Der Himmel weiß warum - Sascha Sandra Renger - E-Book

Der Himmel weiß warum E-Book

Sascha Sandra Renger

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Beschreibung

Was geschieht, wenn Seelen beschließen, Mensch zu werden und aus der geistigen Welt in die materielle Welt zu wechseln? Die geistige Welt zu vergessen ist einfach, doch heißt es auch zwangsläufig, dass es sie nicht gibt? Melina ist ein Engel, der genau für diese Seelen zuständig ist. Sie erzählt zwei verschiedene Schicksale und zeigt auf, dass es vielleicht doch noch mehr gibt, als der Mensch wahrzunehmen vermag. In diesem Buch geht es um Liebe, Vertrauen, Geburt, Verlust und Tod.

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INHALT

Prolog

Der Engel, der nicht gehen konnte

Interim

Benjamin

Danksagungen

PROLOG

Raphael ließ seine kurzen Beine in der Luft baumeln und hing, wie schon so oft, seinen Gedanken nach. Die Langeweile, die ihn schon lange begleitete, führte ihn immer wieder zu seinem innersten Wunsch: Einmal wollte er etwas Großes, Bedeutendes tun. Nur, was sollte das sein? Im Chor mitsingen? Sicher, das war auch einer seiner Wünsche, doch ob das so bedeutend war? Und schließlich würde das ja auch nicht so einfach sein, denn jedes Mal, wenn er sich traute, den Chor zu fragen, wurde er nur ausgelacht. Man sagte, er hätte ein zu dünnes Stimmchen – und sowieso, er sei viel zu klein und unbedeutend.

»Pah, die werden schon noch sehen, was sie davon haben, wenn sie mich nur immer herumkommandieren!« Raphael machte dabei eine wegwerfende Handbewegung. Er wollte nicht länger darüber nachdenken, denn etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Um besser sehen zu können, legte er sich nun auf den Bauch und konnte so über den Rand seiner kleinen Wolke nach unten gucken.

Ja, Raphael war ein kleiner einsamer Engel, der von den großen oft herumkommandiert wurde. Eigentlich sollte er schon längst seiner Aufgabe als Instrumentenputzer nachgehen, doch er hatte wieder mal keine Lust dazu. Lieber wollte er die Menschen beobachten. Diese Wesen faszinierten ihn. Sie funktionierten ganz anders, als es sich Raphael von seinem Engelreich gewohnt war. Sie machten so viele nutzlose Dinge – wobei Raphael seine Aufgabe ja auch als nutzlos empfand – aber das war natürlich etwas ganz anderes… Die Menschen hatten wenig Zeit, redeten sehr viel und vergaßen oft, dass in ihrem Innern ein Herz wohnte. Und genau das war es, was Raphael als seine »Mission« empfand. Er träumte davon, die Herzen der Menschen zu berühren, damit sie sich wieder öffnen konnten. Auch wollte er diesen wunderschönen Wesen zeigen, dass es doch noch so viel mehr gab, als sie mit ihren Augen zu sehen vermochten.

»Irgendwann wird meine Zeit kommen«, sagte er sich wieder einmal aufs Neue, erhob sich und trottete mit seinen etwas zu großen und zu schweren Flügeln davon.

Während Raphael nun die Saiten der großen Harfe reinigte, kam ihm eine Idee, mit deren Konsequenzen er jedoch nicht im Traum gerechnet hätte. Die Harfe gehörte einem sehr großen Engel, welcher Raphael gerne herumkommandierte. Nie war er mit Raphaels Arbeit zufrieden. Diese Idee kam so blitzschnell, dass Raphael erst gar nicht überlegte, und er versteckte kurzerhand die Harfe. Danach war er sehr beschwingt und stolz auf sich, denn schließlich hatte er sich etwas getraut!

Das Gezeter des Harfenbesitzers war wenig später nicht zu überhören. Der Chor war ratlos, denn dass ein Instrument verschwand, hatte es noch nie gegeben. Eine Schar kleiner Engel, die sich »die Eingeweihten von Raphael« nennen konnten, kicherten in sich hinein und amüsierten sich göttlich. Leider gab es aber darunter einen kleinen Petzengel, der sich bei den Großen mal wieder einschleimen wollte. Also flog Raphaels Tat auf und der verärgerte Harfenspieler schleppte ihn kurzerhand zu einem höheren Engel, welcher sich die Geschichte nicht ohne ein kleines Schmunzeln anhörte.

Schließlich kannte er Raphaels Situation und insgeheim bewunderte er sogar seinen Mut. Trotzdem durfte er diesen kleinen Scherzbold nicht einfach so davonkommen lassen. Vielleicht wollte er Raphael aber auch nur einen Gefallen tun, um ihn eine Zeit lang von dem verärgerten Harfenspieler wegzubekommen. Also verdonnerte der hohe Engel Raphael zum Sterneputzen.

Raphael mochte seine neue Aufgabe und machte sich auch mit großem Eifer daran. Doch schon bald sehnte er sich nach dem Klang der Instrumente und den lieblichen Stimmen des Chors. So musste es ja kommen, dass auch diese Arbeit ihn zu langweilen anfing. Kurzerhand kehrte Raphael zurück und verkleidete sich, um nicht erkannt zu werden. Das ging erst auch ganz gut und Raphael fand es sehr lustig, dass niemand wusste, wer er war. Doch nicht sich selber sein zu können, war langweilig und machte Raphael unglücklich. Also heckte der dreiste kleine Engel etwas Neues aus und dachte sich:

»Wenn mich niemand kennt, könnte ich doch einfach im Chor mitsingen.« Er war ganz aufgeregt und fand seine Idee umwerfend. Doch leider waren seine Gesangsqualitäten wirklich nicht sehr hoch und seine Verkleidung flog auf. Diesmal waren alle großen Engel des Chors sehr verärgert. Sie ließen sich nicht gerne an der Nase herumführen. Also schleppten sie Raphael ein weiteres Mal vor den hohen Engel.

Dieser war etwas ratlos und wusste nicht recht, was er mit Raphael machen sollte. Sei es dem göttlichen Plan zuzuschreiben oder einfach dem Zufall (was es eigentlich gar nicht gibt – schon gar nicht im Himmel), dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt ins Spiel komme. Vielleicht muss ich mich erst einmal vorstellen:

Mein Name ist Melina, und ich bin ein Begleitengel. Meine Aufgabe besteht darin, Engel zu begleiten, bis sie als Mensch gezeugt sind oder manchmal auch solange, bis sie geboren worden sind. Ich habe lange genug zugehört, sodass ich weiß, was dieser kleine Engel angestellt hat, und ich habe auch eine Idee. Raphaels größter Wunsch, Mensch zu werden, ist mir schon lange bekannt. Also bringe ich dem hohen Engel Raphaels Anliegen vor und erkläre mich auch bereit, mich seiner anzunehmen. Ich bin gerade frei, denn mein derzeitiger Schützling Benjamin konnte sich noch immer nicht entschließen. Eigentlich sollte er schon lange geboren worden sein. Doch er hatte bis anhin viel zu viel Angst. Ich glaube auch kaum, dass sich das so schnell ändern wird. Also kann ich mich gut zuerst um Raphael kümmern, denn der Zeitpunkt für Raphaels Aufgabe wäre gerade richtig. Ich werde mich jedoch davor hüten, Raphael dies auf die Nase zu binden. Während ich mit dem hohen Engel verhandle, wartet Raphael geduldig auf sein »Urteil«.

Raphael war sehr aufgeregt und angespannt zugleich. Er war dann auch sehr still, als er vor den hohen Engel treten musste. Dieser ließ ihn noch etwas zappeln und wies ihn erst einmal zurecht, was sein Vergehen innerhalb des Chors anging. Raphael schämte sich sehr und beteuerte:

»Ich werde nie mehr etwas so Dummes tun. Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist. Vor allem war es nicht meine Absicht, jemanden zu verärgern oder zu verletzen.« Als er jedoch aufblickte und in die strahlenden Augen des barmherzigen Engels sah, hatte er keine Angst mehr.

Der hohe Engel machte Raphael einen Vorschlag:

»Wir schicken dich auf die Erde als Menschen, damit du deine Aufgabe erfüllen kannst. Melina wird dich vorbereiten und begleiten. Es gibt aber eine Bedingung: Du kannst erst wieder als Engel zu uns gelangen, wenn du gelernt hast, wie man geht.«

Raphael lachte insgeheim und freute sich engelhaft. »Wenn es weiter nichts ist«, dachte er. Schließlich beobachtete er die Menschen schon lange und wusste daher, dass diese auch Füße besaßen. Da sollte es doch ein Leichtes sein, zu lernen, wie man damit geht...!

DER ENGEL, DER NICHT GEHEN KONNTE

1. KAPITEL

Kate lag schweißgebadet auf dem breiten Bett. Seit Stunden, so schien es ihr jedenfalls, hatten sie die starken Wehen ans Bett gefesselt. Es gab immer wieder kurze Phasen, die es ihr erlaubten, sich etwas zu erholen, doch diese waren nie lange genug, um aufzustehen. Kate hatte eigentlich gehofft, dass Ron, ihr Ehemann, rechtzeitig von seinem Fischzug auf hoher See zurückkommen würde. Nun war sie auf sich alleine gestellt, denn der kleine Jeremy konnte ihr auch nicht helfen. Er saß neben dem Bett seiner Mutter auf dem kalten Fußboden und sah sie mit seinen großen braunen Augen an. Kate hatte nicht die Kraft, sich auf ihren Sohn zu konzentrieren. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Ungeborenen. Jeremy würde schon zurechtkommen, versuchte sie sich jedenfalls einige Male einzureden.

Jeremy hatte seine Mutter noch nie auf so erschreckende Weise erlebt. Doch aus unerklärlichem Grund hatte er keine Angst. Das Einzige, woran er denken konnte, war, dass er sich jetzt still verhalten sollte.

Das Häuschen der Familie stand unten am Fluss, und vom nächsten Dorf waren sie durch ein Stück Wald getrennt. Auf Hilfe konnte Kate also kaum hoffen, da sie Jeremy nicht alleine losschicken wollte. Die Telefonleitungen waren seit dem fürchterlichen Sturm vergangener Nacht immer noch tot. Sie musste es alleine schaffen. Es war ja nicht das erste Mal. Bei Jeremys Geburt war nur die Hebamme anwesend gewesen – einen Arzt hatten sie nicht gebraucht, denn alles war wie von selbst gegangen. Doch jetzt, ohne Ron, war Kate der Verzweiflung nahe. Das Fruchtwasser war schon vor einer Ewigkeit abgegangen und seither hatte sie nur noch Presswehen. Um Jeremy nicht allzu sehr zu traumatisieren, riss sie sich zusammen, so gut es eben ging. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende ließ Kate durchhalten, und um sich abzulenken, versuchte sie sich daran zu erinnern was sie tun konnte, um dem Kind den Weg auf die Welt zu erleichtern. Die Mühe lohnte sich, denn je mehr sie sich auf das kleine Lebewesen unter ihrem Herzen konzentrierte, umso mehr vergaß sie ihre eigenen Schmerzen. Kate sprach ihrem ungeborenen Kind gut zu:

»Mein lieber Schatz, hab keine Angst. Es wird alles gut. Wir warten und freuen uns auf dich. Lass dich einfach fallen!«

Aus dem guten Zureden wurde ein Schreien, denn die Schmerzen wurden wieder unerträglich. Dann ging alles sehr schnell, und das Gefühl der feuchten Wärme zwischen ihren Schenkeln und der Erleichterung in ihrem Körper ließ sie wissen, dass es vorüber war. Erschöpft tastete sie mit den Händen nach dem pulsierenden kleinen Körper, der nun in seiner ganzen Schönheit zwischen ihren Beinen lag. Das kleine Mädchen gab keinen Laut von sich. Es lag in dem blutverschmierten Leinentuch und starrte Kate mit einer Klarheit an, die ihr den Atem stocken ließ. Noch nie hatte sie bei einem Neugeborenen einen solchen Ausdruck in den Augen gesehen.

Nach einer weiteren kräftigen Wehe, durch die die Nachgeburt ausgeschieden wurde, nahm sie den kleinen Engel an ihre vollgefüllte Brust, deckte sich zu und schlief erschöpft ein.

Dass Jeremy zu ihnen unter die Decke kroch, bekam sie nur noch beiläufig mit.

Raphael wunderte sich darüber, dass alles so eng und dunkel war, denn eigentlich war er an Leichtigkeit und Licht gewöhnt. Und wieso konnte er nichts an diesem Zustand ändern? Das verwirrte ihn sehr.

»Verflixt und zugenäht, was ist bloß passiert?« Da wurde es plötzlich hell und Raphael schaute in das wunderschöne Gesicht einer Frau, doch die Enge blieb. Das Gesicht war ihm nicht fremd, denn er beobachtete es schon seit längerer Zeit. Doch bis jetzt war dies auf ganz andere Art und Weise geschehen. Nämlich in einem Zustand vollkommener Freiheit und Schwerelosigkeit.

»Hier muss etwas total schiefgelaufen sein.« Er wusste nur nicht was. Gerne hätte er sein Gegenüber gefragt, aber irgendwie konnte sie ihn nicht verstehen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sie ganz genau zu betrachten.

Noch etwas war komisch. Er wusste um die Liebe dieser Frau. Doch jetzt konnte er diese Liebe auch fühlen (er nahm einfach mal an, dass dies ein Gefühl sei).

Als Raphael mich neben dieser Frau erblickt, wird er ganz aufgeregt.

»Melina, halleluja, bin ich froh, dich zu sehen. Ich dachte schon, ich sei im falschen Film!« Raphaels Euphorie bringt mich zum Lachen, und ich erkläre ihm feierlich:

»Dein Wunsch wurde erfüllt und du steckst nun endlich in einem Menschenkleid. In kurzer Zeit wird der Schleier des Vergessens über dich fallen. Dein Licht in deinem Herzen brennt weiter. Orientiere dich daran, um den Weg zurückzufinden – natürlich erst, wenn du herausgefunden hast, wie man geht. Xenia wird dich begleiten und dir als Schutzengel zur Seite stehen. Du weißt, dass ich nur bis zur Geburt zuständig bin, also verabschiede ich mich nun von dir und wünsche dir viel Glück. Ach, und noch etwas, du bist ein Mädchen.«

Raphael konnte es kaum fassen.

»Das war es also!? Deshalb ist alles so eng!? Moment, was sagst du da, ein Mädchen? Das kann ja lustig werden!« Raphael war ganz aufgeregt. Endlich hatte er eine Aufgabe. Endlich ging sein Wunsch in Erfüllung. Etwas traurig war er jedoch darüber, dass er nicht selber darauf gekommen war. Um groß darüber nachzudenken, fehlte es ihm aber an Konzentration – er war plötzlich sehr müde. Lächelnd schlief er ein.

Als Ron einige Stunden später nach Hause kam, traf er seine Familie eng zusammengekuschelt im Schlafzimmer an. Auch er war erschöpft. Die raue See, der Sturm und die Sorgen um Kate, die ihn dauernd quälten, hinterließen ihre Spuren. Umso glücklicher war er nun, als er die beiden wohlauf antraf. Im ersten Moment war er sich des kleinen Wunders gar nicht bewusst. Als er sich jedoch über Kate beugte, um sie zu küssen, und ihn zwei klare blaue Augen aus einem winzigen strahlenden Gesicht anblickten, hielt er in seiner Bewegung inne.

»Kann es denn sein? Hat Kate dies ganz ohne Hilfe durchgestanden?«

Wenn sie bis anhin noch nicht seine Heldin war, dann jetzt ganz bestimmt. Wäre er ehrlich mit sich selber gewesen, hätte er zugeben müssen, weshalb sie so abgeschieden am Fluss lebten. Er konnte es nämlich nicht ertragen, wenn Kate von anderen Männern angeschaut wurde. Sie war sein Schatz und niemand durfte sich daran bereichern. Ron hätte sein Kind gerne in den Arm genommen, wollte die Schlafenden jedoch nicht stören. Deshalb verließ er das Zimmer und schloss leise hinter sich die Tür. Was er jetzt brauchte, war eine Dusche und eine Tasse starken Kaffee. Er schaltete die Kaffeemaschine ein und begab sich ins Badezimmer. Während das heiße Wasser über seinen gut gebauten Körper lief, schweiften seine Gedanken immer wieder zu Kate.

Er konnte sich noch gut erinnern, wie er Kate das erste Mal begegnet war. Sie lebte mit ihren Eltern im Städtchen, unweit seines Heimatdorfes. Als Sohn eines Fischers fuhr er einmal im Monat mit seinem Vater zum Markt, um die gefangenen Fische anzubieten. An jenem Tag war er alleine unterwegs. Da nicht viel los war, vertrieb er sich die Zeit damit, die vorbeigehenden Leute zu beobachten. Eine Gruppe junger Studenten ging schwatzend und lachend an seinem Stand vorbei. Die gut angezogenen jungen Herren machten sich über seine Fische und deren »Gestank« lustig. Ron ärgerte sich schon lange nicht mehr darüber. Sollten diese feinen Leute doch denken, was sie wollten. Doch als er dieser wunderschönen jungen Frau, die sich bei der Gruppe befand, direkt in die großen braunen Augen blickte, war es ihm äußerst unangenehm. Es war wie Magie. Er konnte seinen Blick nicht mehr von ihr wenden, was den jungen Männern erst recht nicht gefiel. Einer löste sich von der Gruppe und wollte auf Rons Fischstand zukommen, als die Unbekannte etwas zu ihm sagte, was Ron nicht verstehen konnte. Daraufhin begannen alle zu lachen, und sie gingen weiter, ohne ihn noch einmal eines Blickes zu würdigen. Ron schaute ihnen nach und wurde knallrot im Gesicht, als sich dieses bezaubernde Geschöpf noch einmal umdrehte und ihm das schönste Lächeln zuwarf, das er je gesehen hatte.

Seither war es um Ron geschehen. Er wusste: diese Frau oder keine.

Hätte er gewusst, dass das Schicksal auf seiner Seite war, wäre er seiner Familie während des nächsten Monats nicht dauernd auf die Nerven gegangen.

Das plötzliche Weinen aus dem Zimmer nebenan brachte Ron aus seinen Tagträumen zurück. Er beeilte sich mit dem Abtrocknen, schlüpfte in seinen Jogginganzug und sah dann nach seiner Familie. Freude erfüllte den Raum, und Kate war sichtlich erleichtert, als sie ihren Ehemann ins Zimmer kommen sah.

»Ron, darf ich dir deine Tochter vorstellen?« Sie reichte ihm den kleinen verschmierten Körper, damit er sich das neue Familienmitglied anschauen konnte.

»Na, wen haben wir denn da? Konntest du es nicht erwarten, auf diese Welt zu kommen?« Ron war überglücklich, packte seine kleine Tochter in ein Laken und machte sich daran, sie von den Spuren der Geburt zu säubern.

»Kate, bist du okay oder brauchst du Hilfe von der Hebamme?« Ron gab seiner Frau einen dicken Kuss und gratulierte ihr, von seinen Gefühlen überwältigt.

»Ist schon in Ordnung, Ron. Ich glaube, wir haben das ganz gut hingekriegt. Es hat Zeit bis morgen, um sie zu holen.«

»Wen holen?«, fragte Jeremy, der gerade aus seinem Tiefschlaf aufwachte. Als er seinen Vater erblickte, jauchzte er, kletterte aus dem Bett, packte ihn am Hosenbein und rief übermütig:

»Papa heim, Papa heim!« Ron musste lachen, kniete sich nieder und zeigte Jeremy seine kleine Schwester.

»Sieh mal, mein Sohn, nun hast du jemanden zum Spielen. Na, ist das nicht schön?« Jeremy klatschte in seine Händchen, hüpfte erfreut im Zimmer herum und rief:

»heißen, heißen?« Kate und Ron sahen sich in die Augen und sagten gleichzeitig:

»Gwendolyn.«

»Oh, ja«, rief Jeremy, »Gwen, Gwen, Gwen...«

»So, mein Großer, jetzt lassen wir Mami noch etwas schlafen und kümmern uns um diesen kleinen Engel.«

Somit verließen die beiden mit Gwendolyn den Raum und ließen Kate allein.

Raphael staunte nicht schlecht, als man ihn mit Gwendolyn ansprach. Doch heute konnte ihn nichts mehr umhauen. Er war ein Mädchen, hatte einen neuen Namen und, was ganz wichtig war, er war ein Mensch!! Zwar noch etwas klein und unbeholfen, aber das würde schon werden.

»Wenn nur nicht alles so eng wäre! Das muss ich unbedingt ändern. Ich weiß nur noch nicht, wie.«

Einen kleinen Anflug von Leichtigkeit konnte er verspüren, als ihn dieser Mann, der jetzt sein Vater war, in seine Arme nahm.

»Aber hallo, was ist denn jetzt? Wenn seine Finger über meine Haut streichen, ist das ein aufregendes Gefühl. Jetzt fühle ich mich wieder hell und leicht.« Doch kaum wurde er in seine Kleider gesteckt, war diese Enge wieder gegenwärtig. Andererseits wurde ihm jedoch auch warm. Raphael wusste einfach nicht so recht, was er von alledem halten sollte. Also war es das Beste, wenn er noch eine Runde schlafen würde.