Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der Leuchtturm am Ende der Welt - Jules Verne - Der Leuchtturm am Ende der Welt ist ein Roman in einem dunklen und tragischen Ton von Jules Verne (1828-1905), geschrieben um 1901. Obwohl das Werk anscheinend statisch ist, mit kleinen Einstellungen und Beschreibungen, die auf die Umgebung beschränkt sind, ist es gilt als eines seiner besten Werke. Die Geschichte spielt auf der Isla de los Estados in Patagonien. Die einzigen Einwohner sind die Mitglieder einer Piratenbande, die von dem schrecklichen Kongre angeführt wird, der es durch Tricks schafft, Schiffe auf die Insel zu locken, sie zu stehlen und später die Besatzung zu ermorden. Dieses Verfahren ist bedroht, wenn drei Männer auf der Insel ankommen, um einen Leuchtturm zu bauen und zu betreiben.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 269
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
In der Nähe des Kap Hoorn am südlichen Ende von Südamerika befindet sich auf der argentinischen Insel Isla de los Estados (Staateninsel) ein Leuchtturm. Dieser wird von einer Besatzung betrieben, die im Vierteljahresrythmus ausgewechselt wird. Die Insel ist darüber hinaus auch ein Unterschlupf von Seeräubern. Ihnen ist die Wachmannschaft des Leuchtturmes ein Dorn im Auge. Die Seeräuber haben einen Großteil ihrer Beute ganz in der Nähe des Turmes versteckt. Der Anführer der Bande ist der berüchtigte Kongre. Kongre wartet darauf, sein Versteck zu verlassen und mit der Beute die Insel zu verlassen. Er denkt darüber nach zu diesem Zweck den Leuchtturm zu überfallen.
Nehmen Sie unser kostenloses
Schnelles Quiz und herausfinden, welches
Best Side Hustle ist ✓das Beste für Sie.
✓ BESUCHEN SIE UNSERE WEBSITE:
→ LYFREEDOM.COM ← ← HIER KLICKEN ←
Kapitel
1
Die Sonne versank allmählich hinter den Anhöhen, die die Aussicht im Westen begrenzten.
Das Wetter war schön. An der andern Seite spiegelten vereinzelte Wölkchen über dem Meere, das im Osten und Nordosten zusammenfloß, die letzten Strahlen wieder, die aber auch bald in den Schatten der unter der hohen Breite von fünfundfünfzig Graden der südlichen Erdhälfte ziemlich langen Dämmerung verlöschen sollten.
In dem Augenblicke, wo von der Sonnenscheibe nur noch die obere Hälfte sichtbar war, donnerte ein Kanonenschuß an Bord des Avisos ›Santa-Fé‹ und, im Winde sich entfaltend, wurde die Flagge der Argentinischen Republik an der Gaffel des Briggsegels gehißt.
Genau zu derselben Zeit blitzte dem Schiffe gegenüber ein glänzender Lichtschein auf, der von dem obersten Teile eines in Flintenschußweite vom Ufer der Elgorbai befindlichen Leuchtturmes hinausstrahlte, der Bai, worin die ›Santa-Fé‹ verankert lag. Zwei Wächter und eine Gruppe Arbeitsleute am Ufer, sowie die auf dem Vorderteile des Fahrzeuges versammelte Mannschaft begrüßten mit lautem Zuruf das erste an dieser weltentlegenen Küste entzündete Leuchtfeuer.
Zwei weitere und von dem scharfen Echo der Umgebung noch mehrfach wiederholte Kanonenschüsse antworteten darauf; dann wurde, entsprechend den für Kriegsschiffe geltenden Vorschriften, die Flagge wieder eingeholt, und nun wurde es still auf der Stateninsel hier an der Stelle, wo die Gewässer des Atlantischen und des Stillen Ozeans einander begegnen. (Diese Stateninsel ist also nicht mit dem Staten Island im Hafenbereich von New York zu verwechseln.)
Die Arbeiter begaben sich sofort an Bord der ›Santa-Fé‹ und am Lande blieben nur drei Wächter zurück, von denen sich einer schon auf dem Turme auf seinem Posten befand.
Die zwei andern suchten ihre Wohnstätte noch nicht sogleich auf, sondern gingen plaudernd längs des Ufers hin.
»Na, Vasquez, begann der Jüngere von beiden, morgen geht der Aviso nun wieder in See… .
– Jawohl, Felipe, antwortete Vasquez, und ich hoffe, er wird keine schlechte Heimfahrt haben.
– O, es ist eine etwas weite Strecke, Vasquez!
– Ach was, der Rückweg ist nicht länger, als es der Herweg war.
– Das möcht' ich doch ein bißchen bezweifeln, erwiderte Felipe lachend.
– Zuweilen, Kamerad, fuhr Vasquez fort, braucht man sogar mehr Zeit zu der Ausreise als zu der Rückfahrt, wenigstens wenn man für die zweite einigermaßen günstigen Wind hat. Übrigens sind fünfzehnhundert Meilen (etwa 2800 km) doch keine so große Sache, wenn ein Schiff eine gute Maschine hat und reichlich Segel führt.
– Ja freilich, Vasquez, und dazu kennt der Kommandant Lafayate den Weg ganz genau.
– Nun, der ist ja ganz gerade, alter Junge. Auf der Fahrt hierher ist er nach Süden gesteuert, auf der Heimreise wird er einen Kurs nach Norden einhalten, und wenn der Wind auch weiter vom Lande her stehen bleibt, dann hat der Kapitän den Schutz der Küste und er segelt wie auf einem Flusse hin.
– Nun ja, meinte Felipe, doch auf einem Flusse, der nur ein einziges Ufer hat.
– Das ist gleichgültig, wenn's nur das 'gute' ist, und das ist's allemal, so lange man Landwind hat.
– Ganz recht, gab Felipe zu; der Wind hat aber seine Launen, und wenn er nun ins Gegenteil umschlägt… .
– Dann hat man eben Pech, Felipe, ich hoffe aber, das werde der ›Santa-Fé‹ erspart bleiben. In vierzehn Tagen kann sie die fünfzehnhundert Meilen recht gut zurückgelegt haben und schon auf der Reede von Buenos-Ayres vor Anker liegen. Freilich, wenn's dem Winde einfiele, von Osten her zu blasen… .
– Dann fände das Schiff weder am Lande noch nach der Seeseite zu einen Schutzhafen.
– Ganz recht, Kamerad. Feuerland oder Patagonien, nirgends ein sicherer Platz! Da heißt's: hinaus aufs hohe Meer, um nicht gegen die Küste geworfen zu werden.
– Meiner Meinung nach scheint das gute Wetter aber von Dauer zu sein, Vasquez!
– Das glaub' ich auch, Felipe. Wir stehen ja erst am Anfang der schönen Jahreszeit. Drei Monate vor sich zu haben, das ist schon etwas.
– Und die Arbeiten, flocht Felipe ein, sind auch zur richtigen Zeit beendet worden.
– Das weiß ich, Kamerad, das weiß ich, mit Anfang Dezember, und das heißt für Seeleute drüben im Norden soviel wie Anfang Juni. Zu der Zeit kommt ja selten so ein Hundewetter, das ein Schiff hin und her zu schleudern ebensowenig Umstände macht, wie es dir die Mütze vom Kopfe reißt. Liegt die ›Santa-Fé‹ aber einmal im Hafen, dann mag es blasen und wehen und drauf losstürmen, wie's dem Teufel Spaß macht! Für unsre Insel samt ihrem Leuchtturm ist auch nicht zu fürchten, daß sie dabei unterginge.
– Gewiß nicht, Vasquez. Wenn er dann da unten alles über die hiesigen Verhältnisse pflichtschuldigst berichtet hat und der Aviso mit der Ablösung zurückkehrt… .
– Erst nach drei Monaten, Felipe.
– Nun ja… . dann wird er die Insel noch an der alten Stelle finden.
– Und uns darauf, Felipe, antwortete Vasquez, der sich die Hände rieb, nachdem er einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife getan hatte, so daß er von einer dichten Wolke umhüllt war. Vergiß nicht, Kamerad, wir befinden uns hier nicht an Bord eines Schiffes, das der Sturm jetzt hierhin und dann dorthin verschlägt, oder wenn es ein Schiff wäre, so liegt es doch fest vertäut am Ende von Amerika, und es wird auch nicht vor Anker treiben. Die hiesige Gegend ist ja verrufen, und ich gebe zu, auch mit Recht. Die Meere um Kap Horn, nun ja, die stehen verdientermaßen in schlechtem Ansehen. Daß man die Schiffbrüche an diesen Küsten gar nicht mehr richtig zählt, und daß Seeräuber sich gar kein besseres Feld für ihre verbrecherische Tätigkeit wählen können, das will ich auch ohne Widerrede zugeben. Alles das wird sich aber ändern, Felipe! Hier haben wir nun die Stateninsel mit ihrem Leuchtturme, und dessen Licht wird kein Orkan, und wenn er aus allen Strichen der Windrose pfiffe, zu verlöschen imstande sein. Die Schiffe draußen werden es zeitig genug sehen, ihren Kurs danach bestimmen zu können. Sie werden sich nach dem Feuer richten und selbst in finstrer Nacht nicht mehr Gefahr laufen, an die Uferfelsen des Kaps Sankt Johann, der Landzunge von San-Diegos oder der Fallowspitze anzulaufen. An uns ist es, das Leuchtfeuer zu unterhalten, und was an uns liegt, das wird geschehen!«
Man hätte Vasquez so sprechen hören müssen, mit der Lebhaftigkeit, die auch einen Eindruck auf seinen Kameraden nicht verfehlte. Felipe blickte wohl nicht so leichten Herzens den langen Wochen entgegen, die er auf dieser einsamen Insel zubringen sollte, und auf der er bis zu dem Tage, wo die ersten drei Wächter abgelöst werden würden, außer aller Verbindung mit andern Menschen blieb.
Vasquez schloß seine Rede noch mit den Worten:
»Siehst du, Kamerad, seit vierzig Jahren bin ich als Schiffsjunge, Leichtmatrose, Vollmatrose und Bootsmann ein bißchen auf allen Meeren der Alten und der Neuen Welt umhergefahren. Jetzt, wo nun das Alter herangekommen ist, wo man daran denkt, sich zur Ruhe zu setzen, jetzt kann ich mir gar nichts Besseres vorstellen, als Wärter auf einem Leuchtturm und obendrein auf einem wie dem unsrigen, zu sein… auf dem Leuchtturm am Ende der Welt!«
In der Tat rechtfertigte er diesen Namen wegen der Lage am Ende dieser Insel, die sich hier, so weit von allen bewohnten und bewohnbaren Gebieten der Erde, aus dem stets unruhigen Meere erhob.
»Wie war's doch, Felipe, nahm Vasquez noch einmal das Wort, indem er seine ausgerauchte Pfeife ausschüttelte, um welche Zeit wirst du Moriz ablösen?
– Um zehn Uhr.
– Schön; da werd' ich also um zwei Uhr nachts an deine Stelle treten und bis zum Tagesanbruch wachen.
– Wie da sagst, Vasquez. Für jetzt haben wir aber alle beide nichts Gescheiteres zu tun, als schlafen zu gehen.
– Ja ja, zu Bett, Felipe, zu Bett!«
Vasquez und Felipe wandten sich hiermit der kleinen Einfriedigung zu, in deren Mitte der Leuchtturm aufragte, und sofort betraten sie ihre Wohnung, deren Tür sich hinter ihnen schloß.
Die Nacht war still. Sobald sie zu Ende ging, löschte Vasquez die seit zwölf Stunden brennenden Flammen.
Die Gezeiten, die im Großen Ozean, vorzüglich längs der Küsten Amerikas und Asiens, nur ziemlich schwach auftreten, sind im Gegenteil im Atlantischen Ozean sehr stark und machen sich an den weltfernen Küsten von Magellansland sehr heftig fühlbar.
Da die Ebbe heute morgen um sechs Uhr eintrat, hätte der Aviso, um sie zu benutzen, mit Tagesanbruch auslaufen müssen. Dazu waren aber noch nicht alle Vorbereitungen beendigt, und der Kommandant rechnete nur darauf, die Bucht von Elgor mit Eintritt der zweiten Ebbe dieses Tages zu verlassen.
Die ›Santa-Fé‹, ein Schiff der argentinischen Kriegsflotte, maß nur zwölfhundert Tonnen, hatte eine Maschine von hundertsechzig Pferdekräften und wurde von einem Kapitän und einem zweiten Offizier geführt, die mit den Bootsleuten eine Besatzung von fünfzig Mann unter sich hatten. Das Fahrzeug war eigentlich zur Überwachung der Küsten von der Mündung des Rio la Plata bis zur Le Maire-Enge am Atlantischen Ozean bestimmt. Jener Zeit hatte die Schiffsbaukunst noch keine schnellaufenden Fahrzeuge geliefert, wie die heutigen Kreuzer, die Torpedoboote und andre. Mit Hilfe ihrer Schraube konnte die ›Santa-Fé‹ in der Stunde etwa neun Seemeilen zurücklegen, das genügte aber für die Handhabung der Polizei an den Küsten Patagoniens und der Tierra del Fuego (des Feuerlandes), die ja nur von Fischerfahrzeugen aufgesucht wurden.
Dieses Jahr hatte der Aviso aber die Aufgabe, die Arbeiten beim Bau des Leuchtturms zu beaufsichtigen, den die argentinische Regierung gegenüber der Le Maire-Enge errichten ließ. Das Personal und alles zum Bau notwendige Material war an Bord des Schiffes hierher befördert worden, wo die Arbeiten nach den Plänen eines geschickten Ingenieurs von Buenos-Ayres eben nach Wunsch zu Ende geführt worden waren.
Jetzt hatte die ›Santa-Fé‹ mehrere Wochen im Hintergrunde der Elgorbucht verankert gelegen. Nach Ausladung des für vier Monate nötigen Proviantes und nachdem er sich überzeugt hatte, daß es den Wärtern des neuen Leuchtturmes bis zum Eintreffen der Ablösungsmannschaft an nichts fehlen würde, wollte der Kommandant Lafayate nun die nach der Stateninsel entsandten Arbeiter wieder mit nach Hause befördern. Hätten nicht einige ganz unvorhergesehene Hindernisse die Vollendung des Baues etwas verzögert, so wäre die ›Santa-Fé‹ sicherlich schon seit einiger Zeit in ihrem Heimathafen zurück gewesen.
In der ganzen Zeit seines hiesigen Aufenthalts hatte der Kommandant übrigens im Hintergrunde der gegen Nord-, Süd- und Westwinde gut geschützten Bucht nichts zu fürchten. Nur sehr rauhes Wetter von der offenen See her hätte ihn belästigen können. Der Frühling hatte sich jedoch sehr milde gezeigt, und jetzt, zu Anfang des Sommers, konnte man mit Recht erwarten, daß in den magellanischen Gewässern nur vorübergehende Störungen der Atmosphäre eintreten würden.
Gegen sieben Uhr war es, als der Kapitän Lafayate und sein zweiter Offizier aus ihren unter dem Hinterdeck des Avisos und ganz nahe bei dem Deckhäuschen gelegenen Kabinen traten. Die Matrosen waren noch mit dem Abwaschen des Decks beschäftigt, und das Wasser aus den letzten von den Leuten geleerten Kübeln lief eben durch die Speigatten ab. Gleichzeitig traf der erste Bootsmann schon die ersten Anordnungen, daß alles fix und fertig wäre, wenn die Stunde der Abfahrt herankam. Sollte diese auch erst am Nachmittage erfolgen, so wurden doch bereits die Segelhüllen abgenommen, die Luftzuführungsrohre gesäubert und der kupferne Teil des Kompaßhäuschens und der vergitterten Oberlichter geputzt. Das große Boot brachte man auf seinen Ausholer, und nur das kleine blieb zum Borddienst noch im Wasser.
Als die Sonne aufging, stieg die Landesflagge nach der Gaffel des Briggsegels empor.
Dreiviertel Stunden später schlug es an der Glocke des Vorderteiles vier Glas, und die dadurch zur Wache gerufenen Matrosen traten ihren Posten an.
Nach einem gemeinsamen Frühstück begaben sich die beiden Offiziere nach dem Deck, besichtigten den vom frühzeitigen Landwinde schon ziemlich rein gefegten Himmel und gaben dem Bootsmann Befehl, sie nach dem Ufer übersetzen zu lassen.
An diesem Morgen wollte der Kommandant ein letztes Mal den Leuchtturm und dessen Nebengebäude, das Wohnhaus der Wärter und die Schuppen inspizieren, worin das Heizmaterial und die Mundvorräte aufgestapelt waren, und sich endlich überzeugen, daß alle Apparate tadellos funktionieren.
Er betrat also in Begleitung des Offiziers das Land und begab sich nach der Einfriedigung des Leuchtturms.
Auf dem Wege beschäftigten sich beider Gedanken mit den drei Männern, die nun allein in der traurigen Einöde der Stateninsel zurückbleiben sollten.
»Das ist freilich eine harte Aufgabe, sagte der Kapitän. Immerhin ist dabei nicht zu vergessen, daß die armen Burschen, meist alte Seebären, von jeher ein beschwerliches Leben geführt haben. Für sie ist der Leuchtturmdienst eigentlich ein Ruheposten.
– Ja gewiß, stimmte ihm Riegal zu. Es ist aber doch ein ander Ding, Leuchtturmwärter in einer belebten Gegend und mit leichter Verbindung mit dem Lande zu sein, als hier auf einer öden Insel, die die Schiffe nur peilen, und auch das so weit von ihr entfernt wie möglich…
– Das ist freilich wahr, Riegal. In drei Monaten trifft hier ja eine Ablösung ein, und Vasquez, Felipe und Moriz versehen den ersten Dienst in der mildern Jahreszeit.
– Jawohl, Herr Kapitän; von dem schrecklichen Winter am Kap Horn werden die Drei noch nichts zu leiden haben.
– Ja, der ist hier schrecklich, bestätigte der Kapitän. Seit einer Rekognoszierungsfahrt, die wir vor einigen Jahren in der Meerenge und längs der Küsten von Feuerland und Desolationsland, nach dem Kap der Jungfrauen und dem Kap Pilar, ausgeführt hatten, da hab' ich's kennen gelernt, was tolle Stürme sind! Unsre Wächter aber haben ja eine feste Wohnstätte, die auch kein Orkan zerstören kann. An Lebensmitteln und Kohlen wird's ihnen nicht fehlen, sollte sich ihre Dienstzeit auch um zwei Monate verlängern. Wir lassen sie hier in gutem Gesundheitszustande zurück und werden sie ebenso wiederfinden. Bläst hier die Luft auch scharf, so ist sie doch rein, wo sich der Atlantische und der Große Ozean begegnen. Übrigens vergessen Sie nicht das eine, Riegal: als das oberste Seeamt Wärter für den Leuchtturm am Ende der Welt verlangte, da hatte es nur die Qual der Wahl.«
Die beiden Offiziere waren inzwischen an die Einfriedigung herangekommen, wo Vasquez und seine Kameraden sie erwarteten. Die Tür sprang auf und sie standen kurze Zeit still, nachdem sie den vorschriftsmäßigen Gruß der drei Männer erwidert hatten.
Ehe der Kapitän Lafayate ein Wort an sie richtete, musterte er die Wärter von den mit schweren Wasserstiefeln bekleideten Füßen an bis zum Kopfe, der von der Kapuze des Wachstuchrockes bedeckt war.
»In der Nacht ist alles gut gegangen? fragte er darauf, an den Oberwärter gewendet.
– Ganz gut, Herr Kommandant, antwortete Vasquez.
– Ihr habt kein Schiff draußen auf dem Meere gesichtet?
– Keines, und da der Himmel ganz dunstfrei war, hätten wir ein Licht noch auf drei bis vier Meilen bemerken können.
– Die Lampen sind immer in Ordnung gewesen?
– Ohne Unterbrechung, Herr Kommandant, bis zum Aufgang der Sonne.
– Oben im Wachzimmer habt ihr auch nicht von der Kälte zu leiden gehabt?
– Nein, Herr Kommandant, das ist überall gut geschlossen, und durch die Doppelfenster kann auch kein Wind eindringen.
– Wir wollen erst einmal eure Wohnung besichtigen und dann den Turm ersteigen.
– Zu Befehl, Herr Kommandant«, antwortete Vasquez.
Dicht neben dem Fuße des Turmes stand das Wohnhaus der Wärter. Es hatte dicke Mauern, die auch dem Ungestüm der Windstöße des magellanischen Gebietes trotzen mußten. Die beiden Offiziere besuchten darin sämtliche, sehr zweckmäßig ausgestattete Räume. Hier drin war nichts zu fürchten, weder vom Regen oder der Kälte, noch von den Schneestürmen, die unter dieser fast antarktischen Breite oft mit entsetzlicher Gewalt auftreten.
Die einzelnen Räume trennte ein schmaler Gang, an dessen Ende sich die Tür befand, durch die man nach dem Innern des Turmes gelangte.
»Wir wollen hinausgehen, sagte der Kapitän Lafayate.
– Zu Befehl, erwiderte Vasquez.
– Es genügt, wenn Sie allein uns begleiten.«
Vasquez gab seinen Kameraden ein Zeichen, im Gange zurückzubleiben. Darauf öffnete er die Tür zur Treppe und die beiden Offiziere folgten ihm nach.
Die schmale Wendeltreppe mit ihren in die Wand eingefügten steinernen Stufen war gar nicht dunkel. Zehn schießschartenähnliche Öffnungen beleuchteten sie von Stockwerk zu Stockwerk.
Als sie das Wachzimmer erreicht hatten, über dem nun unmittelbar die Laterne und die Leuchtapparate lagen, setzten sich die beiden Offiziere auf eine in der Mauer befestigte Rundbank. Durch die vier Fenster dieses Zimmers konnte man den Horizont nach allen Richtungen bequem überblicken.
Obwohl nur ein mäßiger Wind wehte, blies er hier oben doch recht tüchtig, doch ohne den scharfen Schrei der Möwen oder das Gekreisch der Fregattvögel und Albatrosse zu übertönen, die mit mächtigem Flügelschlag vorüberzogen.
Um einen noch freiern Ausblick über die Insel und das sie umgebende Meer zu gewinnen, erstiegen Kapitän Lafayate und sein zweiter Offizier noch die Leiter, die nach der die Laterne des Leuchtturmes umschließenden Galerie führte.
Der ganze Teil der Insel, der sich nach Westen hin vor ihren Augen ausdehnte, war ebenso öde und verlassen wie das Meer, von dem sie von Nordwesten bis Süden ein großes Stück überblicken konnten, dessen Fläche nur im Nordosten durch die Anhöhen am Kap Johann unterbrochen war. Am Fuße des Turmes lag die Elgorbucht vor ihnen, am Ufer jetzt belebt von zahlreichen Matrosen der ›Santa-Fé‹. Auf dem hohen Meere kein Segel, keine Rauchsäule… nichts als der unbegrenzte, schimmernde Ozean.
Nach einviertelstündigem Verweilen auf der Galerie des Leuchtturmes stiegen die beiden Offiziere, denen Vasquez folgte, wieder hinunter und begaben sich sofort zurück an Bord.
Nach einem zweiten Frühstück ließ sich der Kapitän Lafayate mit seinem zweiten Offizier noch einmal ans Land setzen. Sie wollten die letzten Stunden vor der Abfahrt noch zu einem Spaziergange längs der Nordküste der Elgorbucht benutzen.
Schon mehrere Male war der Kapitän am Tage, doch ohne Lotsen – einen solchen gab es auf der Stateninsel natürlich nicht – hier eingelaufen und hatte seinen gewohnten Ankerplatz in einem kleinen Landeinschnitt am Fuße des Leuchtturms aufgesucht. Aus Vorsicht unterließ er es jedoch niemals, einen neuen Teil des noch wenig oder schlecht bekannten Terrains genauer zu besichtigen.
Die beiden Offiziere wanderten also am Strande hin.
Nach Überschreitung der kurzen Landenge, die das Kap Sankt-Johann mit dem Ende der Insel verbindet, besichtigten sie das Hafenbecken gleichen Namens, das an der andern Seite des Kaps eine Art Pendant zur Elgorbucht darstellt.
»Dieser Hafen von Sankt-Johann, bemerkte der Kommandant, ist immerhin sehr wertvoll. Er hat auch für die tiefstgehenden Schiffe stets genug Wasser; zu beklagen ist dabei nur, daß er eine so schwierige Einfahrt hat. Ein wenn auch noch so bescheidenes Leuchtfeuer, das in gewissem Verhältnisse zu dem Leuchtturm von Elgor stände, würde es allen Fahrzeugen ermöglichen, darin bequem Zuflucht zu finden.
– Obendrein ist das der letzte Hafen, den man beim Austritt aus der Magellanstraße findet«, setzte der Leutnant hinzu.
Um vier Uhr waren die beiden Offiziere zurück und gingen an Bord, nachdem sie sich von Vasquez, Felipe und Moriz, die nun am Strande auf die Abfahrt des Avisos warteten, freundlich verabschiedet hatten.
Um fünf Uhr fing die Dampfspannung im Kessel des Schiffes an zu steigen; aus dem Schornstein wirbelten dichte Rauchmassen empor. Die Gezeiten mußten bald zum Stillstand kommen, und die ›Santa-Fé‹ sollte die Anker lichten, sobald die Ebbe bemerkbar wurde.
Dreiviertel sechs gab der Kommandant Befehl, die Maschine Probe laufen zu lassen. Sofort zischte der überschüssige Dampf aus dem Abblaserohr hervor.
Auf dem Vorderteile überwachte der zweite Offizier die nötigen Vorbereitungen; bald war der Anker mittels des Spills aus dem Grunde gebrochen, dann wurde er vollends emporgehoben und auf den Kran ausgepentert.
Begrüßt von den Abschiedsrufen der drei Wärter, setzte sich die ›Santa-Fé‹ langsam in Bewegung. Und was auch Vasquez darüber denken mochte… wenn er und seine Kameraden das Schiff nicht ohne eine innere Erregung davonfahren sahen, die Offiziere und die Mannschaft der ›Santa-Fé‹ fühlten es noch tiefer, die drei Männer auf dieser Insel am Ende Amerikas zurückzulassen.
Nur mit mäßiger Schnelligkeit glitt das Schiff längs des nordwestlichen Ufers der Elgorbucht hin; erst gegen acht Uhr kam es aufs offne Meer hinaus. Nach Umschiffung des Kaps Sankt-Johann verließ es unter Volldampf die Meerenge im Westen, und als es völlig dunkel war, schimmerte das Feuer des Leuchtturms am Ende der Welt nur noch wie ein Stern am fernen Horizonte.
Kapitel
2
Die Stateninsel – auch Statenland genannt – liegt am äußersten südöstlichen Ende des Neuen Kontinents. Sie bildet das letzte und östlichste Stück Land der magellanischen Inselgruppe, die von den Erschütterungen der plutonischen Epoche in der Nähe des fünfundfünfzigsten Breitengrades, kaum sieben Grade vom antarktischen Polarkreise, launenhaft verstreut wurde. Gebadet von dem Wasser der beiden Ozeane, wird sie zuweilen von den Schiffen aufgesucht, die aus dem einen nach dem andern steuern, ob diese nun, nach Umseglung des Kaps Horn, von Nordosten oder von Südwesten hierherkommen.
Die im 17. Jahrhundert von dem holländischen Seefahrer Le Maire entdeckte gleichnamige Meerenge trennt die Stateninsel von dem fünfundzwanzig bis dreißig Kilometer entfernten Feuerlande. Diese Wasserstraße bietet den Schiffen einen kürzern und mehr gesicherten Weg, da sie damit dem mächtigen Wogenschwalle aus dem Wege gehen, der immer an die Küste der Stateninsel donnert. Diese begrenzt sie im Westen etwa in der Länge von zehn Seemeilen (ungefähr 19 Kilometer) vom Kap Sankt-Anton bis zum Kap Kempe und Dampf- oder Segelschiffe sind hier weniger gefährdet, als wenn sie im Norden der Insel vorüberführen.
Die Stateninsel mißt fünfunddreißig Seemeilen (etwa 65 Kilometer) von Westen nach Osten, vom Kap Sankt-Barthelemy bis zum Kap Sankt-Johann, und in der Breite elf Seemeilen (20½ Kilometer) zwischen den Kaps Colnett und Webster.
Die Küste der Insel ist ungemein zerrissen. Sie besteht aus einer Reihe von Golfen, Baien und Buchten, zu denen der Zugang nicht selten durch eine Kette von Eilanden und Klippen erschwert, manchmal gesperrt ist. Wie viele Schiffbrüche haben sich auch schon ereignet an diesen unwirtlichen Küstenstrecken, die hier von fast lotrechten Steilufern begleitet, dort von ungeheuern Felsen umschlossen sind, an denen das Meer selbst bei ruhigem Wetter mit unbeschreiblicher Gewalt anbrandet.
Die Insel war unbewohnt, doch vielleicht nicht ganz unbewohnbar, wenigstens in der schönen Jahreszeit, d. h. in den vier Monaten November, Dezember, Januar und Februar, die in dieser hohen Breite der südlichen Hemisphäre den Sommer bilden. Tierherden hätten gewiß hinreichende Nahrung gefunden auf den weiten Ebenen des Innern, vorzüglich in der Gegend östlich vom Parry-Hafen zwischen der Conwayspitze und dem Kap Webster. Sobald die dicke Schneedecke von den Strahlen der antarktischen Sonne geschmolzen ist, sprießen Gras und Kräuter üppig grün aus dem Boden, der bis zum Winter seine heilsame Feuchtigkeit bewahrt. Wiederkäuer, die in den magellanischen Gebieten akklimatisiert sind, würden hier jedenfalls gut gedeihen. Mit dem Eintritt des Frostes wäre es freilich nötig, die Tiere nach etwas mildern Gegenden zu schaffen, die sich in Patagonien, ja vereinzelt auch schon im Feuerlande finden.
Übrigens leben hier in wildem Zustande einige Trupps Guanakos, eine Lamaart von sehr zäher, widerstandsfähiger Natur, deren Fleisch, gebraten oder geröstet, recht gut mundet. Wenn diese Tiere in der langen Winterszeit nicht Hungers sterben, liegt das daran, daß sie unter dem Schnee das Moos und die Wurzeln zu finden wissen, womit ihr Magen sich in dieser Fastenzeit begnügen muß.
In der Mitte der Insel dehnen sich da und dort ziemlich große Ebenen aus, einige Gehölze spreizen ihr dürftiges Geäst aus und tragen leicht abfallendes, mehr gelbliches als grünes Laub. Meist enthalten sie antarktische Buchen, deren Stämme zuweilen sechzig Fuß Höhe erreichen und deren Äste wagerecht hinausstehen, ferner Sauerdorngebüsche, die jeder Wetterunbill trotzen, und Winterrinden, die ähnliche Eigenschaften haben wie der echte Zimt.
Die erwähnten Ebenen und Gehölze nehmen freilich nur den vierten Teil der Oberfläche der Stateninsel ein. Das Übrige besteht aus felsigen Hochebenen, vorherrschend aus Quarz, aus tiefen Schlünden, langen Reihen erratischer Blöcke, die sich infolge lange zurückliegender vulkanischer Umwälzungen abgelöst hatten. Heutzutage würde man in diesem Teil der Tierra del Fuego oder des Feuerlandes vergeblich nach Kratern erloschener Vulkane suchen. Nach dem Mittelpunkt der Insel hin nehmen die ausgedehnten Ebenen das Aussehen von Steppen an, wenn eine Bodenerhebung die sie bedeckende tiefe Schneeschicht unterbricht. Je weiter man dann nach Westen kommt, desto vielgestaltiger zeigt sich das Relief der Insel, desto höher und steiler erheben sich die felsigen Uferwände. Hier streben zahlreiche Gipfel empor, Spitzberge, die bis dreitausend Fuß über die Meeresfläche hinausreichen und von denen der Blick das ganze Gebiet der Insel umfassen könnte. Es sind das die letzten Glieder der wunderbaren Andenkette, die vom Norden bis zum Süden das Rückgrat des Neuen Kontinents bildet.
Natürlich beschränkt sich unter so ungünstigen klimatischen Verhältnissen mit ihren rauhen Winden und verheerenden Stürmen die Pflanzenwelt der Insel auf sehr wenige Arten, die wiederum kaum wo anders als in der Nachbarschaft der Magellanstraße oder auf der hundert Seemeilen von der Küste des Feuerlandes entfernten Inselgruppe der Maluinen gedeihen. Es sind Pantoffelblumen, Bohnenbäume, Pimpinellen, Traspen, Ehrenpreis und eine Stipaart (Pfriemengras), bei denen allen sich der Farbstoff nur sehr wenig entwickelt. Unter dem Laubdach der Bäume und zwischen den Grashalmen der Wiesen leuchten die Blütenköpfe der blassen Blumen hervor, die sich fast schon wieder schließen, wenn sie sich kaum entfaltet haben. Am Fuße der Uferfelsen und an ihren mit ein wenig Humus bedeckten Abhängen könnte der Naturforscher noch einige Moose finden, und unter dem Schutze der Bäume einzelne eßbare Wurzeln, z. B. die einer Azalee, deren sich die Pescherähs an Stelle des Brotes bedienen, die aber nur wenig nahrhaft sind.
Einen richtigen Wasserlauf würde man auf der Stateninsel vergeblich suchen. Aus dem steinigen Erdboden brechen keine, einen Fluß bildende Bäche hervor. Dagegen häuft sich der Schnee darauf zu einer mächtigen Schicht an, die acht Monate im Jahre unverändert erhalten bleibt, und in der warmen – richtiger in der weniger kalten – Jahreszeit schmilzt sie langsam unter den schrägen Strahlen der Sonne und verleiht dem Boden eine andauernde Feuchtigkeit. Dann bilden sich da und dort kleine Lachen oder Teiche, deren Wasser sich bis zum Wiedereintritt des Frostes hält. So kam es, daß zu der Zeit, wo unsre Erzählung beginnt, Wasserströme von den Anhöhen in der Nähe des Leuchtturmes herunterrieselten, die sich nach wiederholtem Aufschlagen in dem kleinen Landeinschnitt der Elgorbucht verloren oder dem Hafen Sankt-Johann zuflossen.
Ist nun die Fauna und Flora der Insel nur sehr dürftig entwickelt, so wimmelt es an ihrem Ufer geradezu von Fischen. Trotz der ernsten Gefahren, die ihren Fahrzeugen beim Passieren der Le Mairestraße drohen, kommen doch die Feuerländer öfters hierher, wo sie ergiebige Fischzüge machen. Fische gibt es hier mancherlei: Schellfische, Dorsche, Stinte, Schmerlen, Boniten, Goldbrachsen, Meergrundeln und Meeräschen. Auch die Hochseefischerei könnte wohl zahlreiche Fahrzeuge hierherlocken, denn Celaceer, Wal- und Pottfische, Seehunde und Walrosse, tummeln sich, wenigstens in der schönern Jahreszeit, gerne in den hiesigen Gewässern. Diesen Seebewohnern ist mit solcher Rücksichtslosigkeit nachgestellt worden, daß sie sich jetzt in die antarktischen Meere geflüchtet haben, wo die Schiffahrt ebenso gefährlich wie beschwerlich ist.
Es erscheint nur natürlich, daß sich am ganzen Umfange der Insel, wo flacher Strand, Einbuchtungen und Felsenbänke einander folgen, Schneckenarten und Muscheltiere, zweischalige und andre, in erstaunlicher Menge vorfinden; vorzüglich gibt es darunter Miesmuscheln, Austern, Schüsselschnecken, Fissarellen und Trompeterschnecken, die zu vielen Tausenden an den Klippen und Uferfelsen nisten.
Was die Vogelwelt betrifft, ist diese ungemein zahlreich vertreten, unter andern durch schwanenweiße Albatrosse, Becaninos, Regentaucher, Strandläufer, Meerlerchen, sowie durch gewöhnliche und durch die lärmenden Raubmöven.
Aus dieser Beschreibung der Stateninsel darf man aber keineswegs den Schluß ziehen, daß das Stückchen Land die Begehrlichkeit Chiles oder der Argentinischen Republik erweckt hätte. Im ganzen ist sie doch weiter nichts, als ein fast unbewohnbarer Felsblock. Wem gehörte sie nun zu Beginn unsrer Erzählung?… Das kann man nur dahin beantworten, daß sie einen Bestandteil des Magellanischen Archipels bildete, der damals zwischen den beiden Republiken am Südende des amerikanischen Festlandes noch nicht geteilt war. [Fußnote] In der schönen Jahreszeit kommen die Fuegier oder Pescherähs zuweilen hierher, wenn sie wegen schweren Wetters Schutz suchen müssen. Von den Handelsschiffen ziehen es die meisten vor, in die Magellanstraße einzulaufen, die auf den Seekarten mit peinlichster Genauigkeit eingezeichnet ist und der sie ohne Gefahr folgen können, ob sie nun von Westen oder von Osten kommen, um – dank den Fortschritten der Dampfschiffahrt – schnell von dem einen Ozean nach dem andern zu gelangen. Nur die Fahrzeuge, die das Kap Horn entweder umschifft haben oder es umschiffen wollen, kommen in Sicht der Stateninsel.
Es verdient gewiß Anerkennung, daß die Republik Argentina die glückliche Initiative ergriffen hatte, jenen Leuchtturm am Ende der Welt zu errichten, und dafür sind ihr alle Nationen Dank schuldig. Vorher glänzte kein Feuer in den Gewässern von Magellansland, vom westlichen Eingange der Magellanstraße, vom Kap der Jungfrauen am Atlantischen Ozean, bis zu ihrem Ausgange beim Kap Pilar am Stillen Ozeane. Der Leuchtturm der Stateninsel mußte der Schiffahrt in diesen gefährlichen Meeresteilen unschätzbare Dienste leisten. Es gibt nicht einmal ein Leuchtfeuer am Kap Horn, und ein solches hätte doch viele schwere Unfälle verhüten können, indem es den aus dem Großen (Stillen) Ozean heransegelnden Schiffen größere Sicherheit zum Einlaufen in die Le Mairestraße geboten hätte.
Die argentinische Regierung hatte sich also zur Erbauung des neuen Leuchtturmes im Hintergrunde der Elgorbucht entschlossen, und nach einjähriger, glücklich vollendeter Arbeit war dieser am 9. Dezember 1859 in Betrieb genommen worden.
Hundertfünfzig Meter landeinwärts von dem kleinen Einschnitt, der das innere Ende der Bucht bildete, lag eine Bodenerhebung von vier- bis fünfhundert Quadratmetern Oberfläche und etwa dreißig bis vierzig Metern Höhe. Eine Mauer aus trocknem Gestein umschloß diesen Raum, diese Felsenterrasse, die dem Leuchtturm als Untergrund dienen sollte.
Der Turm erhob sich in der Mitte der Nebenbauten, eines Wohnhauses und der Schuppen oder Niederlagen.
Die Nebengebäude enthielten: 1. das Schlafzimmer der Wärter mit Betten, Schränken, Tischen und Stühlen, sowie mit einem Ofen, dessen Rohr den Rauch über das Dach hinausführte, 2. ein gemeinschaftliches Zimmer, ebenfalls ausgestattet mit einer soliden Heizvorrichtung, in der Hauptsache zum Eßzimmer bestimmt, mit einem Tisch in der Mitte, an der Decke hängenden Lampen und eingemauerten Schränken mit verschiednen Instrumenten, wie Fernrohren, Barometer und Thermometer, und dazu mit Lampen, die bestimmt waren, die der Laterne bei deren zufälligem Unbrauchbarwerden zu ersetzen. Endlich befand sich an der Seitenmauer noch eine Pendeluhr mit Gewichten. 3. Die Magazine mit dem Proviant, der für ein Jahr berechnet war, obwohl eine neue Sendung von solchem mit jeder Ablösung, also immer nach drei Monaten, erfolgen sollte.
Die Vorräte bestanden aus den verschiedensten Konserven, aus Salzfleisch, Corned-beef, Speck, Dörrgemüsen. Schiffszwieback, Tee, Kaffee, Zucker, nebst mehreren Tönnchen Whisky und Branntwein, und den für den Hausgebrauch unentbehrlichsten Arzneimitteln.
4. Den Ölvorrat für die Lampen der Leuchtturmlaterne. Das Magazin mit einer hinreichenden Menge Heizmaterial für die Bedürfnisse der Wärter und ausreichend für einen ganzen antarktischen Winter.
Das war also der Gesamtbestand der Baulichkeiten, die sich, kreisförmig angeordnet, auf dem Hofraum erhoben.
Der Turm war außerordentlich fest und nur aus Baumaterial von der Insel selbst errichtet. Die sehr harten und durch eiserne Anker verbundenen Steine waren sehr sorgfältig bearbeitet und einer dem andern mit einer Art Schwalbenschwanz eingefügt; so bildeten sie eine Wand, die auch heftigen Stürmen, ja den schrecklichsten Orkanen widerstehen mußte, die hier an der weltfernen Grenzscheide der beiden größten Ozeane der Erde oft mit unbeschreiblicher Gewalt auftreten. Wie Vasquez gesagt hatte: Diesem Turme wird kein Unwetter etwas anhaben können. Er würde als Feuerwarte hinausleuchten, bedient von ihm und seinen Kameraden, und sie würden dafür gut Sorge tragen, trotz aller magellanischen Stürme und Wetter.
Der Turm maß in der Höhe zweiunddreißig Meter und rechnete man dazu noch die Erhebung des Baugrundes, so befand sich das Feuer zweihundertdreiundzwanzig Fuß über der Meeresfläche. Es hätte danach vom Meere aus schon aus der Entfernung von fünfzehn Meilen, der Strecke, bis zu deren Ende der Sehkreis von einer solchen Höhe aus reicht, bemerkbar sein müssen. Tatsächlich betrug seine Leuchtweite aber nur zehn Seemeilen.
Jener Zeit war noch keine Rede von Leuchttürmen mit karburiertem Wasserstoffgas oder mit elektrischem Lichte. Übrigens erschien es für diese entlegne Insel, bei ihrer beschwerlichen Verbindung selbst mit den nächstgelegnen Ländern, doppelt angezeigt, sich an das einfachste Beleuchtungssystem zu halten, das die wenigsten Reparaturen zu verlangen versprach. Man hatte sich hier deshalb für einfache Öllampen entschieden, diese aber mit allen Verbesserungen ausgestattet, die Wissenschaft und Technik damals an die Hand gaben.