Der Pate von Zug - Lorenz Müller - E-Book

Der Pate von Zug E-Book

Lorenz Müller

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Beschreibung

Mafiosi, Morde und Moneten. Eigentlich wollte Daniel Garvey den Sommer genießen. Doch ein brutaler Mord an einem hochrangigen Ex-Militär und das spurlose Verschwinden seiner Freundin Anna zwingen ihn dazu, sich mit einem kompromisslosen Gegner anzulegen: dem Organisierten Verbrechen. Waffendeals, Geldwäsche und sonstige schmutzige Geschäfte – Garvey ist mittendrin. Als ob das nicht genug wäre, holt ihn auch noch ein Schatten aus seiner Vergangenheit ein, den er lieber unter einem schweren Stein begraben wüsste . . .

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Lorenz Müller, geboren 1977, lebt in Zug, Schweiz. Nach juristischen und forensischen Ausbildungen arbeitete er viele Jahre als Staatsanwalt und für ein Versicherungsunternehmen im Bereich Recht und Leistungsmissbrauch. Im Herbst 2019 veröffentlichte er seinen Erstlingsroman «Endstation Gotthard».

www.lorenzmueller.ch

Diese Geschichte mit all ihren Handlungen und Figuren ist frei erfunden. Die beschriebenen Orte sind real, wenn auch teilweise ein wenig verändert. In der Stadt Zug geht es für gewöhnlich deutlich friedlicher zu und her als beschrieben, und einen Polizisten wie «Campari Soda» gibt es natürlich nicht.

Im Anhang findet sich ein Glossar.

© 2021 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: matlen/photocase.de

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

Lektorat: Irène Kost, Biel/Bienne, Schweiz

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-764-4

Originalausgabe

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Drogen-, Waffen- und Menschenhandel, Korruption, Schutzgeld, Raub und Mord. Dies sind bloss einige Betätigungsfelder des organisierten Verbrechens, und die Einnahmen daraus werden zurück in den legalen Wirtschaftskreislauf geschleust. Gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds IWF liegt das Volumen der weltweiten Geldwäscherei bei mindestens zwei Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts.

The first thing we do, let’s kill all the lawyers.

William Shakespeare (1564–1616)

But we might have to start with the judges.

Reaktion der englischen Anwälte auf Shakespeare

Prolog

Donato Carbones Blick schweifte durch die Ränge des Gerichtssaals. Die Schaulustigen sassen da wie Raben, die darauf warteten, dem Verlierer des Verfahrens die Augen aus dem Kopf zu picken. Es fehlte bloss noch, dass sie alle in ein Krächzen einstimmten, um das drohende Unheil anzukünden.

Nun sollte endlich Gerechtigkeit gesprochen werden. Carbone faltete seine schwieligen Hände zum Gebet, und der Präsident des Strafgerichts ergriff das Wort.

«In Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen Tommaso De Luca …»

Stille im Saal und der Beschuldigte erhob sich.

«… ist das Gericht zu einem Urteil gekommen.»

Als Ausgleich dafür, dass dieser neureiche Bastard Carbones Tochter angefasst hatte, wünschte er ihm eine Zelle ohne Fenster.

«Die Gerichtsschreiberin verliest das Urteil», fügte der Gerichtspräsident hinzu, und eine papierbleiche Frau im Deux-Pièces erhob sich.

«Erstens.» Ihre Stimme war noch dünner als Filterkaffee. «Der Angeklagte wird des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung gemäss Artikel hundertneunzig Absatz eins des Strafgesetzbuchs freigesprochen.»

Das letzte Wort war wie ein Schlag in Carbones Gesicht. Ungeordnete Gedanken rasten durch seinen Kopf.

«Zweitens. Der Angeklagte wird der sexuellen Nötigung gemäss Artikel hundertneunundachtzig Absatz eins des Strafgesetzbuchs freigesprochen.»

Carbone bebte innerlich. Er presste die Zahnreihen aufeinander und kriegte kaum Luft.

«Drittens. Der Angeklagte wird der Nötigung gemäss Artikel hunderteinundachtzig des Strafgesetzbuchs schuldig gesprochen.»

Carbone hörte noch ein Gelaber von Geldstrafe, und es hielt ihn nichts mehr auf seinem Stuhl. Er stürzte sich auf den jungen De Luca und drosch auf diesen ein, bis ihn zwei kleiderschrankgrosse Polizisten in den Schwitzkasten nahmen.

Selbst als ihn die beiden Uniformierten zwischen Gerichts- und Verwaltungsgebäude über den Platz zogen, wand sich Carbone und wollte zurück zu De Luca, um ihm noch einmal in sein dummes Grinsen zu schlagen.

Die Fotokameras der Journalisten ratterten wie Schnellfeuerwaffen, und Carbone begriff nicht, wie De Luca junior freigesprochen werden konnte.

1

Der Mond warf ein kaltes Licht auf die Dächer der Altstadt. Die Glocke im Kirchturm von St. Oswald schlug zweimal.

Fausto Ventimiglia schleuderte den Brandsatz mit aller Kraft gegen die Beifahrerscheibe des weissen Tesla Model S, und noch bevor er sich in die Sankt-Oswalds-Gasse zurückziehen konnte, schlugen die Flammen aus dem Fahrzeug.

Für ihn war dies eine wunderbare Nacht, denn das Aggressive behagte ihm.

«Schöne Grüsse von Frankie De Luca», sagte er im Gehen, und von Weitem hörte er die Sirenen in der Stadt.

***

Sebastian Hürlimann klebte das Hemd am Rücken, als er durch die Stadt seinem ersten Termin entgegenging. Aber sein Parfum umgab ihn wie ein Schutzschild gegen Schweiss, Schwäche und Kleinbürgertum.

Die Worte eines Anwaltskollegen, den er gestern flüchtig getroffen hatte, geisterten immer noch durch seinen Kopf. Anscheinend tuschelte man hinter seinem Rücken, dass er häufiger beim Handelsregisteramt als im Gerichtssaal anzutreffen sei. Er sei ein Anwalt der Sorte «Halten und Verwalten». Doch damit lagen sie genauso daneben wie ein entgleister Zug. Mit Domizilgesellschaften und Verwaltungsratsmandaten deckte er bloss seine Fixkosten. Richtig in Fahrt kam er dagegen, wenn es darum ging, Deals einzufädeln. Seine Berufskollegen waren zu doof, um sein Geschäftsmodell überhaupt zu verstehen – oder ihnen fehlte ganz einfach der Schneid, nach den richtig fetten Mandaten zu greifen.

Manchmal – so musste er sich eingestehen – ging es auf dem Weg zu einem Agreement ruppiger zu und her als auf einer Baustelle. Doch meist war nur sanfter Druck nötig. Im Normalfall reichte es, ein kleines dunkles Geheimnis des Verhandlungspartners aus dem Hut zu klopfen, und schon waren die meisten bereit, das Ja laut auszusprechen.

Während seines Studiums hatte er das Standardwerk «Getting to Yes» über das Handwerk von Verhandlung und Einigung gelesen. Doch dieses Buch war nie seine Bibel geworden. Er stimmte zwar noch darin überein, dass man in der Sache hart verhandeln musste. Aber man durfte keinesfalls sanft mit den Menschen umgehen. Niemals, denn der zaghafte Umgang mit Menschen konnte ein teurer Fehler sein.

Sein heutiger Auftrag war aussergewöhnlich, weil er das Druckmittel für die Verhandlung nicht hatte wählen können. Sein Kunde behielt gern die Fäden in der Hand. Doch es machte Hürlimann nichts aus, das Wie nicht selbst bestimmen zu können, solange das Wieviel den Weg in seine Brieftasche fand.

Es war noch nicht acht Uhr, als er bei seinem Verhandlungspartner auf der Matte stand.

«Vielen Dank, Herr Van der Werff, dass Sie mich empfangen.» Hürlimann hatte sich erst gar nicht zu ihm an den Tisch gesetzt. Er war sich sicher, dass er heute Morgen nicht allzu lange brauchen würde. Seine Argumente waren zu überzeugend.

«Dem Grundbuch entnehme ich, dass Sie der Eigentümer des Gebäudes Bahnhofstrasse 26c in Zug sind?»

Der kleine glatzköpfige Mann hinter dem Schreibtisch blickte auf.

«Sie entnehmen dem Grundbuch richtig. Offenbar haben Sie lesen gelernt. Glückwunsch. Und jetzt machen Sie mir ein Angebot, das ich ohnehin ablehnen werde. Sie verschwenden also meine Zeit und gehen jetzt besser.»

«Das sehe ich anders. Mein Kunde zahlt sehr gut. Das Geschäftsgebäude 26c ist jedoch in keinem besonders guten Zustand, daher bietet mein Kunde fünfeinhalb Millionen Schweizerfranken. Das erscheint mir sehr grosszügig.»

«Grosszügig?» Van der Werff lachte lauthals. «Machen Sie sich von meinem Teppich und richten Sie Ihrem Kunden aus, dass ich mich einen kurzen Moment lang amüsiert habe.»

Hürlimann war nicht nach Lachen, denn dies war ein Kaufangebot von Frankie De Luca höchstpersönlich.

«Das wird Ihnen jetzt nicht gefallen. Mein Kunde verlangt von mir, das Kaufangebot jedes Mal um hunderttausend zu kürzen, wenn Sie ablehnen. Wir sind also bereits auf fünf vier gefallen.»

Van der Werff lachte herzhaft. «Ihr Klient hatte in der Schule wohl einen Fensterplatz. Hat ihm keiner erklärt, dass er das Angebot erhöhen muss, um jemanden zu ködern?»

«Glauben Sie mir, alles hat seine Richtigkeit. Er will Sie gar nicht ködern. Sie lehnen ab, und er geht mit dem Angebot runter.»

«Machen Sie sich vom Acker, Sie Schnösel.»

«Mein Kunde richtet aus, Sie sollen durch Ihre ablehnende Haltung nicht unter fünf Millionen fallen. Falls doch …» Hürlimann räusperte sich. «Nun, das sind jetzt nicht meine Worte. Es sind die meines Kunden. Falls Sie auch bei fünf Millionen ausschlagen sollten, sitzt beim nächsten Mal Ihre Frau im Tesla, wenn der brennt.»

Van der Werff erstarrte. Der richtige Nerv war getroffen. Erstaunlich, was ein Brandsatz und ein paar Männer in Vollmontur mit Löschschaum ausmachen konnten.

«Wie Sie sehen, reduziert mein Auftraggeber das Angebot mit Bedacht, und er ist grosszügig. Er lässt Ihnen diesen Verhandlungsspielraum. Schliesslich hätte er von Anfang an fünf Millionen bieten können. Aber stattdessen ist er mit fünf fünf eingestiegen. Faktisch wollte er Ihnen also eine halbe Million schenken.»

«Was fällt Ihnen ein!»

«Nicht mir, Herr Van der Werff. Meinem Kunden. Ich bin nur der Überbringer der Nachricht.»

Hürlimann gab seinem Gegenüber kurz Zeit für eigene Gedanken. Zuerst musste sich alles setzen, damit der Deal abgeschlossen werden konnte.

«Mein Auftraggeber ist nicht besonders geduldig. Entscheiden Sie sich also bitte jetzt gleich, was Sie hergeben wollen: das Bürogebäude oder Ihre Ehefrau.»

Van der Werff war wie versteinert und sagte nichts. Anscheinend lag ihm genug an seiner Frau.

«Schön. Ich werde die Papiere für fünf Komma vier Millionen aufsetzen.»

Van der Werff blieb still.

«Herzlichen Glückwunsch. Wir haben eine Einigung. Eine Win-win-Situation», frohlockte Hürlimann. «Mein Kunde übernimmt die Immobilie, Sie kriegen die fünf Millionen und obendrauf vierhunderttausend extra. Ich bereite die Papiere vor, und Sie grüssen mir Ihre Frau Gemahlin. Die wird sich über Ihre Entscheidung bestimmt freuen.»

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er. In der Sonne draussen stolzierte er über die Fahrspuren der Bahnhofstrasse davon und nickte einem vorbeifahrenden Bentley zu, aus dem ihm ein Regionalpolitiker zurückwinkte – nichts Besonderes in seinem Alltag, denn in einer kleinen Stadt wie Zug kannte man sich vom Sehen her, und die Bentleys, Jaguars und Porsche Panameras gehörten längst zum Stadtbild.

2

Am verschlafenen Guggitalring öffnete der alte Mann im Rollstuhl seine Haustür. Es war kurz nach neun Uhr. Daniel Garveys Schritt über die Türschwelle war der Wechsel in eine Parallelwelt. Draussen schon morgens schwülwarm wie in den Tropen, im Innern des alten Einfamilienhauses war die Luft dagegen erstaunlich kühl. Und es roch nach Hund.

Seine Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel, und Anna, die neben ihm stand, steckte sich die Sonnenbrille auf den Kopf.

Schon positionierte sich der schwarze Labradorrüde an Annas Seite, wedelte mit der Rute und liess sich die Ohren kraulen.

«Sehen Sie, Anna?», krächzte Huber in seinem Rollstuhl. «Bodo wird mich keine Minute vermissen.»

Daniel war überrascht, dass Huber sie mit Vornamen ansprach und dennoch siezte. Waren heute nicht alle sofort per Du?

«Stehen Sie nicht so in der Ecke herum.» Damit meinte Huber wohl ihn. «Sie stehen da wie nicht abgeholt. Sie werden doch nicht einer dieser Autisten sein, wie sie heute in Scharen durch die Stadt schleichen?»

Daniel trat zu Anna und dem Labrador in das Wohnzimmer, und es sprang ihm sofort ins Auge: Nichts lag herum, alles hatte seinen Platz. Das Wohnzimmer war eingerichtet, als ob die gesamte Ausstattung der Achtziger aus einem Guss für diesen Raum geschaffen worden wäre. Für einen allein lebenden Mann erstaunlich ordentlich.

An der Wohnzimmerwand neben Daniel hingen kleine Bilderrahmen, die Huber in jüngeren Jahren zeigten. Eine Fotografie präsentierte ihn bei seiner Hochzeit. Es war sofort klar, dass dieser Tag Jahrzehnte zurücklag, und das Besondere an dieser Fotografie war, dass Huber an seiner eigenen Hochzeit die Ausgangsuniform der Schweizer Armee getragen hatte. Auf den übrigen Fotos wurde sein Gesicht immer etwas älter, während die Uniformen in gleichem Masse moderner und die Balken seiner Dienstgradabzeichen stetig zahlreicher und breiter wurden.

«In dieser Tasche sind sein Fressnapf und das Futter, in der anderen seine Liegedecke.»

Huber erklärte Anna die Futtermenge. Er achtete anscheinend penibel genau auf die Ernährung seines Hundes. Tatsächlich erschien der Rüde schlanker als andere Hunde, die man gemästet in den Strassen dem Herrchen hinterherwanken sah.

«Keine Sorge», entgegnete Anna. «Wir kommen klar, und ich werde ihn bestimmt nicht überfüttern. Bloss etwas verwöhnen. Ich werde es geniessen, dass ich für ein, zwei Tage einen Hund habe. Ich wollte schon immer einen, nur arbeite ich zu viel.»

Daniel war im Geiste abgedriftet, wurde aber wieder zurückgeholt.

«Kommen Sie mit Hunden klar, Garvey?», fragte Huber und fixierte ihn mit strengem Blick.

«Ich denke, ja.»

«Haben Sie gedient?»

«Wie jeder im Land.»

Klar wurde auch Anna neugierig. Ihre Mimik sagte ihm, dass sie auf weitere Angaben von ihm wartete, wohl weil er noch nie von seiner Dienstzeit erzählt hatte.

«Dienstgrad?»

«Soldat, Herr Brigadier.»

Daniel war klar, dass ihn sein eigener Dienstgrad in Hubers Weltbild gerade ziemlich weit nach unten in Richtung Bedeutungslosigkeit geworfen hatte. Im Vergleich zu Huber war er in der Armee ein ganz kleiner Fisch gewesen. Dennoch erkannte er ein Leuchten in Hubers Augen. Er war vermutlich schon ewig nicht mehr als Brigadier angesprochen worden.

«Truppengattung?»

«Panzergrenadier, Herr Brigadier.»

«Schiessabzeichen?»

«Stufe zwei.»

Tatsächlich war das Schiessen Daniels liebste Aktivität bei der Armee gewesen. Im Schiessstand hatte es nämlich nur zwei Befehle gegeben: «Feuer!» und «Feuer halt!». Diese Worte waren ihnen zwar auch um den Kopf gebrüllt worden, aber da man im Stand den Gehörschutz aufhatte, waren Vorgesetzte weit weg und damit beinahe inexistent gewesen.

Huber musterte ihn einen unangenehmen Moment lang.

«Sie scheinen mir ein Einzelkämpfer zu sein.»

Anna stand sichtlich amüsiert daneben und tätschelte Bodo. «Er ist kein Einzelkämpfer. Eher ein Einzelgänger und durchaus teamfähig. Wir funktionieren ganz gut zusammen. Sie würden staunen.»

Er kam sich gerade vor wie die Nährlösung in der Petrischale, auf die alle Blicke gerichtet waren. Dieser Moment hatte sich zu einem dieser «Hallo, ich bin übrigens auch noch hier und kann euch hören»-Gespräche entwickelt. Das war etwa so, wie wenn Eltern sich in Gegenwart des Kindes mit dem Lehrer über die Schulnoten unterhielten.

Daniels Blick wanderte durch das Wohnzimmer und blieb bei einem der Fenster an einem Dreibeinstativ mit grün gummiertem Fernrohr hängen.

«Schauen Sie ruhig durch, Soldat.»

Hatte er eine andere Wahl? Einem Brigadier ausser Dienst einen Gefallen abschlagen? Nicht gut. Also blickte er durch die Linsen zwischen den Nachbarhäusern hindurch bis weit hinunter zum Yachthafen, wo fünf Teenager im Kreis am Boden sassen. Er konnte sogar erkennen, dass einer von ihnen ein Smartphone bediente, und ein anderer blies Zigarettenrauch in die Luft.

«Beachtlich», entfuhr es Daniel.

Vergrösserung und Bildschärfe waren der reine Wahnsinn. Kein Fernrohr für den alltäglichen Gebrauch.

«Dieses Spielzeug ist mein einziger Kontakt zur Aussenwelt.» Huber schlug mit einer Hand auf eine der Armlehnen seines Rollstuhls. «Seit dieser verdammten Knieoperation komme ich kaum mehr raus. Ich schaffe es gerade mal zwei- oder dreihundert Meter weit. Gehe ich weiter, werden die Schmerzen unerträglich. Dabei hat dieser Narzisst in seinem weissen Kittel behauptet, mein Knie werde wie neu sein. Und jetzt schauen Sie mich an.»

Huber starrte Daniel an, als ob der etwas dafürgekonnt hätte.

«Aber es gibt doch sicher eine Möglichkeit zur Verbesserung», meldete sich Anna.

«Im Moment sieht es nicht danach aus. Ich möchte nicht wissen, wie viele Nachoperationen dieser Pfuscher im Jahr durchführt.»

«Das wird sicher bald besser sein», doppelte Anna nach.

«Nichts als erbärmlich. Sie sehen es selber. Ich bin zum Voyeur verkommen.»

Es war erstaunlich, wie Huber sofort einen viel sanfteren Ton anschlagen konnte, wenn er mit Anna sprach.

«Damit ich die Welt da draussen überhaupt noch erleben kann, schaue ich durch ein Fernrohr. Ich hoffe, die morgige Untersuchung bringt etwas.»

Huber gab Anna letzte Anweisungen zu Bodo und bedankte sich bei ihr für das Einspringen.

«Sobald ich vom Untersuch zurück bin und halbwegs gerade stehen kann, werde ich mich melden.»

«Sie brauchen sich nicht zu beeilen», bemerkte Anna. «Ich kann Bodo auch drei oder vier Nächte lang hüten. Wir kommen gut klar.»

«Und Sie?», wollte Huber von Daniel wissen. «Sind Sie als Einzelgänger in der Lage, auf Anna und meinen Hund aufzupassen?»

Auf eine erwachsene Frau aufpassen? In welcher Zeit lebte der alte Militärkopf?

«Kein Grund zur Sorge, Brigadier. Ich übernehme die nächste Schicht auf der Wache, bis Sie wieder da sind.»

Anna zeigte ihr vereinnahmendes Lächeln.

«Das können Sie ihm ruhig glauben. In seiner Gegenwart kann uns nicht viel zustossen.»

Immerhin, Huber gab ihm zum Abschied die Hand, blieb aber bei seinem militärischen Tonfall.

«Honor, modestia, unitas.»

Die Maxime der Grenadiere in Isone.

«Semper fidelis», gab Daniel zurück, und Hubers Miene hellte sich auf, denn das weltbekannte «semper fi» verwendeten keineswegs nur die US-Marines.

Daniel trat ins stechende Sonnenlicht hinaus, und er fragte sich, was die Woche noch alles bringen würde. Wenn er schon auf militärische Grüsse zurückgreifen und den Aufpasser für eine erwachsene Frau und den Hund eines Brigadiers ausser Dienst spielen musste, was kam wohl als Nächstes? Sein Plan war einfach. Nur schnell den Köter wieder loswerden und mit Anna die Zweisamkeit und das Hochsommerwetter geniessen.

***

Punkt zehn Uhr rollte das Gittertor zur Seite. Conor Garvey trat nach über zwanzig Jahren vor das Gefängnis Maghaberry. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal die Sonne über Belfast gesehen hatte, ohne dass diese von Gitter und Stacheldraht eingerahmt war.

«Lass deine Finger von Sprengsätzen, du katholischer Hurensohn», sagte der Aufseher, der mit einer Heckler & Koch MP5 das Tor bewachte.

Conor streckte ihm im Gehen den Mittelfinger entgegen, und vor seinem geistigen Auge tauchten ausgebrannte Autos auf und britische Soldaten, die mit entsicherten Waffen zwischen spielenden Kindern hindurchmarschierten. Soldaten, die selbst noch fast Kinder gewesen waren.

«Ich scheisse auf Protestanten, Engländer und die Thatcher-Regierung. In dieser Reihenfolge. Und Verräter wie du gehören im Lough Neagh ersäuft.»

Die Eiserne Lady war lange weg, an Conors Haltung hatte sich in all den Jahren dennoch nichts geändert. Sie waren nicht die Unterdrücker gewesen.

Sein ganzes Leben war schnörkellos ehrlich gewesen. Selbst hinter diesen Mauern. Und trotz all der Jahre, die er im Knast verbracht hatte, oder vielleicht gerade deswegen waren ihm die Troubles noch so präsent, als ob es gestern gewesen wäre. Der Bloody Sunday in Londonderry, als Soldaten wehrlosen Zivilisten in den Rücken geschossen hatten. Die Briten, die ihn und seine Waffenbrüder als Gefangene in einem Trakt der berüchtigten H-Blocks zuerst mit dem Feuerwehrschlauch kalt geduscht und nächtelang der Novemberkälte ausgesetzt hatten. Diese Dinge waren noch lange nicht vergessen. Andernfalls hätte man ihn und seine Kampfgefährten hier in Maghaberry kaum von den inhaftierten Ulster Loyalisten trennen müssen. Oder hätte man sonst in Belfast die Friedensmauer nicht längst abgetragen, anstatt jede Nacht von Hand die Tore zu schliessen?

Conor stieg in den silbergrauen Vauxhall Astra und blickte geradeaus. Sein Kleinhirn erwartete, dass jeden Augenblick ein Aufseher brüllte: «Hinter die Linie, du katholisches Stück Scheisse!»

Keiner schrie.

«Wie geht es dir?», fragte Bobby, den er seit seiner Kindheit kannte.

Conor wandte sich an den dürren Mann auf dem Fahrersitz. «Wie es halt so geht. Hast du etwas für mich dabei?»

«Im Kofferraum. Bist du dir sicher, dass du das tun willst? Vielleicht solltest du zuerst –»

«Nur ein Kopfschuss kann mich davon abhalten.»

Der Motor sprang an, und sie fuhren in die schmale Old Road. Links und rechts zogen grüne Hecken vorbei und alle paar hundert Meter tauchte ein Hausdach auf.

Sie sprachen kein Wort, bis sie in die Moira Road in Richtung des Belfast International Airports abbogen. Die Landschaft war dieselbe wie vor zwanzig Jahren, hingegen waren die Häuser frisch gepinselt und die Autos nicht mehr so eckig.

«Du solltest einfach vergessen, Conor. Egal, auf welcher Seite, alle bereuen etwas von dem, was sie getan haben. Jeder hat jemanden verloren oder kennt einen mit zerschossener Kniescheibe. Du musst nach vorne schauen.»

«Ich kann nicht vergessen. Vielleicht kannst du es, aber ich nicht.» Verbittert starrte er vor sich hin.

«Ich meine nur, dass du –»

«Ach hör doch auf. Soll ich mir etwa nach allem, was war, zum Hobby einen Rosengarten anlegen und lächelnd den Engländer spielen? Sehe ich so aus?»

«Schon klar, aber das ist dein erster Tag draussen. Willst du direkt das nächste Risiko eingehen?»

«Ich kenne das verdammte Risiko!» Conor schrie derart laut, dass seine Stimme in den Ohren nachhallte. «Selbst wenn ich dabei sterben sollte, gehe ich dahin, denn ich kriege sein verdammtes Gesicht nicht aus meinem Kopf. Ich sehe es jede Nacht.»

«Deine Entscheidung, Conor.»

«Ja, verdammt, das ist es.»

Er beruhigte sich, und sie fuhren weiter durch das flache Land.

«Habt ihr ihn aufgespürt?»

«Klar. Das war keine grosse Sache. In der Schweiz steht nur ein Daniel Garvey im Telefonbuch.»

«Wo finde ich ihn?»

«Die Adresse liegt in der Tasche unter den Kleidern.»

Sie fuhren an einer riesigen Plakatwand vorbei. Der Werbeslogan in roten Buchstaben verriet ihm, wie oberflächlich die Gesellschaft inzwischen sein musste.

«Hin und zurück schneller, als du es wahrnehmen kannst. Generation Easyjet».

Conor hatte durch das Gittertor eine Welt betreten, die ihm fremd war. Er fragte sich, ob es noch Menschen wie ihn gab oder ob sich heute jeder mit Kopfhörern und Smartphone von den Problemen der Welt abwandte.

Bobby liess ihn beim Abflugterminal aussteigen. Conor nahm die Tasche aus dem Kofferraum und betrat das Flughafengebäude.

Zwei Jahrzehnte lang hatte er hinter Gittern darauf gewartet, Daniel Garvey gegenüberzutreten. Aber zuerst musste er es bis in die Schweiz schaffen. Denn er sorgte sich, dass man ihn bei der Sicherheitskontrolle sofort rauspflücken würde, weil er immer noch nach IRA roch. Oder war er nun bloss ein ganz gewöhnlicher zwanzig Jahre älterer Mann, dessen Namen die Leute nicht kannten? Hatte er ausreichend lange gesessen, um diese Aura los zu sein? Hatte die Welt die Irish Republican Army schon vergessen? Er bezweifelte dies und ging weiter.

***

Draussen im Auto neckte Anna ihn. «Ich glaube, der alte General mag dich.»

«Selber General. Er war Brigadier, und es ist offensichtlich, dass er dich viel lieber mag.»

«Warum wusste ich nicht, dass du bei den Panzergrenadieren warst?»

Daniel überlegte. Es hatte ganz einfach nie die Gelegenheit dazu gegeben, davon zu erzählen, wie er mit geschorenem Kopf und geschwärztem Gesicht durch Pfützen gerobbt war und sich mit einem flauen Gefühl im Magen unter dem Sperrfeuer der Maschinengewehre hinweggeduckt hatte.

Daniel schob die Erinnerungsfetzen an seine «Ferien in Grün» beiseite, drehte den Zündschlüssel, und der alte Saab 9-3 schnurrte wie eine Raubkatze, die man hinter dem Ohr kraulte. Trotz der offenen Fenster war die Luft im Auto quälend heiss. Er blickte in den Rückspiegel und hatte Bodos hechelnde Schnauze mitten im Blickfeld. Der Hund sass auf der Rückbank und pumpte seinen Mundgeruch nach vorn. Ganz toll.

Daniel lenkte den Wagen auf die Zugerbergstrasse.

«Was glaubst du, wie deine Eltern reagieren werden?»

«Du meinst, weil ich Mutter werde?»

Daniel beschleunigte nach unten in Richtung der Stadt.

Sie sah ihn durch die Sonnenbrille an, die eine Hand auf ihrem Bauch, der eigentlich noch gar nicht zu sehen war, die andere Hand auf seinem Bein. Ihre Haare trug sie wie so oft hochgesteckt, und im Gesicht zeigte sich ein entspanntes Lächeln. «Mach dir keine Gedanken. Meine Eltern mögen dich sehr, Daniel.»

Das konnte er nur hoffen, denn dem Klischee des Lieblings aller Schwiegermütter entsprach er ganz gewiss nicht. Er blieb ein Garvey, auch wenn er dies gar nicht wollte.

3

Beim Sturz vom Flachdach ruderte der Mann mit den Armen, als ob ihn dies noch hätte bremsen können.

Ventimiglia sah ihm hinterher, bis er unten aufschlug.

Schon komisch. Ab sechs Stockwerken ruderten sie alle mit den Armen.

Während der andere reglos auf der Kühlerhaube eines Land Rovers lag, verliess Ventimiglia das Gebäude. Er überquerte die Chamerstrasse und ging über den Basketballplatz runter zum Ufer des Zugersees. Im Gehen zündete er sich eine Lucky Strike an, und die Sonne schien ihm ins Gesicht.

Noch ein Gruss aus Frankie De Lucas Küche.

***

Als nach zwei Uhr der Funkspruch reinkam, sass Sergio Rossi an seinem Schreibtisch im Polizeigebäude.

«An der Chamerstrasse 18 ist ein Mann von einem Balkon gestürzt. Krankenwagen und Erstelement sind aufgeboten, ein Ermittler soll sich sofort beim Dienstchef-Pikett melden.»

Rossi trat auf den Flur, während das Haus trotz der Sommerferienzeit zum Leben erwachte. Zwei Uniformierte rannten die Treppe hinunter. Den Streifenwagen brauchten sie nicht, denn dieser Tatort lag direkt um die Ecke.

Aus dem Büro nebenan kam Forster, nickte Rossi zu und ging im Stechschritt nach hinten zum Büro des Dienstchefs. Brack war einer der wenigen Offiziere, die überhaupt da waren – die meisten in den Ferien. Es war perfekt. Die wenigen, die bei der Arbeit waren, hatten gerade alle Hände voll zu tun. Eine bessere Gelegenheit würde sich nicht so schnell wieder ergeben.

Rossi ging runter in die Asservatenkammer und holte eines der beschlagnahmten Sturmgewehre aus einer versiegelten Holzkiste. Mit der Waffe in der Hand trat er in die Parkhalle, vergewisserte sich, dass keiner da war, legte das Sturmgewehr in den Kofferraum seines Ford Explorer und bedeckte es mit einer Wolldecke. Allein bei dieser Handlung war sein Adrenalinkick das Zehnfache von dem, was er erwartet hatte. Das würde sich in den nächsten Stunden noch überbieten lassen.

***

Um die Blicke der Gaffer abzuwehren, war ein weisses Zelt um die Schnauze des Land Rover Defender angebracht. Kriminaltechniker Grübel zog am Zeltstoff, um Forster einen schnellen Blick auf den Leichnam zu ermöglichen. Dem Ermittler schlug die Hitze entgegen, die sich im Zelt angestaut hatte.

«Huerä Siech!», entfuhr es Forster.

«Ich finde den hier gar nicht wirklich krass», sagte Grübel. «Erinnerst du dich nicht mehr an denjenigen, der sich letztes Jahr von seinem Hausdach direkt auf den Gartenzaun geworfen hatte?»

«Ich staune nicht deswegen. Das ist schliesslich auch nicht meine erste Leiche. Weisst du denn nicht, wer vor dir liegt?»

«Für die Kriminaltechnik spielt es keine Rolle, wer da liegt. Es zählt allein das Spurenbild.»

Das mochte für die Spurensicherung gelten, aber nicht für einen Ermittler. Bei Forsters Arbeit war es von enormer Bedeutung, wessen Knochen zerschmettert auf einer Kühlerhaube lagen. Und in diesem Fall war die Identität des Toten das Entscheidende.

«Vor dir liegt Dr. Peter Barth. Der Präsident des Zuger Strafgerichts.»

Grübel machte grosse Augen. «War der nicht eben erst in den Medien?»

«Ganz genau. Letzten Freitag. Wegen des Freispruchs von Frankie De Lucas Sohn.»

«Hast du seinen Fall bearbeitet?»

«De Luca junior? Nein. Ich war bloss zur Unterstützung bei der Verhaftung mit dabei. Es war ein verdammtes Ringen, bis uns De Lucas Leibwächter den Schnösel doch noch überlassen haben.»

«Und? Hat er es getan? Ich meine, war es nun ein Sexualdelikt oder nicht?»

«Das weiss ich doch nicht. Unsere Leute sind davon überzeugt gewesen, dass etwas vorgefallen sein musste. Das Opfer soll ziemlich neben der Spur gestanden haben, und De Luca junior hat die Aussage immer genau bei den heiklen Fragen verweigert. Da kannst du eins und eins zusammenzählen. Warum die Aussage verweigern, wenn du nichts zu verbergen hast? Das macht doch keinen Sinn.»

«Und der hier hat De Luca junior freigesprochen?»

«Ganz genau.»

Forster lief der Schweiss in die Augen, die Hitze auf dem Asphaltvorplatz war unerträglich. Er rieb sie und bekam das Brennen nicht raus. In den nächsten Tagen sollte es sogar noch heisser werden. Die Saharawinde machten das Klima zur Hölle. Wenn es bloss heiss gewesen wäre, okay. Aber nein, es war auch noch feucht wie in einer Waschküche. Forster hatte in seiner Nachbarschaft sogar eine Spanierin aus Madrid schimpfen gehört, dass hier das Klima im Sommer belastender sei als in ihrer Heimat.

«Bis wann habt ihr erste Erkenntnisse?»

«Eine Stunde sind wir hier sicher noch beschäftigt. Ich will zum Schluss noch die Fallweite messen.»

Nach gewissen forensischen Theorien sollte man von der Fallweite, also der Distanz zwischen Hausmauer und Endlage des Leichnams, darauf schliessen können, ob einer gesprungen oder runtergestossen worden war. Doch das war pseudowissenschaftlich verpackter Quatsch. Die Distanz sagte gar nichts. Die Realität war zu komplex, als dass man sie auf eine simple Theorie reduzieren konnte. Der eine Lebensmüde liess sich vom Dach mehr fallen, als dass er sprang, und schlug ganz nahe an der Fassade auf. Der Nächste nahm Anlauf wie beim Weitsprung, als ob ihn mit weniger Anlauf noch etwas hätte zurückhalten können. Forster hatte schon beides an Tatorten angetroffen, und auf Theorien gab er nicht allzu viel. Für ihn zählte ausschliesslich das Gesamtbild der Erkenntnisse und Spuren.

Er blickte zur Gebäudefassade und schätzte die Fallweite auf vier Meter. Er zählte die Balkone.

«Weisst du, von welchem Stockwerk er gefallen ist?»

«Die Kollegen von der Streife haben alle Türklinken geputzt. Die Hausbewohner wissen nichts. Also kommt bloss noch das Dach in Frage. Zwei von uns sind oben und suchen nach Spuren. Aber du musst dich noch etwas gedulden.»

«Gibt es etwas, womit ich anfangen kann?»

«Klar. Du kannst uns im Büro drüben ein paar Flaschen Wasser holen. Ohne Nachschub verdunste ich hier auf dem Asphalt gleich wie eine Schönwetterwolke. Dieser Spurenschutzanzug ist eine mobile Sauna. Das sollte mal einer von der Gewerkschaft testen.»

Hä? War er der Wasserträger der Kollegen?

Forster wollte Grübel zurechtweisen, aber er liess es bleiben. Solange die Kriminaltechnik keine Erkenntnisse hatte, gab es für ihn sowieso noch nichts zu tun. Es war tatsächlich unerträglich heiss, und der Gestank von Dieselstaub lag in der Luft. Einfach nur grässlich.

Er liess Grübel allein zurück.

Forster ging die paar Schritte zurück zum Polizeigebäude. Das Hemd klebte ihm am Rücken, und er quälte sich schwer atmend die Treppe hoch. Die Luft im engen Aufenthaltsraum war nicht richtig kühl, und er war schweissgebadet und wenig überrascht, genau jenen Kollegen anzutreffen, der sich hier immer herumtrieb. Andy Mannhart alias Campari Soda stand gerade an der Kaffeemaschine und wartete, bis die dunkle Brühe durchgelaufen war.

«Ciao», grüsste Forster.

Campari Soda trug wie üblich eine seiner geschmacksverirrten Krawatten. Als ob man bei dieser Affenhitze mit Stoffstreifen um den Hals besser hätte arbeiten können als ohne. Der hatte doch eine Meise, bei dem Wetter eine Krawatte zu tragen, wenn er sowieso nur in seinem Büro wartete, bis es Feierabend wurde.

«Hab’s gerade über Funk gehört. Der Barth soll gesprungen sein. Ist sicher kein schöner Anblick.»

«Du sagst es.»

Forster hatte keine Lust auf ein Gespräch mit Campari Soda, denn vor ihm stand der faulste Polizist, den die Polizeischule je herausgepresst hatte. Mannharts Kosename kam denn auch nicht von ungefähr. Vor einigen Jahren führte die Zuger Polizei ein grösseres Verfahren gegen Geldwäscher, und Forster wurde Mannharts Team mit drei anderen Wirtschaftsermittlern zugeteilt. Er sollte diese bei der Hausdurchsuchung unterstützen. Und wer hatte sich Punkt vier Uhr nachmittags vom Acker gemacht, obwohl er selbst die Aktion hätte leiten sollen? – Richtig. Mannhart natürlich. Hinterher hatten sie sogar erfahren, dass er am See vor einem Glas Campari Soda gesessen hatte, während sie alle bis spätabends beschlagnahmte Aktenordner nummerierten. In einer kleinen Stadt kamen solche Dinge immer raus.

Forster konnte sich nicht zurückhalten. «Und was macht die Finanzwelt? Schnappst du dir den nächsten Hochstapler? Hast du Vermögenswerte beschlagnahmt? Oder teure Autos?»

«Ich bin an einer Konkurssache dran. Echt kompliziert, sage ich dir. Zuerst wurden mittels Pennystock-Papieren Millionen akquiriert, dann in Kryptos umgewandelt, und jetzt ist dieses Blockchain-Start-up in Konkurs geraten, und jeder behauptet, der andere sei mit den Investorengeldern verschwunden.»

Forster verstand die Hälfte davon nicht. Er nahm drei Flaschen Wasser aus dem Kühlschrank und wollte gerade gehen.

Campari Soda jammerte weiter. «Das ist eine knifflige Sache. Da kannst du nicht einfach mal schnell die DNA am Griff des Messers abtupfen und mit der Speichelprobe des Verdächtigen abgleichen.»

«Aha.»

«Das wird ein richtig aufwendiger Fall werden. Aber heute retten wir die Welt auch nicht mehr. Stimmt’s? Es ist gleich vier Uhr, und ich bin auf die Segelyacht meines Nachbarn eingeladen.»

Forster schaute auf seine Armbanduhr. «Ich enttäusche dich nur ungern. Wir haben erst Viertel vor drei. Diese Uhr geht falsch.»

«Echt jetzt?» Campari Soda starrte auf die Uhr über der Kaffeemaschine. «Fuck! Das kann doch nicht wahr sein.»

Forster ging mit den Wasserflaschen davon. Kopfschüttelnd.

Kein Wunder, erzählten sich die Leute Witze darüber, dass es erst die Archäologen bemerken würden, wenn irgendwo ein Beamter bei der Arbeit den Löffel abgab.

Er ging raus in die Hitze und sinnierte über den Fall des Gerichtspräsidenten. Ihm wurde die Ironie bewusst. Dies war tatsächlich der Fall des Richters. Ein tiefer Fall mit Todesfolge, und dies direkt nach dem Urteil in Sachen De Luca junior.

Was der Richter wohl an der Chamerstrasse 18 gemacht hatte?

Der wohnte doch irgendwo da oben am überteuerten Rötelberg mit Blick auf die Stadt und mit schickem Garten. Er wollte sich nicht vorstellen, was der Richter verdient haben musste, um sich dort ein Haus leisten zu können. Nicht in hundert Jahren hätte Forster den Schotter für eine solche Wohnlage oberhalb der Stadt zusammengekriegt. Neulich erst hatte ihm eine Nachbarin zugeflüstert, dass hinten an ihrer Strasse einer ein altes Haus mit Garten für zehn oder zwölf Millionen gekauft hatte.

Forster ging in Richtung des weissen Zelts der Kriminaltechnik und stellte sich den Richterlohn mit all den Nullen vor.

***

Die Nase des A220 zeigte nach Süden, und die Turbinen summten. Conor Garvey sass auf seinem Sitzplatz und schaute aus dem kleinen Fenster. Es war sein erster Linienflug überhaupt, und er konnte sich in der engen Sitzreihe kaum bewegen. Etwas unter ihm zogen weisse Wolkenfetzen vorbei, und noch weiter unten glitzerte das silbergraue Meer. Der Blick öffnete sich durch die Wolken auf das, was es noch nicht gegeben hatte, als er eingelocht worden war. Eine ganze Armee von Windrädern in exakt gleichen Abständen drehte sich im Westwind. Kilometerweit vor Blackpool standen sie im Meer. Es waren so viele, dass Conor sie nicht zählen konnte.

«Some tea or coffee, Sir?»

Diese Frage mit Londoner Akzent riss ihn aus seinen Gedanken. Er nahm den Lärm der Turbinen wieder als laut wahr, und hinten im Flieger schrie sich ein Kleinkind die Seele aus dem Leib.

«Haben Sie einen Malt?»

«Gerne. Mit einem Schuss Wasser?»

Gott bewahre. «Pur. Kein Eis, bitte.»

Einige Minuten später stand ein rauchiger Lagavulin vor ihm, und er wusste nicht recht, ob ihm als Nordire und Patriot ein schottischer Whisky überhaupt schmecken durfte. Für die einen war dies ein Whisky der Topklasse, und für ihn grenzte jeder Schluck aus diesem Glas an Verrat an seinem eigenen Land. Ein Nordire konnte sich nur irischen Whiskey leisten – wegen dem Preis und dem Stolz. Eigentlich hatte er gehofft, einen Connemara zu kriegen, aber es überraschte ihn nicht, einen Lagavulin in der Hand zu halten. Einmal mehr ein verstecktes Zeichen des Imperialismus, den man heutzutage mit dem Begriff der Globalisierung schönmalte, während die Kleinen dabei verreckten.

Er starrte in die honigfarbene Flüssigkeit. Sein geistiges Auge zeichnete in den Whisky den Eingang des Pubs in der Sandy Row, in dem sich damals mehrmals hintereinander ein paar ranghohe Ulster Loyalisten getroffen hatten. Es war ein Pub wie jedes andere gewesen, nur eben das der Gegenseite. Grüne Holzfassade im Erdgeschoss, ein paar alte Tische, Tresen und viel Bier in den Fässern.

In Conors Erinnerung schwang die Tür des Pubs auf, und ein Kerl stürmte heraus. Der Mann stolperte und fiel der Länge nach auf den Gehweg. Hinter den Fenstern liessen andere wie auf Kommando ihre Biergläser fallen und stürzten zur Tür.

Zu spät.

Ein greller Blitz schlug von innen durch die Fenster und schleuderte Glassplitter und Holz in die Gasse. Die Bombe zerfetzte alles, was sich in oder vor dem Haus befunden hatte. Selbst das Bier verdampfte augenblicklich.

Conor hatte noch immer den Knall der Detonation in den Ohren und glaubte, die Druckwelle spüren zu können. Seine Hand mit dem Whisky zitterte.

Er sah sich im Flieger um bis ganz nach hinten. Ein Reflex, den er sich noch in der Zeit vor dem Gefängnis angeeignet hatte. Du solltest immer wissen, wer hinter dir steht.

Im Flugzeug standen die Leute vor der Toilette Schlange, und sein Gehirn projizierte Daniel Garveys Gesicht mitten in die Sitzreihen. Eine wutverzerrte Fratze mit Tränen in den Augen. Purer Hass, die Fäuste geballt und zu allem bereit.

Noch eine Stunde bis zur Landung.

***

Von der Zeughausgasse aus durchschritt Ventimiglia die schmale Arkade eines Altstadthauses. Er ging in den Innenhof und betrat das herausgeputzte Ristorante La Parmigiana. Die Lichter waren gedämpft und das Servicepersonal noch nicht da. Dafür schepperten die Töpfe in der Küche.

Die Tonplatten des Fussbodens im Speisesaal waren frisch gefegt, die Tische weiss gedeckt, und Ventimiglia ging an der roten Berkel-Fleischschneidemaschine vorbei in die Küche.

Edoardo «Grande» Giuliani drapierte einen Seeteufel und Scampi mit langen Fühlern auf Eis, um sie später den Gästen zu präsentieren.

«Ciao, Grande», grüsste Ventimiglia beinahe singend. «Tutto bene?»

«Sicher», rief ihm der Zwei-Meter-Mann im weissen Unterhemd und der Kochschürze zu. «Du musst am Verhungern sein, dass du so früh bei uns auftauchst.»

«Ich hab immer Hunger. Aber ich habe noch keine Zeit fürs Essen. Es geht um die Arbeit.»

Nach einem erledigten Auftrag war für Ventimiglia der Gang in die Küche des «La Parmigiana» nichts Aussergewöhnliches.

«Frankie isst heute Abend bei dir.»

«Klar. Ihm gehört ja der Laden, und er ist zurzeit Strohwitwer. Da isst er immer bei uns.»

«Kannst du ihm die Spaghetti mit einem Gruss servieren?»

«Wie viele sind es diesmal?»

«Nur einer.»

«Verarschst du mich? Bloss ein einzelnes Exemplar von den Scampi auf Frankies Spaghetti? Willst du den Boss verärgern?» Grande begann laut zu lachen. «Hast du nur einen erwischt, weil du diese Krankheit mit den zittrigen Händen hast?»

«Parkinson? Nein. Es ist halt Sommer. Fast jeder ist ans Meer oder in die Berge gefahren. Da gibt es für mich weniger zu tun. Du wirst sehen, ab Mitte August läuft das Geschäft wieder wie üblich.»

Er beugte sich zu Grande und frohlockte. «Dafür kannst du dem Boss ein extragrosses Exemplar auf den Teller legen. Das heute war ein grosser Job. Hohes Tier und so. Sechs Stockwerke ist er hinunter. Bam! Lichter aus.»

«Also. Nur einen für Capo De Luca, und verschone mich bitte mit den Details. Ich bin schliesslich nur der Koch.»

«Grazie. Ciao.»

Beim Verlassen des «La Parmigiana» hörte Ventimiglia, wie Grande Toto Cutugnos «L’Italiano» anstimmte. «Buongiorno Italia, gli spaghetti al dente …»

Ventimiglia schlenderte durch die Gassen der Altstadt und zog eine Grissini-Stange aus der Verpackung, die er im Ristorante hatte mitgehen lassen. Endlich hatte er Feierabend, denn mit der Bestellung von Frankies Abendessen war sein Job erledigt.

4

Forster sass am Konferenztisch im Polizeigebäude an der Aa, während er lieber zu Hause bei seiner Frau Abendessen und Feierabendbier genossen hätte. Die Hitze des Tages war in den Konferenzraum gekrochen, und jedem klebte der Schweiss an der Stirn. Grübel von der Spurensicherung war da, daneben die zwei jungen Kollegen von der Streife und Dienstchef Brack.

Brack trug die Infos zusammen. «Weiss einer, was der Richter an der Chamerstrasse gemacht hat?»

Alle schüttelten den Kopf und schauten fragend in die Runde.

Forster lief abermals der Schweiss in die Augen, und er versuchte sich das Brennen rauszureiben – was nicht recht gelang.

Scheisshitze.

«Ich habe das Grundbuch geprüft. Das Haus gehört ihm nicht. Anscheinend hat er dort auch niemanden besucht», sagte Forster.

Die beiden Streifenkollegen nickten wie Zwillinge.

«Im Moment haben wir keinen Bezug zur Örtlichkeit. Ausser natürlich, dass er wie wir nur wenige Schritte entfernt arbeitet.» Forster korrigierte sich. «Arbeitete.»

Brack holte aus. «Ich war bei seiner Frau, und seine Tochter war da. Die beiden sind neben der Spur. Verständlich. Aber es gibt keine Hinweise auf einen Suizid. Die Ehefrau meinte, er sei seit Längerem sehr stark mit der Arbeit beschäftigt gewesen. Abends länger im Büro und so, aber einen Suizid hat sie nicht erwartet.»

Brack wandte sich an Grübel. «Berichte du zuerst, was die Spusi ergeben hat.»

«Nun, Spuren haben wir reichlich gesichert, aber bisher nichts Spezielles feststellen können. In den Effekten war kein Abschiedsbrief, und wir haben keine Hinweise auf einen Kampf. Fingernägel intakt, Handgelenke und Hals sind auf den ersten Blick unversehrt. Verletzungen gibt’s natürlich einige, die dürften jedoch alle vom Sturz stammen und vom Glas der Windschutzscheibe. Die Rechtsmedizin wird das sicher genauer sagen können.»

Forster meldete sich zu Wort. «Kann man etwas aus der Fallweite ableiten?»

«Nein. Nicht zu weit und nicht zu nahe. Das hilft uns auch nicht weiter.»

Das hatte Forster sich gedacht. Theorie und Realität waren an Tatorten zwei Paar Schuhe. Solange man die genauen Geschehnisse auf dem Dach nicht kannte, konnte man lange über Theorien nachdenken. Es war das Gleiche wie mit der Hutkrempenregel. Bei jeder schwereren Kopfverletzung wurde sie bemüht und gedeutet und doch wieder umgedeutet. Nach dieser Theorie sollten bei Traumata oberhalb der Hutkrempe Schlagverletzungen wahrscheinlicher sein, unter der Krempe sollte es sich dagegen eher um Sturzverletzungen handeln. Dabei kam es jedoch auf die konkreten Umstände an, nämlich wie genau einer gestürzt oder geschlagen worden war. Die Lage einer Verletzung am Kopf gab nur bedingt über das Ereignis Auskunft.

«Die Fallweite», fuhr Grübel fort, «sagt uns in diesem Fall nichts, aber auf dem Dachkantenblech gibt es einen Schuhabdruck.»

«Vom Richter?»

«Ja. Passt zu Barths linkem Schuh. Selbst die Abnützung der Schuhsohle am hinteren linken Absatz passt.»

Brack wollte mehr hören. «Können wir aus dem Abdruck etwas herleiten?»

«Nein. Wir haben oben am Türknauf und im Treppenhaus am Geländer DNA-Proben genommen. Einfach zur Sicherheit, falls sich etwas ergeben sollte.»

Forster sah nicht mehr viele Möglichkeiten, ausser dass man sich noch bei den Arbeitskollegen des Richters umhören konnte. Möglicherweise war jemandem eine Gemütsveränderung aufgefallen. Er schaute auf seine Uhr. Es war kurz nach halb sieben, und er war fix und fertig, wollte nur noch duschen, essen und lange schlafen. Der Tag hatte ihm die Energie förmlich ausgesaugt.

Leider war für Brack der Tag noch nicht zu Ende. «Ich habe mich mit der Gerichtskanzlei in Verbindung gesetzt. Wir dürfen das Büro des Richters sichten. Wir haben zwar keinen Durchsuchungsbefehl, aber für einen schnellen Blick reicht es allemal. Bloss um sicherzugehen, dass dort keine bösen Überraschungen warten.»

Das war ja klar gewesen. Einmal mehr zog sich Forsters Arbeitstag ins Unendliche, während Campari Soda sich auf einer Segelyacht die Kehle mit Fusel durchspülte.

Brack wandte sich an Forster und Grübel. «Könntet ihr das noch kurz erledigen?»

«Wird gemacht, Boss», sagte Forster in theatralisch-heroischem Ton. «Soll ich über die Zentrale Verstärkung anfordern? Ich meine, Campari Soda irgendwo unten am See gesehen zu haben.»

Grübel grinste, und Brack starrte sauer über den Tisch. «Was soll denn das jetzt?»

«Das weisst du ganz genau. Beim nächsten Einsatz kannst du gerne auch mal die Ewigfaulen in Bewegung setzen. Ich sammle wieder einmal Überstunden, und Campari Soda hat bereits um Viertel vor drei darauf gewartet, dass es endlich vier Uhr wird, damit er endlich, endlich mit seinem lieben Nachbarn zum Segeln gehen kann. Reagiert der eigentlich nur, wenn ihm die Post den Marschbefehl zustellt?»

«Darüber reden wir ein andermal. Das Büro des Richters wartet. Erledigt das jetzt gleich, damit wir bald Feierabend haben.»

Logisch. Das unangenehme Thema wurde sofort umschifft, und am nächsten Tag war es wieder vergessen.

Was hätte Forster nicht alles für ein kühles Bier und einen Teller Vitello tonnato gegeben. Endlich die Beine hochlegen und schlafen. Lange schlafen. Stattdessen ging er zusammen mit Grübel zum Gerichtsgebäude, wo Asphalt und Fassaden die Hitze wie ein Speicherofen abstrahlten.

***

Es war noch hell, als Annas Eltern ihre Tochter und Daniel zur Tür begleiteten. Anna umarmte ihre Mutter, und ihr Vater gab Daniel zum Abschied einen väterlichen Klaps auf die Schulter.

Auf dem Weg zurück zum Auto trottete Bodo neben ihnen her und hechelte, als ob er versucht hätte, die warme Luft zu filtrieren wie eine Muschel das Wasser.

«Ich sagte doch, sie mögen dich.»

«Glaubst du wirklich?»

«Ganz sicher. Hast du ihre Freude darüber gesehen, dass sie Grosseltern werden?»

Tatsächlich. Annas Mutter war bei dieser Ankündigung beinahe vom Sofa aufgesprungen, und später hatte sie das Abendessen fast schon tänzelnd serviert. Annas Vater war den ganzen Abend sichtlich gut gelaunt gewesen, und Daniel hatte gar nicht recht gewusst, wie er mit dieser Ladung an positiven Emotionen umgehen sollte.

Bodo hüpfte auf den Rücksitz, und sie stiegen in den Wagen.

«Vielleicht haben sie sich einen ganz anderen Schwiegersohn vorgestellt.»

«Quatsch. Papa ist immer noch hin und weg, weil wir letztes Jahr den entführten Knaben gerettet haben. Bei Mama schwärmt er manchmal von der Nacht, in der du in Risch dem Russen und der Polizei um die Ohren gerannt bist.» Sie fuhr ihm mit den Händen über die Wangen. «Was ist mit dir? Du schaust so ernst.»

«Wie kann man ein guter Dad werden, wenn man selber gar keinen hatte?»

«Du machst dir zu viele Gedanken, Daniel. Du wirst merken, wie es geht, und ich bin schliesslich auch noch da.»

Er sah zu ihr hinüber, und sie lächelte entspannt. Vermutlich machte er sich tatsächlich zu viele Sorgen.