Der perfekte Schwung - Peter Huber - E-Book

Der perfekte Schwung E-Book

Peter Huber

0,0

Beschreibung

Norbert steckt fest. In einem Job, der ihn überfordert, in einem Leben, das ihm nichts gibt außer Stress. Schuld? Die Anderen. Lernen, Veränderung und Selbstwirksamkeit sind für den Verkäufer der alten Schule die drohende Dreifaltigkeit des Grauens und nicht Chance auf ein Wiederentfachen des Feuers der Arbeits- und Lebensfreude. Bis zu einem Skiurlaub mit Stephanie, einer Freundin aus Jugendtagen, die ihm eigentlich nur den perfekten Carving-Schwung näherbringen will, dabei aber mehr in Gang bringt, als alle Vorgesetzten-Vorgaben und gut gemeinten Ratschläge der Kollegen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Peter Huber . Klaus Molidor

Der perfekte Schwung

Peter Huber begleitet als Berater, Trainer und systemischer Coach ambitionierte Vertriebsorganisationen. Seine Expertise ist vor allem der digitale Wandel im Vertrieb. Durch seine eigene Burn-out-Erfahrung weiß er wie kein anderer, was es heißt, Veränderungen und Krisen erfolgreich zu meistern. In seiner Freizeit ist der leidenschaftliche „Verkäufer“ Extremsportler. Sein sportlicher Traum ist die Teilnahme am Ironman Hawaii. Der gefragte Redner und Autor mehrerer Bücher lebt in Traunkirchen, Österreich.

Klaus Molidor hat mehr als zwei Jahr-zehnte Erfahrung im Sport-Journalismus und dabei über Profi-Sport geschrieben, berichtet und kommentiert. Daneben hat er die Liebe zum Ausdauersport entdeckt und begonnen auch über Training, Tech-nik, Material und Selbsterfahrung zu schreiben. Er ist Läufer aus Leidenschaft und immer wieder an außergewöhnli-chen Lauf-Projekten beteiligt. Molidor lebt und arbeitet als Freier Journalist und Autor in Gratwein, Österreich.

Die Autoren

Erste Ausgabe, November 2022

© NBD Valuetainment GmbH, Wien

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise, Verwertungen bleiben vorbehalten.

Zugunsten einer besseren Lesbarkeit des Textes haben wir auf gendergerechte Forumlierungen verzichtet. Selbstverständlich sind sämtliche personenbezogenen Bezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen.

Umschlag: Wolfgang Menschhorn

Satz: Agentur Irene Kubinecz

Druck und Bindung: Bösmüller Print Management GesmbH & Co. KG

Printed in Austria

ISBN 978-3-9505376-1-1

www.nbd.at

Inhalt

1. Die mentale Einstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

2. Die Grundposition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32

3. Die vorausschauende Planung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52

4. Die konkrete Vorbereitung auf den Tag. . . . . . . . . . . . . . .77

5. Die Pre-Routine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .90

6. Der Carving-Schwung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97

7. Die richtige Ausrüstung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

8. Die Pistenbedingungen kennen und darauf reagieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

9. Der Puls der Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

10. Der perfekte Moment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Danksagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

7

1.Die mentale Einstellung

Stärkenorientiert in die Zukunft

Tütü-di-tüü, tütü-di-tüü. Der Wecker läutet, beendet für Norbert die Nacht. Tütü-di-tüü, der Wecker läutet, beendet für Stephanie die Wartezeit. Auf beide wartet nach dem Frühstück das Gleiche: eine Woche Skiurlaub in den Alpen. Norbert und Stephanie kennen sich lange, ewig eigentlich. Ein paar gemeinsame Skitage waren längst wieder einmal fällig. Raus aus dem Alltag, wieder gemeinsam in der Natur etwas erleben, Ski fahren. Quasi: den Flow besuchen. Der geografisch zwar immer woanders ist, aber trotzdem leicht zu finden. Dort, wo sich die eigenen Fähigkeiten und die Schwere der Herausforderung treffen und das eine das andere vielleicht einmal kurz übersteigt oder einen Hauch darunter ist. Dort wohnt der Flow. Mit ihm wollen Norbert und Stephanie ein paar Tage auf der Piste erleben.

Ah ja: Stephanie ist Tischlerin im zweiten Bildungsweg. Jahrelang hat sie als Lohnverrechnerin gearbeitet. Zahlen, Tabellen, Taschenrechner, Listen. Irgendwann war ihr das zu wenig. Sie wollte etwas Konkretes, etwas Haptisches machen, mit ihren Händen etwas schaffen. Und vor allem: Sie wollte sehen, wie ihre Arbeit ankommt und geschätzt wird, wie sie Menschen eine Freude bereitet. Also hat sie eine Tischlerlehre gemacht. Auch im 21. Jahrhundert für Frauen keine ganz

8

gewöhnliche Sache. Aber Stephanie hatte schon immer etwas, das bei manchen Menschen nur sehr schwach oder gar nicht ausgeprägt ist: einen starken inneren Antrieb.

Norbert ist seit Jahren im Außendienst tätig. Leistung und Erfolg haben seit jeher einen großen Stellenwert in seinem Leben. Andere Menschen von einer Sache, einem Produkt zu überzeugen, ihnen im besten Fall damit das Leben zu erleichtern, war das Motiv, mit dem er nach der Matura aufgebrochen ist in die Geschäftswelt. Er verkauft Kopierer und dazu passende Wartungsverträge. Der Alltag hat ihn noch nicht rund geschliffen und abgestumpft. Mit Mitte 30 hat Norbert in einem Alter noch Träume, in dem sich allzu viele schon treiben lassen, von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub, bis endlich zur Pension. Nein, Norbert will etwas werden. In zwei Jahren will er Verkaufsleiter seiner Region sein und in sieben Jahren den nationalen Verkauf leiten. So hat er es auf seinem Karriereplan notiert.

Was die beiden seit der Jugend miteinander verbindet, ist der Sport. Norbert hat vieles ausprobiert, tiefer eingetaucht ist er in keine Sportart. Die Vielfalt ist es, die ihm Spaß macht. Basejumpen, Kitesurfen und Skateboarding faszinie-ren ihn – von außen. Zu gefährlich, um es selbst zu machen. Aber es gefällt ihm zu sehen, wie diese Sportler die Grenzen an Geschwindigkeit und Höhe verschieben. Stephanie ist staatlich geprüfte Skilehrerin. Der Schnee ist ihr Element, darin geht sie auf, da spürt sie sich und das Leben intensiv.

Heute also der erste Skitag. Und nicht einfach ein Skitag. Carving steht auf dem Programm. Als sich Norbert und Stephanie im Herbst in „ihrer“ Bar getroffen haben und ein Gin Tonic den nächsten ergab, hat ihn Stephanie gefragt, ob er eigentlich schon mal gecarvt sei. „Hey, ich hab einen Carving-Ski“, hat Norbert betont cool geantwortet. „Das war nicht die Frage“, hat Stephanie zurückgegeben. „Die meisten

9

rutschen auch mit dem Carving-Ski noch die Piste runter wie früher mit den schmalen Latten.“ Norbert hob die rechte Augenbraue. „Also du meinst, ich kann nicht carven? Na bitte, dann schauen wir uns das an. Wie wär’s mit einer ge-meinsamen Carving-Skiwoche?“ Im Moment, als die Worte seinen Mund verlassen haben, spürte Norbert, dass er selbi-gen doch zu voll genommen hat. Stephanie ist schließlich Skilehrerin. „Gilt. Und dann zeig ich dir, wie man richtig carvt“, hat sie die Sache fixiert. Jetzt ist es so weit und Norbert ist, na ja, nicht begeistert bis in die letzte Faser seines Körpers wie Stephanie. Ski fahren ja, aber so richtig carven? Mit seinem Ski geht das Driften doch besser und das macht er nun doch schon seit 25 Jahren so und was bitte soll daran schlecht sein? Wie gut, dass Stephanie da schon einen Carving-Ski beim örtlichen Skiverleih für ihren Kumpel reserviert hat …

Tütü-di-tüü, tütü-di-zack. Mit der flachen Hand klatscht Stephanie die große Taste am Reisewecker nach unten. Der nervtötende Sound ist beendet. Und mit dem Armschwung, der erst die Taste getroffen hat, drückt sich Stephanie auch aus dem Polster und ist gleichsam mit dem Verstummen des Wecksignals aus dem Bett heraußen. Norbert dagegen ist: wach. Nicht munter. Den linken Arm unter dem Kopf, starrt er an die Zimmerdecke. „Freust dich?“, fragt Stephanie auf dem Weg ins Badezimmer ihren Kumpel. „Mhm“, brummt Norbert als Antwort. „Geh komm, spiel mir nichts vor.“ Ja sagen und Nein meinen. Das drückt dieses „mhm“ aus. Der Blick, die Körperhaltung, wie er sich noch einmal zur Seite dreht und die Decke unters Kinn zieht. „Du brauchst gar nichts sagen. Ich seh dir am ganzen Körper an, dass du mit dem Carving-Ding keine Freude hast“, entlarvt ihn Stephanie. Um es mit dem großen österreichischen Philosophen Paul Watzlawick zu sagen. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“

10

Auch Norbert wird bald bemerken, wie sich seine Grundein-stellung dem Carving gegenüber auf seinen Fahrstil auswir-ken wird – positiv wie negativ.

„Du brauchst gar nichts sagen. Ich seh es dir am ganzen Körper an“ – dieser Satz hallt in Norberts Kopf nach. Hat er ihn doch erst kürzlich über sich ergehen lassen müssen. In der Firma, als es um das neue CRM-System ging. Ärger über dieses neue System und die neuen Verkaufsabläufe in seiner Firma steigt wieder hoch in ihm. Wenn ihm schon in der Freizeit der bloße Zweifel an einer neuen Skitechnik anzu-merken ist, wie müssen seine Kunden dann erst die tiefe Ab-lehnung der Veränderungen in seinem Job spüren? Man kann nicht nicht wirken, würde Paul Watzlawick sagen. Posi-tiv wie negativ. Die Einstellung des Verkäufers gegenüber neuen Werkzeugen, neuen Produkten, neuen Verkaufstech-niken oder neuen IT-Systemen wirkt auch im persönlichen Gespräch mit dem Kunden – positiv wie negativ. Wir haben es also selbst in der Hand, das Verkaufsgespräch mit einer positiven Einstellung auch positiv zu beeinflussen.

Wir sehen es an den beiden und wissen es eigentlich auch ohne sie – die mentale Einstellung ist wichtig, bevor wir in die Seilbahn steigen und auf die Piste gehen. Im wörtlichen Sinn genauso wie im übertragenen. Wer sich mit voller Über-zeugung am Berg abstößt und in die Piste einfährt, dem werden die Schwünge anders gelingen als einem Zauderer – und das sogar bei gleichen Fähigkeiten.

Um Aufträge und Kunden zu gewinnen, braucht es vor allem Überzeugungskraft. Wir sollen den Kunden vom Nutzen unseres Produkts für sein Unternehmen über-zeugen – durch Worte und noch viel mehr durch unser Verhalten. Studien zeigen, dass die eigene Überzeu-gungskraft 50 Prozent des Erfolgs ausmacht! Dazu

11

kommt noch ein sehr großer Anteil Fleiß, der bei rund 40 Prozent liegt und der sich auch im Zusammenspiel von Geben und Nehmen mit dem Kunden ausdrückt. Das Fachwissen allein kommt auf nur 10 Prozent.

Zur richtigen Einstellung gehört auch, das Gelernte ein- und umzusetzen. Was nützen Norbert die Tipps und die Hilfestellung von Stephanie, wenn er das Gelernte mangels Vertrauen in die Trainerin und/oder sich selbst nicht umsetzt und doch wieder rutscht, statt den Ski auf die Kante zu stellen? Nichts. „Mut, mein lieber Norbert, Mut kann man nicht kaufen“, würde Stephanie jetzt sagen. „Über diese erste Schwelle musst du drüber, wenn du etwas Neues ausprobieren und dich verbessern willst.“ Also umgelegt auf den Verkauf: die neue Fragetechnik überzeugt ausprobieren und nicht Angst davor haben, was sich der Kunde denken könnte.

Also raus aus dem Bett. Norbert wälzt sich unter der Decke hervor, schlurft ins Badezimmer, aus dem Stephanie gerade herauskommt. In Skiunterwäsche und in Vorfreude auf den Tag. „Du musst heute nicht der Beste sein, Norbert. Und du musst auch nicht so tun, als ob du der Beste wärst.“ Auch wenn er Unterhose trägt – eigentlich steht der Ver-käufer Norbert jetzt nackt da. Ohne seinen Anzug, der Schutzhülle und Ausweis seines Könnens im Job zugleich ist. Er schlüpft heute nicht in seine Rolle, die er seit so vielen Jahren auf der Verkaufsbühne spielt. Heute ist er unge-schminkt und unverkleidet einfach ein Mann, der sich, unterstützt von einer guten Freundin, auf etwas Neues ein-lassen kann. „Freu dich darauf, etwas ganz Neues zu erleben, auch wenn du nicht ganz genau weißt, wie es sein wird. Vertrau mir.“ Stephanie strahlt und will die Vorfreude mit Norbert teilen. „Freu dich auf deinen ersten geilen Schwung auf der Kante. Lass dich drauf ein, dann haben wir bestimmt

12

einen wunderbaren Tag. Und jetzt komm, ich hab Hunger“, sprach’s und ist schon in die Skihose gehüpft und am Weg zum Frühstück. Da muss auch Norbert das erste Mal an diesem Tag grinsen. „Beneidenswert“, murmelt er noch vor sich hin und als er die Tür ins Schloss zieht, nimmt er sich vor: „Ich lasse mich drauf ein.“

„Weißt“, sagt Stephanie im Stiegenhaus, „der mentale Aspekt entscheidet immer mehr und in allen Bereichen des Lebens zu einem großen Teil mit. Ob das beim Skifahren ist oder wie bei dir beim Verkaufen.“ Norbert nickt. Vom Sport her kannte er das schon, die Parallele zu seinem Job hat er allerdings so noch nicht gesehen. „Die Basics beherrschen viele“, sagt Stephanie. „Um besser zu werden und sich von anderen zu unterscheiden, muss man auch mental fit sein. Und dabei ist es überhaupt keine Schande, wenn man sich Hilfe holt.“ „Ich gehe ja auch mit dir Ski fahren, um besser zu werden“, wirft Norbert ein. „Genau. Aber leider wird Hilfe anzunehmen in unserer Gesellschaft immer noch als Schwäche angesehen. Dabei kann ein psychologisches Coaching den entscheidenden Input geben, auch wenn uns der noch so klein vorkommen mag.“ Stephanie hüpft die letzten beiden Stufen nach unten und Norbert sagt sich im Geiste noch einmal: „Ich lasse mich drauf ein.“

Der mentale Aspekt entscheidet immer mehr und in allen Bereichen des Lebens zu einem großen Teil mit. Ob das beim Skifahren ist oder beim Verkaufen. Die Basics beherrschen viele. Um besser zu werden, um sich von anderen zu unterscheiden, müssen wir auch mental fit und vorbereitet sein. Dabei ist es überhaupt keine Schande, sich Hilfe zu holen. Norbert geht ja auch mit Stephanie carven, weil sie der Profi auf dem Gebiet ist. Ein psychologisches Coaching kann den entscheidenden

13

Input geben, der uns noch so klein vorkommen mag, auf den wir aber selbst niemals gekommen wären. Wir arbeiten doch immer nur an Unterlagen, Prozessen und Kompetenzen, schärfen nach und modifizieren. Aber wer arbeitet schon an der mentalen Stärke? Immer noch wird Hilfe anzunehmen auf diesem Gebiet in der gesamten Gesellschaft als Schwäche gesehen. Völlig zu Unrecht.

Zwischen Espresso und Spiegelei beschleichen den Carving-Novizen dann doch wieder Zweifel. „Ski fahren kann ich ja eh und Spaß macht es mir auch, so wie ich fahre“, startet Norbert wieder einen Versuch, in seiner Komfortzone zu verharren. Überhaupt komme er auch überall runter, wo er das wolle, also quasi: Carving muss ja gar nicht sein, mir reicht eh, was ich kann. „Glaub nicht, dass man nichts tun muss, um sein Niveau zu halten“, fährt ihm Stephanie in die Parade. „Wer nicht mehr trainiert und sich mit dem zufriedengibt, was er kann, der wird irgendwann schlechter werden. Also braucht der Körper immer neue Trainingsreize.“ Und dann holt sie richtig aus zu einem kleinen Vortrag. „Sagt dir die Sigmoid-Kurve etwas? Erst steigt und steigt und steigt die Leistung. Dann aber, einmal früher, einmal später, flacht der steile Anstieg ab und stagniert. Das ist ein Naturgesetz. In der Phase braucht es dann einen neuen Reiz, einen anderen Impuls, einen Richtungswechsel. Schau dir den Hermann Maier an. Der hat diesen neuen Reiz mit dem Ergometer-Training gesetzt und ist unglaublich erfolgreich geworden. Oder beim Hochsprung Dick Fosbury, der mit seinem neuartigen Sprung nicht nur Olympiasieger geworden ist, sondern den Sport revolutioniert hat.“ „Der Fosbury-Flop“, sagt Norbert. „Exakt. Und in meiner Küche hat der Thermo-mix den neuen Reiz gesetzt und meine Kochkurve wieder

14

ansteigen lassen“, sagt Stephanie mit einem Augenzwinkern. Den Ball nimmt Norbert gerne auf. „War das jetzt eine Einladung zum Abendessen?“

Wir sollten also durchaus auch überlegen, wie ein neuer Reiz aussieht oder was am nächsten Tag positiv sein könnte. Wenn Norbert nicht weiß, ob er überhaupt carven will, wird er es auch nicht hinbekommen. Nicht einmal mit Stephanie.

Als sie mit Honig, Schwarzbrot und Orangensaft wieder neben ihm Platz nimmt, will es Norbert einfach wissen. „Sag, hattest du nie Angst beim Skifahren? Nicht einmal vor einer schwarzen Piste?“ Ein Lachen aus voller Kehle lässt erst einmal Fragezeichen im Kopf des Fragenden entstehen. „Natürlich hatte ich Angst, ja was glaubst! Bevor wir das erste Mal die Harakiri im Zillertal gefahren sind, mein Papa und ich, hatte ich die Hose voll“, erzählt Stephanie. 78 Prozent Gefälle sind schließlich nicht ohne. Auch wenn sie damals schon sehr gut gefahren ist. „Mein Papa hat mir dann versichert, dass meine Technik bei Weitem ausreicht, um sicher runterzukommen, und er hat mir erklärt, dass ich fest daran glauben muss, was ich kann. Das hab ich mir dann vorgesagt und mich konzentriert. Und siehe da: Er hat recht gehabt.“

Auf Norberts staunenden Blick bleibt natürlich auch die Gegenfrage nicht aus. „Was machst du denn vor einem wich-tigen, schwierigen Termin? Woran denkst du da? Dass du es nicht schaffst, dass du quasi stürzen wirst, oder daran, dass du ein Profi bist, dessen Technik bei Weitem ausreicht, um das Gespräch zu meistern?“

Hmmmm. Ganz restlos überzeugt ist Norbert auch nach dieser Erzählung noch nicht, da kommt Stephanie mit noch einer Geschichte um die Ecke. „Kannst dich an den Hermann Maier erinnern, wie der sich aus dem Starthaus katapultiert hat? Wie wild der immer dreingeschaut hat, wie überzeugt der von sich war.“ Den nicht einmal der Horrorsturz in der

15

Olympia-Abfahrt 1998 in Nagano aufhalten konnte und der ein paar Tage danach Super-G und Riesenslalom gewonnen hat. „Sicher“, sagt Norbert. „Wer kann sich nicht an den Her-minator erinnern? Da hast ja das Gefühl gehabt, der frisst die ersten Tore, so siegessicher war der.“

Wie schon kurz nach dem Aufwachen dämmert Norbert auch jetzt wieder eine Parallele zu seinem Beruf im Verkauf. Dieser Schlüsselmoment am Start ist vergleichbar mit dem Augenblick, in dem der Verkäufer dem Kunden entgegen-tritt. Schon an der Türschwelle entscheidet sich, ob es Sieg oder Niederlage gibt. Wenn wir entschlossen sind, wenn wir bereit für die Herausforderung sind, dann zeigt sich das auch an unserer Körpersprache. „Erinner dich an den Hermina-tor“, motiviert Stephanie ihren alten Freund. „Glaubst, hat der sich vor dem Start gedacht: ,I waaß net. Kann ich das überhaupt? Mausefalle, muss das sein? Hoffentlich rutsch ich beim ersten Linksschwung net weg.‘“

An der Schwelle zum Kunden richten wir unseren Blick also auf unsere Stärken und Talente und gehen selbstbe-wusst und bewusst den symbolischen Schritt Richtung Konfrontation. Macht man das Gegenteil, lässt also hin-derliche Glaubenssätze aufkommen, ist das Erfolgskiller Nummer eins. „Das wird mir nicht gelingen.“ „Ich bin nicht gut genug.“ „Das Produkt ist zu teuer.“ Stopp! For-mulieren wir diese Glaubenssätze in Positivsätze um: „Ich bin wissend, kreativ.“ „Ich bin vom Mehrwert meiner Produkte überzeugt.“ „Ich komme gut an mit meinem Stil und meiner Art.“ „Dieses Unternehmen werde ich als Kunden gewinnen.“

Damit wirst du vielleicht noch nicht mit dieser Spannung, der Entschlossenheit, ja geradezu positiven Aggressivität eines

16

Hermann Maier aus dem Starthaus springen, aber deutlich überzeugender.

Ein letzter Schluck Kaffee noch, dann soll es losgehen. „Klingt spannend, dein Beispiel mit dem mentalen Ansatz, nicht nur für heute, sondern auch für meinen Job. So weit hab ich noch nie gedacht, eigentlich. Wie machst du das konkret vor einem wirklich, wirklich steilen und eisigen Hang, der auch für dich eine Herausforderung ist? Was geht dir da durch den Kopf?“ Also noch ein Espresso und dann die Antwort. „Ich visualisiere mir den Hang, schließe die Augen, fahr ihn in Gedanken durch, wiege dabei mit dem Körper jeden Schwung mit. Du könntest also das bevorstehende Gespräch in Gedanken durchspielen, Frage – Antwort, was sagst du, was der Kunde. Zweitens: Ich bereite mich auf Schlüsselpassagen so vor, dass ich sie blind fahren könnte.“ „Das könnten bei mir die Einwände des Kunden sein“, sagt Norbert. „Ich könnte mir ja einmal einen halben Tag Zeit nehmen und mich so richtig intensiv auf solche Dinge vorbereiten und Routinen entwickeln.“ Stephanie nickt. „Drittens denke ich an meine Stärken. Kennst du denn deine Stärken, Norbert? Und wie oft denkst du daran?“

Denke vor einem Meeting an deine Stärken, daran, was du schon alles erreicht hast. Daran, was dich zu einem Top-Verkäufer macht und was dein Gesprächspartner vermissen und was ihm entgehen würde, wenn er nicht mehr mit dir zusammenarbeitet.

„Viertens hab ich auch ein eigenes Ritual entwickelt“, fährt Stephanie fort. „Ich mach mir dann immer alle Schnal-len bei den Skischuhen von Neuem zu. Und ich richte mir die Brille. Immer. Das hab ich mir bewusst angewöhnt und danach bin ich bereit und freue mich auf die Challenge.“ „Das könnte bei mir die Musik im Auto sein, oder dass ich die Krawatte noch einmal neu binde, oder?“

17

Hab Freude an der Kommunikation und entwickle ein Ritual, das dir zeigt: Ich bin bereit. Hier und jetzt. Das kann ein aktiver Schritt ins Geschäftslokal sein oder ein kräftiges Durchatmen, bevor du zum Telefon greifst. Handle so, als wäre ein Scheitern unmöglich.

„Ich gebe mein Bestes, das in dieser Situation möglich ist“, sagt Stephanie schon im Stehen. „Ich lasse mich voll auf die Situation ein und natürlich auf meine Technik, den Carving-Schwung und das Material. Also, Norbert, bist du heute dabei? Weil, wenn du dich auf die Carving-Technik nicht einlässt, wirst du nie wissen, wie viel Spaß und Freude das machen kann“. „Ja, ich bin dabei“, sagt Norbert. „Es ist doch im Job auch so: Wenn du dich nicht auf die neue Verkaufstechnik einlässt, hast du mehr Stress, aber weniger Freude und vor allem: weniger Aufmerksamkeit des Kunden“, fährt Stephanie fort. „Am Ende des Tages bedeutet das dann auch weniger Erfolg“, sagt Norbert. Wenn sich Norbert heute nicht auf die Carving-Technik einlässt, wird er nie wissen, wie viel Spaß und Freude er damit haben könnte. Wenn wir uns als Verkäufer nicht auf die neueste Verkaufstechnik einlassen, zahlen wir den Preis durch mehr Stress, weniger Freude und weniger Aufmerksamkeit des Kunden und am Ende der Spirale bedeutet das weniger Erfolg.

Der eigene Wille und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, ist die Grundvoraussetzung für ein wirkungsvolles Arbeiten in der neuen Verkaufswelt. Wer sich einlässt, kann und wird scheitern. Wer sich nicht einlässt, erlebt natürlich keine Niederlagen, aber auch keine einzige Chance auf einen neuen Erfolg. Natürlich ist es mit der Willenskraft, neue Technologien und neue Fragetechniken anzuwenden, allein nicht getan. Natürlich wird sich zu Beginn zunächst eine Verschlechterung einstellen. Norbert wird das auch merken,

18

wenn er vom Parallelschwung das erste Mal versucht, auf der Kante zu fahren. Das wird nicht in der Sekunde mehr Spaß und Erfolg bringen. Erst durch Üben, Ausprobieren und Optimieren entwickeln sich Routinen und Automatismen, die einen Vorteil bringen.

Ja, es braucht einen bewussten Schritt aus der Komfortzone heraus, der wahrscheinlich auch mit Ängsten verbunden ist. Aber ohne diesen Schritt kommen wir nicht in die Lern- und schon gar nicht in die dahinterliegende Wachstumszone. Norbert wird sich überwinden müssen und vielleicht bei den ersten Carving-Schwüngen ein wenig Angst empfinden. Aber diese Angst macht ihn wachsamer, konzentrierter und bringt ihn weiter.

„Aber es geht nicht alles von jetzt auf gleich“, sinniert Stephanie. „Der Erfolg fällt nicht vom Himmel wie der Schnee im Winter. Erfolg ist ein langer, harter Weg. Wer wüsste das besser als ich?“ Nach Jahren in der Lohnverrech-nung hat sich Stephanie im Alter von 30 Jahren noch einmal komplett neu orientiert. Raus aus der Komfortzone, raus aus dem Büro. „Von null weg eine Tischlerlehre anzufangen, nur weil ich mir das eingebildet hab, war nicht leicht.“

„Na ja“, meint Norbert, „du warst halt immer schon der klassische Siegertyp.“ Stephanie zuckt mit den Schultern. „Siegertyp, was heißt das? Wenn du damit meinst, dass ich einen Plan hatte und den Antrieb, die mentale Stärke, ihn um-zusetzen, dann ja, dann bin ich das vielleicht. Ich hab einfach immer schon leidenschaftlich gern mit Holz gearbeitet. Ob das Wanderstecken waren, die ich mit meinem Vater von einem Haselnussstrauch geschnitten hab, oder Laubsägearbei-ten oder einfach nur mit dem Taschenmesser auf einem Stück Holz herumschnitzen. Diese Leidenschaft war immer da und sie ist es noch.“ Norbert nickt. „Und du hast eine bewunderns-werte Selbstdisziplin und redest dich nie auf andere aus.“

19

Dann erzählt sie noch von ihrer Oma, zu der sie aufgeschaut hat. „Wie die sich nach dem Krieg als alleinerziehende Mutter eine Existenz aus dem Nichts aufgebaut hat – das war beacht-lich. Man kann sagen: Meine Oma ist mein Idol. Und ich wollte es halt unbedingt schaffen, Tischlerin zu werden, für Menschen etwas erschaffen, nach ihren Wünschen, das ihnen Freude bereitet. Ich wusste: Die grundlegenden Fähigkeiten dazu habe ich.“

Verkürzt gesagt kann man die oft zitierte Siegermentali-tät an fünf Punkten festmachen: Leidenschaft, Vorbildrolle, Umsetzungsstärke, Willensstärke und Potenzialbewusstsein.

Es braucht den Spaß und die Freude am Tun. Vorbilder vermitteln positive Energie, leben einen gesunden und ehrli-chen Umgang mit Fehlern und versuchen, sie sich zunutze zu machen. Dazu kommt die Umsetzungsstärke, für die es Selbstverantwortung, Fleiß, Taktik, Geduld und Struktur braucht. Natürlich ist auch der Wille essenziell, sich zu moti-vieren und immer neue Ziele zu setzen. Und nicht zuletzt muss man auch sein Potenzial richtig einschätzen können.

Die Luft ist klar und kalt, als die beiden aus dem Hotel treten. Ein paar Schritte zu Fuß sind es noch bis hinüber zum Skiverleih. „Welchen Ski möchtest du heute fahren?“, fragt Stephanie. „Pfffff“, antwortet Norbert, „was weiß ich? Du bist die Expertin!“ Als ob sie auf diese Antwort gewartet hätte, breitet Stephanie ihrem Kumpel einen Fächer an Möglichkei-ten auf. „Willst du weiterrutschen wie bisher, stornieren wir den Ski. Willst du lange, weite Schwünge mit viel Tempo fahren, rate ich dir zu einem Riesenslalom-Ski. Soll es auch ins Gelände gehen und nicht nur auf die Piste, wäre ein All-Moun-tain-Gerät das Richtige. Und für kurze, schnelle Schwünge mit kleineren Radien nehmen wir einen Slalom-Carver. Der dreht leicht und lässt dich trotzdem die Fliehkräfte spüren.“ „Hmmmm“, kommt es da wieder lang gezogen von Norbert.

20

„Die Qualität deiner Ziele bestimmt die Qualität deiner Zukunft“ – wer sagt das zu wem? Stephanie zu Norbert, dem Skifahrer, oder zu Norbert, dem Verkäufer. Erraten. Beides ist richtig.

„Auf welchem Niveau willst du Ski fahren? Weiterrutschen wie bisher, sicher überall runterkommen oder richtig auf Zug fahren, mit dem Gelände spielen und in jeder Situation und auf jeder Piste die volle Kontrolle haben?“

Verkäufer stehen jeden einzelnen Tag im Wettbewerb. Es gilt, sich durchzusetzen, besser zu sein als die ande-ren. Wie Skirennläufer, die nicht nur mit einer soliden Leistung im Mittelfeld landen, sondern gewinnen wollen. Hast du dir schon mal die Frage gestellt, auf welchem Niveau du fahren möchtest oder auf welchem Niveau deine Kunden agieren?

Die Antworten auf diese Fragen haben Auswirkungen auf unsere Fertigkeiten und damit auf das Training. Wollen wir auf höchstem Niveau agieren, braucht es Perfektion im Tun.

Wenn Norbert mit Stephanie mithalten will, muss er viel trainieren, die Einstellung verbessern, die Technik verbessern, sich ins Materialthema vergraben, den Schwung verbessern. „Und du musst immer dranbleiben. Das ist wie mit den Muskeln. Use it, or lose it. Benütze oder verliere sie.“

„Ski gefahren bin ich immer ganz gut“, erzählt Stephanie. „Aber halt einfach so, nur drauflos. Das war