Der Marinevertrag - Sir Arthur Conan Doyle - E-Book

Der Marinevertrag E-Book

Sir Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Sherlock Holmes wird zu einem sonderbaren Fall gerufen: Als Percy Phelps einen Augenblick sein Büro verlässt, wird ihm ein sehr bedeutender Marinevertrag vom Schreibtisch gestohlen. Vom Täter gibt es keine Spur. Phelps ist so mitgenommen, dass er krank wird und sich nach Hause begibt, wo sich seine Verlobte und deren Bruder um ihn kümmern. Doch eines Nachts bekommt er Besuch von einem Unbekannten. Zum Glück hat Sherlock Holmes einen cleveren Einfall... -

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Arthur Conan Doyle

Der Marinevertrag

 

Saga

Der MarinevertragCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1893, 2020 Arthur Conan Doyle und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726692884

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Der Marinevertrag.

Zu meinen besten Kameraden während der Schulzeit gehörte ein Knabe Namens Percy Phelps; wir standen im gleichen Alter, doch war er mir um zwei Klassen voraus. Wegen seiner grossen Begabung fielen ihm alljährlich die Preise zu, welche die Schule zu vergeben hatte, und noch beim Abgang verschaffte ihm sein vorzügliches Examen ein Stipendium, in dessen Besitz er seine Studien auf der Universität Cambridge, mit Glanz fortsetzen konnte.

Ich erinnere mich, dass er vornehme Verwandte hatte; sein Oheim mütterlicherseits war Lord Holdhurst, der berühmte Abgeordnete der konservativen Partei. Das wussten wir schon als ganz kleine Knaben, doch brachte es Phelps in der Schule keinerlei Vorteil; es war für uns nur ein Grund mehr, ihn tüchtig auf dem Spielplatz herumzuhetzen oder ihm, wenn sich die Gelegenheit bot, den grossen Ball ans Schienbein zu werfen.

Bei seinem Eintritt in die Welt wurde das natürlich anders. Ich hörte noch gerüchtweise, er habe auf Verwendung einflussreicher Personen eine gute Anstellung im Auswärtigen Amt erhalten, für die ihn seine Begabung befähigte; dann verlor ich ihn jahrelang ganz aus dem Gesicht, bis er sich mir eines Morgens durch den folgenden Brief wieder ins Gedächtnis zurückrief:

Brierbrae, Woking.

Mein lieber Watson!

Ohne Zweifel erinnerst Du Dich noch von der Schulzeit her an Phelps, genannt ,Kaulquappe‘, der in der fünften Klasse war, als Du die dritte besuchtest. Möglicherweise hast Du auch erfahren, dass mir mein Onkel eine Stelle im Auswärtigen Amte verschafft hat. Diesen ehrenvollen Vertrauensposten habe ich seither bekleidet, aber ein entsetzliches Missgeschick hat mit einem Schlage meine ganze Zukunft vernichtet.

Es würde zu weit führen, wollte ich Dir mein Unglück schriftlich auseinandersetzen; falls Du auf meine Bitte eingehst, wirst Du ohnehin alle Einzelheiten aus meinem Munde hören müssen. Ich bin eben erst von einem Nervenfieber genesen, das mich neun Wochen lang ans Bett gefesselt hat, und ich fühle mich noch recht schwach. Könntest Du mich wohl besuchen und Deinen Freund Holmes veranlassen Dich zu begleiten? Ich möchte gerne seine Ansicht über den Fall hören, trotz der Versicherung der Polizei, dass sich nichts mehr thun lässt. Bitte, bringe ihn so bald wie möglich hierher; jede Minute wird mir zur Ewigkeit, solange ich noch in dieser entsetzlichen Spannung lebe. Sage ihm, dass es nicht ein Beweis von mangelndem Vertrauen ist, wenn ich ihn erst jetzt um Rat frage; ich war seit jenem Schicksalsschlag wie von Sinnen. Jetzt bin ich zwar wieder zu mir selbst gekommen, doch wage ich kaum an die Geschichte zu denken, weil ich einen Rückfall fürchte. Noch fühle ich mich nicht einmal stark genug, um selber zu schreiben, und muss diese Zeilen diktieren.

Nicht wahr. Du kommst zu Deinem Freunde, zu Deinem alten Schulkameraden

Percy Phelps.

Es lag etwas so Hilfloses und Rührendes in der Art, wie er mich wiederholt anflehte, Holmes zu ihm zu bringen, dass ich nichts unversucht gelassen, hätte, um seinen Wunsch zu erfüllen. Doch kannte ich Holmes gut genug, um zu wissen, dass er jedem Klienten seine Dienste aufs bereitwilligste zur Verfügung stellte, wenn es galt, seine Kunst auszuüben. So beschloss ich denn, ihn ohne Zögern aufzusuchen, und betrat schon eine Stunde nach dem Frühstück meine frühere Wohnung in der Bakerstrasse.

Sherlock Holmes sass im Schlafrock an einem Seitentisch und war eifrig mit einer chemischen Analyse beschäftigt. Ueber der bläulichen Flamme des Bunsenbrenners siedete und brodelte in der Retorte eine Flüssigkeit, deren destillierte Tropfen sich in einem Zweilitermasse sammelten. Als ich eintrat, hob mein Freund kaum den Blick; das Experiment, welches er vorhatte, mochte wohl sehr wichtig sein. Ich setzte mich in einen Lehnstuhl und wartete, während er seine Pipette bald in diese, bald in jene Flasche eintauchte. Endlich trat er mit der fertigen Lösung im Reagensglas vor mich hin, in der Rechten einen Streifen Lackmuspapier haltend.

„Du kommst gerade in einem kritischen Moment, Watson,“ sagte er. „Behält dies Papier seine blaue Farbe, so ist alles gut; wird es rot, so kostet es ein Menschenleben.“ Er tauchte es in das Glas, und sofort nahm es eine schmutzige feuerrote Färbung an. „Hm, ich dachte es mir wohl,“ sagte er. „In einem Augenblick stehe ich dir zu Diensten, Watson. Nimm dir Tabak aus dem persischen Pantoffel.“ Er setzte sich an das Pult, schrieb mehrere Depeschen und übergab sie seinem kleinen Diener. Dann warf er sich in den Stuhl, der mir gegenüber stand, schlug seine langen, dünnen Beine übereinander und faltete die Hände über dem Knie.

„Ein sehr alltäglicher kleiner Mord,“ sagte er. „Vermutlich bringst du mir etwas Besseres. Du bist der Sturmvogel, der ein Verbrechen ankündigt, Watson. Was giebt’s denn?“

Ich reichte ihm den Brief, den er mit grosser Aufmerksamkeit durchlas. „Sehr viel lässt sich nicht daraus entnehmen, wie mir scheint,“ sagte er.

„So gut wie nichts.“

„Doch interessiert mich die Handschrift.“

„Es ist nicht seine eigene.“

„Eben darum. Eine Frau hat den Brief geschrieben.“

„Bewahre, es ist eine Männerhand,“ rief ich.

„Nein, die Schrift einer Frau von seltener Charakterstärke. Es ist beim Beginn einer Untersuchung von Wichtigkeit zu wissen, dass der betreffende Klient in naher Beziehung zu einer Person steht, welche hervorragende Gaben besitzt, im guten oder bösen Sinne. Ich fange schon an, mich für den Fall zu interessieren. Wenn du nichts anderes vorhast, wollen wir gleich nach Woking fahren, um den Herrn Diplomaten aufzusuchen, der in solcher Klemme steckt, und uns die Dame anzusehen, der er seine Briefe diktiert.“

Wir hatten gerade noch Zeit, den Vormittagszug auf der Waterloo-Station zu erreichen; eine etwa einstündige Fahrt brachte uns nach den Fichtenwäldern und dem Heideland von Woking. Brierbrae erwies sich als der Name eines Hauses, das inmitten weitläufiger Anlagen in geringer Entfernung vom Bahnhof dalag. Als wir unsere Karten abgegeben hatten, wurden wir in ein vornehm ausgestattetes Empfangszimmer geführt, wo uns schon nach kürzester Frist ein etwas wohlbeleibter Mann aufs gastfreundlichste begrüsste. Er mochte eher vierzig als dreissig Jahre alt sein, aber seine roten Pausbaden und munteren Augen gaben ihm das Aussehen eines dicken, durchtriebenen Jungen.

„Wie froh bin ich, dass Sie da sind,“ sagte er, uns die Hände schüttelnd. „Percy hat den ganzen Morgen über nur immer nach Ihnen gefragt. Der Aermste klammert sich an jeden Strohhalm. Ich soll Sie auch im Namen seiner Eltern willkommen heissen; schon die blosse Erwähnung der Angelegenheit ist ihnen äusserst peinlich.“

„Wir haben noch gar nichts Näheres darüber gehört,“ versetzte Holmes. „Sie selbst sind offenbar kein Mitglied der Familie.“

Der Herr sah überrascht auf, dann erwiderte en lachend: