Der Kollektivismus und die soziale Monarchie - Neupauer, Joseph von - kostenlos E-Book

Der Kollektivismus und die soziale Monarchie E-Book

Neupauer, Joseph von

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The Project Gutenberg EBook of Der Kollektivismus und die soziale Monarchie, by Joseph von NeupauerThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Der Kollektivismus und die soziale MonarchieAuthor: Joseph von NeupauerRelease Date: May 21, 2016 [EBook #52117]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER KOLLEKTIVISMUS ***Produced by Jana Srna, Franz L Kuhlmann, Norbert H. Langkauand the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net

Anmerkungen zur Transkription

Das Deckblatt wurde vom Bearbeiter der Transkription erstellt und geht in die "public domain".

Bei großen Zahlen im fortlaufenden Text sind die Leerstellen zwischen Million und Tausend durch Punkt und Komma ersetzt, so zum Beispiel 20-25,000 statt 20-25 000 und 1.900,000 statt 1 900 000.

Im Inhaltsverzeichnis wird auf Kapitel VIII, Abschnitt 4. d) auf den Punkt "2. Poesie und schöne Literatur" auf S. 77 verwiesen. Im Original fehlt diese Überschrift.

In Kapitel VI, Abschnitt 8. e) ist die Verteilung des fortlaufenden Textes und der Tabellen geringfügig verändert, indem wenige Textzeilen zwischen einem Seitenkopf oder -fuß und Tabelle der vorhergehenden oder folgenden Seite zugeordnet sind.

Zeichensetzung und typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert.

Der Kollektivismus und die soziale Monarchie

Dr. Joseph R. v. Neupauer

Der Kollektivismus und die soziale Monarchie

Motto:

Nach Sidney Whitman sagte Bismarck einmal: Wenn ich die Gestalt wählen könnte, in der ich noch einmal leben möchte, weiß ich nicht, ob ich nicht ganz gerne eine Ameise sein würde. Jede Ameise muß arbeiten, ein nützliches Leben führen, jede Ameise ist fleißig. Da gibt es vollkommene Subordination, Disziplin und Ordnung. Sie sind glücklich, denn sie arbeiten.

Dresden 1909 — Richard Lincke

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugter Nachdruck wird gerichtlich verfolgt.Copyright 1909 by E. Pierson's Verlag.

Druck von E. Pierson's Verlag (Richard Lincke), Dresden.

Inhaltsverzeichnis.

SeiteEinleitungIXI.Die kollektivistische Gesellschaftsordnung in ihren allgemeinsten Umrissen und die Rechtsgrundsätze, nach welchen sie ins Leben einzuführen und nach ihrer Einführung die Verwaltung zu führen sein wird1II.Das kollektivistische Rechtssubjekt16III.Die Verfassung eines kollektivistischen Staates201.Allgemeines202.Das souveräne Volk213.Das Stimm- und Wahlrecht. Form der Ausübung244.Wahlen285.Das Objekt der Volksbeschlüsse306.Die Erhaltung der Staatseinheit32IV.Die Monarchie und der Adel34V.Die Beamtenorganisation411.Der Verwaltungsorganismus. Detailverwaltungsämter412.Der ärztliche Dienst503.a) Der Erziehungs- und Unterrichtsdienst58b)Höherer Unterricht61c)Die Akademie64VI.Dauernde Einrichtungen und Verwaltungsbehelfe671.Die Wohnungsansiedelungen67a)Urgemeinden oder Dörfer67b)Die Bezirksvororte70c)Die städtischen Ansiedlungen712.Die Verteilung der Bevölkerung733.Die Evidenthaltung der Bevölkerung774.Die Kommunikationen78a)Eisenbahnen, Schiffahrt781.Ihre Benützung für allgemeine Zwecke792.Ihre Benützung für Zwecke des Einzelnen81b)Automobile845.Telegraph und Telephon85a)Ihre Einrichtung und Benützung für allgemeine Zwecke85b)Ihre Benützung für die Zwecke des Einzelnen886.Die Post897.Tagesblätter der Verwaltung918.Die Verrechnung und Statistik94a)Ihre Aufgabe94b)Die Bevölkerungsstatistik95c)Die Güter- und Verkehrsstatistik96d)Zustandekommen und Einrichtung der Verrechnung und Statistik98e)Beispiele von statistischen Tabellen100VII.Der Kollektivismus und die Erhaltung, Vermehrung und natürliche Veredlung des Volkes1261.Die Bevölkerungspolitik1262.Ehe, Familie, Elternrecht, Wahlmütter, Anteil des Staates an der Erziehung1363.Geschlechtliche Sittlichkeit. Freie Liebe1464.Die Frauenkurie1555.Die Erziehung158a)Pflichten des Staates der Jugend gegenüber158b)Erziehungsorgane161c)Die physische Erziehung166d)Intellektuelle Erziehung169e)Der Unterricht im vorschulpflichtigen Alter171f)Der Elementarunterricht. In Österreich der Unterricht in einer zweiten Sprache des Reiches172g)Fachschulen niederer Ordnung und für fremde Sprachen175h)Andere Anstalten zur Volkserziehung. 1.-13.176i)Ethische Erziehung. 1.-10.1836.Die Rechtspflege191VIII.Der Kollektivismus und der allgemeine Fortschritt1941.Fortbildung1942.Das Vereinswesen1963.Die Sammlungen2024.Zeitschriften, Bücher, Bibliotheken203a)Die Presse für Staats- und allgemeine Angelegenheiten204b)Die Fachpresse207c)Die Unterhaltungspresse und schöne Literatur208d)Bücher2091.Die wissenschaftliche Literatur2092.Poesie und schöne Literatur211e)Bibliotheken2155.Die Verteilung der Konsumtibilien2176.Die Forschung2217.Die Kunst221a)Schöpferische Kunst222b)Kunstreproduktion224c)Das Kunstgewerbe2248.Die technische Erfindung2259.Die Anerkennung der Verdienste höheren Grades im Kollektivstaate231a)Das Arbeitsleitungsrecht233b)Ehrenvorzüge234c)Das Vorrecht der Wahl235d)Vorzüge in Beziehung auf die Wohnung236e)Vorzüge in Beziehung auf Kleidung237f)Vorzüge in Beziehung auf Nahrung237g)Das Vorrecht in Beziehung auf einen eigenen Hausstand238h)Vorrechte in Beziehung auf Geselligkeit239i)Vorrechte in Beziehung auf Konzerte, Theater240k)Reisen im In- und Auslande240l)Das Vorrecht in Beziehung auf die in VIII, 5, geschilderten Verteilungen240m)Das Vorrecht der Arbeitsfreiheit240n)Das Vorrecht der freien Wahl des Domizils241o)Andere berufsmäßige Vorrechte242p)Das Vorrecht, Pferde, Wagen und Automobile zu halten24210.Religion, Kultus, Festlichkeiten24711.Die Wettbewerbungen, Glücksspiele25412.Nachweis der Ökonomie der in diesem Werke vorgeschlagenen Organisation des Verteilungs-, Sanitäts- und Unterrichtsdienstes255IX.Darstellung der Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse des Volkes im Kollektivstaat2621.Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses2622.Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses2733.Bekleidung2754.Die sonstigen Bedürfnisse außer Wohnung, Nahrung und Kleidung276X.Die Sachproduktion im Kollektivstaate2781.Die Kultur der Zerealien2812.Der Futterbau2833.Die Viehzucht2844.Kleinvieh und Geflügelzucht2885.Wasserwirtschaft289XI.Die Verteilung im Kollektivstaate2921.Die Verteilung der Arbeit292a)Der Arbeitstag293b)Sonntag, Feiertage, Ferien296c)Arbeitsbefreiung297d)Arbeitszuweisung2982.Die Verteilung der Güter301XII.Die Beziehungen des Kollektivstaates zum Auslande3031.Der Güteraustausch3032.Der Reiseverkehr3053.Die Aus- und Einwanderung3074.Politische Beziehungen und Landesverteidigung311XIII.Vorteile und Nachteile des Kollektivismus317XIV.Umwandlung der Staaten zur Einführung der kollektivistischen Gesellschaftsordnung333

Einleitung.

In einer Rede des österreichischen Ministerpräsidenten Baron Beck im österreichischen Herrenhause vom 24. Juli 1907 sagt derselbe:

»Damit hat sich eines der wichtigsten Staatsprobleme auf die Tagesordnung gestellt. Dieses Problem ist: ein richtiges Gleichgewicht herzustellen zwischen dem erwachten Selbstbewußtsein breiter Volksschichten und den unerläßlichen Forderungen, die im Interesse kraftvoller Durchführung des Staatswillens und der sicheren Erreichung der Staatszwecke erhoben werden müssen. Das sind die zwei Pole, zwischen denen sich das öffentliche Leben bewegt und zwischen denen die Ausgleichung gefunden werden muß. Soll die Monarchie ihrer geschichtlichen Stellung gerecht werden, dann muß sie unter ihre Aufgaben an oberster Stelle die soziale Fürsorge für die breiten Schichten der Bevölkerung aufnehmen. Ich für meinen Teil glaube, daß ein gesunder sozialer Fortschritt und die ruhige Entwickelung zu einem wahrhaft modernen Staat, der seinem Wesen nach Wirtschaftsstaat und soziale Fürsorgeanstalt sein muß, nicht nur neben einer starken monarchischen Gewalt, sondern gerade mit ihr und durch sie möglich ist.

Ich begrüße es, daß unserem alten, ehrwürdigen Staatsgebilde die Aufgabe geworden ist, den hervorragenden Beruf der Monarchie für die modernen sozialen Aufgaben darzutun. Mit Zuversicht in die Zukunft blickend, dürfen wir die neue Bahn betreten in der festen Überzeugung, daß unser geliebtes Vaterland nicht nur den gewaltigen Problemen der Neuzeit sich gewachsen zeigen, sondern gerade an diesen gesteigerten Aufgaben wieder seine unverwüstliche, ewig blühende Lebenskraft erweisen wird. Für diese Aufgaben erbitte ich mir die Autorität des hohen Hauses und da ich mich mit ihm eins weiß in dem Gedanken an eine machtvolle Monarchie, so hoffe ich, daß meiner Bitte die Erfüllung nicht versagt bleiben wird.«

Nicht irre machen darf uns, daß der ehemalige Ministerpräsident Baron Beck so große Ideen angekündet, dann aber nicht das Geringste getan hat, um die Verwirklichung dieser Ideen vorzubereiten und um den Staat in einen »wahrhaft modernen Staat«, in einen »Wirtschaftsstaat«, in eine »soziale Fürsorgeanstalt« umzugestalten. Denn die österreichischen Staatsmänner vermögen gar wenig. Da aber Österreich auf keine Weise zur Ruhe kommen kann, so lange es sich in den ausgefahrenen Geleisen der Individualwirtschaft fortbewegt, können wir mit Sicherheit darauf rechnen, daß die österreichische Staatskunst sich doch eines Tages dieses Ideals bemächtigen wird.

Diese Worte zeigen, daß die österreichische Regierung der Monarchie und insbesondere den Habsburgern die Sendung vindiziert, neue staatliche Grundlagen zu schaffen und Aufgaben zu lösen, die ohne Staatsomnipotenz nicht gelöst werden können.

Diese Ideen sind in belletristischer Form bereits in meinem Romane »Österreich im Jahre 2020« zum Ausdrucke gekommen und in diesem Werke werden sie philosophisch, volkswirtschaftlich und staatspolitisch dargelegt. Die Intelligenz muß sich derselben bemächtigen, weil sie nur durch Mitarbeit an der bevorstehenden Umgestaltung sicherstellen kann, daß diese Umgestaltung auch den höheren Interessen, der Kunst, der Forschung und dem technischen Fortschritte zugute kommen wird, während die sozialdemokratische Partei, in dogmatische Irrtümer verrannt, uns der sozialen Revolution und damit der Anarchie entgegentreibt und, wenngleich gegen ihren Willen, die ganze Kultur in Frage stellt.

I. Die kollektivistische Gesellschaftsordnung in ihren allgemeinsten Umrissen und die Rechtsgrundsätze, nach welchen sie ins Leben einzuführen und nach ihrer Einführung die Verwaltung zu führen sein wird.

Ich bin bei meinen Untersuchungen des sozialen Problems folgenden Weg gegangen. Ich habe mir vorgestellt, daß der Staat wirtschaftlich allmächtig geworden sei. Er sei Alleineigentümer allen Besitzes, er allein kann Arbeit geben, er allein produziert und wird Eigentümer der durch Arbeit erzeugten Güter, von ihm allein kann man Güter, also vor allem den Unterhalt, aber auch alles andere, was wir brauchen, erlangen, und nun stellte ich mir vor, wie er die vorhandenen Arbeitskräfte verteilen, was er produzieren und wie er über die von der Natur freiwillig gebotenen und die durch Arbeit erzeugten Güter verfügen würde. Ich betrachtete den Umsatz von Arbeitskräften und Gütern so, wie er sich bei gänzlicher Aufhebung des Privateigentums und der Geldwirtschaft, also bei ausnahmsloser Naturalwirtschaft gestalten müßte, und indem ich dieses Prinzip auf die ganze Produktion und auf die ganze Güterverteilung anwendete, mußte offenbar jeder Übelstand, der damit verbunden wäre, und jede Undurchführbarkeit einer Anwendung des Prinzips auf irgend einen Teil der Produktion oder Verteilung an den Tag kommen. Da der Staat zunächst Eigentümer aller Güter wird und die Einzelnen nur von ihm etwas erlangen können, mußte die Frage immer zur Untersuchung kommen, in welchen Fällen der Staat das Eigentum zu gunsten des Einzelnen aufgeben müsse, damit der Verteilungszweck erreicht werden kann und es ergab sich, daß nur dann das Staatseigentum aufgegeben werden muß, wenn die Güter dem Einzelnen zum Verbrauche für seine Person überlassen werden müssen. Das ist bei der Nahrung unzweifelhaft der Fall, niemals aber beim Verbrauche für die Zwecke der Gütererzeugung, welche ja der Staat für seine eigene Rechnung betreibt, wodurch sich also Güter der einen Art in Güter der andern Art verwandeln, wobei aber darum doch die einen und die anderen Staatseigentum bleiben.

Würde man Teile der Produktion den Einzelnen für ihre persönlichen Zwecke überlassen, wie beim Verkochen von Nahrungsmitteln im Familienhaushalte, so würde eine Eigentumsübertragung zu diesem Ende stattfinden müssen. Allein ich nahm als die Regel an, daß der Staat auch die Speisenbereitung für Rechnung der Gesamtheit betreibt und daß also erst beim Verzehren der gekochten Speisen das Staatseigentum aufgegeben werden muß. Ausnahmen zugunsten Einzelner kommen vorläufig nicht in Betracht.

Gegenstände, die nicht durch Verbrauch sondern durch Benützung dem Einzelnen dienstbar gemacht werden, wie Kleider, Wäsche, Mobilien, Bücher, Instrumente, bedürfen keiner Eigentumsübertragung, um in diese Art der Konsumtion überzugehen und so wurde zunächst der Grundsatz aufrecht erhalten, daß diese Gegenstände Staatseigentum bleiben, also der Reihe nach mehreren Personen zum Gebrauche dienen können, und, wenn sie unbrauchbar werden, wieder Material für die Staatsproduktion liefern. Damit ist die dauernde Gebrauchszuweisung immerhin vereinbar.

Doch zeigt sich da, daß es Fälle gibt, in welchen der Einzelne bei Gebrauchsgütern, ja selbst bei Produktionsmitteln das Recht haben muß, nach seinem Gutdünken damit zu verfahren, weil er sonst in seiner Freiheit zu sehr beschränkt wäre und weil sonst der Verteilungszweck, die Wohlfahrt Aller, nicht erreicht würde. So ist es mir offenbar nicht erlaubt, ein Stück Papier zu beschreiben, oder mit Zeichnungen zu bedecken, welches fremdes Eigentum ist. Man könnte also keinen Brief schreiben und viele andere persönliche Zwecke nicht erreichen, wenn man immer nur über das verfügen dürfte, was man zu seiner Ernährung verzehrt. Daraus folgt nun, daß eine gewisse Menge von sehr mannigfaltigen Gütern zur Verteilung unter die Bevölkerung zu dem Ende gelangen muß, damit der Einzelne damit machen kann, was er für gut hält. Doch soll der Staat auch an diesen Stoffen und den daraus hergestellten Dingen eine Art von Obereigentum behalten, damit keine dem Staatswohl zuwiderlaufenden Zwecke verfolgt werden können und damit der Staat in die Lage kommen soll, höhere Zwecke des Gemeinwesens auch mit diesen Gütern zu verfolgen, wenn ein Anlaß vorliegt. So soll er auf Briefe, die von einer historisch berühmten Persönlichkeit herrühren, eine Art von Vorrecht haben, desgleichen auf Bilder, Statuen, Manuskripte, die von einem Einzelnen nicht berufsmäßig, also für Rechnung des Staates, sondern im freien Schaffen gemalt, modelliert und verfaßt worden sind, insofern es im Gesamtinteresse liegt, daß selbe erhalten, verwahrt und Allen zugänglich gemacht werden können, was immerhin nicht ausschließt, daß das Privatgebrauchsrecht auf eine oder mehrere Generationen unbeschadet jenes Obereigentums geduldet werden kann. Nur das Recht der Zerstörung könnte der Staat verwehren, wenn ein wirklicher Wert geschaffen wurde und die Staatsverwaltung das Obereigentum geltend zu machen erklärt hat. Auch ist es unzweifelhaft, daß auf dem oben bezeichneten Wege auch Stoffe zur Verteilung gelangen werden, welche man außerberuflich zu chemischen Versuchen verwendet. Würden aber Gifte oder Explosivstoffe auf diese Art hergestellt werden und ein schädlicher Gebrauch zu besorgen sein, so muß dem Staate das Recht der Konfiskation der verteilten Stoffe und der daraus hergestellten Produkte auf Grund seines Obereigentums zustehen. Für die zur Verteilung gelangenden Stoffe, Mal- und Zeichen- oder Schreibrequisiten, Gespinnste, Gewebe, Holz, Metalle, gesammelte Naturprodukte, auch selbstgesammelte, schlage ich den Ausdruck Konsumtibilien vor, weil den damit Beteiligten der Verbrauch freisteht, obschon das Staatseigentum nie erlischt. Von dieser Verteilung wird in VIII, 5, ausführlicher gesprochen.

Diese Art des Staatseigentums und beziehungsweise Staatsobereigentums bietet eine große Menge von Vorteilen. Der Eigentümer einer Sache ist in einem solchen Staate nie zweifelhaft und darum ist Diebstahl und Veruntreuung, außer zum persönlichen Verbrauche in ganz kleinen Mengen, unmöglich. Der ganze Handelsumsatz — nämlich durch Kauf und Verkauf — ist überflüssig und dadurch werden viele hunderttausende, ja Millionen von Arbeitskräften für wichtigere Zwecke frei. Die Benützung materieller Mittel zu verbrecherischen Zwecken wird außerordentlich erschwert, wenn sie gleich nicht ganz unmöglich gemacht werden kann. Endlich trifft jeder Zufall den Eigentümer, daher dieser Grundsatz des ausnahmslosen Staatseigentums als Versicherung für den Gebrauchsberechtigten wirkt, ein zufälliger Gewinn aber immer der Gesamtheit zustatten kommt.

Es wird sehr genau gezeigt werden, daß keine Art von wünschenswerter Verteilung für Gebrauchs- und Verbrauchszwecke durch diese Grundsätze erschwert oder vereitelt wird, vielmehr ist alles viel beweglicher, jeder nicht gemeinschädliche Privatzweck viel leichter erreichbar als dort, wo jeder Gebrauch oder Verbrauch eine Erwerbung und Eigentumsübertragung voraussetzt.

Eine besondere Sorgfalt wurde der Untersuchung der Frage gewidmet, wie die Rechnungslegung und die Sicherstellung der gesetzmäßigen Gebarung mit dem Staatseigentum und dem Staatseinkommen durchzuführen wäre und es ist dieser Gegenstand in einem besonderen Kapitel erörtert worden. Mit dem Geldverkehre hört auch die Geldverrechnung auf und es vertritt die statistische Tabelle die Stelle unserer heutigen Kassenjournale. Doch ist eine tägliche Statistik, wie sie von mir vorgeschlagen und in VI, 8, e, exemplifiziert wird, nicht nur Statistik, also Feststellung wirtschaftlicher Werte bei Ablauf einer längeren Periode, sondern zugleich Ermittlung der kleinsten Bewegungsstufen. Sie verhält sich zur heutigen Statistik wie das Journal zur Bilanz. Es wurde geprüft, ob die Statistik aller schnell verbrauchten Güter, wie Milchprodukte, Eier und das Fleisch geschlachteter Tiere, durch statistische Tabellen, und zwar im Zusammenhange mit einer Statistik der Verteilung der Bevölkerung dergestalt durch den Druck veröffentlicht werden könnte, daß alle Produktion und Verbrauch dieser Güter täglich allgemein bekannt gemacht wird und zwar in einem solchen Zusammenhange mit dem Nachweise des Verpflegstandes einer jeden Gemeinde und eines jeden Quartiers, daß jeder Volksgenosse sich über die Rechtmäßigkeit dieser Verteilung jederzeit orientieren kann. Doch hat eine genaue Prüfung, die ich mir jederzeit habe angelegen sein lassen, ergeben, daß eine solche tägliche Veröffentlichung in einem Maße, daß jeder Volksgenosse die Verteilung selbst prüfen kann, wahrscheinlich doch einen zu großen Papierverbrauch zur Folge hätte. Man kann nämlich ziemlich genau statistisch feststellen, wieviel das Volk pro Kopf und Jahr im Ganzen an Papier verbraucht und wieviel davon durch solche Veröffentlichungen verbraucht würde. Da zeigt sich nun, daß eine solche Veröffentlichung in jenem Ausmaße, wie es wünschenswert erschiene, vielleicht eine allzu große Belastung des Papierbudgets ergeben könnte, daher zwar vorgeschlagen wird, daß für die Verwaltung und die Bevölkerung eines jeden Bezirkes die statistischen Ausweise dieser Art täglich abgeschlossen und schriftlich zur Prüfung aufgelegt werden sollen, daß aber, wenn eine tägliche Veröffentlichung dieser Statistik des Papierverbrauches wegen sich als untunlich erweisen sollte, nur die Kreis-, Provinz- und Reichsstatistik täglich, die Bezirksstatistik aber nur von Woche zu Woche allgemein und durch den Druck veröffentlicht werden sollen. Das Nähere hierüber enthalten die Abschnitte VI, 7 und 8 über das Zeitungswesen und die Statistik.

Zum Zwecke der Beurteilung der Administration und des Arbeitsaufwandes für Verwaltung, Erziehung, Volksunterricht und das Sanitätswesen wurde angenommen, daß die Landgemeinden auf einen Bevölkerungsstand von beiläufig tausend Köpfen gebracht, größere Gemeinden und Städte aber in Quartiere von einer Bevölkerungszahl von beiläufig tausend Köpfen geteilt werden sollen. Diese Verteilung der Bevölkerung und die Verringerung der eigentlichen städtischen Bevölkerung auf höchstens 2-3% der Gesamtbevölkerung ist von unermeßlichen Vorteilen für die Hygiene, die Landwirtschaft, die Verwaltung, die Volkserziehung, den Volksunterricht und die Ökonomie. Und daraus ergibt sich nun auch eine sehr genaue Übersicht, wieviele Personen in jenen Berufen anzustellen sein werden und wie groß die Arbeitslast für die einzelnen Angestellten sein wird. Nun ist zwar der angenommene Bevölkerungsstand der Gemeinden und Quartiere keineswegs pedantisch festzuhalten, und er wird auch innerhalb gewisser Grenzen schwanken, allein es wird sich ergeben, daß der Verwaltung vielerlei Auswege zu Gebote stehen, um eine sehr empfindliche Verschiebung hintanzuhalten. Die Aufhebung des Privateigentums, welches den Domizilwechsel sehr erschwert, der gemeinsame Staatsbetrieb und die leichtere Versetzbarkeit der nicht produktiven Bevölkerung, dann die Notwendigkeit, in einem Staate von 45 Millionen Bewohnern (ich nehme die Verhältnisse Österreichs zur Grundlage) alljährlich dem Volkszuwachse entsprechend mindestens 200-300 Ortsgemeinden neu aufzubauen, werden immer eine Ausgleichung des Bevölkerungsstandes der einzelnen Gemeinden und Quartiere ermöglichen, wo es für die Verwaltung ein Bedürfnis ist.

Die Notwendigkeit, alle Wohnungsansiedelungen nach und nach für die Zwecke der Kollektivwirtschaft umzubauen, muß ins Auge gefaßt werden und es ist davon in VI, 2, die Rede. Die Versorgung eines großen Bruchteiles der Bevölkerung, welcher heute verkümmert und bei uns mehr in Ställen haust, als in menschlichen Wohnungen, mit Wohnhäusern, die Anpassung der Landwirtschaft an den Kollektivbetrieb, die Assanierung vieler vernachlässigter Gemeinden, macht ohnehin viele Neubauten notwendig und, da die Umwandlung unserer Gesellschaftsordnung auch nur nach und nach erfolgen und die Übergangsperiode auf 40-100 Jahre veranschlagt werden kann, so ist der notwendige Bauaufwand wohl zu bestreiten, besonders da viele verwendbare Baumaterialien und Baubestandteile beim Abbruche der alten Bauten gewonnen werden. Hat Nordamerika in weniger als hundert Jahren Wohnungen für 70 Millionen Menschen bei rasch steigender Volkszahl und ohne Abbruchmaterialien schaffen können, so muß ein Staat von 45 Millionen bei verhältnismäßig stationärem Bevölkerungsstande den Bauaufwand für die notwendige Umgestaltung in ein bis zwei Generationen aufzubringen vermögen. Der Bauaufwand wird im kollektivistischen Staate dann aufzubringen sein, wenn die Verwaltung ohne Vernachlässigung anderer Produktionszweige so viele Prozente der verfügbaren Arbeitskräfte im Bauwesen verwenden kann, als zur Bewältigung der festgesetzten Bauarbeiten innerhalb der angenommenen Umgestaltungsperiode erforderlich sind.

Die Forderung, daß der Staat zum Kollektivismus übergehe, wird nicht aus Gefühlsduselei und Mitleid, aus Gerechtigkeitsgründen, aufgestellt, sondern aus volkswirtschaftlichen und staatspolitischen Erwägungen und im Interesse der Kultur und des Fortschrittes. Es wird nur die Aufopferung eingebildeter Interessen gefordert und ich erwarte sie nicht von der Güte der Einzelnen. Der Staat soll nur die wirtschaftliche Macht schonungslos gebrauchen, die er bereits besitzt, und er wird ohne Rechtsbruch zur Omnipotenz gelangen. Die Rechtskontinuität muß gewahrt, die revolutionäre Umgestaltung muß verhindert, jede Gewalt ohne Schwäche unterdrückt werden, aber Aufgabe der Regierungen ist es, die hier angegebenen Ziele anzustreben. Die Staatsmänner, welche diesen Zielen zustreben, werden sich ebenso sicher finden, wie es nicht fehlen konnte, daß sich Staatsmänner fanden, die, den Fürsten zum Trotze, die Einheit der deutschen Nation herbeiführten.

Wer dieses Buch liest, wird sich überzeugen, daß unsere Gesellschaftsordnung eine Maschine mit einem lächerlich hohen Reibungskoeffizienten ist.

Die Rechtsgrundsätze, von welchen ich für die Umgestaltung ausgehe, sind folgende:

Die Besitzenden, welche durch Mißbrauch ihres wirtschaftlichen Übergewichtes Reichtümer angesammelt und die Besitzlosigkeit der Massen herbeigeführt haben, können sich nicht darüber beschweren, wenn der Staat seinerseits ihnen gegenüber sein wirtschaftliches Übergewicht zur Geltung bringt und sie so expropriert, wie sie andere expropriert haben. Ihr wirtschaftliches Übergewicht konnten sie niemals erlangen, ohne Gesetze, welche die Staatsgewalt zu gunsten des freien Vermögenserwerbes[1], zum Schutze des Privateigentumes und zur Begründung eines Erbrechtes erlassen hat. Diese Gesetze zu ändern, ist der Staat jederzeit berechtigt und dadurch kann der Prozeß der Verstaatlichung des Besitzes beschleunigt werden. Wenn damit nur stufenweise und langsam vorgegangen wird, so hat das nicht darin seinen Grund, daß in einer sofortigen Einziehung des Besitzes gegen zeitlich beschränkte Renten eine Rechtsverletzung läge, sondern daß es nicht im Interesse des Staatswohles gelegen wäre, den Umbildungsprozeß zu übereilen. Jede Art von Besteuerung bildet eine Verkürzung von Privatinteressen und Privatbesitzrechten. Im öffentlichen Interesse wurde das Besteuerungsrecht doch seit Jahrtausenden geübt und die progressive Einkommensteuer, welche man längst für statthaft erkannt hat, zeigt einen der vielen Wege, welche zur Erreichung des angestrebten Zieles, die wirtschaftliche Macht des Staates auf Kosten der Besitzenden zu erweitern, führen können.

Das sind die Rechtsgrundsätze, welche für die Umwandlung der sozialen Zustände maßgebend sind. Diese Umwandlung ist kein Bruch mit der Vergangenheit, sondern eine Entwickelung und Fortbildung der bestehenden Zustände. Sie führt auch nicht im eigentlichen Sinne zur Aufhebung des Privateigentums, wohl aber zu dessen Aufsaugung zugunsten des wirtschaftlich Stärksten, des Staates und zur Erreichung der höchsten ethischen Ziele und der Erfolg dieser Aufsaugung ist die Zurückgewinnung eines verhältnismäßigen Anteiles am Volksvermögen für jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft.

Die Rechtsgrundsätze für die kommende Zeit der Staatsomnipotenz, welche der Verteilung von Arbeit und Gütern zugrunde liegen, sind folgende: Wer Mitglied der staatlichen Gesellschaft werden und bleiben will, und für die der staatlichen Erziehungsgewalt unterworfene Jugend wird das vorausgesetzt, muß die Grundlagen dieser Gesellschaft anerkennen und sich ihnen unterordnen. Wer aufhören will, dieser Gesellschaft anzugehören, muß entweder auswandern, oder seinen Anteil am staatlichen Gesamtbesitze absondern. Letzteres kann er nicht wünschen, weil er neben einem so mächtigen wirtschaftlichen Körper eine Sonderexistenz umsoweniger führen kann, als er von Jugend auf an das Wohlleben des Kollektivismus gewöhnt ist. Eine Frage wäre, ob man Auswanderern eine ihrem Anteil am Gesamtvermögen entsprechende Summe hinauszahlen solle. Das Maß dieser Abfertigung könnte nach Altersstufen und Berufskategorien in einen Tarif gebracht werden. Diese Auseinandersetzung würde aber gesetzlich geregelt und ein privatrechtlicher Anspruch niemals anerkannt werden. Die Hinauszahlung einer Summe an Auswanderer wäre kein Bruch mit dem Prinzipe der Naturalwirtschaft, die nur auf dem Territorium des Kollektivstaates, nicht für seinen Verkehr mit auswärtigen Staaten gilt. Die Geldmittel erwirbt der Kollektivstaat durch den Warenhandel mit Staaten, welche Geldwirtschaft haben und durch den Fremdenverkehr mit Angehörigen solcher Staaten. Wird es in Zukunft solche Staaten überhaupt nicht mehr geben oder mit solchen kein auf Erwerb gerichteter Verkehr mehr unterhalten, so könnte eine Abfertigung von Auswanderern nie anders, als durch Zuweisung beweglicher Sachen erfolgen.

Unter solchen Umständen, welche sowohl die Absonderung in vermögensrechtlicher Beziehung als die Auswanderung mit Anspruch auf Abfertigung ermöglichen, kann von einer Vergewaltigung oder unbilligen Abhängigkeit, wie sie heute der Besitzlose zu tragen hat, niemals die Rede sein.

Für jene, die Staatsbürger sind und bleiben wollen, gelten folgende Verteilungsgrundsätze:

Da der verhältnismäßige Anteil des Einzelnen am Gesamtvermögen ohne Arbeit zur Deckung des Lebensunterhaltes weitaus ungenügend ist, ist jeder zur Arbeit verpflichtet, um zur Deckung des Gesamtaufwandes beizutragen. An die Stelle der Steuerpflicht tritt im Kollektivstaat die Arbeitspflicht. Die Erfüllung dieser Arbeitspflicht wird erzwungen, wie der Militärdienst. Das Ausmaß der Minimalarbeitsschuldigkeit, sagen wir achtstündige Arbeit an 300 Tagen im Jahre, und die Verteilung der verschiedenen Arbeiten nach den Kräften und der Befähigung der Arbeitsfähigen erfolgt nach dem Gesamtwillen. Der Einzelne wird, da er nicht Eigentümer der Produktionsmittel, insbesondere der Naturquellen ist, auch nicht Eigentümer der durch seine Arbeit hervorgebrachten Güter. Diese fallen dem Staate zu, der sie zum Verbrauche, beziehungsweise zum Gebrauche unter die Mitglieder der Gesellschaft verteilt. Auch diese Verteilung erfolgt nach dem Gesamtwillen. Alle Glieder der Gesellschaft haben zunächst, ob sie arbeiten können oder nicht können, auch wenn sie von der Arbeit befreit sind, ein Recht auf naturalwirtschaftliche Befriedigung aller ihrer Bedürfnisse nach dem durch den Gesamtwillen festgesetzten Maßstabe. Ebenso werden alle jene Kategorien von Arbeiten festgesetzt, welche der Staat von jedermann zu beanspruchen berechtigt ist und jene, welche ein Sonderübereinkommen zwischen dem Staat und den Arbeitern voraussetzen, sei es, daß die Gefahren und Belästigungen einer Arbeit Anspruch auf Begünstigungen gewähren, oder daß sich nicht jeder zu einem Berufe eignet. Im ersten Falle werden den Berufen solche Begünstigungen eingeräumt, daß sich eine genügende Anzahl von Freiwilligen meldet, im zweiten Falle setzt der Staat die Bedingungen fest, unter welchen man die Zulassung zu einem bestimmten Berufe erlangen kann, so z. B. Prüfungen, längere erfolgreiche Vorbereitung oder Befähigungsnachweis.

Von der staatlich geregelten Arbeit befreit sind folgende Kategorien von Volksgenossen:

1. Die Arbeitsunfähigen. Arbeitsunfähig sind die Kinder, die Kranken und die Gebrechlichen aller Altersstufen. Diese Arbeitsbefreiung ist aber eine begrenzte, denn der Kollektivstaat wird Viele in seiner großen Organisation verwenden können, die in unserer Gesellschaftsordnung wegen Gebrechen keine Arbeit finden.

2. Die Pensionierten. Von der staatlich geregelten Arbeit befreit sind nach dem vom Gesamtwillen festgesetzten Maßstab alle jene, welche in ihrem Beruf die vorgeschriebene Altersgrenze erreicht haben, wenngleich sie noch arbeitsfähig sind.

3. Auch durch Geburt oder Verdienst kann die Befreiung von jeder staatlich geregelten Arbeit erlangt werden. Nach besonderen Gesetzen können hervorragende Verdienste um das Volk auch vor Erreichung der Altersgrenze mit Befreiung von aller staatlich geregelten Arbeit belohnt werden. Das gilt insbesondere von sehr erfolgreichen Dichtern, Künstlern, Forschern und Erfindern. Die Einräumung dieser Befreiung erfolgt in der Regel durch die Staatsverwaltung, aber die Gesetze können auch anders darüber verfügen und nach einem gewissen Turnus den Gemeinden, oder Bezirken oder Kreisen die Befugnis einräumen, solche Begünstigungen von Zeit zu Zeit je einer Person zu erteilen.

Wer von Geburt aus von jeder geregelten Arbeit befreit ist, wird gleichfalls durch die Gesetze bestimmt. Diese Begünstigung kann durch die Gesetze eingeräumt werden den Mitgliedern einer Dynastie, den Mitgliedern einer Anzahl von adeligen Familien, den Personen, welche zur Beschleunigung des Umwandlungsprozesses ihr Vermögen von einer gewissen Ausdehnung vor der Zeit abgetreten haben und ihren Nachkommen. Die Gesetze können bestimmen, daß die durch Geburt erworbene Arbeitsbefreiung an gewisse Beschränkungen gebunden ist und daß sie nur einer beschränkten Anzahl von Nachkommen zustatten kommt, sodaß z. B., wenn die Familienmitglieder der Dynastie über eine gewisse Anzahl anwachsen, den überzähligen Mitgliedern diese Begünstigung entzogen wird, sowie, daß nur jene Nachkommen der dynastischen Familie diese Begünstigung genießen können, die einer monogamen Ehe zwischen besonders geeigenschafteten Personen entspringen und dergl.

Die Monarchie ist mit dem Kollektivismus durchaus vereinbar, vorausgesetzt, daß auch die Dynastie dem allgemeinen Gesetze der Eigentumslosigkeit und der Naturalwirtschaft unterworfen ist und daß ihre verfassungsmäßige Stellung der Volkssouveränität keinen Abbruch tut.

Die Aufrechterhaltung der Monarchie wird sich insbesondere dort empfehlen, wo sie zur Aufrechterhaltung der staatlichen Einheit notwendig erscheint. Damit im Zusammenhange kann auch der Fortbestand einer Anzahl hochadeliger Familien entsprechend erscheinen, besonders dann, wenn die Dynastie und jene Familien, welchen die Adelsqualität zuerkannt wird, den Übergang in die neue Ordnung begünstigen, Staat und Volk zu repräsentieren geeignet und sie den sozialen Frieden zu schirmen bereit sind. Die ihnen zukommenden sozialen Funktionen werden verfassungsgemäß zu ordnen sein. Die Gesetze können auch da verhindern, daß die dem hohen Adel angehörigen Personen eine gewisse Anzahl entweder in den einzelnen Familien oder im Ganzen übersteigen, wenn sie bestimmen, daß die über diese Zahl geborenen Nachkommen der Adelsvorzüge nicht teilhaftig werden. Daß der Dynastie und dem Hochadel in einem Kollektivstaate ästhetische Aufgaben und eine soziale Stellung eingeräumt werden können, welche im Interesse des gesamten Volkes liegen und weder seiner Wohlfahrt noch seiner Freiheit abträglich werden können, glaube ich in meinem Roman »Österreich im Jahre 2020« klar gezeigt zu haben.

Was die Personen und die Nachkommen jener Personen anbelangt, die nach obigen Grundsätzen sich die Arbeitsbefreiung und demnach auch einen prozentualen Anteil an Gütern und Genüssen für sich und ihre Nachkommen gewissermaßen erkaufen, so wird diese wohl nur für eine gewisse Zahl von Generationen bewilligt werden und dann erlöschen. Ihre Stellung und die der monarchischen Familie und der Familien des Hochadels zum Volke wäre eine verschiedene. Die letztgedachten Familien hätten eine soziale Funktion zu erfüllen, die Nachkommen der Geldaristokraten aber nicht, ihre Freiheit wäre absoluter. Darum würde diese Freiheit immer unerträglicher werden, während die Ausnahmsstellung jener Familien, wenn sie ihren Aufgaben gewachsen sind, immer mehr gerechtfertigt scheinen wird.

Der Rechtsgrundsatz der Festsetzung eines sehr hoch gegriffenen (etwa 90%igen) Versorgungsminimums für alle, auch die Arbeitsunfähigen, rechtfertigt sich aus einem Versicherungsbedürfnisse der Arbeitsfähigen, welche den Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit jederzeit zu fürchten haben. Die Opfer, die sie aus dem Ertrage ihrer Arbeit für Arbeitsunfähige zu bringen haben, dienen also als Versicherungsprämie. Aus demselben Grundsatze ist die Versorgung der Kinder und Alten gerechtfertigt, denn die Arbeitsfähigen haben Ersatz zu leisten für den eigenen Unterhalt und Erziehung in der Jugend durch die Tragung des Versorgungs- und Erziehungsaufwandes für die nachwachsende Generation und in der Versorgung der Alten leisten sie die Prämie für die eigene Altersversorgung. Zur Versorgung der heranwachsenden Jugend haben nicht nur die Eltern, sondern gleichermaßen die Kinderlosen beizutragen, weil auch diese von der heranwachsenden Generation Altersversorgung beanspruchen werden. Noch mehr Grund haben die Massen zur Entlohnung der Hochverdienten, da sie die Früchte ihrer Leistungen genießen. Darum ist aber auch von einer Ausbeutung der Starken durch die Schwachen keine Rede.

Trotz des sehr hoch gegriffenen Versorgungsminimums ist die Verteilung so einzurichten, daß ein prozentuell zu bestimmender Teil des Jahresproduktes und der persönlichen Dienstleistungen zur Entlohnung höherer Verdienste, auch gemeiner Art, verwendet wird. Das wird am besten in der Form der Schaffung von Dienstkategorien geschehen, in welche man im Beförderungswege einrücken kann. Da keine anderen Verdienste anerkannt werden, als solche, die dem gesamten Volke zum Vorteil gereichen, so hat jeder Einzelne ein egoistisches Interesse, zu dieser Entlohnung beizutragen. Es ist demnach auch keine Rede von einer mechanischen Gleichheit zwischen allen Gliedern der Gesellschaft und diese gehört auch nicht zum Wesen des Kollektivismus und zwar gerade aus dem Grunde, weil die geplante Vermögensverwaltung das Wohl Aller zu verwirklichen hat.

Der Kollektivismus beschränkt sich nicht auf die Produktion und Verteilung von Sachgütern, sondern er hat auch die Aufgabe, alle Arten persönlicher Dienstleistungen sicher zu stellen und die Sachgüterproduzenten und jene, die persönliche Dienste zu leisten haben, in ein richtiges gegenseitiges Verhältnis zu bringen.

Da jeder Einzelne von allen Berufsklassen Vorteile empfängt, wenn ihm das auch oft nicht zum Bewußtsein kommt, so ist er auch allen verpflichtet und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen in einem richtigen Verhältnisse zu ordnen, ist eine Hauptaufgabe der staatlichen Verteilung. Das richtige Maß der Verteilung festzustellen dient als Hauptgrundlage die ununterbrochene Ermittelung der Sterblichkeit in den verschiedenen Berufsklassen.

Da der Staat alle Kinder versorgt, steht ihm auch das Recht zu, auf Ehe und Kindererzeugung gesetzgeberischen Einfluß zu üben und die Fortpflanzung degenerierter und krankhafter Individuen zu unterdrücken. Das wird in jenem Ausmaße zu geschehen haben, welches einer mäßigen Vermehrung der Bevölkerung nicht im Wege steht.

Es ist hier kein Grundsatz aufgestellt, der richtig angewendet nicht im Interesse eines jeden einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft läge. Da alle Güter an den Staat abgeliefert und alle Güter von ihm verteilt werden und nirgends die vermeintliche Äquivalenz im Austausche zwischen den Einzelnen, sondern allgemeine Verteilungsgrundsätze für den Gütertausch maßgebend sind, entsteht eine enorme Vereinfachung der Umsatzarbeit, wie insbesondere bei der Betrachtung der Funktionen der Verteilungsbeamten und bei der Erörterung der statistischen Verrechnung zur Evidenz gebracht werden wird. (Siehe V. 1, Alinea»Dieser Beamte« und VI. 8.)

Das Schlagwort Utopie hat hier keine Berechtigung. Insofern es sich um Zustände handelt, die nirgends und niemals waren, ist zwar, was ich fordere, ein Nirgendwo, allein das gilt von allem, was die Entwicklung bringt. Seit noch nicht hundert Jahren haben wir Eisenbahnen, Telegraphen, elektrische Wunderwerke, die niemals vorher waren. Darum wurde das Alles doch verwirklicht. Wer aber dergleichen hundert Jahre vorher versprochen hätte, wäre ein Utopist gewesen, weil er nicht wissen konnte, welche damals noch geheimen Kräfte die Erde birgt und wie sie den Menschen dienstbar gemacht werden können. Allein was ich verspreche, ist lediglich vom Willen der Menschen abhängig. Es setzt keine neuen Wunder der Erfindung voraus, und rechnet auf nichts, was nicht durchführbar wäre und es handelt sich nur um die Frage, ob wir Grund haben, die Ausführung alles dessen, was ich empfehle, zu wollen und ob es möglich sein wird, die widerstrebenden Elemente, welche heute allerdings die Macht in der Hand haben, zu überwinden. Diese Frage wird dort beleuchtet werden, wo die Wege besprochen werden, die in das neue Land führen.

Die großen Verbrechen unserer Zeit, die politische Zersetzung, die sich überall, am stärksten in Österreich, bemerkbar macht, die furchtbaren Hilfsmittel, welche staatsfeindliche Elemente zur Verfügung haben, ich erinnere nur an die Zerstörungen in Salonichi im April 1903, beweisen, daß neue Organisationen notwendig sind, will man die heutige Kultur beschützen. So werden die Gedanken der Staatsmänner auf das gebracht werden, was in dem von mir angedeuteten Sinne liegt.

Zuerst folgt eine Besprechung der Verfassung und der Regierungsform, der dauernden Einrichtungen mit Inbegriff der Populationsgesetze, der Volkserziehung und des Volksunterrichtes, dann aller Zweige der Verteilung der Arbeit, Güter und persönlichen Dienstleistungen. Sohin erst sollen Vorteile und Nachteile des Kollektivismus erörtert werden und zuletzt werden die schon jetzt erkennbaren Mittel vorgeschlagen, welche die Umwandlung der Zustände bezwecken.

Die umständliche Erörterung der dem Kollektivismus angepaßten Organisation ist darum erforderlich, weil man sich klar werden muß, ob ein so großer Wirtschaftskomplex rationell verwaltet werden kann. Ist der Kollektivismus ausführbar und welche Umgestaltungen müssen vorausgehen?

II. Das kollektivistische Rechtssubjekt.

Nicht leicht gibt es auf irgend einem Gebiete des menschlichen Lebens so viel Unklarheit, wie auf dem Gebiete des Sozialismus. Die Sozialisten wollen offenbar Produktion und Verteilung andere Grundlagen geben, aber bestimmte Formen hat die Vorstellung von der zukünftigen Gesellschaftsordnung nicht angenommen. Besonders ist der Begriff der »Gesellschaft«, den man mit dem Begriffe »Staat« in Gegensatz setzt, etwas ganz Nebelhaftes. Eine bestimmte Gestaltung hat die Gesellschaft nur in den Köpfen der Freiländer angenommen. Sie fordern die Fortdauer des Staates und sagen, der Staat müsse alle Produktionsmittel in seine Gewalt bringen, Eigentümer aller Produktionsmittel werden, er dürfe aber nicht selbst produzieren, sondern müsse die Produktionsmittel den frei gebildeten Assoziationen zur Bewirtschaftung überlassen. Nur für einige Produktionszweige gestatten die Freiländer die staatliche Produktion und das Charakteristische der Freilandstheorie ist der freie Anschluß eines jeden Individuums an eine oder mehrere der bestehenden Genossenschaften. Solche Ideen haben auch manche Anhänger des Anarchismus und manche sozialdemokratischen Theoretiker scheinen auch an eine genossenschaftliche Organisation der Bewirtschaftung der Produktionsmittel zu denken. Andere wieder scheinen sich die Kommune oder Ortsgemeinde als souveräne wirtschaftliche Einheit zu denken. Menger[2] geht von der Anschauung aus, die Vertreter der Ersetzung des Staates durch die Gesellschaft meinten, daß alle Arbeitsorganisationen aus Verträgen hervorgehen, und daß also die Gesetze durch Verträge ersetzt werden sollen.

Dieser Ruf, der Staat solle durch die Gesellschaft ersetzt werden, beruht auf einem Grundirrtum der Sozialisten. Sie wollen dadurch die Freiheit allen Gliedern des Volkes sichern. Allein solange es ein Staatsterritorium, das heißt ein begrenztes Gebiet, auf dem sich das wirtschaftliche Leben abspielt, gibt, gibt es einen Staat. Der Staat hat Grenzen, er hat heimatsberechtigte Bewohner, er hat eine Gesetzgebung, welche sich auf das Staatsgebiet und dessen Bewohner erstreckt und dann ist der Staat in der Regel unabhängig von allen äußeren Mächten. Obgleich für eine sehr ferne Zukunft die Möglichkeit eines Allerweltskommunismus nicht geleugnet werden soll, kann zunächst an nichts anderes gedacht werden, als an eine Veränderung der Gesellschaftsordnung und der Eigentumsordnung auf dem Gebiete eines oder mehrerer Staaten und darum ist die Erhaltung der Staaten im Interesse des sozialistischen Ideals und der vernünftige Sozialist bekämpft die vom Staate unabhängige wirtschaftliche Macht, nicht den Staat, der dazu berufen ist, in Zukunft den Sozialismus zu verwirklichen und die sozialistische Wirtschaft zu betreiben.

Die unklaren Köpfe, die über Sozialismus reden und schreiben, wollen den Staat abschaffen, weil sie sehen, daß die Gesetze nicht für Alle, sondern nur für die herrschenden Klassen gemacht sind. Darum glauben viele, die Anarchisten, daß die Abschaffung der Gesetze genüge, um der Ungerechtigkeit ein Ende zu machen. Die Gesetze sollen nun allerdings nicht im Interesse der herrschenden Klassen und Individuen gemacht werden, aber auch die Freiheit Aller hat die Herrschaft von Gesetzen, wenn auch anderer Gesetze zur Voraussetzung. Absolute Freiheit Aller, Anarchismus, ist schon wirtschaftlich unmöglich.

Bebel und andere Sozialisten meinen, der Staat sei bloß im Interesse des Privateigentums geschaffen worden und habe nur ihm zu dienen, daher er gegenstandslos sei, sobald das Privateigentum aufhöre. Allein der Staat hat schon lange aufgehört, nur dem Privateigentum zu dienen. Er ist auch schon zu einem Viertel kollektivistisch und hat auch die Geschäfte der kollektivistischen Einrichtungen zu besorgen. Gar nichts steht dem im Wege, durch den Staat selbst Alles in Gemeineigentum zu verwandeln. Schon Aristoteles sagt, es sei eine falsche Auffassung vom Staat, daß er keinen anderen Beruf habe, als die Privatrechte zu beschützen und selbst Napoleon sagte: Les lois ont pour but le bonheur de touts. Andere wieder glauben, die künftige Gesellschaftsordnung könne nur international zur Herrschaft gelangen und das sei der Grund, weshalb der Staat, eben weil er ein begrenztes Gebiet hat, verschwinden müsse. Diese Anschauung ist aber falsch. Daß der internationale Verkehr auch zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnung möglich ist, wird in diesem Werke nachzuweisen sein. Ebenso gewiß ist, daß auch zwei Staaten der gleichen Gesellschaftsordnung, zwei Kollektivstaaten, sich verschiedene Wirtschaftsziele setzen können. Darum unterliegt es keinem Zweifel, daß mit der kollektivistischen Gesellschaftsform die Trennung der Völker in mehrere Staaten nicht nur nicht unvereinbar, sondern für die nächste Zeit sogar unvermeidlich ist. Müßten alle Völker der Erde, oder alle Völker eines Kontinentes, oder selbst nur alle Individuen auf einem Staatsgebiete gleichzeitig zur kollektivistischen Gesellschaftsordnung übergehen, so wäre dieser Übergang für alle Zeiten unmöglich, weil die Änderung der Gesellschaftsordnung sich dann nicht evolutionistisch vollzöge.

Ich spreche demnach von Kollektivstaaten, vom Übergange einzelner Staaten aus der heutigen Gesellschaftsordnung in die kollektivistische Gesellschaftsordnung und werde dabei insbesondere das österreichische Staatsgebiet und dessen besondere Verhältnisse ins Auge fassen. Daß ich zunächst an Österreich denke, hat nicht nur seinen Grund darin, daß ich Österreicher bin und das Gute zuerst für mein Vaterland wünsche, noch darin, daß ich mit österreichischen Verhältnissen besser vertraut bin, als mit denen anderer Länder und Völker, sondern ich wende das kollektivistische Staatsideal deshalb zuerst auf Österreich an, weil ich glaube, daß Österreich und die habsburgische Dynastie nur durch den Kollektivstaat vor dem Untergange gerettet werden können, daß also der Selbsterhaltungstrieb, der dem österreichischen Staatsgebilde innewohnt, mit Notwendigkeit den Gedanken reifen muß, gewissermaßen in extremis dieses letzte Heilmittel zu versuchen. Die Krankheit Österreichs wurzelt im Privateigentum, um welches sich in letzter Auflösung alle politischen Kämpfe drehen.

Meines Erachtens ist die politische Zersetzung Österreichs als Bankerott der herrschenden Klassen in Österreich aufzufassen, diese Klassen müssen als Gegner der Dynastie, als Gegner des Staatsganzen, aber vor Allem als Gegner des produktiven Volkes erkannt werden. Sie sind das zwar in allen Ländern,[3] aber nirgends sind sie in ihrer gemeinschädlichen Tätigkeit so weit vorgeschritten als in Österreich und nirgends halten sie sich so sehr gegenseitig das Gleichgewicht, nirgends ist ihre Politik so festgefahren, wie bei uns, nirgends ist ihre Gemeinschädlichkeit so für Jedermann evident. Der Kampf der politischen Parteien frißt am Mark des Staates, führt zur Frechheit gegen den Träger der Krone, bedroht die Dynastie und zugleichschädigt er Bürger, Bauern und Proletarier durch Unterbindung der Produktion, daher Österreich nur gerettet werden kann durch eine Allianz der Krone mit den beherrschten Klassen gegen die herrschenden Klassen, welche ihrer politischen Macht beraubt werden müssen, was natürlich zur Untergrabung der wirtschaftlichen Macht dieser Klassen führen muß.[4]

III. Die Verfassung eines kollektivistischen Staates.

1. Allgemeines.

Das natürliche Ziel der Entwickelung der Gesellschaft ist die Volkssouveränität, von welcher man heute nur theoretisch spricht. Sobald das Privateigentum und der Reichtum, also das wirtschaftliche Übergewicht, Einzelner unterdrückt ist, gibt es keine Macht mehr, welche sich dem Volke gegenüber behaupten könnte. Mit der Volkssouveränität ist aber die Monarchie recht wohl vereinbar. Sie würde bedeuten, daß die oberste Leitung der Staatsgeschäfte, wie sie heute dem Staatsoberhaupte in den Kulturstaaten, seien diese Monarchien oder Republiken, zusteht, einer Familie erblich übertragen ist und vom Oberhaupt dieser Familie ohne persönliche Verantwortlichkeit ausgeübt wird. Selbstverständlich wird die Regierungsgewalt des Staatsoberhauptes in einem Kollektivstaate eine wesentlich andere sein, als in einem Staate unserer Gesellschaftsordnung und auch das Staatsoberhaupt wird, wie jeder andere Volksgenosse, mehr Freiheit zu nützen, aber viel weniger Freiheit zu schaden haben, als heute.

Vereinbar mit der Volkssouveränität ist die Monarchie dann, wenn die monarchische Gewalt namens des Volkes ausgeübt, von ihm abhängig erklärt wird und wenn das Volk das Recht hat, die Monarchie abzuschaffen, den Monarchen abzusetzen, die Successionsordnung abzuändern. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sich die Monarchie, wo sie heute besteht, wenigstens für eine Reihe von Generationen auch in der neuen Gesellschaftsordnung dann erhalten wird, wenn die Dynastie der Umwandlung der Gesellschaftsordnung Vorschub geleistet hat. Die Befugnisse des Monarchen werden nach mancher Richtung sehr beschränkt sein und die Hauptaufgabe des Monarchen wird nicht sein Anteil an der Gesetzgebung und Verwaltung, sondern die soziale Repräsentation des Volkes und Staates sein. Der Monarch wird die Personifikation des Volkes und Staates darstellen und diese Stellung wird vorzüglich zum Ausdrucke kommen bei großen Festlichkeiten und bei den obersten und prächtigsten geselligen Vereinigungen, deren Mittelpunkt regelmäßig der Monarch sein wird. Er und seine Familie werden eine oberste Stellung einnehmen und damit er imstande sein soll, die umfassenden repräsentativen Aufgaben zu lösen, welche der Monarchie gestellt sind, wird zu prüfen sein, ob nicht eine kleine Zahl adeliger Familien fortbestehen soll, die den Monarchen dabei unterstützen. Der Monarch, seine Familie und der Adel, wenn ein solcher forterhalten wird, können ebensowenig Privateigentum haben, wie irgend ein anderer Volksgenosse und den Aufwand der Hofhaltung bestreiten sie aus den ihnen vom Volke jährlich naturalwirtschaftlich angewiesenen Mitteln an Arbeitskräften und Naturalien. Über diese Hofhaltung wird in IV, Näheres gesagt werden.

2. Das souveräne Volk.

Die bloße Erklärung, das Volk sei souverän, ist ohne allen Wert. Man muß erst wissen, wer das Volk ist, da doch mindestens Säuglinge keinen Anteil an der Souveränität haben können und man sich über die Grenzen des Alters der Unselbständigkeit erst einigen muß. Auch braucht jede Vereinigung von Menschen, die gemeinsame Zwecke verfolgen soll, bestimmte Organisationsformen, die umso schwieriger zustande kommen, je zahlreicher die Glieder einer solchen sind. Verfassungen müssen daher immer oktroyiert werden und zwar entweder von einem Monarchen, oder einer provisorischen Regierung, einem Diktator oder einer konstitutionellen Versammlung. Darum kann hier dieser Gegenstand nur theoretisch besprochen werden und die Verwirklichung der Volkssouveränität wird einen Teil der Umgestaltungsarbeiten bilden, welche die neue Gesellschaftsordnung herbeiführen sollen.

Vor allem entsteht die Frage, wer bei der Fassung von Volksbeschlüssen eine Stimme haben soll, und es scheint für den Zukunftsstaat das Natürlichste, das Stimmrecht jedem männlichen und weiblichen Volksgenossen einzuräumen, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Gesetze bestimmen, daß mit dem vollendeten 18. Lebensjahre die Erziehungsgewalt der Familie und des Staates beendet und der junge Mensch, sei es Mann oder Weib, selbständig ist. Bezüglich der Jugend, welche dieses Alter noch nicht erreicht hat, könnten verschiedene Grundsätze angenommen werden, sie könnte 1. ganz unvertreten bleiben, 2. ihre Vertretung könnte dem Monarchen oder sonstigem Staatsoberhaupte eingeräumt werden, endlich 3. könnte man sie in die Hände der Eltern, vielleicht nur der Mutter oder Wahlmutter legen. Dann hätten diese Personen für sie die Stimme abzugeben. Pluralstimme.

1. Die unselbständige Jugend könnte ganz unvertreten bleiben, weil sie, noch ohne genügende Arbeitsleistung, dem Staate zur Last fällt und weil sie, der Natur der Sache nach nicht jene Reife des Urteils besitzt, die zur Ausübung des Stimmrechtes erforderlich ist. Nehme man auch an, daß viele schon in einem früheren Lebensalter als mit 18 Jahren verstandesreif sind, so müßte doch jedenfalls für den Beginn der Selbständigkeit und des Stimmrechtes eine natürliche, leicht erkennbare Grenze gezogen werden. Die Beschränkung der Erziehung auf das Alter unter 18 Jahren wird in VII, 5, a, begründet werden.

2. Wenn aber auch eine selbständige Ausübung des Stimmrechtes vor vollendetem 18. Lebensjahre nicht zugestanden werden könnte, so käme noch immer eine stellvertretende Ausübung des Stimmrechtes zur Wahrung der Interessen der Jugend in Frage und eine solche könnte in zwei Formen zur Einführung gelangen. Den modernen Monarchen hat man in der Regel als den Vertreter aller jener Volksschichten zu betrachten, welche in der Gesetzgebung nicht vertreten sind. Darum könnte auch im Kollektivstaate diese Vertretung der Jugend dem Monarchen oder dem sonstigen Staatsoberhaupte eingeräumt werden. Beträgt die erziehungsbedürftige Jugend 40% der Bevölkerung und setzt man sie der Bedeutung nach dem 10. Teile des Gesamtvolkes gleich, so könnte man dem Monarchen oder Staatsoberhaupte zur Geltendmachung der Interessen der Jugend gewisse, jener Bedeutung angemessene Vertretungsrechte einräumen. Es wäre nicht zu empfehlen, ihm ein effektives Stimmrecht, etwa in der Form einzuräumen, daß er bei Volksabstimmungen ein Zehntel aller Stimmen abgeben könnte, weil eine solche Macht in einer einzigen Hand vereiniget gefährlich wäre. Wohl aber könnte zur Geltendmachung dieser Interessen ein beschränktes Vetorecht eingeräumt werden, etwa so, daß ein Beschluß auf beschränkte Zeit sistiert werden könnte, oder daß dem Monarchen ein Vetorecht dann zustände, wenn die Majorität nicht mehr als fünf Neuntel aller Stimmen oder aller abgegebenen Stimmen betrüge.

3. Den Müttern oder Wahlmüttern, siehe darüber VII, 2, könnte, wie gesagt, auch die Abgabe einer Stimme für ihre Kinder nach Art der Pluralvoten unserer Zeit eingeräumt werden. Nachdem den Frauen aber ohnehin schon die Hälfte aller Stimmen, ja bei den heutigen Bevölkerungszahlen der männlichen und der weiblichen Bevölkerung, erheblich mehr als die Hälfte aller Stimmen gebührt, so würden solche Pluralvoten der Mütter, wenn sie für alle Abstimmungen zugestanden würden, zu einer gefährlichen Überstimmung der männlichen Bevölkerung führen. Man könnte sich aber wohl denken, daß ein proportional berechneter Teil des Volkseinkommens für die Jugend ausgeschieden würde und wenn es sich nur um Verteilungsbeschlüsse in Beziehung auf diesen Anteil am Volkseinkommen handelte, wäre ein solches Übergewicht der Frauenstimmen ganz unbedenklich. Vielleicht würde ein so mächtiger Einfluß, der vorwiegend doch nur den verheirateten Frauen zustatten käme, etwas dazu beitragen, um die Eheflucht, die nach VII, 3, zu fürchten wäre, einzudämmen und den verheirateten Frauen den Kindersegen erwünscht scheinen zu lassen.

Da aber die ganze Bevölkerung, auch die Männer und die unverheirateten Personen, ein großes Interesse daran haben, daß die neue Generation aufgezogen und zu einem tüchtigen Geschlechte herangebildet werde, scheint ein Bedürfnis, die Jugend als solche besonders vertreten zu sehen, nicht gerade evident zu sein und nachdem in allen Dingen, insbesondere auch in Verfassungsfragen die größte Einfachheit erwünscht ist, dürfte man von allen solche Künsteleien absehen.

Auch den Männern könnte die Verfassung ein Übergewicht über die Frauen verschaffen, wenn das Pluralvotum den Vätern statt den Müttern zugestanden würde. Doch scheint es für die künftige Gesellschaftsordnung so natürlich, daß die väterliche Gewalt durch eine mütterliche Gewalt ersetzt werde, wie in VII, 2, gezeigt wird, daß ein solcher Vorschlag kaum begründet erscheinen könnte.

3. Das Stimm- und Wahlrecht. Form der Ausübung.

Das souveräne Volk kann so wenig durch Verfassungsformen gebunden werden, wie früher der absolute Monarch durch Gesetze oder selbst durch seinen eigenen Willen dauernd in seiner Freiheit beschränkt werden konnte. Das Volk wird demnach nicht verpflichtet werden können, Abgeordnete zu wählen und ihnen die gesetzgebende Gewalt zu übertragen. Die Regel wird die Volksabstimmung sein, welche allerdings auch darauf gerichtet sein kann, für einen bestimmten Fall oder für eine bestimmte Zeit Vertreter zu wählen, welche als Vollmachtsträger zu betrachten sind. So könnten auch zur Vorberatung der jährlichen Beschlüsse über Produktion und Verteilung, oder neuer Gesetze Deputierte gewählt werden mit Vorbehalt der Volksabstimmung zur Ratifizierung ihres Operates.

Im Kollektivstaate ist die Trennung der gesetzgebenden und der ausübenden Gewalt viel notwendiger, als im heutigen Staate, wo die Gegenstände der staatlichen Kompetenz viel weniger ausgedehnt sind, und wo die gesetzgebenden Körper nur über dasjenige entscheiden, was die Besitzenden ihnen überlassen. Im Kollektivstaate würde das Volk die ganze Zeit mit gesetzgeberischen und Verwaltungsakten zubringen müssen, wenn es der Verwaltung keine ausübende Gewalt einräumen wollte. Aber nicht die Notwendigkeit oder das Verlangen, die Volkssouveränität zu beschränken, sondern die Macht der Tatsachen zwingt dazu, der Verwaltung ausgedehnte Befugnisse einzuräumen. Das Volk schreibt nur allgemeine Grundsätze vor, deren Anwendung der Staatsverwaltung übertragen ist. In Betreff des Volkshaushaltes bestimmt das Volk nur, was und in welcher Ausdehnung es produziert werden soll und nach welchen Grundsätzen die Verteilung von Arbeit und Gütern erfolgt. Die Durchführung der Beschlüsse ist die Aufgabe der Staatsverwaltung. Wie die mit diesen Geschäften betrauten Personen bestellt werden, ist selbst wieder Gegenstand der Gesetzgebung und davon wird in V, 1, gehandelt.

Wenn ein Analogon der heutigen Budgetierung im Kollektivstaate fortbestünde, so würden jährlich Beschlüsse gefaßt über den Staatshaushalt in dem Sinne, daß für das kommende Jahr bestimmt würde, was und in welcher Ausdehnung es produziert und wie die Güter verteilt werden sollen. Man kann sich aber auch recht wohl denken, daß man von solchen jährlichen Festsetzungen der ganzen Staatswirtschaft absehen und ohne Festsetzung von Terminen oder Zeitabschnitten nach Bedarf Beschlüsse über Abänderung der Produktion und Verteilung fassen würde. Ein einzelner Verteilungsbeschluß wird in einer Note zu VIII, 4, zur Anschauung gebracht, wo es sich um die Verteilung von Druckpapier zu verschiedenen Zwecken handelt.

Außer den Beschlüssen über den Volkshaushalt gibt es noch andere Gegenstände der Gesetzgebung. So über Beschränkungen der Einzelnen auch in anderen Dingen als in Beziehung auf Arbeit und Güter. Besonders sind Gegenstand der Gesetzgebung die Ehe, das Recht der Zeugung, die Erziehung und das Familienrecht, der außereheliche Geschlechtsverkehr, das Strafrecht, die Disziplin und auch sonst alles, was das Volk in den Kreis seiner Gesetzgebung ziehen will.

Auch für diese Gesetzgebungsgegenstände kann der Staatsverwaltung ein sehr weitgehendes Verordnungsrecht eingeräumt werden, aber selbstverständlich mit dem Rechte des Widerrufes durch Volksbeschlüsse und der Einschränkung in Beziehung auf eine Reihe von bestimmten Gegenständen.

Da die Volksabstimmung nur mit »Ja« oder »Nein« erfolgen kann, ist es notwendig, Vorlagen zu machen, auf welche sich die Volksabstimmung bezieht. Diese Vorlagen einzubringen, ist die Aufgabe der Staatsverwaltung. Das Volk kann aber nicht darauf beschränkt werden, bloß über das abzustimmen, was die Staatsverwaltung vorschlägt, weil das einer Konfiskation der Volkssouveränität zugunsten der Staatsverwaltung gleichkäme. Es muß also ein genau definiertes Recht der Einbringung von freien Anträgen oder von Abänderungsanträgen eingeräumt werden. Beschränkt muß dieses Recht der Einzelnen werden, weil sonst die Abstimmungen ins ungemessene gingen. Demgemäß wird einmal nicht bloß der Staatsverwaltung, wie auch dem Volksbeamtentum, wovon in V, 1, die Rede ist, die Pflicht, beziehungsweise das Recht übertragen werden, Gesetzesvorschläge und Abänderungsanträge einzubringen, sondern auch eine gewisse Anzahl von Kreisen, Bezirken oder Gemeinden, welche sich auf Abänderung eines Gesetzes- oder Abänderungsvorschlages einigen, wird dieses Recht zustehen. Hat also die Staatsverwaltung ihre Vorlagen für den Jahreshaushalt oder ein Gesetz veröffentlicht, so kann jeder beantragen, daß diese oder jene von der Staatsverwaltung in Antrag gebrachte oder bisher nach den Gesetzen geübte Produktion oder Verteilung eingeschränkt oder erweitert werde, zur Abstimmung kann ein solcher Antrag aber nur gelangen, wenn entweder die Staatsverwaltung, oder das Volksbeamtentum, oder etwa zwei Kreise oder tausend Gemeinden dem Antrage beitreten. Da alle solche Anträge veröffentlicht werden, so steht es nämlich jeder Gemeinde zu, darüber probeweise abzustimmen und den Antrag, wie man sich heute ausdrücken würde, zu unterstützen, und wird ein Antrag genügend unterstützt, so wird darüber allgemein abzustimmen sein. Wie leicht ein Gemeindebeschluß zustande kommt, wird weiter unten, Alinea»Die Gemeinden sind«, gezeigt werden.

Die Vorlagen der Staatsverwaltung werden vom Ministerium beraten und beschlossen. Die untergeordnete Beamtenschaft hat das Recht, über eine Anfrage der Regierung oder aus eigenem Entschlusse Anträge zu stellen, über welche das Ministerium zu beraten hat, die aber auch, wenn sie nicht als Regierungsanträge eingebracht werden, jeder Beamte und jede Beamtenkorporation einzubringen berechtigt ist, insofern sie die erforderliche Unterstützung finden. Hat das Volk Beschlüsse gefaßt, wonach bestimmte Entscheidungen über Fragen des Volkshaushaltes oder der Gesetzgebung nicht im ganzen Staat einheitlich geregelt werden, sondern nur mit Gültigkeit innerhalb einer Provinz, eines Kreises oder für einen Bezirk oder eine Gemeinde beschlossen werden sollen, so hat die Bevölkerung jenes Gebietes darüber zu entscheiden, für welche das Gesetz oder die Maßregel Gültigkeit haben soll. Doch muß ein allgemeiner Volksbeschluß immer die Kraft haben, solche Gesetze oder Volksbeschlüsse kleinerer Gebiete aufzuheben, weil sonst der Staat nach und nach in Gemeinden zerfiele und der Besitz des gesamten Volkes zum Gemeindebesitze gemacht werden könnte. Dadurch würde man sich dem Individualismus wieder nähern.

Die Verfassung wird bestimmen, wie lange vor dem Tage einer Abstimmung Vorlagen der Regierung veröffentlicht werden müssen. Die Veröffentlichung von Vorlagen für eine allgemeine Abstimmung geschieht durch das Reichsblatt. Kann eine Provinz oder ein Kreis für deren Gebiet ein Spezialgesetz beschließen, so geschieht die Veröffentlichung der Vorlage durch das Provinzblatt beziehungsweise das Kreisblatt. Der Kundmachung der Vorlagen wird der Tag der Abstimmung beizufügen sein. Die Vorlagen werden der Gegenstand der Erörterung in den Blättern sein und Für und Wider in dem der Staatsverwaltung und dem den Volksorganen vorbehaltenen Teile der Blätter, siehe VI, 7, Alinea: »Die genannten amtlichen Blätter«, besprochen werden. Gemeinden und Bezirke können Redner beauftragen, die Vorlage zu prüfen und in den Versammlungen der Gemeinde oder des Bezirkes darüber zu referieren. In den Gemeinden können die Versammlungen täglich abgehalten werden, für den ganzen Bezirk aber an jedem Sonntage. Die stimmfähigen Mitglieder der Gemeinde werden sich in Sektionen teilen, in welchen alle Vorlagen beraten werden, damit jeder Stimmberechtigte auch an der Beratung teilnehmen und in engerem Kreise zu Worte kommen kann. Probeabstimmungen werden der endgültigen Abstimmung vorhergehen und das Ergebnis der Probeabstimmung wird zu veröffentlichen sein.

Die Gemeinden sind als verfassungsmäßige Körperschaft in Permanenz. Bei jeder Mahlzeit kann jeder, dem es beliebt, beantragen, zu einer bestimmten Stunde abends zusammenzutreten, um einen Gegenstand zu beraten und darüber und mit Beschränkung der Wirksamkeit auf die Gemeinde, soweit allgemeine Beschlüsse nicht im Wege stehen, zu beschließen, oder Gegenstände allgemeiner Geltung zu beraten und Probeabstimmungen einzuleiten. Auf solche Art werden auch selbständige Anträge oder Abänderungsanträge der Gemeinden zu stande kommen, welche, um die Unterstützung anderer Gemeinden zu erlangen, durch das Kreisblatt oder Provinzblatt zu veröffentlichen sind. Für autonome Gemeindebeschlüsse wird ein Quorum festgesetzt werden, für Finalabstimmungen des Reiches wird man darauf halten, daß jeder Stimmberechtigte seine Stimme abgibt und die Stimmenthaltung wird als Pflichtverletzung betrachtet werden. Das Stimmrecht kann an jedem Aufenthaltsorte innerhalb des Reiches, nicht bloß am Wohnorte des Abstimmenden, ausgeübt werden, wenn es sich um Reichsabstimmungen handelt. Durch Festsetzung der Abstimmung auf eine genau bestimmte Zeit wird die Abgabe von Doppelvoten unmöglich gemacht. Gegen die Abgabe von Stimmen durch Unbefugte schützt die Legitimationskarte, ohne welche Niemand sich außerhalb des Bezirkes aufhalten kann. An Abstimmungen und Wahlen für ein begrenztes Wirksamkeitsgebiet werden nur stimmberechtigte Angehörige jenes Gebietes und wenn sie sich, obschon außerhalb ihrer Gemeinde, doch innerhalb jenes Gebietes, für welche Abstimmung oder Wahl wirksam ist, aufhalten, teilnehmen können.

4. Die Wahlen.

Das Wahlrecht kann nach besonderem Volksbeschlusse ausgeübt werden, um Abgeordnete mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten mit oder ohne Vorbehalt der Ratifikation zu betrauen. Es kann solchen Abgeordneten die Beschlußfassung über größere Arbeiten übertragen werden, welche vorgeschlagen wurden; über Monumental-, Eisenbahn- und Kanal-Straßen- oder Brückenbauten, deren Zweckmäßigkeit nur von Personen beurteilt werden kann, welche die Vorlagen eingehend prüfen.

Das Wahlrecht kann ferner ausgeübt werden, um Beamte für die Führung der Geschäfte zu ernennen. In einem anderen Abschnitte, V, 1, wird erörtert werden, weshalb sich die Bestellung der Verwaltungsbeamten, Unterrichtspersonen und Ärzte durch Volkswahlen nicht empfiehlt, daß es aber zweckmäßig erscheint, den staatlich bestellten Verwaltungsbeamten zur Mitarbeit und zur Wahrnehmung der Rechte der Einzelnen vom Volke gewählte Überwachungsorgane, »Volksbeamte«, beizugeben. Diese Wahl hat das Volk, nämlich die stimmberechtigte Bevölkerung des Gebietes, für das die Wahl Geltung hat, zu vollziehen. Die Volksbeamten wird man aber nicht nur den Beamten untersten Ranges, sondern auch den übergeordneten Beamten und den Ministern an die Seite stellen müssen, vielleicht auch als Mitberater des Monarchen und der Hofämter bestellen, und da entsteht die Frage, ob es zweckmäßig ist, auch die Volksbeamten höherer Ordnung durch das Volk wählen zu lassen. Innerhalb der Gemeinden und innerhalb des Bezirkes wird es viele Personen geben, welche allen Gemeindegenossen und allen Bezirksgenossen sehr genau persönlich bekannt sind und darum kann die Wahl von Volksbeamten für die Gemeinden und Bezirke durch das Volk ohne Zweifel gutgeheißen werden. Allein ein Kreis hat schon eine so große Ausdehnung, daß die Wahl nicht leicht auf Jemand fallen könnte, der der Mehrzahl der Stimmberechtigten bekannt wäre. Es könnte also die Wahl der Volksbeamten höherer Ordnung den Volksbeamten selbst überlassen werden, wenn anzunehmen ist, daß sie durch die Geschäftsführung und infolge der Zusammenkünfte eine genauere Kenntnis der Männer erlangen, welche ihrem Berufe angehören und sich für einen höheren Rang eignen. Dieses Wahlrecht wäre immer nur ein stellvertretendes.

Daß die Gemeinden für die eigenen, die Allgemeinheit nicht berührenden autonomen Angelegenheiten geschäftsführende Vertreter wählen werden, ist nicht wahrscheinlich, weil es geringe Schwierigkeiten macht, zu einer Vollversammlung zusammenzutreten, und eines der stimmführenden Mitglieder jeweilig zur Leitung der Verhandlung zu bestimmen. Doch setzt das die Gemeindeeinrichtungen voraus, welche in diesem Werke zur Grundlage genommen sind, nämlich mit Gemeindehaushalt statt des Familienhaushaltes und mit eng zentralisierten Wohnbauten.

Alle durch Wahl bestellten Vertreter und Organe des Volkes wird das Volk auch wieder abzurufen berechtigt sein. So oft ein darauf bezüglicher Antrag eingebracht wird, wird er sofort in Verhandlung gezogen und nur Beschlußfassungen dieser Art, an welchen sich das ganze Volk oder ganze Provinzen oder Kreise beteiligen müssen, werden einen in den Zeitungen veröffentlichten Antrag voraussetzen, der die Zustimmung weiterer Kreise hat. Bestünden keine solchen Beschränkungen, so würde das Volk durch zahllose Abstimmungen belästigt werden.

Wahlen werden daher am besten auf unbestimmte Zeit, bis zur Abberufung vollzogen werden und eine im vorhinein bestimmte Dauer der Mandate ist in einem Staate mit Volkssouveränität nicht zu empfehlen. Der Zwang, einem Gewählten das Mandat vor Ablauf einer gesetzlich bestimmten Periode nicht zu entziehen, nach deren Ablauf aber neuerlich zu einer Wahl zu schreiten, ist eine Einschränkung der Souveränität.[5]

5. Das Objekt der Volksbeschlüsse.