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Placebo wurde lange als Messfehler oder unangenehmes Phänomen diskutiert. Durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse hat sich das geändert und man heute davon ausgehen, dass 30-70% manchmal sogar bis zu 100% der Effekt auf den Placebo Effekt zurückzuführen ist. Auch der Gegenspieler Nocebo spielt eine große Rolle, nicht nur beim Lesen von Nebenwirkungen, sondern auch beim Erlernen. Auf unbewusste und bewusste Art laufen Erwartungen im lymbischen System ab, beeinflusst auch von Stress, Motivation und Belohnung. Wie kann man also die positiven Effekte nutzen und negative Effekte vermeiden im Bereich Gesundheit, Lernen, Sport. Diese Fragen werden in diesem Buch diskutiert und eingebettet in wissenschaftliche Erkenntnisse, verbunden mit praktischen Beispielen.
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Seitenzahl: 72
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Der Placebo Effekt
Kann Glaube Berge versetzen?
Autorin: Mag. Carin Partl
Verlag: FQL Publishing, München
Buch: IISBN 978-3-947104-90-1
eBook: ISBN 978-3-947104-91-8
Buchreihe: GEHIRN-WISSEN KOMPAKT
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Danksagung
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die das Schreiben dieses Buches unterstützt und ermöglicht haben. Als erstens gilt mein Dank meinen Eltern, im Besonderen meiner Mutter, die mir dies überhaupt ermöglicht hat.
Einigen Referenten der AON-Akademie gilt auch mein besonderer Dank: Prof. Esch hat mich beispielsweise auf Ted Kaptchuk und die Open Label Studien aufmerksam gemacht, Prof. Bühel hat mir empfohlen, Studien von Ulrike Bingel zu lesen und Prof. Roth hat mich auf die Therapeutische Allianz aufmerksam gemacht und mit seiner Unterstützung einen großen Beitrag dazu geleistet schon im Vorfeld, Feedback zu bekommen.
Meinen Jungs, meinem Partner und meinen Freunden gilt auch ein großer Dank, da ich besonders in der Zeit der Recherche und des Verfassens des vorliegenden Buches wenig Zeit für sie hatte.
Über dieses Buch
Placebo kennen wohl die meisten im Zusammenhang mit der Medikamentenforschung und für viele war es über lange Zeit ein leidiges Problem und lediglich ein „Messfehler“.
Der Mediziner Henry Beecher verwendete als Chirurg im ersten Weltkrieg aus der Not heraus Kochsalzlösung statt Morphin bei einem verwundeten Soldaten, weil eben kein Morphin vorhanden war. Die verblüffende Wirkung ermunterte Beecher weiter in diesem Gebiet zu forschen. Heute wissen wir, dass allein die Erwartung auf eine Behandlung schon positive Effekte bei Patienten haben kann.
Im deutschen Sprachraum hat sich Prof Dr. Ulrike Bingel mit ihrem Team einen Namen gemacht und in den USA ist es v.a. Prof. Dr. Ted Kaptchuk, der mit seinen Open Label Studien für viel Verblüffung gesorgt hat.
Trotzdem ist für viele Placebo immer noch rein subjektives Empfinden. Dank moderner Bildgebungsverfahren wissen wir heute, dass die Effekte auf mindestens drei Stufen ansetzen: auf der Ebene des Rückenmarks, weiter die Orte positiver Erwartung also Belohnungssysteme und auch in der wichtigsten Kontrollinstanz der Großhirnrinde.
Der Nocebo Effekt darf hier natürlich auch nicht unerwähnt bleiben, die Angst vor etwas, also eine negative Erwartung kann v.a. im Kontext von Beipackzetteln, eventuelle Risiken bei Operationen zu teils gefährlichen Reaktionen führen.
Als Psychologin ist es mir in diesem Buch natürlich auch ein Anliegen psychologische Theorien/Aspekte hineinfließen zu lassen, die Kognition, das Lernen, die Konditionierung und der Effekt der Selbsterfüllenden Prophezeiung.
Im Volksmund spricht man davon, dass Glaube Berge versetzen kann, ist das neurowissenschaftlich begründbar?
Der Placebo Effekt ist neben der medizinischen Anwendung bei der Medikamentenvergabe, auch beim Regulieren des Schmerzempfindens und der Reduzierung von Angst und auch anderen „praktischen“ Anwendungen wie zum Beispiel im Sport von Bedeutung.
Daher empfiehlt sich ein interdisziplinärer Zugang und eine wissenschaftlich fundierte Anwendungspalette zum Wohle der Menschen Wie das aussehen könnte, wird im Resümee diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Über dieses Buch
1. Einleitung
2. Placebo Begriff
2.1. Definition des Placebo Begriffes
2.2 Definition des Nocebo Begriffs
2.3 Die therapeutische Allianz – neurobiologisch betrachtet
2.4 Mind-Body Medizin
2.5 Die Macht der Autoregulation
3. Die Geschichte des Placebo
3.1 Placebo-Geschichte und Forschung
3.2 Placebo Begriff im Alltag und in der Praxis
4. Psychologische Aspekte – Kognition und Lernen
4.1 Kognition
4.2 Assoziatives Lernen - Konditionierung
4.3 Die neuronale Plastizität und das Lernen
5. Placebo aus neurowissenschaftlicher Sicht
5.1 Das Limbische System
5.1.1 Die untere limbische Ebene
5.1.2 Die mittlere limbische Ebene
5.1.3 Die obere limbische Ebene
5.2 Das Belohnungssystem – Aktivierung von Motivation
5.3 Das Bindungssystem – die Rolle von Oxytocin
5.4 Das Stressverarbeitungssystem
5.5 Das interne Beruhigungssystem
5.6 Das interne Bewertungs- und Motivationssystem
5.7 Wo Scheinmedikamente wirken
5.8 Hypothese
6. Mechanismen der Placebo Antwort
6.1 Die Placebo Analgesie – Reduktion des Schmerzes durch Placebo
6.2 „Emotionale“ Placebos – Angstlöser und Anti-Depressiva
7. Anwendungsmöglichkeiten von Placebos - Nocebos
7.1 Anwendung in der Medizin
7.1.1 Placebos als Wirkstoffverstärker
7.1.2 Das Arzt-Patienten-Gespräch – die Macht der Sprache und der richtigen Wortwahl
7.1.3 Placebos offen geben
7.1.4 Placebo Effekt trainieren
7.1.5 Nocebo-Effekte vermeiden
7.1.6 Die Wirkung von Farben und Größen und teuer oder billig
7.2 Anwendungen von Placebos im Sport
8. Zusammenfassung
9. Resümee
10. Anhang
11. Abbildungsverzeichnis
12. Literatur- und Quellenangaben
13. Glossar
14. Persönliche Notizen
15. Nachwort
Über die Autorin
1. Einleitung
Placebo kennen die meisten im Zusammenhang mit Medikamententests als unerwünschten Messfehler oder als vermeintliches Hirngespinst. Wir wissen heute, dass die Effekte messbar sind, vor allem die bildgebenden Verfahren liefern hier beeindruckende Ergebnisse.
In diesem Buch will ich zunächst von einer Definition über Placebo und natürlich auch seinem „Gegenspieler“ dem Nocebo Effekt, einen Bogen spannen vom vermeintlichen Messfehler zum erwünschten Effekt. Dabei kommen auch die therapeutische Allianz, die Mind-Body-Medizin und die Autoregulation zur Sprache.
Abb. 1: Das Mysterium Gehirn
Die Geschichte der Placebo Forschung mit ihren Ursprüngen und dem ersten Pionier Henry Beecher werden ebenfalls Thema dieses Buches sein. Psychologische Aspekte wie die Kognition, das Lernen, die Konditionierung sind ebenfalls wichtige Aspekte, die hier Eingang finden werden.
Im Kapitel Placebo aus neurowissenschaftlicher Sicht werden das Limbische System beschrieben und in weiterer Folge das Belohnungssystem, das Bindungssystem, das Stressverarbeitungssystem, das Beruhigungssystem, das interne Bewertungssystem. Die Hypothese beruht auf der Erwartungshaltung und der damit verbundenen Ausschüttung von Dopamin und in weitere Folge von Opioiden. Die Anwendung des Placebo Effektes und auch Nocebo Effektes in der medizinischen Praxis und auch in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient sind Themen, die von praktischer Bedeutung sind.
Wie man den Placebo Effekt trainieren kann, welchen Einsatz als Wirkstoffverstärker möglich sind, runden den medizinischen Part ab. Ein kleiner Ausflug in den Bereich Sport und seine Möglichkeiten im Umgang mit Placebos ist ein praktischer Bereich abseits der Medizin.
In der abschließenden Zusammenfassung und im Resümee werden die wichtigsten Punkte nochmals zur Sprache kommen und möglicher Einsatz und auch Grenzen von Placebos andiskutiert werden. Inwiefern diese neurowissenschaftlichen Aspekte in der Praxis zur Anwendung kommen und was davon schon umgesetzt wird, wird in der Folge diskutiert werden. Auch die therapeutische Allianz hat in diesem Zusammenhang Relevanz.
2. Placebo Begriff
2.1 Definition des Placebo Begriffes
Placebo, lat. „ich werde gefallen“, ist laut Wikipedia ein Scheinmedikament, das keinen Wirkstoff enthält und zum Zwecke medizinischer Studien im Rahmen von Kontrollgruppen im Vergleich zu Medikamenten zum Einsatz kommt. Geht es dem Patienten besser trotz Scheinmedikament und schneidet das Scheinmedikament im Vergleich zum echten wirkungsvollen Medikament besser oder gleich gut ab, so darf das wirkstoffreiche Medikament in der Pharmazie nicht zugelassen werden, denn es hat dann nur eine zufällige Heilungswirksamkeit. Diese Prozedur wird in der Medizin und der Pharmazie zu Forschungszwecken angewandt.
Abb. 2: Placebo Effekt
Ein Placebo Effekt tritt dann auf, wenn es dem Patienten besser geht trotz wirkungsloser Medikation. Der Placebo Effekt tritt auf, ob die Patienten um das Scheinmedikament wissen oder nicht (Frank, 1985).
Doch eigentlich stammt der Begriff aus der kirchlichen Liturgie „Placebo Domino“ und meint, „ich werde dem Herrn gefallen“. Dies stammt aus dem Psalm 16 der Totenmesse. Die Angehörigen sangen zum Troste, um den Verlust des geliebten Menschen besser überstehen zu können. Im Mittelalter wurde zunehmend das Seelenheil den Experten gegen Geld überlassen und damit ging diese ursprüngliche Bedeutung verloren (vgl. Tischer, 2009).
Die Wirkung des Placebo Effektes wird heute durch psychosoziale Mechanismen erklärt. Die therapeutische Allianz ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, als Konstrukt für die Beziehung zwischen Arzt/Therapeut und Patient, ursprünglich ein Konzept der Psychoanalyse. Diese therapeutische Allianz dient auch als Erklärung für von medizinscher Seite nicht als wirksam bezeichnete Therapien wie z.B. Homöopathie.
Die Erwartungen, die Motivation, das Umfeld spielen ebenfalls eine Rolle beim Entstehen des Placebo Effektes. Die Methoden mit denen ein Arzt, Therapeut oder Versuchsleiter arbeiten, scheinen relativ bedeutungslos zu sein, das Vertrauen in diese Person ist ausschlaggebend für die Wirkung (vgl. Esch 2018, der Selbstheilungscode).
2.2 Definition des Nocebo Begriffs
Abgeleitet vom lateinischen „nocere“ bedeutet der Begriff „schaden“. Also nocebo „ich werde schaden.“ Laut Wikipedia beschreibt der Nocebo Effekt eine negative gesundheitliche Wirkung nach der Verabreichung eines Medikaments oder Therapie. Der Nocebo Effekt meint demnach die negativen Auswirkungen einer negativen Haltung oder Erwartung. Besonders häufig tritt der Effekt in sogenannten Doppelblind Studien auf, bei denen die Patienten detailliert über etwaige Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Der Internist Dr. Winfried Häuser spricht sogar von „der dunklen Seite der menschlichen Einbildungskraft“ (vgl. deutsches Ärzteblatt, JG 110, Okt. 2013).