Der Omega des Minotaurus - Jay Boss - E-Book

Der Omega des Minotaurus E-Book

Jay Boss

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Beschreibung

»Was tust du hier?«, brüllte er dem Omega ins Gesicht. Dessen Schönheit war noch unerträglicher, wenn der Stier daran dachte, was er verloren hatte. Alles. »Woher kommst du?« Seine Schönheit ist sein Verhängnis. Verfolgt von grausamen Alphas hat Hayden keine andere Wahl, als zu fliehen. Selbst, wenn er sich hinter den Mauern einer verfluchten Burg verstecken muss – in der eine gehörnte Bestie haust. Doch ist diese Bestie wirklich so böse, wie sie scheint? Und warum schlägt Haydens Herz schneller, wann immer der Minotaurus in der Nähe ist? Einst war Callan der Alpha eines mächtigen Rudels. Nun ist er ein Monster, dazu verdammt, hinter Dornenhecken in Einsamkeit zu ertrinken – bis Hayden in seine Burg stolpert. Hayden, der so schön ist, dass es wehtut, ihn anzusehen. Callan muss ihn vertreiben, bevor der süße Duft des Omegas ihn die Kontrolle verlieren lässt. Aber Hayden weigert sich zu gehen und Callan muss sich eingestehen, dass er nur eins will: Hayden besitzen. Doch ein verfluchtes Biest wie er ruft nur Grauen in jemandem wie Hayden hervor, richtig? Oder ist der Omega nicht so unschuldig, wie er vorgibt? Ein märchenhafter MM-Omegaverse-Liebesroman mit Wandlern, explizitem Inhalt und Hinweisen auf Mpreg. Länge: ca. 60.000 Wörter/405 Taschenbuchseiten.

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Verfolgt
Gejagt
Zwischen Dornen
Hörner aus Stein
Minotaurus
Callan MacArtair
Allein
Ein neuer Anfang
Der Beobachter
In der Burg des Stiers
Nichts
Der Einbruch
Ein schöner Traum
Hinterhalt
Rasten
Ein Gespräch mit dem Stier
Gute Nacht
Ein Gast der Burg
Geheimnisse
Sommerhitze
Bestie
Im Kerker
Der einsame Stier
Ein Traum
Offen
Gefährten
Brian
Die Welt brennt
Kurze Belagerung
Der letzte Kampf des Callan MacArtair
Aus der Finsternis
Feier
Danksagung
Leseprobe »Der Omega im Turm«

 

 

Der Omega des Minotaurus

 

Von Jay Boss

 

 

 

Impressum

 

Der Omega des Minotaurus

Text Copyright © 2021 Jay Boss

c/o

Regina Mars

c/o Block Services

Stuttgarter Str. 106

70736 Fellbach

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Umschlagfotos:

VladisChern / shutterstock.com

S-F / shutterstock.com

Olga_i / shutterstock.com

sashkansk / shutterstock.com

 

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

 

 

 

 

 

Verfolgt

Hayden wischte sich den Schweiß von der Stirn und richtete sich auf.

Ein Rauschen ging durch das Weizenfeld, dessen goldgelbe Ähren so glänzten, dass sie ihn blendeten. Sonnenstrahlen brannten auf Haydens nackten Oberkörper nieder und ließen den Schweiß zwischen seinen Schulterblättern hinabsickern. Unter seinen Füßen spürte er die frischen Stoppeln. Es lagen noch viele Reihen vor ihnen.

»Damit sind wir die ganze Woche beschäftigt«, brummte Carson neben ihm und seufzte. »Alter, ich kann nicht mehr.« Wie zum Beweis stemmte der andere Omega die Hände in die Hüften und schob das Becken vor. »Mein Rücken fühlt sich an, als würde er gleich durchbrechen.«

Hayden lachte leise. Er musterte Carson, der so gebräunt wie er war. Er hatte ebenfalls das Hemd ausgezogen und trug nichts als seinen Kilt mit dem Muster der MacCrains. Carson hatte ein ehrliches Gesicht mit einer platten Nase und unzähligen Sommersprossen. Hayden wünschte, er würde so aussehen wie sein Freund. Sein eigenes Aussehen brachte ihm nur Ärger ein. Er sah zu Boden, während Carson erneut gequält stöhnte.

»Mir tut alles weh«, jammerte der Omega und sah anklagend auf die Alphas, die vor ihnen her gingen und die Sense schwangen. Die Aufgabe der Omegas war es, die Garben zu schnüren.

»Liegt es wirklich nur an der harten Arbeit, dass du so erschöpft bist?«, fragte Hayden.

Oh nein, warum hatte er das gesagt? Seine Brust zog sich zusammen und trotz der Hitze breitete sich Eis in seinem Bauch aus.

Dummer Kerl, dachte er. Werde nicht frech, sonst werfen sie dich raus.

Aber Carson lachte und Hayden atmete auf.

»Meinst du, dass Manus schuld ist?« Carson grinste breit. »Willst du etwa andeuten, dass mein Liebster mich die ganze Nacht wachgehalten hat?« Er beugte sich näher zu Hayden und flüsterte: »Ich kann kaum laufen. Bei jedem Schritt spüre ich mein armes Loch. Ich muss da hinten aussehen, als hätte man mir eine Fackel an den Arsch gehalten.«

Haydens Wangen brannten noch mehr, als sie es ohnehin schon taten.

»I-ist das so?« Er blickte auf seine Füße und auf das ordentlich geschnürte Garbenbündel.

»Ja.« Carson klang sehr zufrieden. »Kann allerdings sein, dass ich ihn darum gebeten habe, mich weiter zu stoßen, als ich schon längst nicht mehr konnte. Mist.« Er betrachtete die Vorderseite seines Kilts, an der sich nun eine kleine Beule zeigte. »Ah, verdammt. Ist egal, wie wund ich bin. Wenn er mich gleich in den Wald zerren wollte, wäre ich sofort wieder bereit.«

Haydens Kehle wurde eng. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte.

Er mochte Carson. Er mochte Carsons ganze Familie, auf deren Feld er aushalf, herrlich weit von der Burg entfernt. Umgeben von kühlem Wald und sanft geschwungenen Wegen. Er mochte Carsons kleine Geschwister, die um sie herumwuselten. Er mochte Carsons große Brüder. Obwohl sie Alphas waren, hatten sie nie versucht, ihm etwas zu tun. Er mochte Carsons Eltern und sogar dessen Verlobten, einen polternden, bärtigen Alpha, der nicht mal die Finger von seinem Freund lassen konnte, wenn er am Tisch seiner Eltern saß. Alle schauten höflich weg, wenn die Hände der beiden unter der Tischplatte verschwanden.

Es war wenig Platz in der kleinen Hütte, da bekam man mehr mit, als anständig war. Außerdem stand die Hitze kurz bevor, daher hatten alle Verständnis für die Unersättlichkeit von Carson und Manus.

Hayden versuchte zu schlucken, aber der Kloß in seinem Hals war riesig. Er ballte die Fäuste. Senkte den Kopf, noch mehr, als er es ohnehin schon tat. Warmer Wind strich um seine nackten Unterschenkel.

»Carson?«, fragte er, so leise, dass er erst befürchtete, sein Freund könnte ihn nicht hören. Sein Freund. Dass Carson sein Freund war, gab ihm mehr Kraft, als er je geglaubt hatte zu besitzen.

»Ja?« Carson kicherte. »Was ist? Du schaust, als hättest du ins Bett gemacht.«

Hayden hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. Wenn man so etwas sagte, musste man es von Angesicht zu Angesicht tun.

»Carson, meinst du … meinst du, ich kann noch etwas länger bleiben? Auch nach der Ernte?«

Schon als die Worte heraus waren, wusste er, wie unverschämt sie waren. Die Familie hatte mehr als genug Mäuler zu stopfen. Er war nur hier, weil er gerade nützlich war. Die MacCrains waren ein großes Rudel und Carsons Familie stand weit unten in der Rangfolge. Nicht so weit wie Hayden selbst natürlich, aber weit genug. Sie hatten nicht genug, um ein weiteres hungriges Maul aufzunehmen.

»Entschuldige.« Die Worte purzelten aus seinem Mund wie faule Beeren. »Bitte entschuldige. Ich wollte nicht unverschämt sein.«

»He.« Eine warme Hand legte sich auf Haydens Schulter. Carsons Stimme war weich und lieb. »He, keine Angst. Um ehrlich zu sein, habe ich schon mit Papa geredet. Wenn mit der Ernte alles gut läuft, haben wir bestimmt Platz für einen mehr. Du könntest den Winter bei uns bleiben, wenn du magst. Das wäre doch lustig, oder?«

Das wäre nicht lustig. Das wäre das Schönste, was Hayden sich vorstellen könnte. Atmen wurde unmöglich. Seine Sicht verschwamm. Er wollte etwas sagen, aber es drang nur ein Schluchzen heraus.

»He.« Carson zog ihn in die Arme. »He, schon gut. Alter, was haben sie dir in der Burg angetan, dass du dich so freust, bei uns zu bleiben? In unserer verdreckten Hütte und dem ranzigen Feld. Ist doch klar, dass du bleiben kannst. Die Kleinen lieben dich und ich hab mir immer einen Omega-Bruder gewünscht. Ist doch alles gut. Wirklich.«

Vorsichtig erwiderte Hayden die Umarmung. Er wollte Carsons Bruder sein. Er wollte der beste Bruder sein, den je ein Omega gehabt hatte. Das Schluchzen verstummte und machte einem Lächeln Platz.

»Danke«, sagte er. Sie lösten sich voneinander. »Danke, Carson.«

»Kein Problem.« Carson strahlte. »Mann, irgendwann musst du mir erzählen, warum du so bist. Was haben sie in der Burg mit dir gemacht?«

»Nichts«, behauptete Hayden.

»Wirklich?«

»Noch nicht.« Er schluckte. »Sie wollten es. Aber ich … Ich bin rechtzeitig zu euch gekommen.«

Er hatte darum gefleht, bei der Ernte helfen zu dürfen, irgendwo. Das Glück hatte bestimmt, dass er zu Carsons Familie kam. Weit weg von Burg MacCrain. Weit weg vom Rudel-Chief und seinen Söhnen.

Er hörte ihre Stimmen noch in seinem Ohr, wenn er nicht aufpasste. Zitternd hatte er nachts auf seinem Strohsack im Omega-Turm gelegen und ihre Beleidigungen draußen gehört.

Wenn die Tür morgen aufgeht, packen wir dich, Hayden, hatte Frangan gebrüllt. Und dann ficken wir dich blutig.

Wird Zeit, dass du angestochen wirst, hatte Brian geschrien. Auf Burg MacCrain gibt es keine unschuldigen Omegas. Hier kriegt jeder meine Rute zu spüren.

Hayden hatte nicht schlafen können, auch, nachdem sie gegangen waren.

Mit den anderen Omegas hätten sie das nicht gemacht, da war er sicher. Die anderen Omegas hatten Familien. Nur er nicht. Sein Vater war gestorben und hatte ihm weder Geschwister noch enge Verwandte hinterlassen. Er war allein, schon immer. Seit er denken konnte, lebte er mal hier, mal da, half aus und arbeitete härter als alle anderen Omegas. Um zu beweisen, dass er genauso ein MacCrain war wie alle anderen.

Manchmal tat es weh, mit Carsons Familie am Tisch zu sitzen. Zu sehen, wie sie lärmten und lachten. Zu denken, dass er nie ein Teil von ihnen sein würde.

Aber vielleicht …

Hastig bückte er sich und nahm seine Arbeit wieder auf. Nicht faulenzen. Er musste sich als würdig erweisen. Wenn er wirklich hier bleiben könnte …

Vielleicht für immer, dachte er. Vielleicht muss ich Frangan und Brian nie wieder begegnen.

Schweiß rann über sein Gesicht. Die Sonne hatte ihren Zenit hinter sich gelassen und die Schatten wurden länger, aber es blieb unerträglich heiß. Der Bund seines Kilts war schweißnass. Wenn er aufstand, rann das Wasser aus seinen Kniekehlen über die Unterschenkel.

Einer von Carsons Alpha-Brüdern kam mit einem Krug Wasser und wurde freudig begrüßt. Sie versammelten sich um ihn und reichten ihm ihre Becher. Hayden hielt sich zurück, aber Carsons Bruder schubste zwei andere Alphas zur Seite und goss Haydens Becher voll.

»Nicht so gierig«, sagte er zu seinen Brüdern. »Der hübsche Hayden ist unser Gast, ja? Benehmt euch mal.«

Hayden zuckte zusammen. Aber er sah keinen Jagdtrieb in den Augen des Alphas. Nur freundlichen Spott.

»Du bedienst also nach Aussehen, ja?« Carson lachte. »Dann bist du als Letzter dran.«

Alle wieherten. Carsons Bruder zog ihn am Zopf und er protestierte.

»He, lass das! Und hört auf, Hayden anzuschmachten. Ja, er ist wunderhübsch. Aber er ist mein Freund, und wer um ihn werben will, muss erst mal an mir vorbei!«

Hayden kicherte unwillkürlich. Und merkte, dass alle ihn ansahen. Lachte er so wenig? Mut schwoll in seiner Brust und er sah Carson an.

»Edler Held«, sagte er und verbeugte sich. »Ich danke dir.«

Lautes Gejohle. Carson haute ihm auf die Schulter. »Genau das bin ich. Wenn einer von diesen Klötzen denkt, dass du ihre ungewaschenen Pranken willst, gibt’s Ärger.« Er sah in die Runde und spannte seine eher kümmerlichen Muskeln an. »Ist das klar?«

»Huch, jetzt hab ich Angst.« Sein Alpha-Bruder stupste ihn mit dem Finger an und Carson taumelte rückwärts. Der Alpha wandte sich zu Hayden um. »Keine Angst, Veilchenauge. Wir werben nur um Omegas, die uns ausdrücklich darum bitten. Egal, wie hübsch ihre Gesichter sind.«

Hayden musste den Blick abwenden. »Danke«, sagte er leise. »Ich danke euch wirklich.«

Die anderen wirkten etwas ratlos. Carson räusperte sich. »He, Toby. Warum kommst du eigentlich jetzt erst? Wir sind halb verdurstet.«

Der Alpha schnaubte. »Faul war ich nicht, falls du das andeuten willst. Ich hab gemerkt, dass eine der Kühe brünstig ist. Da musste ich schnell sein. Ich hab mir Ailbearts Stier ausgeliehen und ihn auf die Weide gelassen.« Sein Grinsen war äußerst dreckig. »Wahrscheinlich sind sie jetzt schon zugange.«

Ein heißer Blitz fuhr in Haydens Bauch, direkt gefolgt von Scham.

Nein.

Nein, das durfte er nicht. Er durfte es nicht einmal denken.

Seine Hände zitterten und er versuchte, sein Gesicht unter Kontrolle zu bringen.

Nie. Sie durften nie erfahren, was er war. All diese breiten, warmen Gesichter würden sich in Fratzen des Ekels verwandeln, wenn sie erfuhren, wie Hayden wirklich war.

Das Feuer tobte noch durch seine Brust. Die fiebrige Aufregung, die Lust, die windenden Schlangen in seinem Inneren glich.

Er wandte sich ab. Trank seinen Becher in einem Zug leer und flehte sein Herz an, sich zu beruhigen.

Er war verdorben, durch und durch.

Sie verglichen ihn mit einem Reh. Anscheinend wirkte er wie ein sanftes Wesen, mit großen, violett schimmernden Augen und weichen Haaren von der Farbe frischer Kastanien. Haydens Lippen waren voll und sein Körper schlank, aber sein Äußeres glich seinem Inneren nicht im Geringsten. Seit seiner ersten Hitze tobte ein Scheusal in ihm. Widerlicher als eine Schlangengrube.

Das kühle Wasser half, und als Carson neben ihn trat, hatte er sich schon fast beruhigt.

»Sie haben dir keine Angst gemacht, oder?« Carson hob eine Augenbraue. »Sie labern gern, aber sie sind harmlos. Niemand hier würde dir etwas tun, Hayden.«

»Ich weiß«, sagte er und langsam glaubte er es wirklich. Er spürte den Blick seines Freundes auf sich.

»Was ist im Schloss passiert?«, fragte Carson und Hayden verkrampfte. Aber Carson war sein Freund. Ihm konnte er davon erzählen, oder? Hayden holte Luft. Ballte die Fäuste

»Die Söhne des Rudel-Chiefs«, murmelte er. »Ich … Sie wollten mich …« Er schluckte. Schmeckte Stroh und Staub in der Luft. »Ich musste weg. Sie wollten mich besteigen und ich … ich wollte nicht. Niemand hätte mir geholfen. Ich bin nur ein Waisenjunge und sie sind die Söhne des Rudel-Chiefs.«

»Oh.« Carson klang schockiert. »Oh nein. Ich … Ich weiß nicht, ob wir sie aufhalten können, wenn sie … Wir sind zu niedrig in der Rangordnung. Falls sie dich holen, können wir nicht viel machen.«

»He.« Hayden lächelte schwach. »Hast du nicht eben noch behauptet, du beschützt mich?« Er hob die Hände. »Nein, ist schon gut. Ich weiß, dass ihr nichts tun könnt. Sie werden mich vergessen. Wahrscheinlich denken sie nicht mehr an mich, seit ich aus ihren Augen verschwunden bin.«

»Sicher?« Carson schaute, als müsste er ihm schlechte Nachrichten überbringen. »Weißt du, das mit den Veilchenaugen und so, das ist kein Scherz. Ich hab noch nie einen Omega wie dich gesehen. Ehrlich, am Anfang hatte ich Schiss, dass du mir Manus wegschnappst.« Er lachte verschämt. »Da wusste ich noch nicht, dass du mehr oder weniger ein Mönch bist.«

»Bin ich nicht.« War er nicht. Ganz und gar nicht.

»Na, wenn du das sagst.« Carson deutete auf seine Alpha-Brüder, die ihre Arbeit wiederaufgenommen hatten. »Falls du deine Unschuld doch verlieren willst, kannst du dir einen von den Trotteln da aussuchen, schätze ich. Vom Gesicht machen die nicht viel her, aber sie sind stark und treu wie Ackergäule. Die würden sich nicht einkriegen vor Glück, wenn du sie unter deine Decke lassen würdest.«

Die Schlangenleiber in Hayden wanden sich. Dunkel und widerlich. »Ich überlege es mir.«

Sein Mund war trocken. Er betrachtete die schweißüberströmten, sonnenverbrannten Körper der Alphas. Sah die nassen Muskeln, die sich unter ihren Rücken wölbten. Es war ein erregender Anblick, wenn er sich wirklich konzentrierte.

Warum kann ich nicht normal sein?, dachte er. Es wäre so leicht.

Er könnte sich mit einem von Carsons Brüdern verbinden, die Nächte mit ihm teilen, Welpen bekommen und … lügen. Es wäre eine Lüge und Hayden war ein furchtbarer Lügner.

Was er wirklich wollte, war ganz und gar unmöglich. Ganz und gar falsch.

Und doch kribbelte sein ganzer Unterleib, wenn er nur daran dachte.

»He, da kommt jemand!«, rief einer der Alphas und stieg auf einen umgefallenen Baumstamm am Feldrand. Er runzelte die Stirn. »Sieht aus wie der Rudel-Chief! Und seine Söhne.«

Panik flutete Haydens Bauch. Er wurde von so großer Angst ergriffen, dass er sich beinahe erleichtert hätte, hier, vor allen. Die Hitze war verschwunden und die Sommerluft stank nach Tod.

»Nein«, flüsterte er.

Carson packte seine Schultern. »He. Bestimmt sind sie nur hier, um nach dem Rechten zu schauen. Bestimmt.«

»Ja.« Übelkeit wallte in Hayden auf. »Ja, ich … Ich muss kurz in die Büsche.«

Carson nickte. »Ja, schätze, das ist eine gute Idee. Falls sie nach dir fragen, sage ich, dass du dir den Magen verdorben hast oder so.«

»Ja. Danke.«

Hayden hetzte durch die goldgelben Reihen. Mit jedem Moment fürchtete er, Frangans Stimme zu hören, Brians Atem im Nacken zu spüren. Stoppeln stachen in seine nackten Sohlen. Als er den rettenden Waldrand erreichte, hielt er sich nicht damit auf, einen geeigneten Eingang zu finden. Er brach durch einen Holunderbusch und zerkratzte sich die Beine. Kaum war er hindurch, hockte er sich nieder und spähte durch die Blätter.

Gerade noch rechtzeitig. Der Rudel-Chief und seine Söhne erschienen, weit entfernt auf der anderen Seite des Feldes, und wurden lautstark begrüßt. Er sah Frangan und Brian, ihre mächtigen Körper. Die kalten Augen, die Efeublätter an ihren Kilts, die sie als Söhne des Chiefs auswiesen. Frangan sah sich um und Hayden erschauerte. Zweige berührten sein Gesicht, Erde kühlte seine Füße.

Sie können mich nicht sehen, dachte er. Ich bin sicher. Und ich bin weit genug entfernt, dass sie mich nicht riechen können. Hoffe ich.

Bebend schlich er weiter in den Wald hinein. Stolperte, fiel, rappelte sich wieder auf. Es war kalt im Schatten und er trug immer noch nichts als seinen Kilt. Es roch nach feuchter, reifer Erde und seiner eigenen Angst.

Er zwängte sich zwischen zwei Birken hindurch und war endlich weit genug weg, dass er keine Stimmen mehr hörte.

Was nun? Er schlug sich weiter durch das Gebüsch, aber er blieb mit dem Kilt daran hängen, also zog er ihn aus und drapierte ihn ordentlich auf einem Ginster. Dann verwandelte er sich. Als Wolf war es leichter, durch das Gebüsch zu laufen. Er zwängte sich unter einer gestürzten Eiche hindurch und trank von einem schmalen Bach.

Wohin?

Er durfte nicht zu weit nach rechts laufen. In dieser Richtung war das Gebiet der MacArtair, und das war verflucht.

Carson und er waren einmal zu nah an den Dornenwald herangekommen und Hayden bekam jetzt noch eine Gänsehaut, wenn er daran dachte.

Etwas hatte nach ihm gerufen.

Leise wie ein Flüstern war es aus der Richtung des Dornenwalds gekommen.

Unverständliche Worte hatte es gewispert und Hayden hatte das Gift in den Worten gespürt. Das Sirren einer Wespe auf verfaultem Fleisch.

Niemand wusste, was mit den MacArtairs geschehen war, und niemand konnte es herausfinden. Alle, die versuchten, in die Dornen einzudringen, starben.

Nein, rechts war die ganz falsche Richtung. Lieber lief er geradeaus. Versteckte sich, bis die Söhne des Chiefs weg waren. Nach all dem Wasser meldete seine Blase sich, aber er traute sich nicht, sich zu erleichtern. Sie würden seinen Harn riechen können, wenn sie ihn verfolgten. Falls sie ihn verfolgten. Es gab Wölfe, die jemanden aus mehreren Meilen Abstand erschnuppern konnten.

Er verkrampfte innerlich, als er daran dachte, wie Frangan sich umgesehen hatte. Hatte er Hayden noch gerochen? Hoffentlich nicht.

Erst, als er den Stier brüllen hörte, merkte er, wohin er gelaufen war. Heiße Scham schlug über ihm zusammen. Er war zur Weide gerannt!

Natürlich. Die Schlangen regten sich wieder. Zischten und flüsterten. Hayden schloss die Augen.

Er durfte es nicht tun. Wenn er schon dieses Gift in sich trug, durfte er es auf keinen Fall an die Oberfläche treten lassen.

Noch konnte er die Weide nicht sehen. Sie lag hinter einem mit Birken und Brombeersträuchern bewachsenen Hügel, der sich vor ihm erhob wie ein Schutzwall.

Ich darf nicht weiter gehen, dachte Hayden und verwandelte sich in seine menschliche Form. Wind kitzelte seine nackte Haut. Der Druck auf seine Blase wurde stärker, vermutlich durch die Anspannung. Nervös trat er von einem Fuß auf den nächsten.

Ich darf nicht. Ich werde hier unten pinkeln und dann werde ich mich umdrehen und zurückgehen. Sehr langsam, damit Frangan und Brian schon lange weg sind, wenn ich wieder da bin.

Fast hätte er es geschafft. Seine Fingerspitzen berührten schon die Wurzel seiner Rute, als er es hörte: lautes Brüllen. Den Schrei eines brünstigen Stiers. Das Geräusch fuhr ihm direkt zwischen die Beine und ließ sein Fleisch schwellen. Er unterdrückte ein Schluchzen.

Es war falsch. Seit seiner ersten Hitze wusste er, dass er eine Bestie war. Er hatte nicht an Alphas gedacht. Als er sich auf seinem Lager im Omegaturm gewunden hatte, zu erregt, um zu sprechen, nass, feucht und fiebrig, da hatte er nicht an Alphas gedacht. Er hatte auch nicht an andere Omegas gedacht, was zwar nicht problemlos gewesen wäre aber doch … normaler. Sehr viel normaler als das, was ihn jede Nacht in seinen Träumen heimgesucht hatte.

Stiere.

Gehörnte Viecher, mächtig wie Gebirge, die ihn Nacht um Nacht bestiegen hatten. Deren gigantische Körper ihn niedergezwungen, deren harte Kolben ihn gestoßen hatten, einer nach dem anderen, eine endlose Reihe an gehörnten Leibern, an schnaubenden Nüstern und rauen Zungen, die sich über Haydens Nacken geschlängelt hatten.

Er war eine Bestie. Wer träumte so etwas? Niemand. Niemand, der normal war. Niemand der … etwas wert war.

Hayden hasste sich dafür. Hasste sich für all die Nächte, nach denen er befleckt und erregt aufwachte und nach denen er sich unendlich schämte. Er hasste sich für jeden der Momente, in denen er an der Weide vorbeigegangen war, den heißen Kopf abgewandt. Momente, in denen jedes tiefe Schnauben eines der Tiere seine Rute schwellen ließ und seinen Kilt anhob.

Er hasste sich. Er durfte nicht so sein. Scham schlug über ihm zusammen, wenn er daran dachte, dass Carsons Familie ihn aufnehmen wollte. Was würden sie denken, wenn sie das wüssten? Sie, die ihn für einen unschuldigen Omega hielten, der zu tugendhaft war, das Lager mit einem Liebhaber zu teilen.

Er war nicht tugendhaft. Er war das genaue Gegenteil. Zu verderbt für die normale Begattung eines normalen Alphas.

Hayden stöhnte leise. Seine Rute war zu ihrer vollen Größe angeschwollen und lag dick und rot in seinen Händen. Sie war groß für einen Omega, was laut Carson sein einziger winziger Makel war.

Hayden war es immer egal gewesen. Er hätte sich gefreut, wenn der Umfang seiner Rute Frangan und Brian davon abgehalten hätte, ihn zu verfolgen. Hatte es aber nicht. Obwohl sie einmal so weit gegangen waren, seinen Kilt zu heben und alles zu kommentieren, was sie darunter fanden. Er war nur entkommen, weil er durch die volle Küche geflüchtet war.

Unschlüssig sah er auf seine Hände hinab. Auf den Pfahl, der zwischen ihnen lag.

Der Stier brüllte erneut und seine Selbstbeherrschung zersplitterte. Langsam löste er die Hände von seinem geschwollenen Fleisch und stieg den Hügel hinauf.

Falsch, dachte er bei jedem Schritt. Verderbt.

Doch sein Herz hämmerte und sein Unterleib pochte. Das Drängen war unerträglich. Obwohl seine Blase übervoll war, würde kein Tropfen Urin durch seinen Pfahl passen, bevor er sich nicht befriedigt hatte.

Die Weide kam in Sicht. Hayden packte einen Birkenstamm und lehnte die Wange gegen die rissig-glatte Rinde. Feucht glitt seine Zunge über die Unterlippe. Feucht sammelte sich die Nässe zwischen seinen Hinterbacken. Machte sich bereit für ein Eindringen, das nicht kommen würde. Kein Stier würde ihn je stoßen, wie er es sich wünschte. Er war keine Kuh. Er war verdammt dazu, für immer unschuldig und unbefriedigt zu bleiben.

Nur ein schneller Blick, dachte er. Nur ein …

Er sah sie. Den Stier, dessen Rückenmuskeln in der Nachmittagssonne glänzten. Die pure Kraft, die sich unter dem schwarzen Fell bewegte. Das Vieh bestieg die Kuh, bockte, umklammerte sie und beherrschte sie. Hayden konnte alles sehen, obwohl er so weit entfernt stand, verborgen hinter den Birkenstämmen. Selbst die Stelle, an der der Bulle in ihr Fleisch drang. Die nasse, geschwollene Stelle, die …

Er stöhnte. Er konnte nicht mehr. Nackt und hart sank er in die Knie, spürte die weiche Erde und packte seine Rute. Brutal, wie er es verdiente. Da unten bewegten die Hörner des Stiers sich vor und zurück. Auch das Becken, dessen ruckartige Bewegungen Schauer durch seinen Unterleib jagten.

Er rieb sich. Erbarmungslos und hasserfüllt. Glut jagte durch seine Lenden und er hätte weinen können.

Schmutzig, dachte er. Verderbt, verderbt, ver…

Feuer peitschte durch seinen Unterleib. Er krallte eine Hand in die Rinde der Birke, bog den Rücken durch und wimmerte. Erleichterung schüttelte ihn, als seine Milch die Erde tränkte. Er schluchzte. Noch bevor es vorbei war, benetzten Tränen seine Wangen.

Warum bin ich so?, fragte er sich und wandte den Blick ab. Warum muss ich so sein?

Er setzte sich, mit weit gespreizten Beinen. Seine nassen Backen berührten Erdboden und Blätter, die seine Haut kitzelten. Wütend wischte er sich über die Augen.

»Falsch und verderbt«, flüsterte er. Er hasste sich. So sehr.

»Das kannst du wohl laut sagen«, sagte eine Stimme, die er zu gut kannte. Ein Bariton, unter dessen Brummen das Schnappen starker Kiefer lag.

Frangan.

 

Gejagt

Hayden schreckte hoch. Er rappelte sich auf und wäre rückwärts getaumelt, wenn der Baumstamm seine Flucht nicht behindert hätte.

Frangan und Brian schälten sich aus den Schatten. Auch sie waren nackt und ihre Körper wirkten unendlich mächtiger als Haydens schmaler Omegaleib. Reptilienartiges Grinsen verzerrte ihre Lippen.

Die anderen Omegas hatten behauptet, dass die beiden gut aussähen. Dass sie äußerst ansehnliche Alphas waren, was mit dazu beigetragen hatte, dass niemand Hayden geholfen hatte. Ein Waisenjunge wie er sollte sich glücklich schätzen, die Aufmerksamkeit solcher Alphas zu erringen. Die noch dazu die Söhne des Rudel-Chiefs waren.

Aber Hayden roch etwas Fauliges unter ihrem würzigen Duft, sah etwas Giftiges in ihrem strahlenden Lächeln.

»Was hat dich so erregt, Omega?«, fragte Brian. Er war etwas kleiner als sein Alpha-Bruder, aber sein Lächeln war noch falscher. »Was hast du da oben gesehen?«

Hayden konnte nicht reden. Er fürchtete, die Kontrolle über seine zum Bersten volle Blase zu verlieren, wenn er sprach. Seine Hände gruben sich in die Baumrinde hinter ihm. Kühl und gut. Sie würde ihn nicht retten können.

»War es der Stier?« Frangan trat neben ihn, viel zu dicht. Er tat so, als würde er Hayden nicht bemerken. Mit der Pranke schirmte er seine Augen vor dem Sonnenlicht ab. »Das hat dich so spitz gemacht, dass du die Schlange würgen musstest? Junge, ich habe es dir die ganze Zeit gesagt: Du musst gestoßen werden. Jetzt gleich.« Er schüttelte den Kopf. »Wir tun dir einen Gefallen.«

»Was macht ihr hier?«, stotterte Hayden und versuchte, seitwärts zu schleichen. Sein ganzer Körper bebte. Angst biss in seinen Magen. »Seid ihr mir gefolgt?«

»Ja.«

Hayden schrie auf, als Brian direkt neben ihm auftauchte. Nun saß er in der Falle, eingezwängt zwischen ihren gigantischen Leibern. Er roch sie. Etwas Metallisches lag unter ihrem Schweiß, der Duft eines frisch geschliffenen Schwertes. Dabei trugen sie keine Schwerter. Sie waren so nackt wie er. Sie mussten ihm als Wölfe gefolgt sein.

Denk, dachte er. Du kannst sie nicht besiegen, und du hast keine Waffen. Wenn du noch in dem Gebüsch wärst, könntest du sie vielleicht abhängen. Dein einziger Vorteil ist, dass du kleiner und schmaler bist.

Das hatte ihm schon oft geholfen. Als er sie in der vollbesetzten Küche abgehängt hatte. Als er sich durch eine Schießscharte hatte zwängen können. Beim Aufprall im Hof hatte er sich den Knöchel verstaucht, aber er hatte es humpelnd zurück in den Omegaturm geschafft.

»Du bist eine Nervensäge, Kleiner.« Frangans Hand strich über Haydens Bauch. Er erstarrte. Ließ die Berührung zu und flehte seinen Kopf an, mit einem Fluchtplan aufzuwarten. Schnell. »Wie oft bist du uns entwischt? Meinst du, es macht uns Spaß, dir hinterherzurennen? Meinst du, wir haben nichts Besseres zu tun als dich zu jagen?«

Brian packte seine Schulter. Sein Atem strich über Haydens Ohr. Die Zunge glitt über Haydens Halsschlagader. Sein Speichel roch beißend, als hätte er sich an verwestem Fleisch gelabt.

»Kleiner«, zischte er in Haydens Ohr. »Du schmeckst süß wie Honignessel. Ich bin froh, dass wir so lange gewartet haben. Das macht es umso schöner, dass wir dich jetzt haben.«

Hayden hörte sein Lächeln. Brian strahlte immer. Er hatte gerade, weiße Zähne und erzählte stets Witze. Die anderen Alphas liebten ihn.

Frangan war ernster und gefährlicher. Der beste Kämpfer des MacCrain-Rudels.

Nein, er hatte keine Chance gegen sie.

Von der Weide kam Gebrüll und die beiden Alphas lachten.

»Sieht aus, als wäre der Bulle fertig«, sagte Brian. »Keine Angst, Kleiner. Wir ficken dich länger. Dein Loch wird bluten und suppen, wenn wir mit dir durch sind.«

Der Stier, dachte Hayden. Er griff jeden an, der die Weide betrat. Vielleicht konnte er … Aber er saß in der Falle.

»Ich bin noch unschuldig«, krächzte er. »Bitte. Ich will nicht.«

»Das entscheiden wir.« Frangan packte seinen Hals und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen. »Ich mag’s, wenn sie sich vor Angst fast einpissen. Du auch, Brian?«

»Ich mag’s lieber, wenn sie vor Schmerzen schreien.« Brians Lachen war strahlend und kalt wie Eis.

»Uh.« Hayden trat von einem Bein auf das andere, obwohl er sich kaum bewegen konnte. Hinter ihm war der Baum und neben ihm die beiden Alphas. »Ich, also, ich muss mal. Ganz dringend. Kann ich wenigstens noch vorher …«

Brian verzog das Gesicht. »Ja, mach. Hab keine Lust, vollgestrullt zu werden, wenn ich in dir stecke.«

»Ich hab nichts dagegen.« Frangan massierte seine Rute, die bereits geschwollen und hart war. »Zur Seite, Bruder. Ich fange an.«

Die gezackte Rinde bohrte sich in Haydens Wirbelsäule. Er konnte nicht weiter zurückweichen.

Tu was, flehte er sich selbst an. Denk!

»Also. Mir wäre es lieber, wenn Brian beginnt.« Er schluckte und hoffte und betete. »Ich, also, wenn ich ehrlich bin, bin ich immer nur vor euch weggelaufen, weil ich Angst vor Frangan hatte.« Er biss sich auf die Lippen und sah Brian verschämt an. »Ich mag dich«, murmelte er. »Sehr.«

Brians Augen leuchteten auf. Und Hayden wusste, dass er den richtigen Knoten gelöst hatte. Brian war beliebt, Brian war mächtig und alle respektierten ihn.

Aber er war nicht Frangan.

Der war der Nachfolger des Rudel-Chiefs, fast einen halben Kopf größer und der beste Krieger der MacCrains.

»Tut mir leid«, sagte Hayden zu Frangan und versuchte, noch verlegener zu wirken. »Du … du machst mir Angst. Brian ist so lustig und … und schön.« Er schluckte. Und sah, dass er wieder ins Schwarze traf.

Frangan war der größte Krieger des Rudels. Aber alle liebten Brian. Sein Strahlen, seine Scherze. Niemand lachte, wenn Frangan einen Witz machte.

Frangans Miene wurde verkniffener. Alter Schmerz grub sich durch seine Züge. Alte Eifersucht.

»Nein«, knurrte er. »Brian, ich ficke zuerst. So haben wir es immer gemacht. Du kannst das vernarrte Häschen haben, wenn ich mit seinem Loch fertig bin.« Er packte Haydens Schulter, wirbelte ihn herum und presste ihn gegen den Baumstamm. Haydens Kehrseite lag bloß.

»He.« Plötzlich war Hayden wieder frei. Brian hatte seinen Bruder zur Seite gestoßen. »Hände weg. Heute fange ich an.«

Frangans Miene war finster wie eine Gewitterfront. »Einen Scheiß machst du. Stell dich hinten an, Kleiner.«

»Ich bin nicht klein«, knurrte Brian.

»Du bist ein verdammter Zwerg. Im Kopf und da unten.« Frangan deutete auf Brians Glied. »Geh zur Seite. Ich dehne den Kleinen vor.«

»Laber nicht«, fauchte Brian. »Du hast doch Schiss, dass sein Loch zu weit für deinen dürren Zweig ist, sobald ich ihn gestoßen habe.«

Hayden verwandelte sich. So schnell, dass all seine Knochen brannten. Er schlüpfte zwischen Brians Füßen hindurch und kugelte den Abhang hinunter. Äste und Blätter verfingen sich in seinem Wolfsfell. Er prallte gegen einen der Holzpfeiler und jaulte. Weißer Schmerz explodierte in seinem Kopf. Egal. Er kam wieder auf die Pfoten und zwängte sich unter der Zaunlatte durch.

Der Stier und die Kuh lösten sich voneinander. So nah sahen sie gigantisch aus. Wie Riesen erhoben sie sich vor dem Omega-Wolf.

Hayden rannte. Er sah, dass der Stier schnaubte. Dass er die Hörner senkte. Und hielt genau auf ihn zu.

Hinter sich hörte er Knurren. Zu nah. Die Brüder mussten sich ebenfalls sofort verwandelt haben.

Seine Pfoten krallten sich ins Gras. Der Stier wurde größer, kam näher. Er füllte sein ganzes Blickfeld aus und jetzt roch Hayden ihn: verschwitzt von der Paarung, wütend und aggressiv.

Erst im letzten Moment warf Hayden sich zur Seite. Er rollte über die Wiese, kam auf den Pfoten auf und hetzte weiter. Rannte, rannte, rannte.

Hoffentlich greift er die beiden an, dachte er. Hoffentlich ist er nicht hinter mir her.

Hinter sich hörte er Schnauben und das Stampfen schwerer Hufe.

Verdammt.

Knurren mischte sich in das Geräusch des Stiers. Der Boden unter seinen Pfoten zitterte. Das andere Ende der Weide war weit entfernt, viel zu weit, der Stier war direkt hinter ihm …

Er wusste nicht, wie es geschah, aber plötzlich war er da. Er zwängte sich unter den Brettern hindurch und stolperte in das Gebüsch auf der anderen Seite. Einen Augenblick lang sah er sich um. Und versteinerte.

Frangan und Brian rannten vor dem Bullen her, teilten sich auf, so, dass einer der beiden immer noch vom Stier verfolgt wurde und der andere … sich Hayden näherte.

Hayden jaulte leise und rannte. Er suchte nach einer Stelle im Gebüsch, in der er verschwinden konnte, wirklich untertauchen. Die Weide lag tief im Wald und war ursprünglich nur eine kleine Lichtung gewesen. Die Bäume wucherten an einigen Stellen sehr, sehr dicht.

Aber nicht in Haydens Nähe. Er raste, schlug Haken und wandte sich nach rechts, wo die Schatten dunkler waren. Er hörte Pfoten im Gras hinter sich.

Der Wald war zu licht, die krummen Bäume zu spärlich, die Schritte hinter ihm zu nah. Er hörte Hecheln. Gleich würde der Wolf hinter ihm springen. Gleich würden seine Zähne Haydens Nackenfell packen.

Da sah er es: ein dunkles Loch zwischen den Wurzeln einer Roteibe, nur wenige Schritte entfernt. Eine Höhle? Ein Fuchsbau? Beides wäre schlecht. Beides wäre nur ein Loch im Boden, aus dem sie ihn zerren konnten.

Egal. Er hatte keine Wahl. Keuchend warf er sich nach rechts. Moos flog unter seinen Krallen davon. Das dunkle Loch tat sich vor ihm auf.

Schon bevor er darin verschwand, roch er es: Kaninchen. Er wimmerte vor Erleichterung. Stürzte vorwärts. Etwas packte seinen Schwanz. Heißer Schmerz schoss durch seinen Körper. Wolfszähne bohrten sich in seine Schwanzspitze. Hayden grub die Pfoten ins feuchte Erdreich und jaulte. Mit einem Ruck riss er sich frei.

Winselnd kroch er vorwärts, Erdreich zu allen Seiten. Sein Körper war zu groß für den Kaninchenbau und er schaffte es kaum, sich durch den engen Gang zu zwängen. Umdrehen war unmöglich. Nicht nur wegen des Wolfs am Eingang, sondern auch, weil kein Platz war. Der einzige Weg war vorwärts, in die Schwärze, in der er nichts erkannte. Hayden weinte und es kam als Wimmern aus seiner Schnauze. Er betete, dass die Körper der Alphas zu groß waren, um ihm zu folgen.

Ich werde hier unten sterben und sie haben meinen Schwanz abgerissen.

Trotzdem kroch er vorwärts. Durch den engen Tunnel, durch die verbrauchte Luft.

Bis es nicht mehr ging.

Schon nach wenigen Metern steckte er fest. Die Wände umschlossen ihn und hielten ihn in einem Klammergriff. Er spürte etwas Hartes an der Wirbelsäule. Eine Wurzel. Deshalb war der Gang hier so eng.

Eine Stimme drang an seine Ohren, dumpf vom Erdreich und seinem eigenen Körper, der ihr im Weg war.

»Wir kriegen dich, Omega!« Frangan. Der war ihm also gefolgt, während sein Bruder den Stier ablenkte. »Wir kriegen dich und wir ficken dich blutig, du kleine Natter!«

Hayden schluchzte und das machte es nur noch schlimmer. Seine Nasenlöcher verengten sich. Die Luft wurde knapp und die Schwärze war absolut.

Ich sterbe, dachte er. Ich ersticke hier. Ich sterbe.

Die Erde umschloss ihn, drückte ihm das Leben aus dem Körper. Er lag platt gedrückt, in kriechender Haltung und kam keinen Deut vorwärts. Auf Hüfthöhe steckte er fest.

Ich kann nicht mehr, dachte er. Ich …

Er hörte ein zischendes Geräusch. Wärme breitete sich unter ihm aus und Hitze schoss in seine Wangen. Aber er konnte die Flut nicht stoppen, die aus seinem Schaft drang. Erst, als seine Blase leer war und der Gang von Uringeruch verpestet, hörte es auf.

So sterbe ich also, dachte er und hätte fast gelacht. In einem Kaninchenloch, in dem mich niemand je finden wird, werde ich verrotten, in einem See aus Pisse.

Eigentlich war das verdammt lustig. Er kicherte. Ja, doch, eigentlich war es das Komischste, was er je gehört hatte. Er lachte lauthals, was als Wolf zu einem hysterischen Fiepsen wurde.

---ENDE DER LESEPROBE---