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Dieses Stilz-Buch ist ein Milieu-Krimi. Er spielt in den Milieus von Biomedizin, Bordell und organisiertem Verbrechen. Der Mörder hat medizinische Sachkunde, die Opfer aber, Prostituierte von Beruf, werden nicht nur ermordet, sondern zudem auch grässlich verunstaltet. Ganze Organe werden ihnen herausgerissen. Hauptkommissar Stilz geht der Frage nach, ob es sich um Racheakte handelt, um psychopathische Zwangshandlungen oder „nur“ um ganz große Geschäfte. Irgendwie scheint alles zuzutreffen...
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Veröffentlichungsjahr: 2014
Christof Tannert
Der neueste Fall des Hauptkommissars Stilz
Der Mann hinter dem Paravent
lZuerst: Hauptkommissar Stilz
lKapitel 1 Feli, eine Geschäftsfrau
lKapitel 2 Irena und Tatjana
lKapitel 3 Stilz ermittelt
lKapitel 4 Johann Wolfgang Wagner, ein Arzt
lKapitel 5 Mister X
lKapitel 6 Frau Lehmann will wissen
lKapitel 7 Zufall mit Folgen
lKapitel 8 Lkw-Transporte mit tödlichem Ausgang
lKapitel 9 Enrico Lehmbruck, ein Spezialist
lKapitel 10 Recherchen zu einer letzten Fahrt
lKapitel 11 Pisdun
lKapitel 12 Mister Y
lKapitel 13 Plötzliche Reisen
lKapitel 14 Furioses Finale
lZuletzt: Hauptkommissar Stilz
Stilz, der langjährige Hauptkommissar mit dem Antrag auf Vorruhestand, hatte eine Art später Freundschaft geschlossen. Das war nach seiner Trennung von der Familie gewesen. Allerdings war noch immer nicht klar, wer sich da von wem getrennt hatte, der nörgelige, aufbrausende und schrullige Stilz, Vater erwachsener Kinder und Ehemann, von der Familie oder diese sich von ihm, dem „Rumpelstilzchen“, wie sie ihn sowohl da wie im Dienst hinter kaum vorgehaltener Hand nannten. Angefangen mit diesem Spitznamen hatten seine Studenten, denn er hatte einen Lehrauftrag an der Polizeihochschule, hielt Seminare und auch eine spezielle Vorlesung und vergab und bewertete Hausarbeiten und Prüfungen. In dem Zusammenhang war dann dieses „Rumpelstilzchen“ wohl entstanden. Es war nicht eigentlich abwertend gemeint, eher freundlich-spöttisch. Stilz war natürlich klar, dass sie der naheliegenden Versuchung nicht hatten widerstehen können, seinen Namen mit jener sagenhaft jähzornigen Märchenfigur zu verbinden und ihm so seine Neigung zu cholerischen Ausbrüchen unter die Nase zu reiben, die er sich vergeblich abzutrainieren versuchte, was sie aber wohl leider nicht bemerken konnten. Zu seiner eigenen Überraschung hatte er nun feststellen müssen, dass ihm das häufige private Alleinsein nicht leicht fiel. Was die Familie anging, so hatte er seit einiger Zeit nur zu Elle, seiner Tochter Ella, die er „Elle“ rief, gelegentlich dienstlichen Kontakt, denn sie war Gerichtsmedizinerin, und er musste mit ihr beruflich zusammenarbeiten, was ihm oft nicht passte, denn sie hatte eine Neigung, sich bei diesen Gelegenheiten mitunter in seine Ermittlungen einzumischen oder aber, was er noch verwerflicher fand, die Rede aufs Private zubringen und dass sie ihm doch ansehe, dass ihm das Alleinsein nicht bekäme. Eines Tages war er dann einem einsamen Entschlusse folgend ins Bordell gegangen, außerdienstlich, ganz und gar aufgeklärter und moderner Zeitgenosse, der eine Dienstleistung einkauft, die in Deutschland eine Million Männer täglich in Anspruch nimmt, wie er von Berufs wegen wusste und so sich nun selbst wieder suggerierte, denn ein bisschen mulmig war es ihm zunächst doch. Dort hatte er dann Felicitas kennengelernt, und die hörte ihm zu, wenn er über „den Gefühlskerker Familie“ räsonierte, selbst wenn das von ihr wohl kein Mitfühlen war, sondern nur irgendwie zum Beruf gehörte. Vielleicht war es doch etwas mehr, denn manchmal widersprach sie ihm, was er sich von anderen und in anderer Umgebung verbeten haben würde; bei ihr steckte er das wortlos weg.
„Das Kätzchen“ nannte er sie ihres Vornamens, vor allem aber ihrer geschmeidigen Erscheinung wegen und weil sie manchmal die Krallen ausfuhr. Sie war die Inhaberin und Seele des Hauses, das sie ihm auf sein Fragen hin als einen „Dienstleistungsbetrieb mit angestellten Mitarbeiterinnen, Umsatzbeteiligung, Sozialversicherung und Lohnsteuern“ erklärt hatte, „ganz profan, wo man, oder besser frau, gut anschafft, denn auf Umsatz kommt es in erster Linie an. Wir brauchen zufriedene Kundschaft, zufriedene Stammkunden vor allem“, erzählte sie Stilz (und pflegte sie bei jeder Neueinstellung zu betonen), „aber auch zufriedene Zufallskundschaft, denn die macht den Hauptumsatz aus, und Zufallskunden werden ja vielleicht auch irgendwann Stammkundschaft. Es wäre jedenfalls schlecht fürs Geschäft, wenn die negativ über uns reden. Unser Job ist, wie überall im Dienstleistungssektor, meist völlig unromantisch. Nur dass wir besser verdienen als Fensterputzer. Wenn der Umsatz stimmt, kann es aber auch Spa? machen. Wenn man dafür geeignet ist. Natürlich ist das nicht jede.“
Er war mit ihr schon bald nach dem ersten tariflichen Schäferstündchen ins Gespräch gekommen, als er sich an der Bar des Hauses seinen geliebten Scotch genehmigte. Sodbrennen würde er früher oder später ja doch wieder kriegen. Nun eher später, denn er fühlte sich jetzt stressfrei und locker, und das war gut gegen die Magenübersäuerung, die ihn leider immer häufiger überkam.
Auf diese Weise hatte er, sozusagen aus erster Hand, einiges über das ihm bis dato nur theoretisch bekannte Bordellmilieu erfahren und dabei, zu seiner eigenen Überraschung, auch bei ihm immer noch tief verankerte Vorurteile festgestellt, die er zu überwinden nun sehr bewusst unternommen hatte. Er war dann eine Art Stammgast bei Feli geworden und hatte bei ihr noch manchen Whisky geleert, auch wenn sie selbst im Dienst nur Fruchtsaft trank, manchmal vielleicht ein bisschen gespritzt. Freundschaft war wohl, recht besehen, ein zu anspruchsvolles Wort für ihre Beziehung, aber sie hatten oft über Privates geplaudert. Bei Feli gehörte das, wie gesagt, wahrscheinlich ganz einfach zum Job, für Stilz aber war es eine der selten gewordenen Möglichkeiten, über sich zu erzählen, ohne dabei nicht sofort genervt und gereizt und verpflichtet zu sein und bei jedem Einwurf des Gegenübers auszurasten.
Nun aber war eines der Mädchen, Irena mit Namen, brutal ermordet und vergewaltigt worden, und nicht nur das, ihr waren die Augen ausgestochen worden, ein grässlicher Anblick des vorher so netten und fröhlichen Gesichts, das Stilz gut gekannt hatte, weshalb ihm dieser Mord persönlich nahe ging.
Es war in ihrer Wohnung geschehen. Vermutlich, weil sie auch außerhalb des Bordells gelegentlich Kunden empfing, eine Zusatzeinnahme, die sie sich abgabenfrei, nicht ganz legal also, zu verschaffen gewusst hatte. Das war riskant, nicht so sehr wegen der hinterzogenen Steuer, als vielmehr, weil ihr dabei die betriebliche Sicherheit vor manchmal aggressiven Freiern fehlte und dabei häufig auch das Kondom abgelehnt wurde, der spezielle Arbeitsschutz sozusagen. Die freiwillig eingegangenen Risiken schienen sich nun zwiefach und letztlich bitter gerächt zu haben. Sie war schwanger geworden, was sie gefreut hatte, und sie war sadistisch verstümmelt und ermordet worden. Ob das miteinander zusammenhing, würde ein Gegenstand der Untersuchungen sein müssen.
Felicitas drang in den Hauptkommissar, das Verbrechen aufzuklären, persönlich aufzuklären, schnellstens aufzuklären, denn sie alle in ihrem Hause wären traumatisiert, und der perverse Mörder liefe frei herum und könne jederzeit wieder zuschlagen. Sie selbst war es, die ihm erzählte, dass das nun tote Mädchen von einem der „Extrakunden“ schwanger geworden war und, gegen dessen Willen, das Kind habe austragen wollen, und sie sagte ihm auch, was sie über den Kindsvater in spe wusste. Nichts Genaues nämlich, nicht einmal seinen vollen bürgerlichen Namen kannte sie, aber beschreiben konnte sie in gut.
Sie selbst hatte Irena zunächst davon abgeraten, das Kind auszutragen. Nur dass die das vehement wollte. Bald schon waren alle Kolleginnen Irenas Meinung und erklärten sich solidarisch mit ihr, und Irena, Steuerbürgerin, die sie ja doch war, machte geltend, dass ihr sämtliche Sozialleistungen für werdende und dann junge Mütter und der Erhalt des Arbeitsplatzes im Elternjahr zustünden. Da hatte dann auch Felicitas davon abgestanden, ihren Entschluss weiterhin zu missbilligen, selbst wenn sich das fürs Geschäft eher negativ auswirken dürfte. Dachte sie jedenfalls immer noch.
Nun war Irena tot und mit ihr das Kind. Und ein Sadist lief frei herum.
Stilz war von dem Ansinnen, diese Recherche übernehmen zu sollen, nicht begeistert. Es war ihm zwar, zumal kurz vor dem dienstlichen Ruhestand, ziemlich egal, dass auch er bei der Untersuchung als Bordellkunde registriert werden würde, denn die Kunden jener Frau, ihre Freier, würde die Kripo sich natürlich vornehmen müssen, ja der Gedanke reizte ihn sogar irgendwie: war das Gewerbe nun legal und normal und so auch für Hauptkommissare da, oder doch immer noch nicht? Nein, er scheute keine Entdeckung, sondern wollte nur diesen Fall nicht mehr übernehmen, weil er ihm persönlich zu nahe ging und weil er im Prinzip beschlossen hatte, kürzer zu treten und die Feldarbeit anderen, Jüngeren, zu überlassen. Dem Werner, seinem jüngsten Mitarbeiter und persönlichen Referenten zum Beispiel.
So suchte er nun, sich mit diesem und jenem Vorwand herauszuwinden, aber er musste schon bald spüren, dass seine neue Freundin und ihre Mädchen dafür überhaupt kein Verständnis hatten, ja ihre bisherige Zuneigung zu ihm, dem „Oberbullen“, sich in Ablehnung zu verkehren drohte, weil sie meinten, er kneife, und seine Bordellbesuche seien ihm letztlich doch irgendwie peinlich. Als dann schon einen Tag später die schlimme Nachricht eintraf, dass da ein weiteres Mädchen aus einem anderen Bordell vergewaltigt und ermordet worden war, Tatjana mit Namen, eine Freundin von Irena, und ihr war der Bauch aufgeschnitten und innere Organe waren ihr aus dem Leib herausgerissen worden, dass jener Sadist also womöglich ein Besessener war, seufzte Stilz und erklärte erst Felicitas und dann seinem persönlichen Assistenten Werner: „Wir übernehmen die Sache.“
Werner war nicht erbaut von dem Entschluss seines Chefs. Er kannte ihn nun schon geraume Zeit, bewunderte ihn, mochte ihn trotz seiner Schrullen und seines gelegentlichen Aufbrausens, wenn ihm die Magensäure und die Familie wieder einmal zu schaffen machten. Dass er aber nun in der Abteilung und darüber hinaus als Bordellkunde bekannt werden würde, war Werner, der im Vergleich zu seinem Chef in derlei Dingen eher konventionell eingestellt war, unangenehm, ja degoutant, das mochte er kaum verhehlen. Stilz hingegen legte in dieser Angelegenheit nachgerade Bekenntniseifer an den Tag und betonte, dass „das“ heutzutage legal wäre und die einschlägigen Vorurteile endlich abgebaut gehörten, zumal und vor allem unter Kriminalisten. Das Milieu gehöre im öffentlichen Bewusstsein definitiv entkriminalisiert, schon um mit gelegentlich wieder aufflammenden Versuchen zu kriminellen Machenschaften dort besser fertig werden zu können. Die Doppelmoral der treusorgenden Familienväter, die sich noch immer heimlich ins Bordell oder zum Table Dance mit Anfassen schlichen, danach aber wieder den sittenstrengen Haustyrannen gäben, gehöre jedenfalls auf den Müll der Sexual- und Kirchengeschichte. Was nun die Morde an den zwei Frauen beträfe, so hätte das nichts mit dem Gewerbe als solchem zu tun, vielleicht aber damit, dass sich diese Mädchen einem besonderen Berufsrisiko ausgesetzt hätten, da es unter den meist durch und durch biederen Freiern häufiger als im allgemeinen Querschnitt der männlichen Bevölkerung Psychopathen gebe, Sadisten womöglich, schließlich sei ja, wisse er von Feli, Sadomasochismus eine nicht selten verlangte besondere sexuelle Dienstleistung, wenngleich er, Stilz, dergleichen für abwegig hielte, aber das sei letztlich dann doch Geschmackssache und somit Gegenstand eines einvernehmlichen „mündlichen Dienstleistungsvertrags“ zwischen Hure und Freier und müsse folglich keineswegs strafgesetzlich reguliert werden.
Sie waren befreundet gewesen, die Mädchen aus den beiden Bordellen und hatten sich „Freier für zu Hause“ gegenseitig überwiesen, je nach Auftragslage. Hier würden sie ansetzen müssen, bei diesem speziellen Freierkreis. Sicherlich hatten die Mädchen ja Adressbücher und Anrufbeantworter gehabt. Auch war abzuklären, ob der offensichtlich im Zusammenhang mit den Morden stehende ungeschützte Geschlechtsverkehr, die Vergewaltigung womöglich, kriminalistisch verwertbare Spuren gezeitigt hatte und somit, ob der Mörder in beiden Fällen tatsächlich identisch gewesen war, was wohl schon jetzt angenommen werden konnte. Stilz beauftragte Werner also mit der tiefergehenden Tatort- und Umfeldanalyse, seine Tochter aber bat er um die Genkarten aus den Spermaspuren, die an den beiden Opfern gefunden worden waren.
Nachdem Werner ihn verlassen und er mit Elle telefoniert hatte, begann Stilz zu grübeln. Die Besonderheit dieses Falles mit den grausigen Verstümmelungen der Mordopfer -und das war schon jetzt ziemlich klar: es war ein Fall mit zwei Morden, bislang zwei Morden- die Besonderheit lag natürlich in diesen Verstümmelungen. Was konnte einer dafür als Motiv haben? Verunstaltung derjenigen, die den Täter erotisch angezogen hatte, und weil er, der Täter, darin, dass er dieser Attraktion erlegen war, einen moralischen Makel für sich sah? Oder weil Frauen ihm generell eine Demütigung bedeuteten, wie das ja von der Psychoanalyse als Krankheit mancher Männer herausgefunden worden war? Oder weil der Täter nach wie vor dieses Gewerbe als sittenwidrig und deshalb sich als berufen zur Selbstjustiz ansah?
Das waren, soweit Stilz sah, kriminalgeschichtlich belegte Motive. Was kam sonst noch in Frage? Organhandel? Mit Augen? Augen konnten nicht transplantiert werden, glaubte er zu wissen. Das also schied aus, schien ihm. Trotzdem würde es zu prüfen sein. Und in diesem Zusammenhang war natürlich zu klären, wie die Organe entnommen worden waren, fachgerecht und somit für Transplantationen geeignet oder bloß sadistisch-aggressiv herausgerissen? Für spezifisch kranke Charaktere kamen au?erdem noch Trophäenkult und Kannibalismus in Frage, fiel Stilz ein. Angewidert schob er die letzten Gedanken beiseite, zumal es zumindest für den ersten Mord ein ins Auge springendes und viel banaleres Motiv gab: die von dem einen Manne, dem Freier Irenas, ungewollte Schwangerschaft beziehungsweise deren mörderische Beendigung. Der war also hoch verdächtig, weil er mit der ihm drohenden Vaterschaft womöglich Gefahr gelaufen war, als untreuer Familienvater entdeckt und gebrandmarkt zu werden. Nur dass sie von dem fast nichts wussten, nichtmal wie er wirklich hieß.
Ermittlungsfragen gab es also zuhauf. Stilz telefonierte Ella nochmals hinterher, sie möge nicht nur genau prüfen, wie die Organe entnommen worden waren, sondern sie solle au?erdem auch die Genkarte des Foetus mit derjenigen aus den Spermaspuren vergleichen. Werner beauftragte er, am Tatort nach hinterlassenen Spuren von eventuellen medizinischen Transport- oder Konservierungsflüssigkeiten suchen zu lassen. Dann entschloss Stilz sich zu einem weiteren Telefonat mit Felicitas. Er wollte von ihr wissen, wie sie dort die Stammkunden registrierten, bürokratisch mit Kundenkarte und Konterfei womöglich oder nur per Gedächtnis im kichernden Pausengespräch. Er konnte ihr überlegenes Lächeln ob dieser Frage durchs Telefon spüren. Sie sagte ihm dann auch prompt, dass das natürlich ein Betriebsgeheimnis sei und von jedem Hause anders gehandhabt würde. Auch sei Datenschutz zu beachten.
Stilz wurde ärgerlich und fragte mit nun amtlichem Tonfall, ob sie an Aufklärung tatsächlich interessiert wäre oder ob das womöglich nur Gerede vor ihren Mädchen sei, um ihr Gesicht im Hause zu wahren? Jetzt war „Das Kätzchen“ sauer. Sie einigten sich, dass es ihnen beiden um Gerechtigkeit für die Toten wie um Sicherheit für die zu schützenden Lebenden und somit um die Sache ginge, und Felicitas erklärte kurz und präzise, dass sie eine weitgehend für andere anonymisierte Kundenkartei führe, diese unter strengem persönlichen Verschluss halte und nur einzelne personenbezogene Daten auf gezielte Fragen ihrer Mitarbeiterinnen herausgäbe, etwa die hinsichtlich Vorlieben für spezielle Sexpraktiken. Die abzulehnen oder aber darauf einzugehen sei jeder Kollegin freigestellt. Seelische und körperliche Unversehrtheit von Hure und Freier sei oberstes Gebot bei ihnen. Das gelte natürlich auch bei Voranfragen bezüglich spezieller sexueller Dienstleistungen, Abnormitäten mitunter: „Alles kann, nichts muss“, aber man müsse da nicht immer gleich an irgendwelche schlimmen Sachen denken, harmloser Schuh- und Höschenfetischismus kämen zum Beispiel oft vor, auch der Wunsch nach Bestrafung und Dominanz und so weiter. Da müsse jede selbst sehen. Es sei nun einmal ein Geschäft, für das sie guten Umsatz anstrebten und anstreben müssten, denn die Konkurrenz schliefe nicht, und Arbeit mache nicht immer nur Spaß. Das träfe, wiederholte sie sich, nicht nur auf das produzierende Gewerbe oder andere Dienstleistungen zu, sondern auch und manchmal ganz besonders auf sie, die sexuellen Dienstleisterinnen, denn die Freier und ihre Wünsche seien eben sehr unterschiedlich und nicht immer appetitlich. Da müsse und könne Jede selbst entscheiden, entscheiden sozusagen, was Balance von Umsatz mit Abneigung angehe. Ganz ohne gelegentliche Überwindung freilich sei man beziehungsweise frau schnell aus dem Geschäft. Was nun die Kundendatei anginge, so habe sie häufig nur Spitznamen und Merkmale, wüsste also oft nicht, wie die Männer wirklich hie?en und wo sie wohnten, denn genau das wollten die ja meist nicht preisgeben, und fürs Geschäft sei das ja auch nicht wichtig, manchmal habe sie eine Telefonnummer. Von Irenas Freier, der sie geschwängert hatte, ergänzte sie auf spezielle Nachfrage Stilz´, kenne sie leider nur einen nichtssagenden Spitznamen; „Mister X“ hatten sie den untereinander genannt. Einmal habe er erzählt, dass er als Geschäftsmann im Im- und Export mit Osteuropa tätig sei und damit gutes Geld mache. Mehr wüssten sie leider von dem nicht, aber eine Personenbeschreibung sei überhaupt kein Problem, gesehen hatten sie den oft.