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Ob im Beruf, in der Familie oder in der Nachbarschaft: Wo es Menschen gibt, gibt es auch Konflikte. Da Auseinandersetzungen und Kontroversen also zum Leben gehören, empfiehlt es sich, Kompetenz im Umgang mit diesem allzu menschlichen Phänomen zu entwickeln. Hierzu trägt dieses Buch bei. In präzisen Antworten auf 86 kurze Fragen wird gezeigt, welche Arten von Konflikten es gibt, wo sie auftreten und welche Lösungswege sich anbieten. Die negative Seite von Konflikten ist den meisten von uns nur zu bekannt. Dass sie auch eine Chance für einen Neubeginn sein können, dass sie neues Wahrnehmen, Denken und Handeln ermöglichen - auch diese Seite wird thematisiert. Die skizzierten Lösungsansätze sind praxistauglich und lassen sich sowohl in den beruflichen Kontext als auch in private Zusammenhänge einbringen.
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Seitenzahl: 131
Ursu MahlerDer Konflikt-Coach Sicherer Umgang mit Konfliktsituationen im Familien- und Berufsalltag86 Antworten zur erfolgreichen Konfliktlösung
ReiheSoft Skills kompaktHerausgegeben von Stephane EtrillardBand 13
Band 1 - Stephane Etrillard:Erfolgreiche Rhetorik für gute GesprächeBand 2 - Sabine Mühlisch:Fragen der KörperSpracheBand 3 - Reinhold Vogt:Gedächtnis-Training in Frage & AntwortBand 4 - Rene Borbonus:Die Kunst der PräsentationBand 5 - Ute Simon-Adorf:Was Sie schon immer über Coaching wissen wollten ...Band 6 - Arno Fischbacher:Geheimer Verführer StimmeBand 7 - Ute Simon-Adorf:Mentaltraining in Frage & AntwortBand 8 - Stephan Ulrich:Menschen grafisch visualisierenBand 9 - Jürgen W. Goldfuß:Wer sich nicht führt, der wird verführtBand 10 - Doris Kirch:Der Stress-CoachBand 11 – Stéphane Etrillard:CHARISMA – einfach besser ankommenBand 12 – Birgit Lutzer: Bringen Sie es auf den Punkt!
© Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2011 Coverfoto: © dephoto – Fotolia.com Covergestaltung/Reihenentwurf: Christian Tschepp
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2012
Satz und Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn
ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-781-8 ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-855-6
Ein Leben ohne Konflikte gibt es nicht. Sie sind unausweichlich. Damit wir besser mit ihnen umgehen können – dazu ist dieses Buch gedacht!
Es soll Anregung zur Konfliktlösung bieten, Hilfe zur Selbsthilfe. Ob wir an Streit im Berufsleben denken, an Differenzen in der Partnerschaft, an Gezänk zwischen Nachbarn, an die Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern, an Rivalitäten zwischen Freunden, an Tarifstreitigkeiten, an Interessengegensätze zwischen Staaten, nicht zuletzt auch an die Widersprüche in uns selbst – Konflikte kommen überall vor, wo es Menschen gibt. Wir sind geradezu umzingelt von ihnen.
Genauso vielfältig wie die Felder, auf denen sie sich abspielen, sind die Themen von Konflikten. Klassische Anlässe sind etwa der Streit ums Geld oder das Gerangel um interessante Aufgaben und Positionen. Da will der Chef etwas anderes als die Sekretärin, der Vertrieb etwas anderes als das Marketing, da balgen sich Kollegen um Jobs und Budgets, um Zeitpläne und Material ... Harmlose Alltagsbemerkungen wie: „Ich darf doch hier rauchen, okay?!“ oder eine Frage wie: „Wohin fahren wir dieses Jahr in Urlaub – ans Meer oder in die Berge?“ bieten, wie wir wissen, Zündstoff in hohem Maße ... Ebenso Kollegen, die sich stets die Rosinen aus dem Arbeitskuchen picken, die andere mobben oder fortwährend zu spät kommen ... Oder denken Sie an das Gebiet der Erziehung: Kinder verlangen von früh auf Freiräume, die ihnen die Eltern aus gutem Grund (noch) nicht zugestehen dürfen. Trägt die „Trotzphase“ ihren Namen nicht bereits von den Konflikten, die mit ihr einhergehen? Zehn, zwölf Jahre später sind es dann die Jahre der Pubertät, die durch heftiges Aufbegehren geprägt sind.
Konflikte verlangen uns viel ab – so viel ist gewiss. Auf der anderen Seite liegt in ihnen oft auch der Keim zu etwas Neuem. Sie können uns zu neuem Wahrnehmen, neuem Denken, neuem Handeln führen. Sie fordern uns heraus, doch sie verheißen uns auch etwas, ja, sie können „heilsam“ sein. Konflikte sind nichts grundsätzlich Schlechtes. Es kommt entscheidend darauf an, wie wir mit ihnen umgehen.
Ich bin seit über 20 Jahren als selbstständige Managementtrainerin und als Coach tätig; davor war ich lange festangestellt in Führungspositionen. Während dieser Zeit hatte ich mit allen Arten von Konflikten zu tun. Durch „learning by doing“, aber auch durch gute Mentoren und fähige Vorgesetzte bin ich im Umgang mit Konflikten erprobt. Inzwischen habe ich Hunderte von Trainings und Coachings durchgeführt und mich zur Führungs- und Konfliktexpertin weiterentwickelt.
In den letzten Jahren ist Coaching als Methode zur Konfliktbewältigung sehr in Mode gekommen. In der Tat: Coaching kann dabei eine sehr hilfreiche, stark unterstützende Rolle spielen. Wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Ich habe Probleme mit meinem Chef“, dann werden wir diese Probleme Zug um Zug aufdröseln und nach den Wurzeln forschen. Parallel dazu frage ich: Was wäre denn ein wünschenswerter Zustand? Welche Möglichkeiten gibt es, die Realität in Richtung auf diesen wünschenswerten Zustand hin zu gestalten? Welche Zugeständnisse sind dafür nötig? Wie könnte man einen Kompromiss erzielen? Und so weiter! Wenn man seinen Konflikt mit einem kompetenten Partner an der Seite auf diese Art und Weise behandelt – dann ist Coaching natürlich eine tolle Unterstützung bei der Konfliktbewältigung.
Auf der anderen Seite warne ich davor, Coaching als Allheilmittel anzusehen. Wer denkt: „Ach, ein Konflikt?! Na, dann geh’ ich halt ins Coaching, und dann ist alles bald wieder Friede Freude Eierkuchen ...“ – der befindet sich auf dem Holzweg. So klappt das nicht. Coaching ist nur dann sinnvoll – und erst dann zwingend erforderlich –, wenn zuvor schon alle möglichen Ansätze zur Konfliktlösung versucht wurden. Wenn es eine intensive Auseinandersetzung mit dem Konflikt vorher schon gegeben hat. Wenn ungefähr klar ist, wo die Kompromisslinie verlaufen könnte etc. Denn auch ein guter Coach wird nie sagen: „Geh hin und tue, wie ich dir empfehle!“, sondern er wird seine Klienten durch viele gezielte Fragen auf bestimmte Ideen, Lösungsansätze, Konfliktklärungsmöglichkeiten führen. Letztlich entscheidet der Klient, welche nächsten Schritte er oder sie tun will. Ich, der Coach, unterstütze ihn nur bei seiner eigenen Lösungsfindung und greife ab und zu richtungssteuernd ein.
Dies aber kann zu weiten Teilen auch ein kluges Buch. Richtig: dieses Buch! Dafür wurde es geschrieben. Es bietet eine Fülle von Anregungen und Ideen zur konstruktiven Konfliktlösung. Es versteht sich als Nachschlagewerk in Sachen „Konflikt“ mit viel Hintergrundwissen und Know-how. Ich bin sicher, dass es jedem weiterhelfen wird, der sich einen optimalen Überblick über die Strategien professioneller Konfliktbewältigung verschaffen möchte.
Dieses Buch wäre nicht entstanden, wenn eine Freundin mir nicht vor längerer Zeit den alles entscheidenden Kick gegeben hätte: „Schreib’ ein Buch, Ursu, das ist wichtig.“
Ebenso dankbar bin ich Andrea Lienhart für die „Vermittlung“ von C. D., der mich unterstützt und begleitet hat.
Last but not least danke ich dem Leben, das mich gelehrt hat zu kämpfen – aber auch zu ertragen; weich zu sein – aber auch Härte zu zeigen; stolz und bescheiden zu sein.
Herzlich
Ihre Ursu Mahler
Kontakt Web: www.ursumahler-training.com E-Mail: [email protected] Telefon: 00 49 (89) 51 11 46 86
1. Wie entstehen Konflikte überhaupt?
Sie entstehen durch unterschiedliche Sichtweisen, durch Meinungsgegensätze, durch Interessen, die sich auf knappe Ressourcen richten. Sie entstehen durch verschiedene Erziehungsformen und Sozialisationen, durch unterschiedliche Vorleben. Man braucht sich nur einmal vor Augen zu halten, wie anders Ost- und Westdeutsche aufgewachsen sind, um zu erkennen, wie viel Konfliktpotenzial allein schon aus dieser Konstellation hervorgehen kann (und ja auch hervorgeht!). Konflikte entstehen auch durch unterschiedliche Temperamente. Es gibt nun einmal Nähe- und es gibt Distanztypen, es gibt intro- und extravertierte Menschen. Wir kommen nicht als Tabula rasa auf die Welt. Auch durch die Werte, die wir aufgrund unserer Erziehung und Lebenserfahrung anerkennen, unterscheiden wir uns voneinander. Werte geben uns die Richtschnur, nach der wir beurteilen, was richtig und gut – und was schlecht und falsch ist. Von anderen erwarten wir, dass sie unsere Werte ebenfalls beherzigen. Manchmal aber erkennen wir fassungslos, dass sich andere nach völlig anderen Werten ausrichten als wir selbst.
2. Ist es möglich, ohne Konflikte durchs Leben zu kommen?
Nein. Das ganze Leben ist gespickt mit Konflikten, die manchmal winzig sind und manchmal dramatisch sein können. Jeder Konflikt zwingt uns innezuhalten, nachzudenken, uns möglicherweise innerlich oder äußerlich zu verändern. Indem ich meine Situation überprüfe, merke ich: „Ja, ich befinde mich auf dem richtigen Weg“ oder „Hier muss ich die Richtung wechseln“. Deswegen wäre ein Leben ohne Konflikte gar nicht wünschenswert.
Konflikte bedeuten Bewegung, Weiterentwicklung. Manche entfachen unser inneres Feuer, machen uns erst lebendig und leidenschaftlich. Sie sind alles in allem etwas durchaus Positives.
3. Warum gibt es so viele Konflikte innerhalb von Beziehungen (Paare, Eltern, Kinder, Freundschaften)?
Zum einen: Weil Menschen unterschiedlich sind. Vom Typus, vom Charakter, von der Erziehung, von der Weltanschauung her und so weiter ... Zum anderen: Natürlich suchen wir uns für unsere Partnerschaften und Freundschaften solche Menschen aus, mit denen wir von vornherein eine große Schnittmenge haben – Menschen, die so ähnlich ticken wie wir selbst. Aber es sollen zugleich keine eineiigen Zwillinge von uns sein. Denn gerade das Anderssein der anderen finden wir ja anziehend und bereichernd. Wir suchen nach solchen Menschen, in denen wir uns selbst wiedererkennen können – von denen wir aber zugleich erhoffen oder erwarten, dass sie uns auch etwas Neues hinzufügen mögen.
Hier kommt ein großes Wort ins Spiel: das Wort „Toleranz“. Tolerare heißt „erdulden, ertragen“. Solange wir das Anderssein des anderen ertragen, geht es gut. Wenn der andere aber allzu anders wird, dann gibt’s Reibereien.
Kennen Sie den folgenden Klassiker? Am Anfang steht das große Verliebtsein, ich sehe nur das Wonnige, das Angenehme, das Schöne an meinem Partner – oder an meinen Kindern, solange die noch süß und klein sind ... Je mehr der andere aber seine Eigenständigkeit entfaltet oder wieder zurückgewinnen möchte, desto schwieriger wird es für mich, ihm dabei Raum zu lassen. Vielleicht bemerke ich die Andersartigkeit erst nach einer Weile und muss lernen, ein Stück zurückzutreten. Vielleicht finde ich den anderen dann manchmal anregend bis zur Weißglut ...
Ein weiterer Grund, warum es innerhalb von Beziehungen viele Konflikte gibt, liegt darin, dass wir mit Eltern, Kindern, Partnern jahrelang auf engem Raum zusammenleben. Wir sind einander nahe – räumlich, emotional –, daher kucken wir besonders genau hin. Wir können ja einander nicht ausweichen. Und das heißt: Da ist auch mehr Reibungsfläche.
Wenn mir jemand relativ gleichgültig ist, dann denke ich: „Pfft, mir doch egal!“ Also, der Nachbar da drüben: Ob der sich nun so oder so verhält, das juckt mich nicht weiter. Aber sobald mir jemand nah und wichtig ist, entwickle ich eine Erwartungs- und Erfüllungshaltung. Dann habe ich Ansprüche. Und schon ist Konfliktpotenzial da.
4. Gibt es unter den Menschen bestimmte Konflikttypen?
Seit der Antike hat es viele Versuche gegeben, die Menschen – so unterschiedlich sie sind – zu bestimmten Typen zusammenzufassen. Typenlehren schärfen die Wahrnehmung und sind deshalb sinnvoll – selbst wenn ein Typus kaum je einmal in Reinform auftreten dürfte.
Auch im Konfliktverhalten kann man unterschiedliche Reaktionsmuster beobachten und zu typischen Ausdrucksformen zusammenfassen. Da gibt es den dominanten Typus. Der reagiert auf einen Konflikt mit Aktivität. Bei ihm sind Handeln, Bewegung, vielleicht auch Lautstärke angesagt. Der stellt sich einem Konflikt in den Weg, greift ihm in die Hörner, versucht, ihn niederzuringen ... Das geht von Anschreien und blindwütiger Hektik bis hin zu sinnvoll-konstruktivem Handeln. Der dominante Typus neigt natürlich auch dazu, gelegentlich zu sagen: „Halt du die Klappe! Ich weiß, was Sache ist, und so wird’s gemacht!“ Das ist sicherlich der dominante Grundtypus.
Und dann gibt es einen Typ, den könnte man den Initiativen nennen. Der sagt: „Ja, du bist anderer Meinung als ich. Jetzt lass uns doch mal kucken ... Irgendwie kriegen wir das schon hin. Was hast du denn für eine Idee?“ Der initiative Typ ist ein Ideenbringer – und mehr noch ein Ideensucher: „Was machen wir jetzt daraus? Wie gehen wir damit um? Was bedeutet das jetzt? Wie kommen wir damit an? Wie wirkt das?“ In dieser fragend-suchenden Haltung liegt etwas sehr Konstruktives, weil sie sich selbst nicht absolut setzt, sondern auch dem Konfliktgegner Raum lässt. Das ist der zweite Typus. Die Gefahr beim initiativen Typus ist, dass er zwar schnell Ideen hat, ebenso schnell aber wieder davon abkommt. Eine gewisse Unzuverlässigkeit und Oberflächlichkeit kann die Folge sein.
Der dritte Typus ist der Bestätiger. Der Konsens-Sucher. Der sagt undercover: „Ah, ich will dir nicht wehtun – tu du mir bitte auch nicht weh! Lass uns das irgendwie friedlich über die Bühne bringen, ja?! Irgendwie finden wir bestimmt eine Lösung.“ Er ist bereit, sich zurückzunehmen, sich dem anderen anzupassen. Das ist der dritte Typus. „Um des lieben Friedens willen“ ist ein „Bestätiger“-Satz. Die Gefahr, sich selbst zu verlieren und zu sehr zu unterwerfen ist dabei immer gegeben.
Den vierten Typus nenne ich Verweigerer. Oder Negierer. Der sieht weg. Selbst wenn ein massiver Konflikt da ist – wenn alles schon lichterloh brennt –, behauptet er immer noch: „Ach was, da ist doch nichts!“ Man kann ihn nicht ignorant nennen, denn er spürt den Konflikt durchaus; er stellt sich ihm nur nicht. Klassische Verdränger: Das sind Menschen sowohl in Unternehmen als auch in der Partnerschaft, die bis ganz zuletzt sagen: „Nee, ist alles okay. Im Moment läuft’s vielleicht nicht ganz so gut. Aber es ist schon okay.“ Obwohl Bauch und Herz und Hirn ihnen schon längst signalisieren: „Nix ist okay.“ Und obwohl massiver Stress da ist. Das ist der vierte Typ: der Verdränger.
5. Kann man einen Konflikttyp empfehlen?
Nein, das wäre unsinnig. Zum einen kann man sich nicht aussuchen, welchem Konflikttyp man entspricht. Das hängt von der Sozialisation ab – auch von meinem individuellen Temperament. Zum anderen könnte man höchstens empfehlen, sich bewusst zu werden, dass es stets unterschiedliche Möglichkeiten gibt, auf Konflikte zu reagieren.
Alle vier Typen haben ihr Gutes und ihr Schlechtes. Es gibt Situationen, da ist es sinnvoll, einen Konflikt gar nicht anzunehmen. Vielleicht ist es für mich im Moment beruflich einfach überlebenswichtig, einen Streit zu ignorieren oder zu verweigern. Weil er zu viel Energie kosten würde, weil er zu viel Stress, zu viel Zeitaufwand mit sich bringt oder was auch immer. Da ist Verweigern in Ordnung. Manchmal finde ich’s gut, ein dominanter Konflikttyp zu sein; sagen zu können: „Klappe halten, darüber rede ich nicht mehr mit dir!“ Kann ja durchaus mal sein. Und auch dieses kreative Nachfragen und Konsensfindenwollen hat natürlich seinen Wert. Doch nicht immer ist ein Konsens letzter Schluss der Weisheit. Wenn mich jemand körperlich angreift, wär’s Quatsch zu sagen: „Lassen Sie uns einen Konsens finden!“ Da muss ich zurückhauen können.
Viel besser als einen einzigen Typus zu präferieren ist es, die gesamte Palette auf Abruf bereitzuhaben. Und zu erkennen: Mit Herrn Schwarz muss ich in einer Konfliktsituation anders umgehen als mit Frau Weiß. Oder mit Herrn Grün. Oder gar mit Frau Roth! Nur als Dauerzustand ist keiner der vier Typen ganz und gar in Ordnung.
Erinnern wir uns: Jede Bemühung, Menschen in Typen einzuteilen – ob diese nun den Körperbau betreffen, das Konfliktverhalten oder das Temperament –, ist letztlich nur der Versuch, das ungeheuer weite Feld des Vorhandenen fassbar zu machen und von der Wirklichkeit in ihrer Fülle zu abstrahieren. Kein Typ kommt in Reinkultur vor; wir tragen alle – in unterschiedlicher Ausprägung – sämtliche Typen in uns. Wenn wir beobachten, wie unterschiedlich wir auf verschiedene Menschen reagieren – etwa auf unterschiedliche Freunde –, kommt uns das manchmal zu Bewusstsein: Obwohl wir stets unzweideutig ein- und derselbe Mensch bleiben, sind wir bei jeder neuen Begegnung erstaunlicherweise auch immer wieder ein anderer.
6. Ist nicht jeder Konflikt im Grunde ein Streit ums Terrain?
Manchmal im wörtlichen Sinn. Jeder Mensch beansprucht für sich einen eigenen Bereich, in den andere nicht mir nichts, dir nichts eindringen dürfen. Ich erlebe immer wieder, dass Frauen mir erzählen: „Ich hab einen Kollegen, der rückt mir permanent zu nah auf die Pelle. Der merkt das selbst nicht, er ist auch nicht sexistisch, das ist gar nicht seine Absicht. Sondern er besitzt einfach kein gutes Gespür für den Raum, den ich benötige.“ Gerade Frauen haben oft furchtbare Angst, das deutlich zu machen. Sich abzugrenzen und das auch zu äußern. Zumal noch, wenn es sich bei dem Kollegen um jemanden handelt, der hierarchisch über ihnen steht. Konflikte, bei denen es um Nähe und Distanz geht, gehören zu denen, die sehr häufig unangesprochen bleiben.
Und deswegen: Es läuft immer wieder darauf hinaus: Mutig sein! Ansprechen! Einen Konflikt zu haben heißt ja als Erstes: Ich muss ihn wahrnehmen. Und das geht immer über den Kopf. Ich muss rational damit umgehen und sagen: „Ja, der Kerl nervt mich!“ Beispielsweise. Und dann, in einem zweiten Schritt, muss ich mir klarmachen: „Was genau nervt mich denn an seinem Verhalten? Ist mein Ärger berechtigt? Wo liegt eventuell mein