Der kristallene Klipper - B. Roman - E-Book

Der kristallene Klipper E-Book

B. Roman

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Beschreibung

Der taube Teenager David Nickerson ist in einer Lebenskrise. Seine Mutter ist in einem Autounfall gestorben und seine Schwester Sally, die jetzt an einen Rollstuhl gebunden ist, ist auf rätselhafte Weise verschwunden.

In seiner Verzweiflung sie zu finden experimentiert David mit heiligen Kristallen und zaubert versehentlich ein übernatürliches Schiff, den Mondsänger, herbei, der ihn durch Zeit und Raum auf einer magischen, fantastischen Reise mitnimmt. Die Menschen, denen David begegnet, haben alle eine Verbindung zu ihm, ihre Leben sind vom Schicksal miteinander verwoben.

Seltsamerweise kann David in dieser fremden Welt zum ersten Mal seit Jahren wieder hören. Diese Gabe weissagt sein Schicksal: den Kontrast zwischen Gut und Böse zu erkunden - und das Leben zu retten, das ihn mehr als sein eigenes bedeutet.

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DER KRISTALLENE KLIPPER (DAS MÄRCHEN)

DER MONDSÄNGER BUCH 1

B. ROMAN

Übersetzt vonSKYE VIKSTRÖM

Copyright (C) 2021 B. Roman

Layout design und Copyright (C) 2021 Next Chapter

Verlag: 2021 von Next Chapter

Editor: Jule Manthey

Cover von http://www.thecovercollection.com/

Dieses Buch ist frei erfunden. Namen, Figuren, Orte und Ereignisse entspringen der Phantasie der Autorin oder werden fiktional verwendet. Eine Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, Orten, oder Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig.

Alle Rechte vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung oder Verbreitung von Passagen aus diesem Buch, durch Kopieren, Aufzeichnen, oder über eine Datenbank oder ein System zur Informationsverarbeitung, ist ohne die Zustimmung der Autorin nicht gestattet.

INHALT

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Sehr geehrter Leser

PROLOG

„Und wie soll ich diesmal zur Erde kommen, in welcher Gestalt und in welcher Verkörperung? Habe ich den Willen, es nochmals zu versuchen?”

Fremde: Natürlich, hier gibt es keinen „Willen” – es gibt nur sein, tun, und wissen.

„Aber ich bin die Reisen so leid, das ständige Lehren derselben Lektion, immer und immer wieder, nur um vom Widerstand enttäuscht zu werden.”

Fremde: Dann lehre eine neue Lektion, oder dieselbe Wahrheit, auf eine neue Art. Bis es im Körper, Verstand und im Herzen eingebettet ist, und dann daran geglaubt wird, wirst du weiterhin diese Aufenthalte auf dich nehmen.

„Mehrere Male habe ich meine Anwesenheit spüren lassen, aber nicht bekannt gegeben, ich habe nicht preisgegeben, wer oder was ich bin. Ist es nicht an der Zeit dies zu tun? Ich meine, mich zu offenbaren?”

Fremde: Das kommt auf deine Zielperson an. Würde er oder sie bereit sein, dieses Wissen zu akzeptieren?

„Es könnte gefährlich sein, wenn das Wissen unklug benutzt würde, oder zu selbstsüchtigen Zwecken. Meine…die Zielperson… die am besten zur Aufnahme geeignet wäre, wäre jemand, der ein großes Ziel verfolgt, über seinen oder ihren Eigennutz hinaus.”

Fremde: Vielleicht jemand unschuldiges. Jemand, der nie zuvor daran dachte, solches Wissen zu erkunden – bis jetzt.

„Doch wo kann dieser Jemand gefunden werden?”

Fremde: In der Vergangenheit und der Gegenwart, im Himmel und auf Erden, in Zeit und Raum. Und im Herzen seiner Mutter.

„Im Herzen seiner Mutter?”

Fremde: Wenn du ihren Herzenswunsch erkennst, wirst du diesen Jemand, nach dem du suchst, und dessen Ziel du gleich erkennen wirst, finden.

„Und das ist…?”

Fremde: Ein Leben zu retten, das ihm mehr als sein eigenes bedeutet.

„Doch wie soll ich mich ihm offenbaren?”

Fremde: Auf eine höchst einzigartige, ungewöhnliche und herrliche Art und Weise.

KAPITELEINS

Im Alter von sieben Jahren verstummte David Nickersons lebhafte, fröhliche Welt. Die Brandung, die nur wenige Schritte entfernt von seiner Haustür toste, die süße Stimme seiner Mutter, das Schreien und Quengeln seiner kleinen Schwester, die strengen Belehrungen seines Vaters, das herzhafte Lachen seiner Tante Dorothy - waren Klänge, die er nicht mehr hören konnte. Sie waren, nichtsdestotrotz, unauslöschlich in seinem Herzen und seiner Erinnerung eingebrannt, und würden nie in Vergessenheit geraten.

David ahnte nicht, dass in the darauffolgenden Jahren seine Behinderung sein größter Vorteil werden würde. Selbst in seinen wildesten Träumen hätte er sich nie vorgestellt, dass sein Hörgerät ein Instrument für telepathische Kommunikation werden würde. Und wenn irgendjemand ihm erzählt hätte, dass er eines Tages in Welten jenseits unserer reisen würde und dabei die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Eins erleben würde, hätte er sie als verrückt bezeichnet.

Die erstaunlichen Ereignisse, die Davids Leben für immer verändern werden, sind nur wenige Stunden entfernt, aber das Transportmittel, welches ihn in zu unerforschten Welten bringen wird, ist kein gewöhnliches Gefährt. Es passt in seine Handfläche, kann jedoch in die endlosen Tiefen von Zeit und Raum reisen, auf einer Reise, die nur die Seele unternehmen kann. Als Hüter dieses begehrten Schatzes wird David lernen, dass er nicht nur gesegnet, sondern auch verflucht ist; es gibt andere, die bereit sind, dafür zu sterben und zu töten. Denn wer auch immer Den Mondsänger besitzt und seine Geheimnisse aufdeckt, wird das Schicksal der Welt kontrollieren.

Aber was ist mit Davids Schicksal? In welcher Welt wird er sich entscheiden zu leben – in der Welt der Fantasie, oder die der Realität? In der „anderen Welt” des Hörens oder seiner „echten Welt” der Stille? Und was werden die Konsequenzen seiner Entscheidung sein? Wird er letztendlich wirklich eine Wahl haben?

Die hat man immer…

Port Avalon, Juni

David Nickerson untersucht seinen neuesten Schatz, den er zwischen seinem Daumen und Zeigefinger hält. Das Sonnenlicht, welches durch das offene Stubenfenster scheint, reflektiert sich in all den perfekten Flächen des Edelsteins. Seine mysteriöse Schönheit entzückt ihn.

„Heiliger Klabautermann. Ich habe so etwas no nie gesehen, Tante Dorothy. Was ist das für ein Kristall?” Nach jahrerlanger Übung spricht David fast fehlerlos. Durch das besondere Hörgerät, das er benutzt, ist er in der Lage seine eigenen stimmlichen Vibrationen zu hören, aber keine erkennbaren Worte. Trotzdem gibt es ihm eine Verbindung zur ertönenden Außenwelt. Die Krankheit, die Davids Gehör nahm, war gravierend gewesen, doch sein Wille obsiegte. Er arbeitete unermüdlich daran, ein Meister der Gebärdensprache und ein Experte im Lippenlesen zu werden, entschlossen, sich nicht von seiner Taubheit einschränken zu lassen. Denn in jeder anderen Hinsicht war David ein ganz normaler Junge - schlau, neugierig, athletisch, eigensinnig. Jeden Sommer ging er stundenlang surfen und schwimmen, und bräunte seine Haut bronzefaren vom Kopf bis zu den Zehen, sein blondes Haar fast weiß gebleicht von der Sonne.

In der Schule überschnitt sich sein Faible für Musik ganz gut mit seinem Interesse für Wissenschaft und Computer. Jedoch lernte David, etwas paradoxerweise, auch die Romantik von Metaphysik lieben, insbesondere die mystischen und mythischen Kräfte von Kristallen.

„Man nennt es einen Sänger,” sagt Dorothy, und gebärdet das Wort Sänger.

„Warum wird es so genannt?” David starrt seine Tante aufmerksam an, um jedes Wort von ihren Lippen zu lesen. Dorothys Gebärdensprache ist ausreichend, doch sie hat Probleme damit, die Feinheiten des Edelsteins zu beschreiben, und kombiniert deshalb Sprechen und Gebärdensprache.

„Jeder Kristall im Verbund besitzt seine eigene einzigartige Vibration,” erzählt sie ihm, „aber wenn sie so miteinander verbunden sind, erschaffen sie eine Klangsymphonie, die buchstäblich all die Antworten zu den Rätseln im Universum singen. Zumindest der Legende nach.”

„Ich wette es ist Tausende, wenn nicht sogar Millionen von Jahren alt,” schätzt David.

In der einen Minute funkelt der Kristall pur und durchsichtig, und in der nächsten in Farben von Regenbogen-Mosaik. Es ist eine puzzleförmige Anordnung von Atomen, eine harmonische Umsetung von Energie und Materie. Dennoch sieht es erstaunlich aus wie eine Skulptur, von jemandem hergestellt, der in die See verliebt war.

„Es ist unglaublich. Schau nur, Tante Dorothy. Seine Mikrostruktur ist so komplex. Aber was mich wirklich verblüfft ist seine Form. Es sieht wie ein Miniaturschiff aus. Hier ist der Mast, wo das Segel hinkommen würde, und hier ist der Bug, das Heck und das Ruder.”

Dorothy fügt noch mehr Anstoß zur geheimnisvollen Art des Sängers hinzu. „Wenn sein Besitzer fest daran glaubt, und mit seiner Energie arbeitet, wird er übernatürliche Mächte in Kommunikation, Hellseherei und Weissagung entwickeln.”

„Schwachsinn,” spottet Isaac Nickerson, ohne von seiner Abend-Zeitung hochzuschauen. „Es ist ein Stein, genau wie all die anderen sogenannten magischen Kristalle, die du dem Jungen geschenkt hast. Hör auf, seinen Kopf mit Unsinn zu füllen.”

David legte den Kopf zur Seite und blickte fragend zu Dorothy. Er war nicht in der Lage, die Lippen seines Vaters zu lesen, doch er spürte sein Missfallen. Dorothy gebärdete „Miesepeter.” David unterdrückte sein Kichern.

„Nur weil du mit etwas nicht einverstanden bist, heißt das noch lange nicht, dass es Unsinn ist, Isaac,” stichelte Dorothy ihren Bruder. „Außerdem brauchen wir alle ein bisschen Mythos und Magie in unserem Leben. Es gibt uns Hoffnung.”

„Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist harte Arbeit und unser Los im Leben zu akzeptieren. Es gibt keine Amulette, die uns vor Unglück beschützen, und auch keine Talismane, die uns Glück bringen.” Isaac faltete seine Zeitung mit einem wütenden Knicks und ließ sie in den Korb neben seinem Stuhl fallen. Er stand auf, um das Zimmer zu verlassen, aber Dorothy drängte weiter mit der Diskussion.

„Ist das auch der Grund, warum du jede Nacht die alte Öllampe auf der Veranda erhellst, um Seefahrer, die nicht mehr zur See fahren, Willkommen zu heißen?”

„Du weißt genau, dass dieses Lampenlicht seit 200 Jahren eine Familientradition ist. Es ist symbolisch,” verteidigte Isaac sein nächtliches Ritual.

Dorothy zwinkerte David zu. Sie wollte noch einen draufsetzen. „Die Tradition des Einen ist der Aberglaube des Anderen. Und was ist mit Vaters Golduhrentasche? Warum trägst du sie immer, wenn du Fischbacher um eine Gehaltserhöhung bittest?”

„Diese Uhrentasche ist das einzige Erbstück, das Vater mir hinterlassen konnte, nachdem er Fischbacher und dieser Stadt jahrelang Blut, Schweiß und Tränen geopfert hat. Ich habe es gern, aber ich sehe es nicht als Glücksbringer, nicht im Geringsten.”

Isaac verließ abrupt das Haus und ging hinaus zum Pier, der sich von der Vorderseite des historischen, viktorianischen Zuhauses der Nickersons erstreckte. Er stand da und blickte nachdenklich hinaus aufs Meer. Die Nachmittagsbrise war schwach und bewegte kaum die kleine Flagge auf der Boje, die gemächlich im Wasser tanzte. Die ansonsten so friedlichen Geräusche – das Kreischen der Möwen, das Glockenläuten eines langsamen Kahns, der sich dem Hafen nähert – schienen jetzt melancholisch. Der verzweifelte Müßiggang der Stadt spiegelte Isaacs Stimmung an diesem Sommertag.

David seufzte hilflos. „Dad hat heute keine Lust mit dir zu streiten, Tante Dorothy. Fischbacher hat sich geweigert, ihm das Darlehen für Sallys Operation zu geben.”

„Was? Also, dieser alte Geizhals.”

„Du sprichst mir aus der Seele. Dad hat sogar angeboten einen Vertrag zu unterschreiben, der alle Bedingungen akzeptiert, die Fischbacher verlangen würde.”

„Einen Vetrag zu unterschreiben, der von Nathan Fischbacher aufgesetzt wurde, wäre finanzieller Selbstmord. Der Mann ist eine skrupellose Schlange.” Dorothy zischte das Wort mit gefletschten Zähnen. „Trotzdem, wenn er wusste, dass er’s zurückgezahlt bekommt, warum hat er dann deinem Vater das Darlehen verweigert?”

David nahm ein Dokument aus der Schreibtischschublade und übergab es Dorothy. Sie las es, und ließ sich dann in den Lehnsessel ihres Bruders fallen.

„Oh, nein. Ich kann’s nicht fassen. Die Firma nach all den Jahren zu verkaufen.”

„Ja. Die Firma verkaufen, und alle am Ende des Monats entlassen. Und ohne einen Job könnte Dad niemals das Darlehen zurückzahlen.”

„Oder irgendwo sonst eins bekommen.”

„Bitte erzähl Sally nichts davon. Dad will noch nicht, dass sie es weiß.”

„Vielleicht werden die neuen Besitzer ihn weiterbeschäftigen. Er ist der beste Schiffsbauzeichner im Geschäft.” Trotz ihrer Geschwisterrivalität ist Dorothy stolz auf die Errungenschaften ihres kleinen Bruders. „Sie können ihn sicherlich gut gebrauchen.”

„Wenn sie klug sind, tun sie das, aber Dad glaubt nicht, dass er hohe Chancen hat. Sie kaufen Fischbachers Firma nur, um die Konkurrenz zu beseitigen, nicht zur Erweiterung.”

„Und Fischbacher wird Millionen verdienen, als ob er die bräuchte, dieses gierige Reptil. So eine Verschwendung, all diese Leute ohne Arbeit. Die finden niemals neue Arbeit in dieser leblosen, alten Stadt.”

David durchsuchte den überdimensionierten Aktenschrank neben dem Zeichenbrett seines Vaters, dann zog er einen Satz Entwürfe heraus und öffnete sie zu ihrer vollständigen Größe. „Schau dir die mal an, Tante Dorothy.”

„Was ist das?”

„Entwürfe an denen Dad gearbeitet hat, für Laser-angetriebene Frachter. Sie sind glatt und sauber, kraftstoffeffizienter und leistungsstärker als alles, was Fischbacher jetzt hat. Diese Schiffe würden das Geschäft revolutionieren. Sie könnten innerhalb weniger Monate die Kosten dramatisch senken und die Profite erhöhen.”

„Hat Isaac Fischbacher diese Zeichnungen gezeigt?”

„Dad hat Fischbacher einen ganzen Satz von ihnen gegeben. Er versprach immer wieder, dass er sie sich anschauen wird, doch das hat er nie getan.” David faltete die Entwürfe erneut und legte sie in die Akten.

„Moms Tod war schon schwer genug für ihn. Und jetzt mit der Sorge um Sallys Operation, ist Dad ziemlich am Ende.” Er schlug die Schublade zu. „Verdammt! Es ist einfach nicht fair! Dad verdient es, für seine Arbeit anerkannt zu werden. Und Sally...” Davids Stimme erweichte. „Sally verdient es, aus diesem Rollstuhl zu kommen und wieder laufen zu können, in einem hübschen Kleid zum Abschlussball zu gehen und die ganze Nacht zu tanzen, wie...”

„Wie eine Prinzessin,” Dorothy beendet Davids Wunsch.

„Genau. Wie eine Prinzessin. Ich fühle mich so hilflos, Tante Dorothy. Vielleicht sollte ich mit der Schule aufhören und mir einen Vollzeit-Job suchen.” Der Gedanke deprimierte ihn.

„Das tust du auf gar keinen Fall, David Nickerson. Du brauchst dieses Diplom, um studieren zu können. Du willst doch nicht als Koch auf ‘nem Frachter enden, wie deine alte Tante.”

„Es könnte schlimmer sein,” sagt er liebevoll. Er liebte seine Tante. Sie war mit 60 immer noch vital und attraktiv mit einem Verstand so agil und neugierig, wie der von David. „Ich meine, du reist um die ganze Welt und bringst mir wunderbare Schätze mit.”

Dorothy nahm David an die Hand und führt ihn zum Sofa, wo sie sich Seite an Seite hinsetzen. „Es ist nicht so glamorös wie du glaubst,” gesteht Dorothy, dann lachte sie über sich selbst. „Keine Ahnung, warum ich es in meinem Alter noch mache. Und ich habe gewiss nicht viel zur Welt beigetragen. Du jedoch – du hast besondere Gaben, die Dinge geschehen lassen, die die Welt zum Besseren verändern können. Und eine solide Ausbildung ist für dich nur der Anfang.”

„Ich bin nicht so sicher, ob mein Physiklehrer dir dabei zustimmen würde nach meiner miserablen Abschlussprüfung.”

„Nun ja, vielleicht habe ich zu viele Hellseher und Wahrsager besucht, aber ich habe einfach dieses Bauchgefühl, dass deine Erkenntnisse über diesen alten kleinen Planet Erde hinausgehen, sie jedoch noch angezapft werden müssen. Die meisten Menschen haben zu viel Angst, die Tiefen ihrer Seele zu erforschen, und sie wandern ziellos durchs Leben und fühlen sich hilflos. Und in der Zwischenzeit ergreifen die Skrupellosen all die Macht und nutzen sie zu ihrem eigenen Vorteil.”

„Du meinst wie Nathan Fischbacher.”

Dorothy nickt. „Ganz genau.”

„Doch seine Macht war nicht nur Geiz, sondern auch sein Geld. Wie könnte das Erforschen meiner Seele mir beibringen, einen Mistkerl wie ihn zu überlisten? Das bringen die einem im Physikunterricht nicht bei.”

„Wahrheit ist Wissen und Wissen ist Macht, David.” Sie gebärdete die Worte Wahrheit, Macht, und Mut während sie sprach. „Man braucht nicht nur großen Mut, um nach der Wahrheit zu suchen, es ist auch eine Verantwortung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann.”

Die Suche nach der Wahrheit ist ein Unterfangen, das David mit König Arthurs Suche nach dem Heiligen Gral gleichsetzte. Der Gedanke überwältigte ihn. „Ich brauch schon alles was ich habe nur um das normale Zeug zu bewältigen, Tante Dorothy. Ich bin kein Sir Lancelot.”

Dorothy zog ihren Neffen eng an sich und küsste ihn auf die Wange. „Ich muss jetzt gehen.” Sie sammelte ihre Handtasche und Sonnenbrille auf, dann ging sie zum Tisch, wo Davids Kristalle nebeneinander aufgereiht waren. Sie nahm den Sänger und drückte ihn David in die Hand.

„Gib die Hoffnung nicht auf, David. Wenn irgendjemand Magie in diesen schönen Kristallen finden kann, dann du. Doch denk dran, sie darf nur zum Guten verwendet werden.”

Dorothy verließ das Haus und gesellte sich zu Isaac auf dem Pier. Dabei lehnte sie sich liebevoll an ihm an. Davids Herz erwärmte sich bei diesem Anblick, und er konnte nicht anders, als zu lächeln, trotz seines Kummers.

Er begutachtete die Stube und schien dabei zum ersten Mal wahrhaftig ihre Geschichte zu sehen. Sie war gefüllt mit funktionellen Antiquitäten, robusten Möbeln, die von Generation zu Generation weitervererbt wurden und immer noch voller Stolz verwendet wurden. Erinnerungsstücke und Artefakte, über Jahrhunderte im Entwurfsgeschäft von Segelschiffen und Fischerbooten von der Nickerson Familie gesammelt, füllten die Eichenholzschränke und Tischplatten aus Mahagoniholz.

David konzentrierte sich auf den Kristall in seiner Hand. Seine Aura pulsierte ersichtlich mit einer weißglühenden Energie. Er schloß die Hand fest um den Sänger mit einem entschlossenen Blick. Er konnte nicht – er würde seinen Vater jetzt nicht alles verlieren lassen.

„Ich werde einen Weg finden, Dad. Auch wenn es das Letzte ist, was ich tue, ich finde einen Weg, für dich und für Sally.”

Ein plötzliches, schrilles Summen veranlasste David, sein rechtes Ohr zu ergreifen. Er zog das kleine Hörgerät aus dem Ohr und schüttelte sich den Lärm aus dem Kopf.

KAPITELZWEI

David schreitet entschlossen durch die Flure von Fischbacher Shipping, Inc., bereit für eine Konfrontation. Er bleibt kurz vor der Trennglasscheibe, die das Atelier umgibt, stehen. Isaac arbeitete fleißig wie immer, und bemerkte dabei seinen Sohn nicht. David konnte nicht anders, als zu denken, dass sein Vater noch betrübter aussah, als er es gestern tat.

Auf einer Mission schreitete David weiter zu den Verwaltungsbüros und schwang die Tür weit auf. Anfangs erschrocken, stand Fischbachers Assistentin, Janice Cole, fast schon königlich von ihrem Schreibtisch auf. Als ihr klar wurde, dass es David ist, wird ihr Gesichtsausdruck milder.

„Ach, Hallo David. Was bringt dich hierher?” Janices Elfenbeinhaut war makellos, selbst ohne einen Hauch von Schminke. An der Wand über ihrem Kopf hing, wie eine Ikone, ein Portrait von Nathan Fischbacher, ein markanter Mann mittleren Alters mit kalten, unfreundlichen Augen. Es war ein ironischer Kontrast zu Janices warmäugiger Ausstrahlung.

„Ich bin hier, um Fischbacher zu sehen. Ich habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen.”

Janice war überrascht von Davids schroffem Ton, blieb jedoch höflich. „Es tut mir leid, er ist heute sehr beschäftigt. Aber wir können einen Termin vereinbaren --”

„Nein. Das kann nicht warten.” David stürmte an Janice vorbei und riss die Tür zu Fischbachers Privatbüro auf. Janice lief eilig, um ihn aufzuhalten, aber David war zu schnell.

„Es tut mir leid Nathan, er ist einfach reingeplatzt.”

„Ist schon gut, Janice. Ich kümmre mich drum.” Fischbachers eiskalte Ausstrahlung ließ David glauben, dass das Portrait von ihm eigentlich schmeichelhaft war. Wie könnte die heimtückische Art dieses Mannes jemals auf Leinwand eingefangen werden?

Fischbachers Büro war noch aufwendiger verziert als das von Janice. Doch während ihres elegant und geschmackvoll war, war seines pompös und prahlerisch, wie der Mann selbst. Bronze- und Marmorskulpturen, riesige Seegemälde und exotische Artefakte, die er bei seinem Weltenbummeln gesammelt hat, umgaben ihn. Er trug den teuren, weißen italienischen Anzug, die rote Seidenkrawatte und das Taschentuch wie eine Uniform seines Elitestatus.

„Ich habe momentan keine Zeit für dich, Nickerson,” sagte Fischbacher barsch.