Der Mann mit der Schramme - Sir Arthur Conan Doyle - E-Book

Der Mann mit der Schramme E-Book

Sir Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Ein mysteriöser Fall, der Sherlock Holmes und Dr. Watson ins zwielichtige Milieu der Opiumhöhlen im Osten Londons schickt: Holmes versucht inkognito das Verschwinden des reichen Mr. St. Clair aufzuklären, der zuletzt von seiner Frau im Haus einer bekannten Opiumhöhle gesehen wurde – scheinbar in Aufruhr. Schnell ist klar, dass hier etwas faul ist. Hat der schmutzige Bettler mit der entstellten Lippe womöglich etwas damit zu tun?-

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Seitenzahl: 46

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Sir Arthur Conan Doyle

Der Mann mit der Schramme

Saga

Der Mann mit der SchrammeCopyright © 1891, 2019 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726372380

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Der Mann mit der Schramme.

Isa Whitney, der Bruder des weiland Elias Whitney, Doktors der Theologie und Rektors des Predigerseminars von St. Georgen, war ein starker Opiumraucher. Soviel ich weiss, kam er durch eine Jugendeselei dazu, als er noch auf der Schule war. Er hatte damals de Quinceys Beschreibung seiner Träume und Empfindungen gelesen 1 und tränkte seinen Rauchtabak mit Opiumtinktur, um womöglich dieselbe Wirkung zu erzielen. Dabei ging es ihm aber wie schon so manchem vor ihm: er fand, dass es viel leichter ist, eine Gewohnheit anzunehmen, als sie wieder abzulegen; so blieb er jahrelang ein Sklave dieses Giftes und wurde seinen Freunden und Verwandten zum Gegenstand des Abscheus oder auch des Mitleids. Noch sehe ich ihn vor mir in einem Lehnstuhl zusammengekauert mit dem gelben, aufgedunsenen Gesicht, den schlaffen Augenlidern und den bis zum Umfang eines Stecknadelknopfes verkleinerten Pupillen, die traurige Ruine eines ursprünglich edeln Menschen.

Eines Abends — es war im Juni 1889 — so um die Zeit, wo der Mensch anfängt zu gähnen und nach der Uhr zu sehen, wurde an meinem Hause die Klingel gezogen. Ich fuhr in die Höhe, und meine Frau liess mit verstimmtem Gesicht ihre Handarbeit in den Schoss sinken. „Ein Kranker,“ sagte sie. „Du wirst nochmals fortgehen müssen.“

Ich seufzte, denn soeben war ich von schwerem Tagewerk heimgekehrt.

Wir hörten die Hausthüre gehen, vernahmen ein paar hastige Worte und dann rasche Schritte auf dem Linoleum. Unsere Zimmerthür flog auf, und herein trat eine dunkel gekleidete, schwarz verschleierte Dame.

„Entschuldigen Sie meinen späten Besuch,“ begann sie, doch plötzlich allen Halt verlierend, stürzte sie auf meine Frau zu und warf sich ihr schluchzend um den Hals.

,,Ach, ich bin in entsetzlicher Lage!“ rief sie aus, „und bedarf dringend des Beistandes.“

„Was, das ist Käte Whitney?“ sagte meine Frau und schlug ihrem Gaste den Schleier zurück. „Wie du mich aber erschreckt hast, Käte! Als du hereinkamst, hatte ich keine Ahnung, wer du seist.“

„Ach, ich wusste keinen andern Ausweg, als zu dir zu flüchten.“

Es war die alte Geschichte; jeder, der in Not war, kam zu meiner Frau, wie die Vögel zum Leuchtturm fliegen.

„ Wie lieb von dir, dass du gekommen bist. Jetzt trinke nur erst ein Glas Wein mit Wasser und setze dich behaglich her, dann erzählst du uns alles. Oder möchtest du lieber, dass ich James zu Bett schicke?“

„Nein, gewiss nicht! denn ich bedarf auch des Doktors Rat und Beistand. Es handelt sich um meinen Mann. Seit zwei Tagen ist er nicht mehr nach Hause gekommen, und ich bin in entsetzlicher Angst um ihn!“

Nicht zum erstenmal sprach sie mit uns von ihrem Kummer um den Gatten, mit mir als Arzt und mit meiner Frau als alter Freundin und Vertrauten noch von der Schule her. Wir beruhigten und trösteten sie nach Kräften. Ich fragte, ob sie wisse, wo sich ihr Gatte aufhalte; ob wir ihr helfen, könnten, ihn nach Hause zu schaffen.

Es schien so. Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass er in letzter Zeit, wenn ihn der krankhafte Drang überkam, eine Opiumhöhle im entferntesten Osten der Stadt aufgesucht habe. Bisher hatten sich seine Orgien immer nur auf einen Tag beschränkt, worauf er dann wankend und gebrochen am Abend heimkehrte. Aber diesmal war er schon seit zweimal vierundzwanzig Stunden im Banne seiner Leidenschaft und lag ohne Zweifel unter dem Auswurf des Schiffervolkes, um das Gift in sich aufzunehmen oder dessen Folgen zu verschlafen. Dort in der ,Goldichenke‘ in der Oberen Swandamstrasse wäre er, meinte sie, sicherlich zu finden. Aber was könnte sie da thun? Wie sollte sie, die junge, ängstliche Frau, in einen solchen Ort eindringen und ihren Gatten aus der Mitte des Gesindels, das sich dort aufhielt, herausholen?

So lagen die Dinge, und in der That gab es nur einen einzigen Ausweg. Ob ich sie nicht dorthin begleiten wollte? Oder — ob es am Ende besser wäre, ich ginge allein? Ich sei ja ihres Mannes ärztlicher Ratgeber und besässe als solcher Einfluss auf ihn. Ich wäre viel unbehinderter in allem. Ich gab ihr mein Wort darauf, ihn binnen zwei Stunden in einem Wagen heimzusenden, vorausgesetzt, dass ich ihn wirklich an dem von ihr bezeichneten Orte fände. Und zehn Minuten später hatte ich auch schon den Lehnstuhl und das behagliche Wohnzimmer im Rücken und fuhr davon in einer Angelegenheit, die mir von vornherein höchst absonderlich vorkam, wenn sich auch erst später herausstellte, wie absonderlich sie in der That werden sollte.