollen. Mit der Motivation, möglichst umfassend den Wandel des Hafens in seinen wichtigen Phasen darzustellen, möchte ich diese relativ zu ihren jeweiligen Modernisierungs-Kontexten darstellen. Die Reihung der Kapitel unterliegt einem chronologischen Ansatz, wobei an dieser Stelle noch einmal auf das besondere Augenmerk dieser Arbeit hingewiesen sei. Das Ziel dieser Arbeit ist es den Hafen von KÀbe im Zuge der oben als pragmatisch definierten Modernisierung Japans zu untersuchen, aber keine historisch schlüssige Entwicklungsgeschichte zu liefen, die schon unter Anderem in Form der Beiträge von Torii Yukio und Ochiai Shigenobu vorliegen. Bevor ich in die Einzeluntersuchung dieser Aspekte einsteige, erscheint es mir sinnvoll, dem theoretischen Gerüst dieser Arbeit noch eine genauere Bestimmung des Analysegegenstandes hinzuzufügen und die Quellen der vorgeschlagenen Untersuchung zu beschreiben.
1.2.2. Die fünf Kapitel dieser Arbeit
Das erste Kapitel will die Ursprünge des Hafens aufdecken. Hierbei ist vor allem die Rezeption festländischen Wissens als Ausgangspunkt einer Modernisierung zu sehen, welche die japanische Kultur wesentlich prägte und auch für die Entwicklung von KÀbe als Hafenstadt grundlegend war. Der zweite Aspekt konzentriert sich auf die Vorgänge, die mit der Eröffnung des Hafens KÀbe für den ausländischen Handel zu tun haben. Dabei soll die Bedeutung des Hafens während der Meiji-Restauration herausgestellt werden, wobei auch nicht auf einen Vergleich mit dem edo-zeitlichen Hafen verzichtet werden soll. Der strukturelle und physische Wandel im Hafen im Zuge der prosperierenden Wirtschaft des Nachkriegs-Japan und der sich in den 60iger Jahren anbahnenden Transportrevolution sind die nächsten Aspekte, denen sich diese Arbeit widmen soll. Viertens bietet es sich an, im Rahmen der weltweit stattfindenden Bemühungen zur Stadterneuerung am Beispiel des Hafens von KÀbe zu betrachten, wie die Uferzone dieser Stadt zum Ort durch zahlreiche Maßnahmen zur
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Neustrukturierungen für neuen Nutzungsformen aufbereitet wurde. Schließlich wird als fünfter und letzter Aspekt der Wandel im Hafen KÀbe im Rahmen verschiedener Katastrophen betrachtet, wobei ausführlich auf den Wiederaufbau der Hafenstadt nach dem großen Hanshin-Erdbeben von 1995 eingegangen wird.
1.2.3. Der äußere Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel, wobei der Haupttext jedes einzelnen Kapitels durch Karten (K) und Bildmaterial (B) illustriert wird. Die Herkunft der verwandten Abbildungen wird im Abbildungsverzeichnis wiedergegeben. Weiterhin sollen nach der Zusammenfassung jedes einzelnen Kapiteln verschiedene Materialen (M), Exkurse (E) sowie Statistiken (S) zu einer vertiefenden Lektüre einladen und gleichzeitig eine Befassung mit den Originalquellen in japanischer Sprache ermöglichen, die für diese Zwecke übersetzt wurden.
Da sowohl Form und Funktion, als auch der Standort des Hafens KÀbe über Jahrhunderte hinweg gewissen Veränderungen unterlag, müssen noch einige Begriffsbestimmungen dem Hauptteil dieser Arbeit vorausgeschickt werden. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich der Topos Hafen in seiner Multidimensionalität und Multifunktionalität7als ein derart schwer zu fassender urbaner Bereich herausgestellt, dass fast jede allgemeine Arbeit über historische Aspekte der Hafenentwicklung mit Definitionsversuchen8seitens des entsprechenden Forschers beginnt. Vor diesem Hintergrund gilt es auch den Hafen von KÀbe näher zu bestimmen. Einerseits wurde der Hafen im neunten Jahrhundert nach Westen verlagert und andrerseits sind im 20. Jahrhundert Häfen und Wirtschaft verschiedener Städte der Kansai-Region, den Voraussagen Meckings von 1931 entsprechend9, mittlerweile derart verwoben10, dass ihre Differenzierung nur mehr auf politischen Karten zu erkennen ist. Folglich müssen auch die Grenzen der KÀbe-Administration ausgemacht werden.
1.3.1. Nähere Definition des Begriffes Hafen
Hafenstädte gehören als strategische Orte zu den wichtigsten Schaltzentralen der Globalökonomie. Sie formen im Grunde Knotenpunkte, in denen „die Schaltkreise der
7Vgl. Kobayashi (2001):Nihon no Minato no Rekishi[Die Geschichte der Häfen Japans]. TÀkyÀ. S.1.
8Definitionsversuche von Mayer, Kobayashi, etc.
9Vgl. Mecking (1931):Japans Häfen - Ihre Beziehung zur Landesnatur und Wirtschaft.Hamburg. S.374.
10Vgl. Tanaka (1991):¿sakakÀno Waterfront[Die Wasserfront¿sakas].- In: Imawan (Hg.) (1991):Minato - Waterfront no KenkyÌ[Der Hafen - Forschung über die Wasserfront]. TÀkyÀ. S.106.
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Geldflüsse, der Warenströme und der strategischen Entscheidungen […] verknüpft werden.“11Diese Eigenschaft von Hafenstädten suggeriert die Anwendbarkeit Christallers Theorie der zentralen Orte zur Analyse, dennoch sind, so Hayuth, Hafenstädte „betterexplained in terms of a gateway concept, which is not articulated in classical central place theory.12“ Interdisziplinär könnte man vielleicht dasGatewayKonzept in Verbindung mit den Erkenntnissen aus dem Kommunikationsmodell nach Jakobson zur Beschreibung der generellen Funktion von Häfen anwenden, zumal Kommunikation jeglicher Form ein raumbedingter Vorgang ist. Dementsprechend könnte der Hafen in einer vereinfachenden Anwendung Jakobsons Theorie als einGatewayverstanden werden, durch das die Kommunikation zwischen einem Sender und einem Empfänger geleitet wird. Über diese Kommunikationsachse wird dann eine Nachricht übersandt, die sowohl etwas über den kulturellen Hintergrund des Kommunizierten aussagt, als auch die genaue Form der materiellen Abhängigkeit zwischen Sender und Empfänger wiedergibt. Die Sprache, die Jakobson als Code verstand bestünde dann in unserem Fall in den verschiedenen materiellen und immateriellen Waren, die zwischen den Emittenten und Rezipienten ausgetauscht werden. Der so verstandene Hafen ist somit eine Engstelle einer Kommunikation die es auch noch räumlich näher zu bestimmen gilt.
a. Multidimensionalität von Hafenstädten
Geht man genauer auf die topographischen Eigenschaften des als Kommunikationskanal verstandenen Hafens ein, so ergeben sich Mayer zu Folge auf der Grundlage der englischen Sprache folgende grundlegende Dimensionen:
The terms port and harbor[sic]are not synonymous. Ports are places where there is the interchange of cargo and passenger traffic among vessels, and between vessels and overland carriers or sites alongshore. Harbors are places that provide protection against winds, currents, and waves, and thus allow port activities to take place. The protection in a harbor is provided by land and/or [designed] structures[...].Harbors are natural or artificial, although the configuration of most harbors includes elements of both. Ports can span more than one harbor, and some harbors are the loci of more than one port.13
Die im Mangel der AusdrucksmöglichkeitenHarborundPortsich offenbarende Undifferenziertheit der deutschen Sprache, reflektiert wohl den vergleichsweise geringeren Wortschatz an maritimen Begriffen. Trotzdem sollte man noch weiter von der Differenzierung Mayers abstrahieren. Der multidimensionale Charakter eines Hafens wird durch jeweils drei zweidimensionale und drei dreidimensionale Bereiche
11Vgl. Weichhart (2002):Glocalization - Die Globalisierung und ihre Auswirkungen auf die Regionen.S.9.
12Hayuth (1989):The Dynamics and Dimensions of Port-City Interrelationships.- In: Geoforum, Vol. 20, No. 4. S.427.
13Mayer (1988):The Physical Harbor - New Demands on a Scarce Resource.- In: Hershman (Hg.)(1988):Urban Ports and Harbor Management.New York. S.78.
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klar: Zweidimensional sind dabei die Wasseroberfläche, der Meeresgrund und die Uferzone und dreidimensional die Bereiche Luftraum, Souterrain und Submarin. In jedem dieser konstitutiven Bereiche des Hafens hat durch die Einwirkung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kräften über Jahrhunderte ein großer Wandel stattgefunden.14Schließlich müssen die, als multidimensional verstandenen Hafenstädte, noch zusätzlich in den Rahmen ihrer „relationshipswith the hinterlands they serve and with the the forelands with which they are linked across the ocean15“ näher situiert werden. Im Fall von KÀbe als Multifunktionshafen und das ist ein Vorgriff auf den nächsten Abschnitt kann allerdings keine klare Grenze zwischen Hinterland und Hafen gezogen werden. Zunächst soll noch kurz die Multifunktionalität von Häfen betrachtet werden.
b. Multifunktionalität von Häfen
Selten dienen Häfen einem einzigen Zweck. Die meisten Häfen erfüllen verschiedene Verwendungszwecke. Kobayashi beschreibt die Multifunktionalität eines Hafens folgendermaßen:
Häfen können je nach der Art der Schiffe, für die sie ausgelegt sind, unterschieden werden: Handelshäfen, Industriehäfen, Fischereihäfen, Fährhäfen, Jachthäfen, Marinehäfen, Schutzhäfen […]. Dennoch gibt es in Wirklichkeit noch weitere Fälle, die nicht in der beschriebenen Differenzierung einzuordnen ist. In Häfen, wie Chiba oder Nagoya sind die Funktionen als Handels- und Industriehafen in hohem Masse vermischt. Solche Häfen nennt man Gemischte Handelshäfen. Weiterhin werden Häfen, in denen Funktionen wie Schutz, Fischerei nebeneinander existieren, Multifunktionshäfen genannt.16
Der Hafen von KÀbe ist vielleicht eines der besten Beispiele für den von Kobayashi beschriebenen Multifunktionshafen. Hier vereinen sich nämlich nach Angaben des Port&Urban Project Bureau KÀbe alle der von Kobayashi erwähnten Funktionen17, wie im Laufe dieser Arbeit noch gezeigt werden wird.
1.3.2. Die Hafenstadt KÀbe
Zur Bestimmung der Hafenstadt KÀbe sollen hier die Stadt KÀbe und der Hafen KÀbe getrennt vorgestellt werden.
14Vgl. Hoyle (1988):Development dynamics at the port-city interface.- In: Hoyle, Pinder, Husain (Hg.)(1988):Revitalising the waterfront - International dimensions of Dockland Redevelopment.London. S.3.
15Hoyle (1989):The Port-City Interface - Trends, Problems and Examples.- In: Geoforum 20(4): S.430.
16Kobayashi (2001): S.5-10.
17Vgl. Port and Urban Projects Bureau KÀbe City Government (Hg.)(2003):Port of KÀbe 2003-2004.KÀbe. S.5-22.
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a. Die Stadt KÀbe
KÀbe liegt im Bereich 34ºN 135ºW an der östlichen Küste der Seto-Inlandsee. Sie ist 551km2groß und zählt über 1,5 Millionen Einwohner. Unter den Städten der Kansai-Region nimmt sie als Hafenstadt eine Schlüsselposition ein, da sie schon seit Jahrhunderten für die Industrien dieser Region als Fenster zur übrigen Welt fungiert18. Einfuhr und Ausfuhr von Waren laufen zu einem großen Teil über den Hafen KÀbe ab, der in seiner wirtschaftlichen Bedeutung für den Kansai und sogar für verschiedene Länder im asiatischen Ausland entscheidend ist, wie sich nach dem Hanshin-Awaji19gezeigt hat. Trotz der langen Geschichte als Hafenstandort20ist KÀbe, politisch gesehen, dennoch eine relativ junge Stadt. Ihre heutigen Stadtgrenzen gehen auf das Jahr 1968 zurück, und die eigentliche Stadtgründung erfolgte nicht entscheidend früher im Jahr 188921. Seit seiner Gründung fungiert KÀbe als Präfekturhauptstadt HyÀgos, einer der 45 Präfekturen Japans, das, in Zentral-Japan liegend gleichzeitig an das japanische Meer und an die Küste des Pazifiks angrenzt (Vgl. K1).
b. Der Hafen KÀbe
Mit einer Geschichte von fast 15 Jahrhunderten kann der Hafen KÀbe auf eine lange Entwicklung zurücksehen. Im Bereich des heutigen Hafens von KÀbe, der sich etwa über die ganze Länge des städtischen Seeufers erstreckt, bestanden im Laufe der Geschichte verschiedene kleinere Hafenstandorte. Historisch gesehen gilt der zunächst unter der Bezeichnung¿wada-no-Tomarigeführte Hafen HyÀgo-no-Tsu, die sich beide im Bereich der heutigen Hafenstadt KÀbe befanden, als Ursprung für den heutigen Hafens. Vom Hafen KÀbe in seiner aktuellen Form kann eigentlich nur seit dem späten 19. Jahrhundert die Rede sein. Im Zeitalter des pazifischen Überseehandels waren ehemals geographisch getrennte kleinere Hafenstandorte zusammengewachsen, unter denen der historische Hafenstandort HyÀgo und der Hafen der anliegenden Siedlung KÀbe die bedeutendsten waren. Sie wurden im Jahr 1892 im Rahmen der Neuordnung der Verwaltungsgrenzen einschließlich anderer kleinerer Standorte unter der Bezeichnung Hafen von KÀbe zusammengeschlossen.
18Vgl. Yamashita (1999):KÀbekÀ SantÀ Monogatari[Geschichte der drei Inseln im Hafen KÀbe]. TÀkyÀ. S.8. [Diese Aussage gilt nicht für die Tokugawa-Zeit (1600-1854), in dem sich der der Hafen von KÀbe auf Binnenhandel beschränken musste.]
19Vgl. Takemura (1996):Nihon no Daikadai - Kokuryoku no Gensen ha ‚MinatÀ’ ni ari[Die große Herausforderung für Japan - Die Quelle nationaler Stärke liegt in den Häfen]. TÀkyÀ.
20Vgl. Ochiai (1989):KÀbe no Reskishi - Kodai kara Kindai made[Die Geschichte von KÀbe -Vom Altertum bis in die Neuzeit]. KÀbe. S.1-4.
21Vgl. Ochiai (1989): S.1-4.
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K1 Japan in Asien (I), HyÀgo in Japan (II) und KÀbe im Kansai Gebiet (III)
In der Hafengesetzgebung Japans wird KÀbe neben 21 weiteren Häfen wie Yokohama, Nagoya, Niigata usw. als besonders wichtiger Hafen Japans bezeichnet. Der KÀbe-Hafen ist darüber hinaus ein von Natur aus besonders begünstigter Hafen mit folgenden positiven Eigenschaften22:
1. Von Westen aus wird der Hafen von den Bergen Takatori, Tekai, Hachifuchi und im Norden von der ost-westlich verlaufende RokkÀ-Gebirgskette eingekreist, die den Hafen KÀbe gut vor den heftigen Winden aus nord-westlicher Richtung schützen. Außerdem bietet das Wada-Kap gegen Wellen aus westlicher Richtung Schutz.
2. Die Wassertiefe innerhalb des Hafengewässers ist auch für moderne Supertanker mit bis zu 20 Meter Tiefgang optimal.