1,99 €
Als die dreiundzwanzigjährige Krankenpflegerin Antonia Lorenz zum ersten Mal in ihrem frisch erworbenen Zuhause steht, möchte sie am liebsten die ganze Welt umarmen. Dieses Haus ist einfach zu schön und noch dazu idyllisch mit seinem verwunschenen Rosengarten.
Doch schon bald überschlagen sich in Antonias Leben die Ereignisse. Die Stimmung zwischen ihr und ihrem fast zwanzig Jahre älteren Freund Laurin wird immer angespannter. Gleichzeitig lernt sie in der Sauerbruch-Klinik den äußerst attraktiven und sympathischen Assistenzarzt Dorian kennen, der ihr Schmetterlinge im Bauch beschert, wann immer sie in seine Augen blickt. Und als wäre das alles nicht schon herausfordernd genug, entpuppt sich auch noch das neu gekaufte Haus als eine sehr gewagte Investition ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 113
Cover
Neues Haus, neues Glück?
Vorschau
Impressum
Neues Haus, neues Glück?
... doch dann schlägt das Schicksal zu
Karin Graf
Als die dreiundzwanzigjährige Krankenpflegerin Antonia Lorenz zum ersten Mal in ihrem frisch erworbenen Zuhause steht, möchte sie vor Glück am liebsten die ganze Welt umarmen. Dieses Haus ist einfach zu schön und noch dazu idyllisch mit seinem verwunschenen Rosengarten.
Doch schon bald überschlagen sich in Antonias Leben die Ereignisse. Die Stimmung zwischen ihr und ihrem fast zwanzig Jahre älteren Freund Laurin wird immer angespannter. Gleichzeitig lernt sie in der Sauerbruch-Klinik den äußerst attraktiven und sympathischen Assistenzarzt Dorian kennen, der ihr Schmetterlinge im Bauch beschert, wann immer sie in seine Augen blickt. Und als wäre das alles nicht schon herausfordernd genug, entpuppt sich auch noch das neu gekaufte Haus als eine sehr gewagte Investition ...
»Haben Sie noch eine Frage?«
Johann Schmitz, der sechsundfünfzigjährige Inhaber des Immobilienunternehmens Immo-Schmitz, blickte gehetzt auf seine Armbanduhr und machte damit deutlich, dass er unter Zeitdruck stand. Er hoffte, den Kaufvertrag endlich unter Dach und Fach zu bekommen und keine weiteren nervenden Fragen mehr beantworten zu müssen.
Doch den Gefallen wollte der potentielle Käufer ihm nicht erweisen. Er nickte.
»Ja, eine habe ich noch. Dieses Haus ist ziemlich groß, es ist sichtlich neu renoviert, hat dicke, sehr solide Mauern, einen riesigen Garten und liegt in allerbester Frankfurter Lage ...«
»Jaaa?« Der Makler guckte Laurin Reinhardt, der ihm erzählt hatte, er hätte ein fünfjähriges Engagement als Opernregisseur an der Frankfurter Oper angenommen, misstrauisch an.
Unter einem Opernregisseur hatte er sich immer etwas völlig anderes vorgestellt. Der Schnösel, der sich das Haus beinahe mit der Lupe angesehen hatte, benahm sich keineswegs wie ein Künstler, sondern eher wie ein Buchhalter. Staubtrocken, kleinkariert und ziemlich herrisch.
»Warum ist es so billig? Was stimmt hier nicht? Ich meine abgesehen davon, dass das Haus ausgerechnet die Nummer dreizehn hat, was mir schon mal ganz und gar nicht gefällt. Ist hier drin vielleicht jemand ermordet worden?«
Der Makler lachte laut auf. Ein bisschen zu schrill. Ein bisschen zu gekünstelt, wie ihm selbst auffiel.
»Ermordet! Du liebes Lieschen, guter Mann, Sie haben aber eine blühende Fantasie. Na ja, als Opernregisseur brauchen Sie die vermutlich auch. Aber das hier ist keine blutrünstige Oper, in der die dicke Dame von Tod und Verderben singt und sich am Ende selbst erdolcht. Ermordet! Ich bitte Sie! Wir sind hier doch nicht im Tannschütz!«
»Wenn schon, dann entweder Tannhäuser oder Freischütz«, korrigierte der Typ ihn von oben herab.
»Wie ich sagte!« Innerlich verdammte Johann Schmitz dieses noch relativ neue Gesetz, das ihn dazu verpflichtete, alle Fragen der Kunden wahrheitsgetreu zu beantworten und mit nichts hinterm Berg zu halten.
Als er vor fast vierzig Jahren als Makler zu arbeiten begonnen hatte, da hatte man noch lügen dürfen, dass sich die Balken bogen. Man hatte ein Dach, das nur noch von Vogeldreck und Feinstaub zusammengehalten wurde, ungestraft als brandneu bezeichnen dürfen.
Man hatte sogar verschweigen dürfen, dass die gesamte siebenköpfige Familie, die das Haus zuvor bewohnt hatte, in eben diesem Haus abgeschlachtet worden war und man erst knapp vor dem ersten Besichtigungstermin damit fertig geworden war, die blutgesprenkelten Wände zu übertünchen und den weißen Teppichboden dunkelblau zu färben, damit man die riesigen Flecken nicht sehen konnte.
Aber heutzutage, heute brauchte nur eine Maus im Haus tödlich zu verunglücken. Verschwieg man diese Tatsache und der Käufer fand es heraus, konnte er völlig problemlos auch noch nach Jahren vom Kaufvertrag zurücktreten und bekam auch noch das Geld zurückerstattet, das er für Umzug, Handwerker und so weiter bezahlt hatte.
»Es hat sich praktisch gar nicht im Haus zugetragen«, leitete er jetzt sein Geständnis ein. »Zumindest nicht im Wohnbereich des Hauses. Es war ... auf dem Dachboden. Dort oben wohnt man ja praktisch nicht, nicht wahr? Dort geht man ja nur alle heiligen Zeiten einmal hinauf, um Gerümpel nach oben zu schleppen, das man aus den Augen haben, aber nicht gleich wegwerfen will.«
»Okaaay ...« Der Opernheini runzelte die Stirn. »Und worüber sprechen wir hier genau?«, hakte er affektiert nach.
»Na jaaa ...« Herr Schmitz wand sich wie ein Regenwurm. »Die alte Dame, die das Haus über sechzig Jahre lang bewohnt hat ... sie war schon fast neunzig und schon ein bisschen ...« Er drehte mit dem Zeigefinger ein paar schnelle Kringel über seiner Stirn. »Ballaballa, gaga, schrumschrum. Verstehen Sie?«
»Nein.«
»Nun, sie hatte nicht mehr alle Nadeln an der Tanne. Oder so ausgedrückt, dass auch Sie es verstehen: Sie hatte nicht mehr alle Töne in der Arie.«
Laurin Reinhardt schüttelte ungeduldig den Kopf und schob seine Freundin oder Ehefrau, die auch mal etwas sagen wollte, mit einer Hand energisch in den Hintergrund.
»Warte, Antonia, ich muss das klären. Hier stimmt etwas nicht. Was ist denn nun auf dem Dachboden passiert, Herr Schmitz? Ich verlange eine vollständige Auskunft!«
»Na ja ... man hat sie dort oben gefunden. Sie soll schwer krank gewesen sein. Hirntumor oder so was in der Art. Deshalb wird sie es getan haben.«
»Und was genau? Reden Sie doch endlich!«
»Sie hat sich an einem der Dachbalken erhängt.«
Die hübsche junge Frau, die bei diesem Opernfuzzi wohl überhaupt nichts zu sagen hatte, sog zischend die Luft ein und presste beide Hände auf ihr Herz.
»Sie hat sich ... selbst umgebracht?«
Johann Schmitz nickte. Nun, das war eigentlich noch lange nicht alles. Aber alles andere waren lediglich Gerüchte, und kein Gesetz der Welt konnte ihn dazu nötigen, Gerüchte weiterzuverbreiten.
»Gehen wir!« Laurin Reinhardt machte eine energische Kehrtwende. Doch seine Frau oder Freundin – seit Frauen bei der Eheschließung ihren Nachnamen behalten durften, war das ja nicht mehr ganz klar – hielt ihn am Oberarm zurück.
»Nein! Warte, Laurin! Ein so schönes Haus zu einem solchen Preis und noch dazu in Schwanheim, so etwas finden wir nie wieder. Und seit wann bist du denn abergläubisch? Hast du Angst, die arme alte Frau spukt hier nachts mit einem Strick um den Hals durch die Räume?«
»Das nicht, Liebling. Aber so ein Vorfall stellt eine enorme Wertminderung einer Immobilie dar. Warum glaubst du, ist es so billig zu bekommen? Weil es keiner haben will. Somit kann man es nicht mal als Wertanlage bezeichnen. Was, wenn ich in ein paar Jahren ein Engagement in einer anderen Stadt bekomme? Dann kriegen wir einen Pappenstiel dafür und können es vermutlich noch nicht mal zu einem vernünftigen Preis vermieten.«
»Ach, bitte!« Sie schaute treuherzig zu ihm auf. »Bitte, Schatz! Ich habe mich sofort in dieses Haus verliebt. Und dieser herrliche Garten! Wäre der nicht das reinste Paradies für Kinder, falls wir welche bekommen sollten? Ich möchte so gerne hier leben. Bitte!«
Die nächste Frage des geschniegelten Lackaffen gereichte Johann auch nicht gerade zur Freude.
»Wie lange hing sie denn dort oben?«
Johann Schmitz zuckte mit den Schultern.
»Eine Weile wird es schon gewesen sein. Sie hat ja alleine gelebt, war mit den Nachbarn nicht gerade befreundet, und keiner hat sie jemals besucht.«
»Also nicht bloß einen Tag oder zwei oder drei?«
»Bisschen länger.«
»Riecht man es noch?«
»Natürlich nicht! Eine professionelle Fachkraft, die sich auf blutige Tatorte spezialisiert hat, hat sich darum gekümmert. Es ist, als ob dort oben nie was gewesen wäre. Sie können dort oben praktisch vom Boden essen.«
Das stimmte beinahe. Als ihm ein entfernter Verwandter der alten Schachtel, die mehr als drei Monate dort oben gehangen hatte, das Haus übergeben hatte, hatte er Irma Kuhn, die Putzfrau von Immo-Schmitz, gebeten, dort ein bisschen sauberzumachen. Irmas Mann, bei dem sie ebenfalls putzte, war Metzger. Und so eine Metzgerei konnte man doch durchaus als blutigen Tatort bezeichnen.
Der Gestank, der dort oben geherrscht hatte, war unbeschreiblich gewesen. Und erst die Fliegen ...!
Johann musste rasch an etwas anderes denken, weil er sich sonst übergeben hätte.
Antonia Lorenz schaute aus ihren hübschen blaugrünen Augen zu Johann Schmitz auf.
»Wie hieß sie denn, die alte Dame?«
»Toni, meine Güte, was spielt das denn für eine Rolle?«, zischte der Opernfuzzi.
»Für mich spielt es eine Rolle«, erwiderte sie trotzig. »Ich möchte gerne hier wohnen, und somit möchte ich auch gerne wissen, wer hier vor mir gelebt hat. Ich glaube nämlich daran, dass ein bisschen von der Energie eines Menschen an den Dingen haften bleibt, die er geliebt hat.«
»Ihr Name war Rosmarie Rosenthal«, beantwortete Johann Schmitz die Frage der hübschen jungen Frau.
Erneut drückte sie die Hände auf ihr Herz. Ein schwärmerischer Ausdruck trat in ihr Gesicht.
»Was für ein schöner Name! Klingt ihr Name nicht wie eine Oper, Schatz? Rosmarie Rosenthal! Es tut mir so leid, dass sie am Ende so verzweifelt war. Aber ich bin ganz sicher, sie war eine faszinierende Frau.«
»Das war sie!«, seufzte Johann. Und das war sie tatsächlich gewesen, die Alte. Wobei man den Begriff faszinierend so oder so auslegen konnte.
Der Operntyp verdrehte seufzend die Augen nach oben. Doch der Makler konnte sehen, dass er langsam mürbe wurde. Die beiden schienen erst seit kurzer Zeit verheiratet oder sonst wie liiert zu sein, und er konnte ihr wohl noch keine Bitte abschlagen.
Das war die Gelegenheit. Jetzt musste Johann rasch den Hebel ansetzen, sonst bekam er die Bruchbude, die er seit mehr als zehn Jahren zu verkaufen versuchte, in diesem Leben nie mehr los.
Genauer gesagt hatte er sie schon oft verkauft, aber leider immer schnell wieder zurückbekommen. Das Haus war wie ein Bumerang. Es kam immer wieder zurück. Diesmal aber nicht. Diesmal hatte er sich abgesichert.
»Ich könnte noch mal ein bisschen mit dem Preis heruntergehen. Nicht wegen einer angeblichen Wertminderung, sondern weil Sie, liebe Frau Lorenz, das Haus lieben. Rosmarie Rosenthal hätte sich bestimmt gewünscht, dass Sie in dem Haus leben, denn sie hat es ebenfalls sehr geliebt. Das Haus und ihre tausend Rosen. Sagen wir ... glatte Hunderttausend?«
»Laurin!« Antonia begann aufgeregt hin und her zu tänzeln. »Jetzt musst du einfach zuschlagen, Schatz! Das ist doch ein Wahnsinnspreis für ein so schönes Haus! Bitte! Immerhin bezahle ich die Hälfte vom Kaufpreis. Da werde ich doch auch ein Wörtchen mitreden dürfen.«
»Fünfundneunzigtausend!«, beeilte sich der Makler, ein weiteres Angebot zu machen, als der Opernfritze zu einem Kopfschütteln ansetzte. »Neunzigtausend. Dabei bleibt es aber jetzt.«
»Laurin! Schatz! Wenn du auch jetzt wieder Nein sagst, kaufe ich es alleine. Ich will es haben! Ich muss es haben! Du kannst mich dann ja hin und wieder besuchen kommen, wenn du hier nicht wohnen willst.«
Das sollte zwar ein Scherz gewesen sein, doch der Makler konnte der hübschen jungen Frau ansehen, dass sie dem Haus bereits mit Leib und Seele verfallen war und den kleinkarierten Erbsenzähler dafür notfalls in den Wind schießen würde.
Dort gehörte er seiner Meinung nach sowieso hin. Er passte überhaupt nicht zu der sympathischen jungen Frau. Erstens war er mindestens zwanzig Jahre älter als sie und wirkte zweitens so leblos und trocken wie eine Opernrequisite, die jahrzehntelang nicht mehr abgestaubt worden war.
Sie hatte wahrlich Besseres verdient. Und offen gestanden auch Besseres als dieses verdammte Haus.
Na ja, schön, ziemlich groß und originell war es ja tatsächlich. Der Garten war riesig wie ein Park und hatte einen wunderbaren Bestand an alten Bäumen. Wenn die Rosen blühten – tatsächlich waren es bestimmt weit mehr als tausend –, dann war ganz Schwanheim in einen betörenden Duft gehüllt.
Es hätte ein Traumhaus sein können, für das er gut und gerne den zehnfachen Preis verlangen hätte können. Hätte, würde, wäre, könnte ... wenn nicht ...
Wäre das hübsche junge Ding, das sich offensichtlich Hals über Kopf in das Haus verliebt hatte, so vernünftig, sich ein bisschen in der Nachbarschaft umzuhören, wie man es prinzipiell tun sollte, ehe man ein Haus kaufte, würde sie überall das Gleiche zu hören bekommen.
Setzen Sie besser keinen Fuß mehr über die Schwelle. Dieses Haus ist verflucht. Niemand hier würde darin wohnen wollen, nicht mal dann, wenn es geschenkt wäre.
Aber zum Glück hatten die jungen Leute von heute nicht mehr besonders viel Grips oder Hausverstand unterm Dach. Hübsch oder nicht hübsch, groß oder klein, alt oder neu, teuer oder preisgünstig, das waren zumeist die einzigen Kriterien, nach denen sie ein neues Zuhause auswählten. Und genau das waren die unwichtigsten Faktoren.
Der Operntyp schien noch immer unschlüssig zu sein. Höchste Zeit, um zum finalen Schlag auszuholen.
»Tja ... Sie finden bestimmt ein Objekt, das Ihnen mehr zusagt. Im Moment stehen ja ziemlich viele Häuser zum Verkauf. Die Wirtschaftskrise, Sie wissen ja!«
Er warf abermals einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Ich muss den Besichtigungstermin jetzt leider beenden, denn ich erwarte in zehn Minuten den nächsten Interessenten. Vielen Dank für Ihr Interesse und vielleicht ...«
»Laurin! Bitte! Bitte, Laurin! Bitte!«
Na endlich! Er hatte schon auf ihren Einsatz gewartet. Hoffentlich holte auch sie jetzt zum finalen Schlag aus, denn es gab keine weiteren Interessenten. Nicht mal einen.
»Wenn du jetzt nicht Ja sagst, rede ich nie mehr wieder auch nur ein Wort mit dir, Laurin!«
Das schien ihn noch immer nicht ganz zu überzeugen. Aber ihre Tränen, die taten es schließlich doch.
»Nicht doch, Liebes! Nicht weinen. Hängst du wirklich so sehr an diesem Haus? Ja? Also dann in Gottes Namen, dann kaufen wir es halt!«
»Sind Sie sicher?«, fragte Johann Schmitz scheinheilig, während alles in seinem Inneren »Bingo!« schrie. Offen gestanden hatte er nicht damit gerechnet, die verfluchte Hütte Zeit seines Lebens noch mal loszuwerden.
»Eine gute Entscheidung, Herr Reinhardt«, behauptete er. »Sie werden es nicht bereuen.«
Und versuchen Sie bloß nicht, es mir wieder anzudrehen, wenn Sie es in ein paar Wochen wieder verkaufen wollen, fügte er in Gedanken hinzu und freute sich über die gute Idee seines Rechtsanwalts, die Hütte zum Sonderangebot zu erklären und mit dem Schnäppchenpreis von neunzigtausend Euro das Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag außer Kraft zu setzen. Kein einziger Makler der ganzen Stadt wird euch die bescheuerte Hütte abnehmen.