Der letzte Whisky - Carsten Sebastian Henn - E-Book
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Der letzte Whisky E-Book

Carsten Sebastian Henn

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Beschreibung

Nach dem Fund einer Moorleiche mutmaßt man auf der kleinen schottischen Insel Islay, dass sie wohl schon Jahrhunderte dort gelegen haben wird. Doch dann wird ein Handy bei ihr entdeckt. Der Tote ist Hamish Macallan, Eigentümer der besten Whiskybar Edinburghs, und war seit sechs Wochen nicht mehr gesehen worden – nichts Ungewöhnliches für den Mann mit einer Leidenschaft für das einsame Lachsfischen. Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim, seines Zeichens einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Kulinaristik in Deutschland, wird von dem Manager einer Whiskydestillerie, auf dessen Land der Tote gefunden wurde, zu Hilfe gerufen, um den Mord aufzuklären. Doch über Islay liegt ein dichter Nebel des Schweigens, und die Bewohner der kleinen Dörfer misstrauen dem Deutschen mit der perfekt sitzenden Seidenfliege ...

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www.piper.de

Für Waltraud & Heinrich »Sir Henry« Burbach

ISBN 978-3-492-96742-6

September 2015
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2014 Covergestaltung: Mediabureau Di Stefano, Berlin Covermotiv: Oliver Wetter Karten: cartomedia, Karlsruhe Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck  

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

»Man sollte immer eine kleine Flasche Whisky

dabeihaben, für den Fall eines Schlangenbisses –

und außerdem sollte man immer eine Schlange

dabeihaben.«

W.

PROLOG

Die Wolken zogen am Nachthimmel nordwärts, so zügig, als wollten sie sich nicht mit dem befassen, was unter ihnen geschah. Die Sterne blitzten am Himmel wie Eisstücke in einem kühlen Drink.

Er blickte zu ihnen empor und wusste, dass sie das Letzte waren, was er je sehen würde. Das samtige Schwarz des Himmels war tief und beruhigend, doch sein Atem, der nur durch die Nasenlöcher entweichen und eintreten konnte, da ein alter Lumpen als Knebel in seinem Mund steckte, ging schnell und panisch. Seinen Gaumen wärmte noch der letzte Schluck Whisky und begleitete ihn diese letzten Augenblicke. Nach verbrannten Autoreifen hatte dieser geschmeckt und nach Torf, und er hatte es geliebt.

Er sah den, der es tat, doch dieser blickte nicht zu ihm, blickte nur auf den Spaten, mit dem er eben das Loch ausgehoben hatte und nun Erdreich emporhob, um ihn damit zu bedecken.

Die erste Schippe Torf traf wie der Tiefschlag eines Schwergewichtsboxers seinen Bauch. Er wand sich, doch die Schnüre um die Handgelenke unter seinem Rücken und die Fußgelenke schnitten so tief ins Fleisch, dass sie keine große Bewegung zuließen.

Die nächste Schippe. Auf sein Gesicht. Der Torf verfing sich in der Nase, kroch in die Augen, schmerzte dort wie Stacheln. Immer mehr Erdreich wurde auf ihn geschaufelt, kühl und schwer, es würde sein Grabdeckel sein. Der Mann warf Schaufel um Schaufel auf ihn, ohne Unterlass. Nur seinen Kopf ließ er weitgehend unbedeckt, ließ ihn bei Bewusstsein.

Er dachte an seine Frau, die er nie wiedersehen würde, jetzt, da die Schwärze kam. Er hatte mit ihr gestritten, hatte sie zum Weinen gebracht und war hart geblieben. Nun wünschte er, dieses eine Mal weich geworden zu sein.

»Hier. Für dich.«

Der Mann mit dem Spaten leerte eine Flasche Whisky über ihm. Bis zum letzten Tropfen.

Seine Augen brannten wie Feuer. Der Whisky vermischte sich mit Erde, drang durch den Lumpen in seinen Mund. Trotzdem konnte er erkennen, dass er nicht nach Mullbinde schmeckte, nicht nach Torf, nicht Seetang oder Jod, sondern nach Heidekraut, Akazienhonig und Herbstlaub in der Sonne.

So schmeckte nur ein Whisky auf der ganzen Welt.

Und es würde nie wieder einen solchen geben.

Er wusste sofort, welcher es war.

Und sah ein, dass er diesen Tod, das Leiden, das ihm bevorstand, verdient hatte.

Jede verdammte Sekunde davon.

KAPITEL 1

Der Anteil der Engel

Mit Benno von Saber an der Leine stand Professor Adalbert Bietigheim auf der Mill’s Mount Battery im nördlichen Teil des Edinburgh Castle, nahe der berühmten Kanone. Und zwar genau in dem Moment, als sie schoss und das dumpf knallende Geräusch wie eine mächtige Welle über die Stadt bis zur Meerenge Firth of Forth raste. Der District Gunner des 105th Regiment Royal Artillery hatte die L118Light Gun, wie jeden Tag, exakt um ein Uhr abgeschossen, deswegen auch ihr Name: One o’clock Gun. Erstmals in der Geschichte des Regiments war der Gunner eine junge Frau, die nun zackig salutierte. Adalberts treuer, aber leider aus tiefster Überzeugung ungehorsamer Foxterrier bellte anerkennend. Zwar war dieser schottische Brauch völlig unnütz geworden, denn die Seefahrer der nahen Bucht hatten heutzutage exakt gehende Uhren und brauchten keinen Kanonenschuss mehr, um diese einzustellen, aber der schönen Tradition wegen schoss man weiterhin von Montag bis Samstag sowie an Neujahr in den Himmel über Edinburgh. Adalbert trat an die steinernen Zinnen und blickte hinab auf die winterliche Stadt, welche sich zu den Füßen des Castle in edlem Grau und Braun ergoss, als gehöre sie nicht zum 21.Jahrhundert. Edinburgh war zeitlos wie ein edler Frack.

Adalbert hatte sich in Tweed gewandet, maßgeschneidert, von der Londoner Savile Row selbstverständlich. Blau und Weiß dominierten im feinen Stoff, entsprechend den Farben der schottischen Nationalflagge. Benno von Saber trug ein passendes Hundehalsband, von einem Rollkragenpullover hatte Adalbert abgesehen, obwohl dieser ausgesprochen schmuck an seinem vierbeinigen Freund ausgesehen hatte. Benno konnte einfach alles tragen.

»Meine Damen, meine Herren, ich darf Sie nun in den Crown Room bitten, zu den Honours of Scotland: der Krone, dem Zepter und dem Schwert.«

In angenehmer Erwartung folgte die kleine Gruppe Edward Macallan, der dieses Treffen heute, am 25.Januar, organisiert hatte. Den Highland-Chocolatier aus Pitlochry hatte Bietigheim bei der Weltmeisterschaft der Schokoladenkünstler in Brügge kennengelernt – unter sehr unerfreulichen und blutigen Umständen. Der jungenhafte und stets leger gekleidete Macallan galt als Jamie Oliver der Chocolatiers. Trotz der kühlen Winterluft lief er nur mit einer Caprihose in Tarnfarben und einem Sex-Pistols-T-Shirt herum. An seiner rechten Wade prangte das Tattoo eines Messers, das in einer blutenden Wunde steckte. In Adalberts Augen war er ein völliger Spinner, aber mit dem braunen Gold der Kakaobohne konnte er fraglos umgehen. Und das war eindeutig wichtiger als geistige Gesundheit.

Den Nachmittag verbrachte die Gruppe mit einem Besuchsprogramm des Castle und seiner Museen, das Adalbert bereicherte, indem er den jeweiligen Führer unterbrach, um Wichtiges zu ergänzen oder richtigzustellen. Es war beileibe keine angenehme Aufgabe, aber irgendwer musste sie schließlich übernehmen. Adalbert war sich des Danks der Anwesenden sicher, auch wenn sie diesen in ihrer zurückhaltenden schottischen Art natürlich nicht zeigten. In den zahlreichen Ausstellungssälen ging es seiner Meinung nach, und das hatte er mehrfach zum Ausdruck gebracht, viel zu sehr um Militärgeschichte. Das Edinburgh Castle war unzählige Male erobert und zurückerobert, belagert, zerstört und neu aufgebaut worden. Engländer und Schotten hatten sich die Klinke in die Hand gegeben. Die wichtigste Frage wurde dabei geflissentlich übergangen: Was hatten sie beim Klinkenwechseln gegessen?

Vor dem feierlichen Abendessen zogen sich alle in ihre Hotelsuiten zurück. Adalbert kleidete sich um und dachte darüber nach, wo er die entsprechenden historischen Rezepte auftreiben könnte. Ein echtes Belagerungsmenü wäre dem Ort angemessen. Gleichzeitig kamen ihm Ideen für drei wissenschaftliche Schriften, die er gleich nach seiner Rückkehr an die Hamburger Universität angehen wollte. Akribisch notierte er alles in sein ledernes Notizbuch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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